11.11.2009: Sumeria vor den Toren der Welt

Nie mehr Streit darum, wer anfängt. Das verspricht Ted Alspach mit einer speziellen Erfindung: Ein Kartendeck namens “Startspieler”. Man zieht daraus blind eine Karte, und diese enthält dann eine Anweisung, wer Startspieler wird. Z.B.: “Startspieler wird, wer die größten Hände hat.” Oder “Startspieler ist, wer als nächstes Geburtstag hat”.
Nach den “exakten Berechnungen” des Verlages BeWitched-Spiele “könnten jedes Jahr 2,5 Millionen Spiele mehr gespielt werden, wenn es nicht so lange dauern würde, einen Startspieler zu bestimmen. Sie behaupten sogar noch ganz kühn: “Wir haben das Problem gelöst.”
Natürlich ist das Ganze nur ein Scherz, doch mit erheblichem Ärgerpotential. Einem redlichen Mensch dreht sich nämlich – wie im richtigen Leben – der Magen rum, wenn lauthals Problemlösungen versprochen werden, die keine sind. Wenn eine Startspieler-Bestimmung z.B. lautet: “Startspieler wird, wer seine Augen am längsten geschlossen hält”, dann frage ich mich doch ernsthaft, ob mit solchen Vorschrifen nicht nur 2,5 Millionen Spiele nicht mehr gespielt werden, sondern gleich 2,5 Milliarden. Ein rechter Scheiß!
1. “Sumeria”
Startspieler wurde, wer zuletzt Tomatensaft getrunken hat. Das war zunächst nicht so leicht zu ermitteln, und damit hätte schon fast der Abend draufgehen können. Da aber der Hausherr heute Tomaten zum Abendbrot verspeist hatte, wurde diese Behauptung a) geglaubt und b) als Ersatzlösung angenommen. Wahrlich, der “Startspieler” ist schon ein rechter Quadrat-Scheiß!
In “Sumeria” gibt es auf einer fiktiven Landkarte des Zweistromlandes 8 Regionen, die zu Spielbeginn in eine willkürliche Rangfolge gebracht werden. Jeder Spieler darf jetzt pro Zug “Händler” in Städte und Dörfer der Region placieren, und damit die ursprüngliche Rangfolge ändern. Kommt in eine Region ein zusätzlicher Händler, so steigt die Region in der Rangfolge um einen Platz nach oben. Nimmt man einen Händler aus einer Region heraus, so fällt die Region entsprechend herab. In festen Runden-Abständen werden die führenden drei Regionen gewertet. Wer hier die meisten Händler hat, darf sich ein oder zwei Bonuskärtchen nehmen. Wer die zweitmeisten Händler hat, bekommt meist auch noch ein Bonuskärtchen, alle anderen Spieler gehen leer aus.
Die erworbenen Bonuskärtchen werden am Spielende nach einer quadratischen Summenformel in Siegpunkte umgerechnet. Es kommt nicht allein darauf an, die absolut meisten Kärtchen zu haben, sondern möglichst viele von der gleichen Sorte. Und dazu muß man zum richtigen Zeitpunkt in den richtigen Regionen die meisten Händler placiert haben.
In “Sumeria” läuft ein hübscher Verschiebungsmechanismus auf der Rangfolge-Skala ab. Der Besitzstand der Mitspieler muß genau beobachtet und die freien Dörfer in den Regionen müssen scharf analysiert werden, um die führenden Regionen und ihr Rangfolge-Potential zu ermitteln. Ein weiterer, wichtiger Kampf ist der Kampf um die Startspieler-Reihenfolge, wobei hier nicht der erste sondern der letzte Spieler entscheidende Vorteile hat. Er kann mit seinem letzten Zug in jedem Fall noch die Rangfolge der beiden führenden Regionen umkehren, oder er kann bestimmen, welche Region als vierte gänzlich aus der Wertung fällt.
Die gesamte Entwicklung läßt sich nur schwer gänzlich vorhersehen, trotzdem läuft ein Spiel bei den einfachen Zugmöglichkeiten sehr flott ab.
WPG-Wertung: Aaron: 7 (Grübelspiel, trotz der wenigen Regeln), Günther 7 (abstraktes Spiel mit starken Chaos-Elementen), Walter: 7 (schnelles geistreiches Spiel).
