01.08.2007: Die “Abenteuer” mit dem “Kampf um Rom”

Nach unserer einseitigen Spielekritik zu “Zooloretto” (“Esel getreten und Milchmann gemeint”) meldeten sich sofort Gegenstimmen. Der gute Fritz schrieb:
“Wenn du mal wieder deinen Adrenalin-Spiegel mit Hilfe eines prämierten Titelträgers zu regulieren wünschst, empfehle ich Dir, die Krallen am TAL DER ABENTEUER vom prominenten Spiele-Autor Dr. Rainer Knizia zu wetzen. Bei den Österreichern ist das immerhin zum Spiel der Spiele gewählt worden ist. Nachdem du diese Pflaume gespielt hast, wirst du dich im Rahmen eines Canossa-Ganges zu Michael Schacht aufmachen und sein vorzügliches ZOOLORETTO fortan lobpreisen.”
Das motivierte natürlich sofort, die “Abenteuer” am Westpark aufzutischen.
1. “Tal der Abenteuer”
Das Spiel aus dem Parker-Verlag wurde tatsächlich gerade von der “Wiener Spiele Akademie” mit dem Preis “Spiel der Spiele” ausgezeichnet. Doch nach Fritzens massiver Vorwarnung mußte es am Westpark erst gegen einen dicken Wall von Vorurteilen ankämpfen. Um das Ende vorwegzunehmen: Es besaß kein einziges Mittel, den Wall zu durchstoßen. Chancenlos verlor es die Schlacht und den Krieg.
Auf einem Spielbrett stehen vier verschiedenfarbige Pöppel und müssen auf Irrwegen zu einem Ziel bewegt werden. Die Spieler bekommen Spielkarten in den vier Pöppelfarben und in einer Jokerfarbe ausgeteilt, die ihnen erlauben, die einzelnen Pöppel ein, zwei oder drei Felder zu bewegen. Hat der erste Pöppel das Zielfeld erreicht, ist Spielende und es erfolgt die Siegwertung: Für jede Karte in der Farbe des Siegerpöppels, die ein Spieler noch in der Hand hält, gibt es 3 Siegpunkte, für die Karten anderer Pöppel entsprechend weniger. Für die ausgespielten Karten gibt es nichts.
Das Problem ist: Der Weg ist lang, doch die Schritte sind kurz. Wenn alle Bewegungskarten einer Farbe ausgespielt sind, ist der entsprechende Pöppel noch lange nicht im Ziel. Aarons zutreffende Schlußfolgerung: “Das Spiel wird durch Joker entschieden!” Wie wahr! Und wie bekommt man die Jokerkarten? Leider nur in der Startausteilung, also zu 100% reines Glück.
Doch auch eine super Joker-Kartenhand ist kein Gewinn-Garant. Es bringt ja nichts, alle Karten zu spielen, mit denen man seine Favoritenpöppel bewegen kann; man muß ja auch entsprechend-farbige Karten auf der Hand behalten, um damit am Ende Siegpunkte zu holen. Da müssen die Mitspieler beim Bewegen schon kräftig mithelfen. Doch aus welcher Motivation heraus sollten sie das tun?
Fazit: 100% Glück plus 100% Abhängigkeit von der Willkür der Mitspieler ergibt 0 % Taktik + 0 % Spielfreude.
Den einzigen Lacher gab es, als Walter seine in der Startausteilung erhaltenen 6 Joker plus 4 Grünlinge in seine Kartenhand sortieren durfte. Doch das war letztendlich viel zu früh gefreut. Schlußkommentare: Hans: “Du kannst bei den Abenteuern nicht wirklich lachen.” Aaron: “Wer will den lachen?” Günther in Fritzscher Verteidigungsmanier: “Das Spiel kommt in gewissen Runden gut an!” Aaron: “Wir fragen uns, welche Runden das sind!” Von einem ungenannten Spieler “Es ist bestechend einfach und sogar spannend”. Hans: “Wie MALEFIZ, doch ohne Blockierungssteine”.Günther entdeckte etwas vom “SCHWEINERENNEN”, Aaron etwas vom SAGALAND ohne Memory-Effekt. Na ja, von SAGA war wohl auch nicht viel drin. Ein Würfel würde dem Spiel gut tun, z.B. als Multiplikator bei der Bewegung. Oder wo auch immer. Das sagt doch wohl eine ganze Menge über seine Potenz.
Aaron, schon mit abgeblendeter Lautstärke: “Was ist denn mit dem Knizia los?!”
WPG-Wertung: Aaron: 4 (für seinen Ex-Chef aus Österreich), Günther: 4 (spielbar, und sogar schnell), Hans: 3 (fast kaputt), Walter: 3 (aus Pietät gegenüber seinem Fritz)
Wenn Walters Adrenalinspiegel sich noch nicht ausreichend gesenkt hat, gibt’s eine weitere Rezension. Auch dann wird der arme Esel wieder nix dafür können, und der Milchmann bekommt von dem Fußtritt wieder nichts ab.
2. “Siedler von Catan – Kampf um Rom”
Aaron hätte die Regeln vorlesen dürfen, doch er zog das Auspöppeln vom Spielmaterial vor. Hans übernahm die Rolle mit dem Versprechen, schneller vorzulesen als üblicherweise zu spielen. Er tat sein Bestes und nach einer halben Stunde waren wir durch die Regeln. Walter war wie immer von den vielen Details überfordert. Auch Fritz hätte mit seinen “Normalos” einen ziemlich aussichtlosen Regelerklärungskampf durchstehen müssen. Doch die komplizierten Detail-Mechanismen fußen auf wenigen und logischen Prinzipien. Mit Learning-by-Doing kommt man im “Kampf um Rom” ganz gut zurecht.
