Ideology cover
Autor Andrew Parks
Verlag Z-Man Games
erschienen 2003
Spielerzahl 2-5
Spielzeit 90 Minuten

Ideology

rezensiert von Walter Sorger

Eigentlich wollte ja Moritz die Rezension zu diesem Spiel schreiben. Dann mußte er für einige Wochen nach Kuala Lumpur um den Publikumspreis im "Malaysian Philharmonic Orchestra International Composers"-Wettbewerb entgegen zu nehmen. Inzwischen ist seine künstlerisch-kreative Kapazität für das nächste Jahrzehnt ziemlich ausgebucht, so daß ich ihn entlasten und diese Spielkritik mit seinen Gedanken und Worten formulieren möchte. Hier sind sie.

Die Szene dürstet ja nicht gerade nach neuen Spielen dieser Thematik. Bis jetzt gibt es sicherlich knapp hunderttausend Spiele, die Themen aus dem 3. Weltkrieg behandeln (und natürlich ebenso zahllose Computerspiele). Am Anfang des Wargame Booms war noch das legendäre "Vom Winde verweht" Vorbild für die epischen aber auch legendär unausgegorenen Kampfwürfelspiele. Mit "Ideology" trat Z-Man-Games als eine der einflußreichsten unabhängigen amerikanischen Spielefirmen ("Camelot Legends") aufs Parkett.

Es ist bekannt, daß dies eines meiner (Moritz) Lieblingsspiele ist. Doch nur mit Mühe gelingt es mir ab und zu, unsere geschmäcklerische Gruppe zu einem kultigen "free for all" Chaosspielchen zu überreden. Hier waren alle gespannt auf dieses neue und ambitionierte Spiel von Andrew Parks, das weniger auf Macht und Militär als vielmehr auf Interessenkonflikte und tragische Charaktere setzt. Ein tolles, riesiges Spielbrett leitet den neuen Trend in den USA ein. Jeder Spieler symbolisiert eine der beherrschendsten Ideologien des 20. Jahrhunderts: Kapitalismus, Kommunismus, Faschismus, Imperialismus und Islamischer Fundamentalismus. Jede Ideologie ist bestrebt, beginnend von einer Startregion, ihren Einfluß (kulturell, ökonomisch, und militärisch) in die noch unabhängigen Regionen auszudehnen. Sobald ein Spieler das globale Einfluß-Niveau von 12 erreicht hat, ist das Spiel beendet und der Sieger wird ermittelt.

Der Spielablauf besteht hauptsächlich aus dem Spielen verschiedener Einfluß-Karten, um Regionen unter die eigene Kontrolle zu bringen, um ihren Ausbau zur Stabilisierung der Machtbasis zu betreiben oder um Konflikte in fremden oder unabhängigen Regionen anzuzetteln und erfolgreich auszutragen.

Wie spielt sich das Ganze nun? Zuallererst muß man sagen, daß es sich hier um ein Wargame im Stile von "Diplomacy" und "Risiko" handelt. Auch wenn man die Welt nicht kennt, wird doch sehr viel Atmosphäre vermittelt. Kingmakertum, Bündnisse und plötzlicher Bündnisbruch sind gang und gäbe. Es ist nicht allzu kompliziert und allenfalls ein bißchen glücksabhängig. Doch die Würfel (in Form von Aktionskarten [ah]) bringen mit ihrem eleganten Kampfsystem weniger ein Zufallselement als vielmehr nur die gewünschte Unschärfe ins Spiel. Es ist kein Spiel für gewiefte Taktiker, dafür aber ein sehr unterhaltsames und kommunikatives Gruppen-Erlebnis, das manche begeistern wird. Kein absoluter Klassiker, aber einen Versuch wert.

Ideology board

Auch soll die historische Bedeutung von "Ideology" nicht unterschätzt werden - immerhin ist es das erste Kriegspiel, das Ideologien als variable Motivationselemente einsetzt.

Zum Schluß noch ein paar eigene Walter-Worte zum Eindruck unserer Session:

Das Spiel ist ein rechtes Kriegsspiel. Jeder schlägt auf jeden drauf, vor allem natürlich auf die Schwächeren. Von Herstellung und Design her ist es selbstverständlich, daß der ordnungsstiftende Einfluß der USA an allen Orten der Welt stärker ist als gewachsene Bindungen innerhalb der dritten Welt. Ich war Führer der islamischen Ideologie mit Kernland Iran, und mir war nicht zu vermitteln, warum ich z.B. meinen allernächsten Nachbarn Afghanistan nicht vom ersten Augenblick an unter meine ideologische Kontrolle bekommen sollte.

Die USA unter Präsident Maurice setzten sich sofort hier fest und verhinderten mit ihrer ökonomischen Präsenz jeglichen Erfolg meiner Mullahs. Aber sie unterschätzten meinen Opfermut und Fanatismus. Als Ajatollah Walter galt mein ganzes Streben, mein Nachbarland aus den Klauen des Bösen zu befreien, koste es was es wolle. Völlig gelang es mir nicht. Aber ich konnte die oberchristliche Militärmacht ganz schön unter Druck setzen. Sie mußte immer wieder neue Truppen in das Unruhegebiet schicken, während der englische Imperialismus und der deutsche Faschismus ungestört ihre Positionen ausbauten und am Ende den Sieger allein unter sich ausmachen konnten.

Das nächste Mal - falls es wieder eines geben sollte - werden es sich die USA wohl überlegen, ob sie sich ein so abwegiges Land wie Afghanistan einfach so unter den Nagel reißen wollen. Fanatismus und Terrorismus wird nicht beseitigt, indem man ihn mit gleichen Mitteln zu auszumerzen versucht. Märtyrer sind der Same der Kirche. Jeder Kirche.

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