29.08.2007: Gegenwind für “die Siedler von Nürnberg”

Die Vorgespräche drehten sich um die korrekte Verhaltensweise am Arbeitsplatz. In Europa (Deutschland?) ist man hier in bezug auf verbale Äußerungen ja (noch) deutlich großzügiger als die Neue Welt. Wenn ich zu einer Arbeitskollegin sage, sie sei ein “tolles Weibsstück”, dann wird das im allgemeinen nicht als sexuelle Anmache, sondern eher als Kompliment aufgefaßt. Auch Wortspiele und Scherze fallen meist auf fruchtbaren Boden.
Man sollte allerdings aufpassen, wenn sich eine mobbelige Mitarbeiterin gemobt fühlt und das mit den Worten ausdrückt “Ich fühle mit gemobbelt”! Die durchaus zutreffende Antwort:
[glowred]”Ich mobbele keine Mobbelige!”[/glowred]
könnte dann schon mal vor dem Arbeitsgericht enden.
1. “Die Siedler von Nürnberg”
Nach dem catanischen “Kampf um Rom”, der vor vier Wochen bei uns nur eine gebremste Euphorie ausgelöst hatte, versprach Günther: “Die Siedler von Nürnberg sind besser!” Dazu legte er uns jetzt dieses achtjährige Mitglied aus dem Catan-Clan auf den Tisch.
Das Ernten der Rohstoffe aus Feld, Wald und Wiese verläuft wie bei allen Siedlern der Welt. Es gibt aber keine Würfel, die die Lage der Ertragsfelder bestimmen, sondern es gibt einen Kartensatz, der die Zahlen von 2 bis 12 in der gleichen Verteilung enthält, wie sie sich beim Würfeln mit zwei Würfeln ergibt. Wer sich aber noch an bestimmte Stunden aus der höheren Mathematik erinnert, der weiß, daß beim zufälligen Ziehen mit Zurücklegen (=Würfel werfen) und ohne Zurücklegen (=Karten ziehen) unterschiedlich Verteilungskurven entstehen. Die Karten, also die Nürnberger, sind gerechter!
Auf den Nürnberger Karten stehen zusätzlich noch Schikanen, z.B. “Versetze den Raubritter auf ein beliebiges Feld (= schädige die Anwohner um den dort möglichen Ernteertrag) und nimm einem beliebigen Mitspieler eine Karte weg”. Solche Ärgerkarten sind bei uns grundsätzlich nicht beliebt, abgesehen von der spieltheoretischen Kritik, daß sie einen Kingmaker-Effekt in sich tragen. Doch unsere Stimmung war gut, wir trugen alle bösen Raubritterstreiche mit Fassung. Ja ganz im Gegenteil, die resignierenden (*), keineswegs schadenfrohen Lacher über das Rad der Fortuna waren für alle Beteiligten die größte Freude des zweistündigen mühsamen Kampfes um Ernte, Tausch und Entwicklung.
Wir brachen ab, weil auch ein vorhersehbarer progressiver Endspurt keinen richtigen Drive mehr ins Spielgeschehen gebracht hätte. Aaron faßte zusammen: “Es tröpfelt so vor sich hin.” Günther, als Spielebesitzer, wollte sich verteidigen: “Es ist halt ein Aufbauspiel!”. Doch er war gar nicht angeklagt. Nicht einmal die Siedler als solche! Vor 12 Jahren waren sie eine Weltsensation. Doch alle Wunder halten nur drei Tage.
WPG-Wertung: Aaron: 6, Günther: 7, Walter: 6, Wolfgang: 6
Trotz der mageren Wertung behielt Günther recht. Für uns liegen die Nürnberger im Durchschnitt um mehr als einen ganzen Punkt über den Römern.
(*) Albert Schweitzer: Resignation ist geistige und ethische Bejahung des eigenen Daseins.
2. “Wind und Wetter”
Auf einer hübschen Urlaubslandschaft mit Meer, Strand und Grünflächen müssen sich die Spieler als Touristikunternehmer betätigen: Sie bauen Hotels und lassen Kreuzfahrtschiffe fahren. Pro Runde kassieren sie Einnahmen für ihre Anlagen, kaufen weitere Hotels und Schiffe, und hoffen, daß die eigenen Investitionen lukrativer sind als die der Mitspieler. “Keep fully invested” ist eine der Binsenweisheiten eines solchen Mechanismus.
