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Autor Hanno Kuhn
Wilfried Kuhn
Verlag DDD Verlag
erschienen 2008
Spielerzahl 2-4
Spieldauer 60 Minuten
Wertung red starred starred starred starred starred stargray stargray stargray stargray star

Uruk

rezensiert von Walter Sorger

In regelmäßigen Abständen geben Hanno und Wilfried Kuhn ein solides, wohlkonstruiertes Spiel heraus. Letztes Jahr führten sie uns mit "Uruk" in die "Wiege der Zivilisation" und stellen uns die Aufgabe, nützliche Kombinationen von Erfindungen zu machen, Dörfer und Städte zu gründen und damit unser kleines Reich besser zu entwickeln als unsere Mitspieler.

"Erfindungen" sind Karten, die wir als "Aktion" aus einer offenen Auslage oder vom verdeckten Stapel ziehen. Zunächst sind die gezogenen Karten nur Handkarten, doch wenn wir sie dann in einer weiteren "Aktion" offen vor uns auslegen, haben wir damit eine Erfindung gemacht. Die Erfindungskarten sind in Stufen 1 bis 4 eingeteilt; damit ist Einschränkung verbunden, daß man eine 3er Erfindung erst auslegen darf, wenn man bereits mindestens eine 2er Erfindung ausliegen hat, eine 4er Erfindung erst dann, wenn man schon eine 3er Erfindung ausliegen hat.

Weiterhin benötigt man für eine 2er-Erfindung zwei gleiche Karten dieser Entwicklung. Für eine 3er Erfindung braucht man sogar drei gleiche Karten und für eine 4er Erfindung vier gleiche. Diese harten Sammelbedingungen sind allerdings durch die Joker-Regelung aufgeweicht: Zwei Karten der gleichen Farbe gelten als Joker und dürfen für jede beliebige Erfindung (der gleichen Farbe) eingesetzt werden.

Die Erfindungen geben Vorteile für die weiteren Spielzüge, z.B. erlauben sie, als "Aktion" Rohstoffe bestimmter Farben zu nehmen, Rohstoffe ineinander umzutauschen, oder spätere Entwicklungszüge mit weniger Rohstoffen oder weniger Karten zu bezahlen.

Rohstoffe sind Holzwürfel in verschiedenen Farben. Sie können als "Aktion" in Siedlungen umgetauscht werden. In der ersten Epoche (Spielphase) bekommt man eine Siedlung für zwei Rohstoffe, in jeder folgenden Epoche verteuern sich die Preise, in der vierten und letzten Epoche kostet eine Siedlung beachtliche acht Rohstoffe (ohne Vergünstigung durch geeignete Erfindungen).

Siedlungen sind ähnlich wie Mühlesteine durch runde Holzscheiben repräsentiert und werden nach dem Erwerb an die eigenen Erfindungen angelegt. Eine einzige Scheibe gilt als "Dorf", zwei Scheiben übereinander als "Stadt". Sie erhöhen in der Schlußabrechnung den Siegpunktwert für eine Erfindung. Ohne eine Siedlung bringt jede Erfindung - egal welcher Stufe - nur einen einzigen Siegpunkt ein; eine Erfindung mit einem Dorf bringt so viele Siegpunkte, wie ihr Stufenwert angibt, eine Erfindung mit einer Stadt bringt sogar das Doppelte ihres Stufenwerten an Siegpunkten ein.

Motor der Entwicklung sind in "Uruk" die bereits erwähnten "Aktionen", also

Pro Zug darf ein Spieler drei beliebige Aktionen ausführen. Spieltechnisch wäre es kein Unterschied, wenn man pro Zug nur eine Aktion ausführen dürfte; aber so läuft das Spiel ein bißchen flotter ab, weil man zwischen den Aktionen nicht darüber nachdenken muß, ob man eine einträgliche Situation übersieht.