2. “Die Tore der Welt”
Wiederum hat ein Bestseller von Ken Follett (“Die Säulen der Erde”) als thematischer Hintergrund für ein Kosmos-Brettspiel herhalten müssen. Jeder Spieler bekommt einen Satz von Aktionskarten, aus dem er pro Runde sechs Stück beliebig auswählt. Er sammelt Baumaterial, baut öffentlich oder privat, kassiert Geld, erntet Korn, spinnt Wolle, webt Tücher oder übt sich in Frömmigkeit. Einige dieser Tätigkeiten sind Pflicht, und man wird streng bestraft, wenn man sie innerhalb einer bestimmten Rundenzahl nicht gewissenhaft erfüllt hat. Andere sind Kür und werden in Siegpunkte umgesetzt.
Günther zog im Nu davon und hatte nach wenigen Runden fast doppelt soviele Siegpunkte auf seinem Konto wie seine beiden Mitstreiter. Keiner wußte so genau warum, nur er selber, doch davon hatte er mit seinem Wissensvorsprung am Anfang natürlich nichts verraten.
Öffentliche Bauvorhaben bringen die meisten Siegpunkte ein, in den letzten beiden “Kapiteln” kann man auch als Pestheiler gut punkten. Private Häuser sind eine Hoffnung auf spätere Sicherheit, doch damit gewinnt man in einem scharfen Wirtschaftsspiel keinen Pappenstil. Bei den Pflichtübungen das Minimum tun, und ansonsten immer die punkteträchtigste Aktion durchführen, das ist der Schlüssel zum Sieg.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (Schön aufgemacht, aber das Spiel dümpelt so vor sich hin.) , Günther: 6 (nicht kompliziert, aber auch nicht planbar), Walter: 6 (thematisch aufwändig, doch vom Spielerischen her nicht ganz überzeugend)
3. “Savannah Tails”
Der Aufbau des Streckenparcous war ein erster topologischer Intelligenztest, den wir nur mit Mühe bestanden. Bei den vielen Linien und Motiven auf den einzelnen Streckenteilen war es gar nicht so einfach zu erkennen, ob die Streckenführung jetzt in eine Linkskurve oder in eine Rechtskurve übergeht.
Auf der Strecke verlaufen Straußenspuren in den Farben rot, gelb, blau und schwarz. Jeder Spieler besitzt einen Strauß, den er in einem Wettlauf über die Strecke schickt. Wie bei vielen ähnlichen Rennwettbewerben (z.B. “Formula De”) besitzt jeder Spieler den gleichen Set von Karten, mit denen die Schrittweite eines Zuges bestimmt wird. In “Savannah Tails” wird damit zugleich die Farbspur vorgegeben, auf der ein Zug enden muß. Es kommt also ständig zu zwangsweisem Spurwechseln.
Großes Gerechtigkeits-Problem: Die Spieler dürfen nicht ihr vollständiges Kartendeck in die Hand nehmen, sondern immer nur 4 Karten davon. Wer Pech hat, muß mit seinen Karten für Zweier- und Dreier-Schrittweiten anfangen und hat dabei noch unglückliche Farbkombinationen. Er wird zu häufigen Spurwechseln gezwungen, kann keine Kurven schneiden, kann Hindernisse nicht stromlinienförmig überwinden und gerät hoffnungslos ins Hintertreffen. Während seine Sechser- Reichweiten noch friedlich im Kartendeck schlummern, ist die Konkurrenz bereits am Ziel angelangt. Das kann zwar lustig und – für die Sieger – unterhaltsam sein, ein Prädikat für ausgereiftes Design wird dafür nicht vergeben.
Gewollter Aufbau von Engpässen, Ausnutzung der Streckenführung, den Gegner Schneiden und Abdrängen, all diese schönen Ärgerfaktoren gibt es nicht. Jegliche Interaktion innerhalb des Rennens bleibt ausschließlich dem Zufall (innerhalb der winzigen Kartenhand) überlassen.
WPG-Wertung: Aaron: 4, Günther 4, Walter: 5 (zum Warming-Up durchaus geeignet)
4. “Fzzzt!”
Eigentlich hatte aus den Erfahrungen der letzten Wochen keiner so richtig Lust, dieses Spiel nochmals zu spielen, doch Aaron wollte noch eine Mission erfüllen:
a) Günther mit dem Spiel vertraut machen.
b) einen intelligenteren Anfang hinlegen.