Hotels und Schiffe bringen am meisten ein, wenn darüber die Sonne scheint. In “Wind und Wetter” ist der Sonnenschein aber keine Gabe der Natur, sondern ein konzertiertes Ergebnis der Spieleraktionen: Auf jedem Planquadrat des Spielfeldes liegt eine Wetterkarte mit der Qualifikation: Hoch, Tief, Sonne, Eintrübung oder Regen. Jeder Spieler darf bei seinem Zug diese Wettereigenschaften in der vorherrschenden Windrichtung verschieben. Es gibt keine radikalen Wetterumschwünge, aber wenn die Mehrheit der Spieler in die gleiche Richtung agiert, dann ist schnell mal ein Tief aufgezogen und die verregneten Hotels bringen herbe Verluste anstatt der gehofften satten Gewinne.
Wenn!
Wir hatten in unseren Touristikinvestitionen keine Konfrontation gesucht, sondern uns ziemlich gleichmäßig an den sonnigsten Stellen engagiert. So gab es keinen Miesnickel, der den anderen ins Swimmingpool hagelte. Jeder wäre vom schlechten Wetter auch selber betroffen gewesen. Bei keinem kam die Lust an, das Wettergeschehen entscheidend zu beeinflussen. In den vorgeschriebenen 7 Spielrunden hat tatsächlich kein einziger Spieler auch nur ein einziges Mal an der Windrichtung gedreht! Ohne Konfrontation aber ist “Wind und Wetter” wie eine Suppe ohne Salz.
Es fehlt das unvermeidlich Böse, das alle Mitspieler vor spannende Aufgaben stellt, das unberechenbare Chaos, gegen das man sich absichern muß, die Diplomatie der Wettergötter, die mit vereinten Kräften die dunklen Wolken am Himmel gegen die Konkurrenz losschicken.
Noch ein Problem: Das Spiel fängt im Ruhezustand ein, schwingt sich progressiv hoch und ist nach sieben Runden zu Ende, bevor sich die stürmische Aufbauphase auch nur abgeschwächt hat, vom Gleichgewichtszustand ganz zu schweigen.
WPG-Wertung: Aaron: 4, Günther: 5 (vielleicht haben wir es falsch gespielt), Walter: 5, Wolfgang: 4
Walter hätte nach der ersten Materialsichtung gerne eine Rezension geschrieben. Nachdem sich der Wind aber nicht gedreht hat, wird er es wohl bleiben lassen.
3. “Flaschenteufel”
Für die 4er-Runde bot sich “Flaschenteufel” als Alternative zu unserem Standard-Absacker an. Ein ganz kleines Stich-Kartenspiel mit einer ganz großen Logik. Selbst alte Kartenhaie tun sich schwer, die im Prinzip einfachen taktischen Grundzüge beim Abspielen ihrer aktuellen Kartenhand fehlerfrei anzuwenden.
Walter hatte am meisten geübt und bereits nach drei Spielen die niedrige Absacker-Meßlatte von 100 Punkten überschritten. Wolfgang hatte am wenigsten geübt und war dreimal auf dem Teufelsstich sitzen geblieben.
Das war für alle vier eine Herausforderung. Es war schon leicht nach Mitternacht und es steckte ein gewisses Risiko in unserer neuartigen Ende-Bedingung für die Revanche-Runde: “Wir spielen so lange, bis Wolfgang einmal nicht den Teufelsstich bekommt.”
Günther zog im ersten Spiel mit 49 Punkten davon. Wolfgang bekam den obligatorischen Teufelsstich. Im zweiten Spiel lag die Flasche zum letzten Stich auf der gelben Fünf und Wolfgang mußte als letzte Karte die gelbe Drei zugeben. Das bedeutete für ihn schon so gut wie sicher wieder den Teufelsstich. Doch Günther hatte geschlafen; er war seine blaue Vier nicht losgeworden. Er mußte den Stich übernehmen, erlöste Wolfgang vom Teufel und führte den Sudden-Death herbei. Dabei kassierte er auch noch soviel Minuspunkte, daß er Walter an sich vorbeiziehen lassen mußte. Die “standesgemäße” Flaschenteufel-Reihenfolge war wieder hergestellt.
Alle waren sich einig: Das Spiel sollte so bald wie möglich wieder auf den Tisch kommen.