In diesen planbaren Spielablauf sind ein paar "Götterkarten" bzw. "Katastrophenkarten" eingebaut, die ein bißchen spielerischen Zufall ins Spiel bringen und daneben eine höchst sinnvolle funktionelle Aufgabe besitzen:

  1. Sie beschleunigen den Spielausgang , weil damit jeweils ein Siedlungsstein aus der aktuellen Epoche entfernt wird.

  2. Sie begrenzen das Limit an Handkarten und zwingen so die Spieler, ihre Karten immer mal wieder in Erfindungen zu investieren. Andernfalls würde man diese ggf. bis zum Nimmerleinstag sparen, um die kumulativen Vorteile gleicher Karten maximal auszunutzen.

In der Summe ist "Uruk" ein hübsches, harmonisches Spiel. Jeder arbeitet friedlich an seiner Entwicklung, freut sich über seine vorteilhaften Erfindungen und seine wachsende Besiedlung. Bedenkenlos können wir dem Spiel die gute Schulnote 2-plus vergeben. Zumindest, solange wir uns im trauten Familienkreis bewegen.

Gehen wir damit aber hinaus in die feindliche Welt, dann gibt es doch dieses oder jenes zu bekritteln. Wie steht's in "Uruk" eigentlich mit Strategie und Taktik? Wo wird denn unser planerisches Talent gefordert? Schauen wir uns dazu die Erfindungskarten einmal genauer an.

Etwa die Hälfte der 88 auswählbaren Erfindungen erlauben uns, Rohstoffe einer oder zwei bestimmter Farben zu nehmen. Vernachlässigen wird dabei marginale Ausnahmesituationen, dann bekommt man für jede Erfindung genau einen einzigen Rohstoff. Es gilt also die Gleichung: 1 Aktion = 1 Rohstoff, unabhängig davon, wie gut man sich entwickelt hat. Eine recht uniforme Angelegenheit. Hier wäre im Spieldesign durchaus eine Progression und damit ein größerer Wettbewerbs um die besten Erfindungen möglich gewesen.

Weiterhin gilt bis zum bitteren Ende die Gleichung: 1 Aktion = 1 Erfindungskarte. Die Stufigkeit der Erfindungskarten steigt zwar durch die vorgegebene Kartenverteilung etwas an, doch eine damit verbundene Steigerung der Dynamik ist fast nicht meßbar. Zudem ist die Angebot an offen ausliegenden Erfindungen so klein und meist so ausgelutscht, daß man sich oft genug lieber dem Zufall anvertraut und die nächste(n) Erfindungskarte(n) vom versteckten Stapel zieht. Für eine Planungsaufgabe eine etwas unbefriedigende Lösung.

Elf Erfindung erlauben uns, Rohstoffe gegen andere Rohstoffe oder Karten in Rohstoffe und umgekehrt umzuwandeln. Da wir bereits die Konvertierungs-Gleichungen:

1 Aktion = 1 Rohstoff = 1 Erfindungskarte

kennen, ist das Tauschen ein Nullsummenspiel: ob wir uns erst einen Rohstoff zulegen und ihn dann in eine Karte umtauschen oder ob wir uns gleich die richtige Karte nehmen, das ist gehupft wie gesprungen. Der Nährwert dieser Erfindungen wird bei uns keine große Begehrlichkeit auslösen.

Hier darf man zwar mit Recht einwenden, daß die Rohstoff-Farben auch einen gewissen Einfluß auf die zulässigen Aktionen besitzen. Doch haben die Spieler im Laufe eines Spieles so viele Möglichkeiten, die Farben im eigenen Rohstofflager zu beeinflussen, daß ich diesen Effekt hier als vernachlässigbar einstufen möchte.