Mit Karten ersteigern wir Karten zum Ersteigern von Karten um zum Erringen von Siegpunkten. Günthers Kommentar am Ende: “Ich bin mir noch nicht so ganz klar darüber, was ich von dem ganzen halten soll.”
Den zweiten Punkt seiner Mission konnte Aaron erfolgreich abschließen. Als Sieger verließ er das Feld.
Günthers 5 Punkte sind an der unteren Grenze der bisherigen WPG-Wertung angesiedelt.

04.11.2009: Nagelprobe für Egizia

Die Einschätzungen unserer Essen-Fahrer über “Vor den Toren von Loyang” sind schlecht bis vernichtend. Der Agricola Vorgänger wurde in Essen hoch gehandelt, und deshalb hat es Günther selbstverständlich in seinen Koffer gepackt. Heute urteilt Moritz “Es ist mit Abstand eines der langweiligsten Spiele, die ich je gespielt habe, 3 1/2 Stunden ödeste Buchhalterei.” Die Siegpunkt-Vergabe ist anti-progessiv. Wer am Anfang ins Hintertreffen gerät, bleibt im Punktemühsal der letzten Phase hoffnungslos hinten. “Ihr werdet es hassen!”
Günther setzt die Hoffnung auf einen Spielabend ohne Moritz: “Da ich es habe, werden wir es dann irgendwann auch am Westpark probieren …” Wie lautet das bekannteste Zitat von unserem noch lebenden Kaiser: “Schaun mer mal!”
1. “Egizia”
Günther, Moritz und Peter hatten bei Hans im Glück schon den Prototyp ausprobieren können und waren begeistert. In der Serienversion ist ein Spielbrett mit Anleihen vom Stone-Age-Design dazugekommen, bunt und antik, aber mit Einbußen in der funktionalen Übersichtlichkeit. Der Nil mäandert sich in einem diagonalen Zickzack-Bogen quer durchs Spielbrett und es ist beim flüchtigen Hinsehen nicht immer klar, in welcher Reihenfolge die Stationen angeordnet sind.
Die Spieler setzen reihum ein Schiffchen auf eine beliebige Station auf dem Spielbrett und bekommen dafür die individuellen Vorteile der Station: Ernährung für die Arbeiter, Steine für allerlei Bauwerke, Zuwachs an Arbeitern, Baugenehmigungen und dergleichen. Diese verschiedenen Vorteile werden pro Runde als “Nil-Karten” zufällig auf die Stationen verteilt.
Die Beliebigkeit beim Setzen ist allein dadurch eingeschränkt, daß man ein weiteres Schiffchen nur nilabwärts zu seinem Vorgängerschiff plazieren darf. Wer sich also sehr früh weit nach vorn auf eine besonders begehrte Station begibt, überläßt seinen Mitspielern ohne Gegenwehr alle dazwischenliegenen Stationen. Wer die letzte Station erreicht hat, für den ist die Setzrunde zu Ende, unabhängig davon, wieviele Schiffchen die anderen noch setzen.
Jeder hat sein Glück weitgehend in der Hand. Natürlich im scharfen Wettbewerb mit seinen Mitstreitern. Die ständig wechselnde Szenerie mit den ausliegenden Nil-Karten, die konkurrierenden Ambitionen der Mitspieler und ihr sich sehr schnell unterschiedlich entwickelnder Besitzstand sind die Herausforderung des Spiel. Engpässe gibt es in jeder Beziehung, aber gleichzeitig auch Entwicklungspotential in jede Richtung; Freud und Leid halten sich vorzüglich die Waage. Ein harmonisches Weiterbringen der benötigten Fortschrittskräfte ist der Schlüssel zum Sieg.
Der Spielverlauf bietet für jeden Spieler eine deutliche Steigerung seines Handlungsspielraums: die vergebenen Siegpunkte wachsen von Runde zu Runde, und die zu Beginn unvermeidlichen Engpässe können immer leichter beseitigt werden. Ein solches Design zeigt eine erfahrene Handschrift beim Autor und vor allem in der jahrelangen Testphase im Verlag.
