28.04.2006: Manifest Destiny

1. “Manifest Destiny”
Schon im Vorfeld hatte Moritz das Spiel als Hauptprogramm für den nächsten Abend angekündigt. Eifrig machte sich eine auserwählte Teilnehmerschar per Internet über die Regeln her. Moritz war bei der Regelerklärung dann auch vorzüglich vorbereitet. Erstaunlich, wie sicher er die doch ziemlich komplexen Spielmechanismen erklären und rüberbringen konnte. Und das alles ohne eigene Spielpraxis!
Es ist ein konstruktives, kämpferisches Entwicklungsspiel auf dem nordamerikanischen Kontinent. Die Spieler expandieren in die verschiedenen Regionen, profitieren von den lokalen Produkten und setzen ihre Erträge zum Ausbau ihres Entwicklungsfortschritts ein. Wer als erster eine bestimmte Entwicklungsstufe erreicht, hat das Spiel gewonnen.
Doch “Manifest Destiny” ist keine Weiterentwicklung von “Civilization”, sondern ein eher eine Mischung aus “Vinci” mit “Mensch-ärgere-Dich-nicht”. Alle territorialen Kämpfe werden mit Würfeln entschieden; der Motor des Spiels sind aber zufällig gezogene Karten, die unterschiedliche gravierende Spielvorgänge auslösen.
Walter wollte schon im Vorfeld die Reißleine ziehen. Absolute Ärgerkarten in der Bedeutung von:
“Wähle einen Spieler. Er verliert $ 10 mal Augenzahl eines Würfels”
oder
“Zerstöre zwei Cities. Die betroffenen Spieler bezahlen $ 10 pro City an die Bank.”
erschienen ihm für unsere WPG-Runde nicht tragbar. Doch Moritz konnte beschwichtigen. Er bot an, vor dem Spiel gemeinsam demokratisch über die krassesten Karten zu entscheiden, ob wir sie wegzulassen sollen oder nicht. Mit diesem freundlichen Entgegenkommen war schon mal die erste Abneigung gebrochen. – Wir spielten mit allen Karten.
Walter wurde dann von Andrea auch prompt die erste Ärgerkarte unter die Nase gehalten (“Stehle eine per Zufall gezogene Handkarte von einem anderen Spieler”) Zufällig mußte er sogar sein bestes Pferd aus dem Stall hergeben, doch der Ärger wurde nicht Andrea, sondern dem Spiel zugeschoben und weggesteckt.
Auch die zweite Ärgerkarte, diesmal von Aaron präsentiert. (“Wähle einen Spieler, der $ 20 an die Bank verliert. Reduziere dessen Profit um -10. Dieser Spieler kann in diesem Spielzug keine City, Pionier oder Karte kaufen.”), traf Walter. Auch sie wurde noch nicht persönlich genommen, sondern dem festen Vorsatz der Toleranz gegenüber den Spielregeln untergeordnet.
Doch als Hans dann – zufällig oder nicht – anfing, seine Expansionsaktivitäten gegen Walters Besitzstand zu richten und ihm einen Profit-Bonus wegschnappte, war dessen Rachsucht nicht mehr aufzuhalten. Er versteht ja nichts von dieser Art von kriegerischen Dominanzspielen. Da fängt er auf einmal an, rot zu sehen und all seine Kapazitäten setzt er nur noch dazu ein, dem Aggressor zu schaden, kostet es was es wolle.
Hans bekam als erstes eine Ärgerkarte zu spüren: “Wähle einen Spieler aus, der Bargeld an die Bank zahlen muss entsprechend der Hälfte seines Profits.” Damit war Hans für eine lukrative Runde außer Gefecht gesetzt. Als Walter auch noch seine territorialen Aggressionen ausschließlich an Hans ausließ, war es mit dessen Contenance vorbei. Moritz konnte noch rechtzeitig beschwörend seine Künstlerstimme erheben und die Wogen glätten. Bei Walters nächster Aggressionswelle konnte Hans sogar alle 4 Würfel-Kämpfe trotz eines 1:2 Handicaps für sich entscheiden. Damit waren zumindest an dieser Front die bösen Emotionen ausgelebt.
Soviele seltene Würfelergebnisse haben wir selten in einer Runde erlebt. Aaron sowie Andrea verloren insgesamt 4 Würfelentscheidungen mit Einserpaschs gegen einen einzelnen Würfel des Gegners. Doch Aaron hatte nicht nur sein sprichwörtliches Würfelpech. In einer Runde lachte ihm das Glück aus vollem Halse zu: Er konnte 8 von 9 Würfelentscheidungen für sich entscheiden und damit Moritz Städte-Mehrheit brechen.
Moritz hatte sich mit Kanada ein relativ konkurrenzloses Territorium für seine Expansionen ausgesucht. Außerdem hatte er auch schnell erkannt, daß man “Manifest Destiny” nicht mit Kämpfen, sondern über Entwicklungsfortschritte gewinnt. So konnte er langsam aber stetig einen Vorsprung herausholen, der uns kurz nach Mitternacht nicht mehr aufholbar erschien.
Nur Hans war noch der Meinung, daß man Moritz’ Vorsprung von 8 Siegpunkten bei gleichzeitig maximalen Runden-Einnahmen mit vereinten Kräften noch in den Griff kriegen könnte. Doch das mehrmals hin- und her wogende Würfel-Schicksal hatte uns übrigen Mitstreiter ermüdet. Keiner wollte es mehr ausprobieren. Vielleicht wird Hans demnächst dafür die Wahrscheinlichkeit ausrechen. Vielleicht lag sie sogar höher als ein Tausendstel Promille!
WPG-Wertung: Aaron: 4, Andrea: 6, Hans: 6, Moritz: 7, Walter: 6.
Daß das Spiel neben dem deutlich zu hohen Zufallseinfluß auch sehr schöne konstruktive Elemente hat, ist keinem entgangen. Moritz wird eine Rezension darüber schreiben.
2. “Bluff”
Noch nie wurden pro Durchgang so viele Würfel verloren, weil die vorgegebene Zahl viel höher war als angezweifelt. Walter verlor allein 3 Würfel, weil er 6 Sterne anzweifelte und 9 Sterne vorhanden waren. Aaron ging unter, als er nicht glauben konnte, daß Andrea und Moritz beide mit je 4 Würfeln je 4 Fünfen gewürfelt hatten und er selbst auch noch eine hatte.
Moritz spielte im Endspiel mit seiner Frau Katz’ und Maus und konnte damit eine lange persönliche Durststrecke hinter sich bringen.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.