Es gibt ein paar wenige Erfindungen, die wirklich Musik in sich tragen. Im Prinzip haben sie alle etwas gemeinsam: Sie erweitern nicht den Spielraum für eigene Aktionen, sondern bringen später einen zusätzlichen Vorteil zur jeweils gewählten Aktion hinzu. Im einzelnen sind das:

  1. die Karten, die bei jeder Erfindung einen Rabatt geben (Stadtmauer, Statuette, Axt und Segelschiff). Sie sind ein Muß in jeder Uruk-Familie; ohne sie kann man das Spiel nicht gewinnen. Allerdings ist das Spiel von der zeitlichen Verfügbarkeit der Erfindungskarten so ausgelegt, daß nahezu jeder Spieler genau eine dieser Erfindungen bekommt. Insofern wird dadurch nicht wirklich die Gelegenheit geboten, sich von den Mitspielern abzusetzen,

  2. das Zikkurat, mit dem man in den letzten Runden situationsabhänig 0 bis 4 Rohstoffe geschenkt bekommt. In Kombination mit dem Rad, das es erlaubt, Rohstoffe zu tauschen, kann sich diese Himmelsgabe ganz schön aufzusummieren. Unbedingt zugreifen - wenn es einem der Zufall in die Hände spielt! Dann schwimmt man hinterher in Rohstoffen, kann mühelos sein restliches Siedlungsprogramm abspulen und auch noch mit links alle evtl. auftretenden Katastrophen abwenden,

  3. das Gewölbe, nach dessen Besitz man jeden Siedlungsstein um einen Rohstoff billiger bekommt. Falls man nach dem Gewölbe z.B. noch drei Siedlungen erwerben kann, so erspart man sich mit dem Gewölbe immerhin soviel wie 3 Aktionen,

  4. die Waage, mit der am Spielende für Handkarten zusätzliche Siegpunkte vergeben werden. Man wird dabei zwar in der freien Kombinierbarkeit der Erfindungen etwas eingeschränkt, doch damit der Vorteil dieser Karte wohl nicht substantiell beeinträchtigt.

Jetzt noch ein Wort zu den Götter- und Katastrophenkarten. Die peinlichste Katastrophe ist die Dürre. Sie bringt den Verlierern einen Schaden, zu dessen Reparatur knapp 6 Aktionen notwendig sind. Hier darf man schon ein paar Rohstoffe hinbuttern, um den Schaden von sich abzuwenden. Der Schaden der anderen beiden Katastrophen beträgt nur etwa die Hälfte.

Die beste Götterkarte ist "Ninurta": Gehen wir von ca. drei Städten pro Spieler bei Spielende aus, dann hat diese Karte einen Wert von etwa 3 Siegpunkten. Relativ einfach kann sich jeder ausrechnen, wie viele Aktionen für einen Siegpunkt wert sind. (Ein Bruch, bei der im Zähler drei mal die Runden stehen, die ein Spiel dauert und im Nenner die durchschnittliche Siegpunktzahl aller Spieler.) Wir sind auf einen Daumenwert von etwa zwei Aktionen für einen Siegpunkt gekommen. Nach diesem Umrechungsfaktor ist "Ninurta" sechs Handkarten wert!

Wenn man aber für alle Götter- und Katastrophenkarten genau den Wert an Rohstoffen oder Karten hinblättert, den sie als Schaden oder Nutzen in sich tragen, dann hat man natürlich keinerlei Vorteil gegenüber seinen Mitspielern; dann ist das Ganze auch wieder gehupft wie gesprungen. Der Leuchtturm könnte hier ein bißchen Licht in diese Uniformität hineinbringen, doch wie das genau zu quantifizieren ist, das überlasse ich jetzt der Spielergemeinde.

Fazit: Der konstruktive Fortschritt an Erfindungen und Besiedlung in "Uruk" ist keine anspruchsvolle Herausforderung für menschliche Genies. Was immer ich tue, es bringt mich in einem gleichmäßig dahinfließenden Entwicklungsstrom vorwärts. Einen Kampf kann ich höchstenfalls mit mir selber führen, Interaktion bleibt ein Fremdwort.

Was soll's! Spielt "Uruk" im den Sinne, wie es seine Väter für die harmonischen Spielerfamilien vorgesehen haben. Überlaßt diese verbissenen Rechnereien der trockenen Excel-Klimperei im stillen Kämmerlein. Der Friede sei mit Euch!

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