Günther und Moritz mit ihrer HiG- und Essen-Erfahrung rissen sich sofort um das Baumaterial. Moritz konnte sich dann auch noch die Ernährung sichern und mit ein paar günstigen Siegpunktquellen den Sieg davon tragen. Aber nur knapp. Doch auch für die Neulinge in “Egizia” waren die zwei Stunden Spielzeit ein ungetrübtes spannendes Vergnügen.
WPG-Wertung: Aaron: 8 (stimmige Mechanismen), Günther: 9 (bisher bestes Spiel aus Essen), Moritz: 9 (spannende Konkurrenz), Walter: 9 (auf angenehme Weise komplex)
Walter schreibt eine Rezension.
2. “The Adventurers”
Für einen zweiten Hauptgang reichte die Zeit nicht mehr. Moritz durfte ohne Widerspruch ein mittellanges Spiel aus seinem großen, zuweilen auch eigenwilligen Fundus auf den Tisch legen. Natürlich nicht ohne ein gewisses Mißtrauen durch die Mitspieler. “Ist das ein Fantasy Thema?” “Nein, ein Indiana Jones Thema! Und es hat einfach ein sehr schönes Spielmaterial”.
Auf ein kariertes Spielbrett werden zwei hübsche Mauerabschnitte (nach Art des Ischtar-Tores im Pergamonmuseum) gelegt und ein Stein, der an die Aufgabenstellung vom Sisiphus erinnert. Die Spieler laufen mit ihren Pöppeln von Feld zu Feld, müssen aufpassen, daß sie von den sich aufeinanderzubewegenden Mauern nicht zerdrückt werden, nicht in tödliche Fallen fallen oder vom Sisiphus-Stein niedergewälzt werden. Unterwegs können sie Schätze aufnehmen, die natürlich ihre weitere Laufgeschwindigkeit beeinträchtigen. Auf dem Weg zum Ziel können sie auch einen Teil schwimmend zurücklegen, wobei sie aber Gefahr laufen, nicht wieder sie rechtzeitig herauskommen, und dann einen Wasserfall hinterfallen und ausscheiden.
Wer die wertvollsten Schätze ans Ziel bringt, hat gewonnen.
Und was ist der Motor des Spiels? Der Würfel! Sogar fünf Stück davon. Ein Würfelwurf entscheidet, wieviele Felder wir pro Zug zurücklegen dürfen, wieviele Felder der Sisiphus-Stein hinter uns her rollt, wie schnell sich die Ischtar-Mauern schließen, ob wir lebend über eine baufällige Brücke kommen, und ob wir in den Wasserfall fallen. Wie nennt man auf gut deutsch so ein Spiel? Ein Würfelspiel, und nichts anderes!
WPG-Wertung: Aaron: 5 (Wenn ich in Stimmung bin, würde ich es nochmals spielen), Günther: 4 (mag das Alles-oder-Nichts-Prinzip nicht, mit hohem Aufwand wenig erreicht), Moritz: 7 (schönes Material, schnell, eigentlich ein Meisterwerk), Walter: 3 (Sisiphus reicht nicht. Meine Noten beziehen sich auf die WPG-Runde und nicht auf eine fiktive lustige Kinderrunde).
Moritz war über die schlechte Noten seiner Mitstreiter aufgebracht. Es war doch ein lustiges Spiel! Wir haben doch auch viel gelacht! “Du mußt jedes Spiel nehmen wie eine Frau. Manche sind rot, manche sind blond, manche sind dick, andere dünn. Alle haben ihre Vorzüge, und die mußt Du sehen.” Aaron: “The Adventurers ist in diesem Sinne keine intelligente Frau, sondern eine, die einfach nur aufgemotzt ist.” Walter: “Ich vögele nicht jede Frau!”
3. “Bluff”
Aaron schlug eine neue WPG-Variante vor: Jeder darf sich unter seinem Würfelbecher aus Herzenslust eine beliebige Würfelkombination zusammendrehen. Dann läuft das Spiel wie normal an. Gesagt getan!
Walter startete mit der Vorgabe: 10 mal der Stern. Eigentlich wollte er auf 20 mal den Stern setzen, aber soweit reichte das Spielbrett nicht. Hilfsweise addierten wir beim Überrunden des Startfeldes noch 10 Sterne hinzu, so daß Moritz auf 11 mal den Stern heben konnte. Aaron zweifelte an.
Günther und Walter hatten je fünf Sterne unter ihren Bechern, Aaron zwei Sterne und Moritz keinen. One Down is good Bluff.