Nach Siedlerart werden Ernte-Erträge ausgewürfelt, nach Kriegerart werden Städte geplündert und erobert. Ständig stößt man auf Randbedinungen von Material und Bewegung. Jeder Spieler brütet über einer Optimierung seiner vielfältigen Ausbreitungsmöglichkeiten. Jeder ist seines Zuges Schmied, aber nicht hinter jedem Zug lauert das Glück. Die Zufallselemente wie Würfelerträge, Rohstoffauswahl, tödliche Eroberungseffekte und chaotische Einflußkarten dominieren das Geschehen. Der absolute Fortschritt ist meßbar, doch über die relative Positionierung gegenüber den Mitspielern gehen die Meinungen weit auseinander.
Nach einer Stunde Spielzeit zeichnete sich noch keine eindeutige Sieger-Linie ab. Keiner hatte eine Stadt erobert und die erzielten Raumvorteile wurden gegen Nachteile in Stärke und Material aufgewogen. Sollten wir uns noch weiter die Zeit mit zäher Fieselei vertreiben? Mit drei Stimmen, keiner Gegenstimme und einer Enthaltung votierten wir für den Spielabbruch. Einstimmig wurde die “Enthaltung” zum Sieger gekürt. Nach Eigenaussage verdient “wegen konsequenten und schnellen Spiels”. (Es war nicht der Walter!)
An die Stelle der praktischen Erprobung traten theoretische Erwägungen. “Sehe ich das richtig, daß das Spiel nach der ersten Eroberung an Geschwindigkeit verliert” fragte Aaron in die Runde? Keiner konnte widersprechen. Hans hatte noch die Vision, daß der “Kampf um Rom” nach einigen Eroberungen wieder Geschwindigkeit aufnehmen würde, doch sein angeborenes Gespür für Tempo im Spiel ist nicht unbedingt zuverlässig.
Warum heißt das Spiel “Kampf um Rom”? Hat die Stadt Rom eine Sonderstellung? Hans hat bei seiner Regelerklärung nichts darüber verlauten lassen, und auch in der post-mortem Recherche fanden wir im Regelheft keinen Hinweis. Vielleicht war lediglich der Markenname noch frei und sollte der “Siedler-Familie” einen neuen Impuls nach vorne geben. Doch das ganze römische Brimborium ist “alles Fassade”, im Film wäre der “Kampf um Rom” ein typisches “Sequential”, so etwas wie “Schulmädchenreport 6. Teil”. Günther: “Ist aber schon Teil 20!”
Hans war bekehrt: “Ihr hattet Recht mit dem Abbruch. Es ist echt stinklangweilig!”
WPG-Wertung: Aaron: 5, Günther: 4, Hans: 4, Walter: 5
Rezensionen zu den “Siedlern” gibt es wie Sand am Meer. Erweiterungen der Spielidee auch. Bei Luding lassen sich die Einzeleinträge nur mehr schwer zählen, etwas leichter tut man sich, wenn man nur die Seiten zählt: Es sind fünf ganze Bildschirmseiten voll.
3. “San Juan”
Noch mal ein Entwicklungsspiel mit Optimierungsaufgaben und nicht viel Interaktion. Doch der Kampf der Ratsherren, Baumeister, Aufseher und Händer um Produktion und Vertrieb von Indigo, Kaffee, Tabak und Silber geht flott und flüssig über die Bühne. Und wer die Zusammenhänge am besten kennt (Günther), kann auch mit deutlichem Vorsprung davonziehen.
Aarons sprichwörtliches Würfelglück mutierte zum Kartenglück: Unter den vielleicht 100 gezogenen Karten fand er keinen einzigen hohen Punkteträger. Da hilft auch kein Wissen über die Zusammenhänge mehr!
Keine neue WPG-Wertung für ein gut funktionierendes Spiel.
4. “Bluff”
Aaron stand mit 1:5 Würfeln im Endspiel gegen Günther. Günther schoß noch schnell unfreiwillig ein Eigentor und beim 1:4 Stand durfte Aaron aufschlagen. Er hatte eine 4 geworfen und fing gemäß der Immer-4-Strategie an, verriet also keinerlei Detail-Information an Günther. Günther hatte 2 Einsen, 1 Zwei und 1 Fünf unter seinem Becher. Wie sollte er kontern?
Er hob auf 1 mal die Fünf. Eine sehr zurückhaltende Reaktion, aber mit 4 Würfeln läßt sich halt leicht Katz und Maus spielen.
Um es kurz zu machen: Aaron war in seine Vier verliebt, hob auf 2 mal die Vier, und das war das Ende.
Wir fragten Günther, wie er auf eine 2 mal die Eins-Hebung von Aaron reagiert hätte. 3 mal die Eins versus die eine Fünf herausnehmen, mit 3 Würfeln nachwürfeln und auf 2 mal die Fünf setzen.
Aaron konnte laut davon träumen, wie schön es gewesen wäre, wenn Günther auf 2mal die Fünf gesetzt hätte und er, Aaron, auch noch eine Fünf unterm Becher gehabt hätte und mit 3 mal die Fünf einen weiteren einen Teilerfolg hätte verbuchen können …
Selbst bei abgebrühten Bluffern kann das geniale “Bluff” immer noch Träume hervorrufen.