27.08.2008: Opus und Oper

Ich frage mich, woher es kommt, daß ein Mensch vielerlei Gattungen von Spielen erlernt, und dabei sehr sorgfältig alle Übertretungen der Spielgesetze zu vermeiden sucht, aber außerhalb der Spielszenerie bei verschiedenen Anlässen Worte und Taten an den Tag legt, die alle Vorschriften der Gesetzgebung und der Moral beleidigen. Warum kostet es die Leute weniger, sich den oft bloß willkürlichen Gesetzen einer Gruppe zu unterwerfen, als den einfachen, sozialen Vorschriften, die der Gesetzgeber zum Besten unserer Gemeinschaft erlassen hat. (Sophie von la Roche)
1. “A Sort of Ökolopoly”
Verstärkt werden unsere Dienste als Spieletester in Anspruch genommen. Generell macht es uns Spaß, uns mit neuen, umfangreichen Spielideen auseinanderzusetzen. Wenn wir unsere kritischen Anmerkungen dann nicht nur einem fertigen Spiel hinterherschicken müssen, sondern gleich beim Entstehen an konstruktiven Weichenstellungen zu Design und Regelwerk mithelfen dürfen, dann sind alle eifrig dabei.
Heute hat Moritz wieder so ein Testobjekt mitgebracht. Er hat allerdings vergessen, sich beim Autor zu erkundigen, wie weit wir über das Spiel schon berichten dürfen. Deshalb möchte ich hier nur ganz allgemein und anonym darüber schreiben.
Das Spielmaterial ist schon recht gediegen, die Spielregeln auch. Das Prinzip erinnert von Ferne an “Ökolopoly”. Die Spieler müssen ihre Arbeiter an den verschiedenen Rädchen des Bruttosozialprodukts drehen lassen. Sie müssen Rohstoffe gewinnen, eintauschen oder umtauschen und letztendlich damit Siegpunktkärtchen erwerben.
Man muß gut abwägen zwischen Diversifizieren in verschiedene Rohstoffe, die man für die verschiedenen Siegpunktkärtchen braucht und Konzentrieren auf ein einziges Produkt, für das man sich einen hohen Siegpunkt-Multiplikator zulegen kann.
Die Arbeiter können für kurzfristigen Gewinn eingesetzt werden und stehen nach getaner Arbeit sofort wieder für neue Aufgaben zur Verfügung. Sie können aber auch in längerfristige Stellungen untergebracht werden. Je länger einer steht, desto höher ist die Ausbeute. Im Arbeitsleben nennt man das Zeitmanagement.
Manche Rohstoffe bekommt man in klar voraussehbaren Quanten, für andere spielt der Zufall einen erheblichen Einfluß. Einen riesigen! Wenn es dumm läuft, hat man hier mehrere Arbeiter investiert, die dann alle mit leeren Händen zurückkommen. Dagegen fallen die gleichen Rohstoffe auf die glücklichen Mitspieler herab wie die Sterntaler auf das gutherzige Kind. Dann braucht man überhaupt kein Zeitmanagement mehr.
Das neue Opus steht noch etwas schwach auf den Beinen. Nach etwa 2 Stunden Spielzeit gönnten wir unseren Arbeitern gerne eine Erholungspause.
Keine WPG-Wertung
2. “Tinner’s Trail” (Der Zug der Zinnschürfer)
Moritz hat seine neue Oper gerade fertig geschrieben. Deshalb brauchte er sich nicht um die vorletzte U-Bahn zu kümmern. Problemlos konnten wir uns noch ein gestandenes Vollzeitspiel reinziehen.
“Tinner’s Trail” ist ein Versteigerungsspiel um den Kupfer- und Zinn-Abbau in England. Auch in diesem zweiten Spiel des Abends muß ordentlich gewerkelt werden. Die Spieler ersteigern Bergwerke, stellen Grubenarbeiter an, bauen Schienen und Häfen, legen Rohre zum Abpumpen des Grundwassers, und fördern schließlich die Rohstoffe, die auf einem zufallsregulierten Markt in Geld umgesetzt werden. Mit dem Geld erwerben sie Siegpunkte. Oder sie stecken es in neue Bergwerke und weiteren Rohstoff-Abbau.
Die einzelnen Spieler-Aktionen kosten neben dem reinen Geld noch eine unterschiedlich Anzahl von Zeiteinheiten. Pro Runde darf jeder Spieler eine nur bestimmte Höchstmenge an Zeiteinheiten verbrauchen.
Bemerkenswert ist die Zugreihenfolge. Durch Verzicht auf weitere Aktionen in einer Runde kann man sich das Startspieler-Privileg für die nächste Runde erwerben. Nach teuren Aktionen muß man warten, bis die Mitspieler mit dem Wert ihrer Aktionen wieder aufgeschlossen haben. Bei der Aktionsauswahl geht es also nicht nur darum, für sich die eine beste nächste Aktion auszusuchen, man muß auch deutlich die Zeit-Kosten im Auge behalten, weil man ggf. ja mehrere zweitbeste, aber billige Züge durchführen kann, bis der nächste Mitspieler an die Reihe kommt.
Im Grunde kann man bei jedem Zug sehr viel berechnen: Restliche Erzmengen in der Mine, Förderkapazität, Förderkosten, Verkaufspreise, Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung, Konkurrenzbetrachtungen und vieles mehr. Dabei wird nach jedem Zug eine neue Ausgangssituation hergestellt, die neue Kalkulationen erfordert. Die Gefahr, daß die Denkprozesse lange dauern, ist groß. Wer am Kalkulieren Freude hat, schwelgt in seinem Element, wer sein Pulver frühzeitig verschossen hat, schaut solange in die Röhre. Deshalb gilt hier die wichtige Regel: Bleibe liquide!
WPG-Wertung: Aaron: 8, Günther: 8, Moritz: 8, Walter 7 (oder M und W vertauscht)
Walter wird eine Rezension schreiben.