Die Variante – obwohl überraschend, lustig und sogar praktizierbar – wurde zunächst noch einmal zurückgestellt.

28.10.2009: Erste Früchte aus Essen

Aaron, Günther und Moritz sind aus Essen zurück. Die Spielmesse wird von Jahr zu Jahr größer, voller und gigantischer. “Wie war die Stimmung?” Besser als letztes Jahr, wo die Wirtschaftskrise gerade zum Durchbruch kam. Wenn die Leute weniger Geld für Vergnügen und Gastronomie ausgeben, dann bleiben sie zu Hause und spielen auch häufiger. Inshallah!
1. “Im Wandel der Zeiten – Das Würfelspiel”
Ein Würfelspiel zum Erwürfeln von weiteren Würfeln, zum Erwürfeln des Rechts auf Erneutes-Würfeln, zum Erwürfeln von Erträgen an Waren und Nahrungsmitteln und zum Erwürfeln von erhöhten Erträgen bei Waren und Nahrungsmitteln. Dieses Prinzip ist von “Um Krone und Kragen” her bestens bekannt, allerdings ist die Aufmachung etwas pfiffiger, jeder hat das Gefühl, er sei seines Glückes Schmiedchen und recht zügig – in 30 Minuten – ist ein Spiel über die Runden gebracht.
Unser Moritz hatte die Gewinn-Strategie als erstes durchschaut: Die höchste Priorität beim Würfeln hat die Erhöhung der Würfelzahl, mit denen man ab der nächsten Runde würfeln darf, dann erst muß man sich um die siegpunkte-trächtigen Würfelergebnisse kümmern. Am Ende ergibt sich der Sieg aus der Summe aller Errungenschaften, die man sich im Laufe des Spiels erwürfeln konnte.
Zum Spielmaterial gehört ein hübsches Holzbrett auf dem jeder Spieler seinen Besitzstand an Waren und Nahrungsmitteln markieren kann. Weiterhin bekommt jeder ein ausgefeiltes Formularblatt, auf dem er seine Errungenschaften notieren kann. Didaktisch gelungen und übersichtlich. Aber halt nur ein Würfelspiel.
Frage am Rande: Ist im Grunde nicht auch der Massenanziehungssport Fußball nur ein Würfelspiel? Man betrachte nur das Pokal-Ergebnis zwischen der Spielvereinigung Greuther Fürth – und dem Schwabenstolz VfB.
WPG-Wertung: Moritz: 8 (schnell und gelungene Thematik), Aaron: 6 (schnell, sucht noch die Thematik), Walter: 6 (schnell, sucht auch noch die Thematik).
2. “Tammany Hall”
Wir sind New Yorker Aborigines auf der Südspitze von Manhattan und müssen den Einwandererstrom auf unsere politische Seite ziehen, damit wir Bürgermeister werden und Siegpunkte verbuchen können.
Ein Spiel besteht aus 4 Phasen (“Amtszeiten”) zu je 4 Zügen (“Jahren”). Einwanderer verschiedener Nationalität tauchen vor der Küste auf, und wir dürfen pro Zug zwei Pöppel (“Bezirksbosse unserer Partei”) auf beliebige Regionen in Manhattan setzen oder einen Einwanderer-Kubus in unsere Region lassen und dafür einen Einwanderer-Bonus kassieren.
Alle 4 Jahre wird gewertet, wer in einer Region die meisten Bezirksbosse sitzen hat und wer von den verschiedenen Einwanderer-Nationen jeweils die meisten auf seine Seite gezogen hat. Entsprechend werden Siegpunkte verteilt.
Gegen die Bezirksbosse der Mitspieler dürfen wir Verleumdungskampagnen entfachen. Der Verleumdete kann sich nicht wehren, sondern ist unweigerlich ein toter Mann; allerdings muß der Verleumder dafür einen Einwanderer-Bonus abgeben, so daß sich die Vor- und Nachteile auf beiden Seiten ziemlich ausgleichen. Nur der unbeteiligte dritte und vierte Mitspieler kommt ungeschoren davon. Klares Prinzip: Wenn sich zwei streiten, freut sich der Dritte.”
