cover
Autor Reiner Knizia
Verlag Parker Brothers
erschienen 2006
Spielerzahl 2-4
Spieldauer 45 Minuten
Wertung pic pic pic pic pic pic pic pic pic pic

Tal der Abenteuer

rezensiert von Walter Sorger

Das Spiel ist unschuldig. Es hat ein ordentliches Spielbrett, vier Holzpöppel in den satten Farben rot, grün, gelb und blau, stabile Spielkarten, rundes Münzgeld und funkelnde Diamanten aus Glas.

Die vier Pöppel, "Abenteurer" genannt, werden auf ein gemeinsames Startfeld gestellt und müssen über ein Wegelabyrinth zum Ziel bewegt werden. Die Pöppel gehören niemandem, jeder Spieler darf mit ihnen ziehen. Hat der erste Pöppel das Zielfeld erreicht ist das Spiel zu Ende und der Sieger wird ermittelt.

Zum Bewegen der Pöppel bekommt jeder Spieler bei Spielbeginn elf zufällige Bewegungskarten ausgeteilt, auf denen Schrittweiten von 1 bis 3 in den vier Pöppelfarben oder in einer Jokerfarbe aufgedruckt sind. Spielt ein Spieler z.B. eine rote Bewegungskarte der Schrittweite 2 aus, darf er den roten Pöppel um zwei Felder vorwärts ziehen. Spielt er eine Bewegungskarte in der Jokerfarbe aus, darf er einen beliebigen der vier Pöppel entsprechend bewegen. Welchen Pöppel darf er wohl bewegen, wenn er eine gelbe Bewegungskarte mit der Schrittweite 1 ausspielt? Um wie viele Felder?

Unterwegs können die Spieler auf verdeckte Plättchen treffen. Diese Plättchen werden umgedreht und bringen dann je nach Rückseite 1 bis 3 Geldmünzen, einen Diamanten oder eine weitere Bewegungskarte ein. Das Geld entspricht Siegpunkten, die Diamanten werden am Ende in eine gestaffelte Siegpunktprämie umgesetzt, und die Bewegungskarten, die ein Spieler bei Spielende noch auf der Hand hat, werden ebenfalls in Siegpunkte umgerechnet: Jede Bewegungskarte in der Farbe des Siegers liefert drei Siegpunkte; Karten in den Farben der anderen Pöppel bringen je nach zurückgelegter Strecke zwei, einen, keinen oder gar einen Minuspunkt ein.

Welche Optimierungsaufgabe steckt hinter diesem Kartenspiel? Die einfache Formel: "Lege deine Karten in der Reihenfolge, dass du unterwegs die meisten Geldmünzen, die meisten Diamanten und die meisten Bewegungskarten einheimst, ziehe dabei schnellstens den Pöppel ins Ziel, von dem du am Ende noch die meisten Bewegungskarten übrig hast, und trenne dich dabei rechtzeitig von allen Bewegungskarten der Pöppel, die recht fußlahm durch die Gegend stehen!"

Doch diese Optimierungsaufgabe hat keine Lösung. Um meinen Pöppel-Favoriten zu bewegen, muss ich mich von genau den Karten trennen, die mir am Ende die Siegpunkte einbringen sollen. Behalte ich sie dagegen auf der Hand, bewegt sich mein Favorit um keinen Zentimeter und liefert am Ende nur Minuspunkte. Trenne ich mich hingegen von Bewegungskarten eines Minuspunkt-Kandidaten, befördere ich genau diesen Pöppel aus der kritischen Zone. Die einzige erkennbare, aber triviale Logik beim Ausspiel der Karten ist in etwa:

  1. Spiele von deiner Favoritenfarbe die Karten mit hoher Schrittweite aus und behalte die Karten mit niedriger Schrittweite in der Hand.

  2. Behandele deine ungeliebte Farbe gerade umgekehrt: spiele die niedrigen Karten aus und behalte (gaaaanz wenige) hohe Karten auf den Hand.

  3. Ziehe mit den Jokerkarten deinen Lieblingspöppel.

board

Doch wie bestimmt man seine Favoritenfarbe, nachdem man die ausgeteilten Karten auf die Hand sortiert hat? Ist das die Farbe mit vielen hohen oder mit vielen niedrigen Schrittweiten? Im ersten Fall musst du die Hoffnungsträger-Karten alle ausspielen, damit sich dein Pöppel überhaupt an Ziel kommt und im Nu sind die Siegpunkte alle hergeschenkt, die dir gerade noch so freundlich zugelächelt haben. Im zweiten Fall bist du auf den guten Willen deiner Mitspieler angewiesen, deinen Pöppel vorwärts zu treiben. Das werden sie den Deibel tun!

Hast du aber ziemlich gemischtes Publikum in deiner Kartenhand, dann kannst du nur in die Worte des jungen Faust einstimmen: "Hier steh' ich nun ich armer Tor und bin so klug als wie zuvor!" Was immer man macht, es ist verkehrt.

Das ganze erinnert mich an eine Logelei über ein Wettreiten, bei dem von zwei Reitern derjenige gewinnt, dessen Pferd als letztes die Ziellinie überschritt. Hier ist jeder Schritt vorwärts ein Schritt zur Niederlage. Ein totes Rennen im wahrsten Sinne des Wortes. Die Wettkämpfer dümpeln vor sich hin, bis ihnen auf einmal ein Licht aufgeht: Jeder schwingt sich auf das fremde Pferd des Konkurrenten und treibt es mit größter Eile über die Rennbahn.

Diese zündende Idee haben wir im "Tal der Abenteuer" nicht gefunden. Ob sie überhaupt darin enthalten ist, möchte ich bezweifeln. Sich aber lediglich elf Karten austeilen zu lassen und sie in willkürlicher Reihenfolge auf den Tisch zu lesen, ist ein sehr reduziertes Vergnügen. Doch offensichtlich gibt es passionierte Kartenspieler, die damit glücklich werden können. Von der "Wiener Spiele Akademie" ist "Tal der Abenteuer" letztes Jahr zum "Spiel der Spiele" gekürt worden. Fragt doch mal nach, was sich der Verein dabei gedacht hat! Wir wissen es nicht!

Kommentare lesen/schreiben
 

©2007, Westpark Gamers