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Autor Stefan Dorra
Verlag F.X.Schmid
erschienen 1994
Spielerzahl 3-5
Spielzeit 75 Minuten

Intrige

rezensiert von Walter Sorger

"Intrige" ist nach dem deutschen Wörterbuch eine "heimliche, hinterlistige Machenschaft, durch die man sein Ziel zu erreichen sucht". Nach diesem Wortsinn hat das Spiel "Intrige" geradezu sein Thema verfehlt. Hier ist nichts heimlich, sondern alles öffentlich; hier gibt es keine Hinterlisten sondern nur vordergründige Versprechungen und Drohungen; es gibt auch keine "Machenschaften" im Sinne von handeln und tun, hier geht es eher um aussitzen und abkassieren.

"Postenschacher" ist eine treffendere Charakterisierung des Spiels. Zu "Schacher" schreibt das DWDS: "Handel, bei dem sehr gefeilscht wird, unsauberer Handel, mit dem man großen Gewinn erzielen will." Genau das ist "Intrige".

Jeder Spieler hat jeweils 5 verschiedene Ämter an seine Mitspieler zu vergeben. Die Ämter sind mit unterschiedlichen Einnahmen dotiert, sie bringen 10-, 20-, 30-, 50- oder gar 100-Tausend Dukaten pro Runde ein. Man bewirbt sich um einen Posten, indem man einen Pöppel in den Vorgarten des Mitspielers legt und ihm dazu eine beliebige Summe Bestechungsgeld rüberschiebt. Ob der Mitspieler die Höhe des Bestechungsbetrages honoriert und den fremden Pöppel zum Spitzenverdiener macht, oder ob er das Geld einstreicht und den Pöppel lediglich in die Hofkolonne steckt, das liegt im freien Ermessen des Mitspielers.

Hat ein Pöppel einen mehr oder weniger lukrativen Posten bekommen, ist der ihm noch längst nicht sicher. Ein anderer Mitspieler kann einen eigenen, gleichartigen Pöppel in den Vorgarten legen und damit den Posten streitig machen: einer der beiden Pöppel muss weichen und scheidet aus. Die Lösung des Konfliktes wird ebenfalls über Bestechungsgelder eingeleitet: die beteiligten Spieler überreichen dem Hofeigentümer wieder eine beliebige Geldsumme und hoffen, damit ihn damit für sich gewogen zu stimmen. Doch wie schon bei der Erstbesetzung der Posten braucht sich diese nicht um die Höhe der Bestechung zu scheren, sondern er kann willkürlich einen Spieler auf den Posten setzen bzw. dort belassen und den anderen in den Orkus schicken.

Natürlich sollte man dem Mitspieler die Postenvergabe nicht zu einfach machen. Stillschweigend das Geld zu übergeben, auf angemessene Gegenleistung zu warten und hinterher zu jammern, wenn man schlecht weggekommen ist, mag zwar bieder-brave Gemütsart sein, für "Intrige" taugt das überhaupt nicht. Die Spielregel selbst beschreibt das begleitende Szenario - leider erst auf der letzten Seite - unter Tips: "Bittet, droht, nervt, hetzt, fleht, verlangt, erwartet, argumentiert, opportuniert, wo Ihr nur könnt - Hauptsache, es wirkt in Euerem Sinne." Mit diesem Satz ist der konzipierte Spielablauf von "Intrige" umfassend beschrieben. Für wen diese Tätigkeiten mentaler Alltag ist, der wird sich hier zu Hause fühlen. Wer von dieser Krämer-Mentalität abgestoßen wird, - und ich muß gestehen, daß ich zu dieser Spielerkategorie gehöre - der kann dem Spiel nicht viel abgewinnen.

Für uns WPG-ler möchte ich hierbei nur mal kurz an den Entwurf eines WPG-Kodex erinnern: "Außer Alle erlauben es ausdrücklich vor einem Spiel, sollten keine Kommentare zur Platzierung der Mitspieler und der eigenen Platzierung während des Spiels fallen. Die Kommunikation beim Spiel sollte sich allein auf Regelfragen und neutrale Spielkommentare beschränken." Selbstverständlich gehört "Intrige" zu den Spielen, bei denen hiervon eine Ausnahme gemacht werden muß.

Wenn das Spiel erst mal eingeschwungen ist, wenn die Spieler sich gegenseitig die guten und schlechten Posten zugeschustert haben und darüber Allianzen eingegangen sind, - jeder steht ja vor dem gleichen Problem, seine Pöppel gut unterzubringen - , dann sind die Abläufe berechenbarer geworden. Dann weiß man, bei welchen Mitspielern man noch landen kann und wo man nur Perlen vor die Säue wirft.

In dieser Phase ist der ganze Spielablauf aber auch schon ziemlich festgefahren. Die gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnisse lassen kaum einen Ausbruchsversuch zu. Ein beneideter Krösus muß zwar immer damit rechnen, schlagartig von allen guten Geistern verlassen zu werden, doch setzt dies eine überzeugende Absprache unter den Gegnern voraus, und die kann nur ein fähiger Demagogen in Gang setzen. Schließlich darf er ja nicht zeigen, daß es ihm im Grunde nur um die eigenen Interessen geht.

Ein bemerkenswerter Aspekt von "Intrige" ist die psychologische Analyse der Mitspieler. Natürlich erst hinterher, wenn das Spiel gelaufen ist und man sich die Ergebnisse noch mal durch den Kopf gehen läßt.

1) In unserer Runde fing ich als Senior an und engagierte mich bei meinen linken Nachbarn Loredana und Peter. (Es war ein kleiner strategischer Fehler, denn auch wenn das Herz links schlägt, sollte man sich rechts orientieren, weil da die Zeitspanne zwischen Investition und Rendite am kürzesten ist!)

Als Loredana mein Bestechungsgeld kassieren durfte, schob ich ihr 40.000 Dukaten hin. Immerhin das vierfache der kleinstmöglichen Summe. Was sagt das über mich?

2) Loredana stellte meinen Pöppel auf den schlechtesten Platz. Was sagt das über sie?

3) Als Peter am Zug war, bot er mir sofort einen guten Deal an: Er würde mich für die geringste Geldsumme auf seinen höchst-dotierten Posten stellen, wenn ich umgekehrt seinen Pöppel genauso auch bei mir positionieren würde. Ein sehr gutes bilaterales Angebot, das ich sofort annahm. Was sagt das über Peter:

4) Aaron schaffte umgehend einen entsprechenden Deal mit Loredana herbei. Später verbandelte er sich auf dem zweitbesten Posten auch noch mit Peter und mit mir. Nur von Roland sackte er gruß- und gnadenlos die Bestechungsgelder ein. Was sagt das über ihn:

5) Roland war das fünfte Rad am Wagen: Die Partnerschaften waren gelaufen. Er investierte unverdrossen hohe und höchste Summen in alle Richtungen, fand aber kein liebendes Haus, das sich ihm öffnete. Auch eine leibhaftige Aphrodite hätte jetzt nur schwer Überläufer animieren können. Was sagt das über Roland:

Hallo Peter, ich würde ja allzu gerne noch mal sehen, wie du in dieser undankbaren fünften Position das Ruder zu deinen Gunsten herumgerissen hättest. Ich weiß selber nicht, wie es gehen sollte, aber dir traue ich zu, daß zu es gekonnt hättest. In meiner heutigen Stimmung das einzige Motiv, noch mal "Intrige" auf den Tisch zu bringen.

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