Dieses Prinzip ist natürlich kontraproduktiv zum naheliegenden und gewollten Verleumdungskampf gegen den politischen Gegner. Ein wichtiges Spielelement schadet dem, der es anwendet und dem, gegen den es angewendet wird. Das erscheint zweifellos als eine Schwäche des Spiels. Unsere Lämmer Aaron und Walter gingen sich gegenseitig wie die Wölfe an die Wolle und unser Wolf Moritz spielte friedlich wie ein Lamm und konnte so haushoch gewinnen.
Moritz übernahm ab der zweiten Amtsperiode den Bürgermeisterposten und gab Walter einen lukrativen Unterposten innerhalb der Administration. Hocherfreut nahm Walter den Posten an und bot Moritz gleich einen Deal an: “Wenn Du mir in der nächsten Amtsperiode den gleichen Posten gibst, greife ich Dich in dieser Amtperiode nicht an!” Moritz sagte bedenkenlos zu. Da ereiferte sich Aaron: “Das ärgert mich jetzt richtig! Moritz, das ist dumm, was Du jetzt machst! Das ist Kingmakerei!” Dabei half Moritz mit seinem Eingehen auf diesen Nichtangriffspakt nicht einem Dritten auf dem Thron, sondern er sicherte sich seinen eigenen Thron und verhalf Walter damit nur auf den zweiten Platz. Also war das höchstenfalls Queenmakerei. “Honi soit qui mal y pense!”
WPG-Wertung: Aaron: 7 (wie “El Grande” komplex), Moritz: 6 (reizt nicht zum Wiederholen; wie “El Grande” simple), Walter: 7
3. “Fzzzt!”
Der Name soll an den Zischlaut erinnern, wenn ein elektrischer Funke überschlägt. Auf der Schachtel steht als Kurzbeschreibung: “A futuristic robot auction game with some dodgy mechanics”, auf Babelfish-Deutsch: “Ein futuristisches Roboterauktionspiel mit einigen zweifelhaften Mechanikern”.
Ein Kartenspiel zum Ersteigern von Karten, mit denen man erstens Siegpunkte gewinnt oder mit denen man zweitens seine Kartenhand laufend verbessert. Also quasi ein Biet-Dominion.
Im eingeschwungenen Zustand darf sich jeder Spieler 6 Auktionskarten aus seiner Kartenhand auswählen und damit auf ausliegende Karten bieten. Verdeckt bieten! Dieses Bietchaos ist der ganze Witz des Spiels. Immerhin. Wer am Ende die beste Kombination von Karten ersteigert hat, ist Sieger.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (aus Ärger über seinen grottenschlechten ersten Zug, der seinen Totalverlust besiegelte, Moritz: 7 (besitzt Lerneffekt; beim nächste Mal würde ich manches anders spielen), Walter: 6 (ganz lustig, mag aber keine blinden Auktionsspiele)

21.10.2009: Feilen an der weichen Landung

Das Gros der Westpark-Gamer ist auf dem Weg nach Essen. Nur das Urgestein Aaron und Walter trafen sich als frischgebackene Frührentner, um über ihre künftige Zusammenarbeit beim Spieldesign oder Spielredesign zu reden. Die Gemahlin des Gastgebers bot sich sogar noch als dritter Mann für einen Skat an, doch die harte Arbeit an der Zukunft des deutschen Brettspiels ging vor.

1. Soft Landing
Als Objekt für das erste Feilen wurde “Soft Landing” ausgewählt, ein Spiel zum Selberbasteln aus dem Internet. Bei der ersten Begegnung hatten wir durchaus den Eindruck, daß das Spiel gute Ideen enthält, aber noch gewaltig holpert.
In einem Wirtschaftsspiel sollen wir als Global Player Waren produzieren und damit auf dem Weltmarkt Siegpunkte machen. Doch die Produktion ist zähflüssig, die Logistik zwischen Produktionsstätten und Lager unbefriedigend, die Dynamik beim Spielende abgeflacht und der Zufallseinfluß für ein Planspiel viel zu hoch.
