12.03.2008: Im Märzen der Bauer

Mensch ärgere dich!
Kindliches Spiel besteht vor allem in der Realitätsbewältigung. Kinder steigen in ihren imaginären Welten zum allmächtigen Schöpfer auf, der Spielfiguren sterben und wiederauferstehen läßt. Sie lernen, gemeinsam mit anderen fiktive Welten zu verwirklichen. Das wiederum erlaubt ihnen als Erwachsene kreativ Handlungsoptionen zu durchdringen.
Für Volljährige ist es allerdings zu spät, die Nevenbahnen im Gehirn noch neu zu verlegen. Wer als Hänschen keine große Vorstellungskraft entwickelt hat, erwirbt sie als Hans wohl nimmermehr. Es ist deshalb noch unklar, welchen evolutionären Vorteil das spielerische Treiben im Erwachsenenalter besitzt. Steigern Scrabble und Monopoly möglicherweise den Fortpflanzungserfolg?
Immerhin ist erforscht, daß erwachsene Affen mit körperlichen Spielen gezielt ihre Konflikte eindämmen. Ratten liefern sich Scheinkämpfe, um die soziale Hackordnung zu etablieren. Beim Menschen dient die selbstgenügsame Beschäftigung der körperlicher Ertüchtigung und dem sozialem Zusammenhalt, sie vertreibt Langeweile und kompensiert den Alltagsfrust. Für Künstler ist es gar der Motor ihres Schaffens.

Nach einem Artikel von Hubertus Breuer in der Süddeutschen Zeitung. Dabei könnte der letzte Satz direkt aus einem Fernseh-Report über Moritz stammen.
1. “Agricola”
“Agricola” und “Sechsstädtebund” standen zur Auswahl: Das eine hatte Moritz, das andere Günther noch nicht gespielt. In der Entscheidung Künstler gegen Naturwissenschaftler setzte sich selbstverständlich der Künster durch. Vielleicht gab auch der Titelgewinn als unser nächstes “Spiel des Monats” den Ausschlag.
Günther durfte aus dem Gedächtnis und anhand des umfangreichen Spielmaterial die Regeln erklären. Die Spieler bilden sich fort, machen Anschaffungen, Renovierungen, erwerben Knecht, Magd und Vieh und alles was zu einer Bauerei dazugehört. Moritz war über die Komplexität der Regeln vorgewarnt. Deshalb konnte er gleich erleichtert kommentieren “Eigentlich ganz einfach”! In bezug auf Agricola-Spielen hat er absolut recht, aber in bezug auf Agricola-Gewinnen absolut unrecht!
Die ganze Spielgestaltung muß stimmen. Sowohl in der Schwerpunkt-Bildung bei der landwirtschaftlichen Produktion als auch in der Diversifizierung in Acker und Weiden, Gemüse und Getreide, Schafe und Rinder muß die richtige Dosis vorhanden sein. Mir wurde zum ersten Mal der gewaltige Unterschied bewußt zwischen “Man plant vor sich hin” und unserem Westpark-Gamers-Motto “to have a plan”.
Günther wollte die “Bettlerkarte”, die ein Spieler nehmen muß, wenn er seine Familie nicht mehr ernähren kann, gleich als “unsinnig” aus dem Spiel nehmen, doch Walter widersprach heftig. Rosenberg hat sein Spiel so ohne Fehl und Tadel durchkonstruiert, daß sicherlich auch die Bettlerkarte einen Sinn haben mußte. Wie demonstrativ vernachlässigte Walter die Nahrungsbeschaffung und handelte sich dafür gleich in der ersten Ernährungsphase eine Bettlerkarte ein. Die Demonstration ging schief, am Ende wurde er Letzter. Aber auch ohne Bettlerkarte hätte er diesen Platz eingenommen. Spricht das jetzt für oder gegen die Bettlerstrategie?
Moritz schockte seine Mitspieler mit einer kleinen Anschaffung: Er erwarb einen Forst, auf den pro Runde zwei Holz gelegt wurden, und der zusätzlich die Eigenschaft besaß: “Wer diesen Forst betritt, muß an dich 2 Nährwerte bezahlen.” Sogleich erhob sich die Frage: Darf Moritz als Forst-Eigentümer selber diesen Forst betreten? In der Spielregel ist dazu nichts beschrieben, per Abstimmung wurde Moritz dieses Recht zugestanden, doch Walter ging die Wette ein, daß dies falsch sei (um eine Schokolade). Rosenberg muß hierzu wohl noch mal persönlich seinen Senf dazugeben. Oder steht das schon im Internet unter FAQ?
Moritz’ Forst besaß am Ende doch nicht die befürchtete Wunderkraft. Er bekam zwei- oder dreimal die 2 Nährwerte von seinen Mitspielern und strich selber auch massig Holzklötzchen ein, doch was soll ein Mann mit soviel eigenem Holz vor der Hütte?
Aaron machte in Steinbau und wurde Dritter. Moritz leistete sich die umfassendste Ausbildung und hatte die prächtigsten Gemüse- und Getreideäcker; damit wurde er Zweiter. Günther ging zielstrebig auf Familienzuwachs los und hatte als einziger sein kompettes Spielfeld mit allen möglichen Utensilien zugebaut. Das reichte zum Sieg. Wo Walter mit seiner Schafzucht geblieben ist, habe ich oben schon erwähnt.
WPG-Wertung: Moritz vergab 8 Punkte und war damit um 2 Punkte besser als der bisherige WPG-Durschnitt.
Walter hat schon eine Rezension geschrieben.
2. “Flaschenteufel”
Der Teufelsstich stand nach dem zweiten Stich auf der roten 14, da spielte Moritz die gelbe Zwei aus. Eine Verzweiflungstat, aber nicht gut genug getimed. Aaron gab die 18, Günther die 22 und Walter die Eins. Ab sofort zählten nur noch die hohen Karten! Aber nicht mehr für Moritz.
Walter spielte im ersten Stich die blaue Vier aus. Das war im Gegensatz zu Moritz’ Harakiri kein Nervenkitzel, egal ob er diesen Stich bekommt oder nicht. Hat der Flaschenteufel etwa etwas mit Bridge zu tun?
Keine neue WPG-Wertung für ein vorzügliches Spiel.