Folgende Verbesserungen wurden im Stile eines guten Westpark-Gamers-Design einstimmig beschlossen und getestet:
a) Mehr Spielraum in der Produktion
Die eng begrenzten Lager-Kapazitäten werden aufgehoben. Beliebig viele Waren jeder Sorte können produziert, gelagert und von Runde zu Runde übertragen werden.
b) Eliminiation der Kingmakerei
Mit den Sondereigenschaften darf man nur eigene Spielsteine bewegen, nicht aber die von Mitspielern. Man kann keine fremden Spieler in Katastrophengebieten zusammenziehen, und man darf auch nicht den Lieblingsspieler aus dem Katastrophengebiet retten, während man den Lieblingsgegner dort untergehen läßt.
c) Reduzierter Zufallseinfluß
a) Der Eintritt von Katastrophen ist nicht mehr vom Ergebnis dreier Würfel mit einer Schwankungsbreite von 3 bis 18 abhängig, sondern tritt ganz definiert auf, wenn sich eine feste Anzahl von Spielsteinen im jeweiligen Katastrophengebiet befindet. Angemessen ist dafür bei kleinen Katastrophen die Anzahl der Mitspieler plus 1, und bei großen die doppelte Spieleranzahl.
b) Von den Siegpunkten für die “New Era” profitiert nicht nur der Spieler, der zufällig gerade die meisten Steine in diesem Feld abgelegt hat, wobei hier sogar noch ein additiver Würfelwurf dem Zufall Tür und Tor öffnet, sondern alle Spieler erhalten so viele Siegpunkte, wie sie hier Steine deponiert haben.
d) Keine Dynamikbremse gegen Spielende
– Die Preise für einen Siegpunkt steigen nicht von 1 Ware am Spielanfang bis zu 5 Waren am Spielende, sondern bleiben konstant bei 1 bis 3 Waren.
– Die vergebenen Siegpunkte für das Nutzen von Sondereigenschaften fallen nicht unter ein Minimum, das in der Endphase oft genug bei Null liegt, sondern sie werden zu Begin jeder Runde auf mindestens einen Siegpunkt angehoben. Zusätzlich werden nicht nur Spielerzahl/2 neue Siegpunkte, sondern jeweils Spielerzahl neue Siegpunkte (jeder Spieler legt einen) auf die Attributfelder gelegt.
e) Reduzierung des Behindertenbonus
In der Originalfassung darf allein der am weitesten hinten liegende Spieler die zusätzlichen Siegpunkte beliebig auf die Attributfelder verteilen. Natürlich berücksichtigt er dabei ausschließlich seine eigenen Sondereigenschaften, und da er auch noch in der Zugreihenfolge vorne liegt, ist seine Siegpunktausbeute allein aus diesem “Behindertenbonus” heraus leicht um vier Siegpunkte höher als die seiner Mitspieler. Das ist vom Prinzip her zwar eine gute Idee, in der Ausführung aber viel zu kraß. Der Bonus soll doch die Spielerpositionen nicht völlig auf den Kopf stellen. Nach der Originalregel dümpeln die vorderen Spieler in dieser Phase nur noch vor sich hin und kommen kaum einen Siegpunkt vorwärts.
Von den, bei 4 Spielern, vier neuen Siegpunkten – gemäß Punkt d) – darf jeder Mitspieler einen Punkt auf das Attributfeld seiner Wahl legen. Der letzte Spieler profitiert dann immer noch davon, daß er als erster ziehen darf und pro so Attributfeld die meisten Siegpunkte abkassieren darf.
f) Weniger Denkzeit zwischen den Zügen
Mit diesen Regeländerungen ist das Spiel gerechter und berechenbarer. Da hiermit aber auch die Denkzeit für jeden Spieler steigt, und das den anderen auf die Nerven fallen kann, darf in der Aktionsphase jeder Spieler reihum immer nur einen Zug machen, bis alle passen. Das bringt gleich drei Vorteile mit sich:
– Jeder Spieler braucht bloß den nächsten Zug vorauszudenken und nicht gleich alle seine 10 und mehr Züge in den vier Aktionsphasen Use-special-abilities, Trade, Streß und Purchase.
– Die anderen Spieler kommen schneller wieder an die Reihe.
– Die untragbar extreme Benachteiligung der vorderen Spieler bei den sinkenden Preisen auf den Attributfeldern entfällt.
g) Fazit
Mit diesen Änderungen können vier gründlich planende Spieler in weniger als 2 Stunden ein anspruchsvolles Wirtschaftspiel über die Runden bringen. Über weitere Möglichkeiten der Spielzeitverkürzung wird nachgedacht.

2. Wünnenbergs “Quitt”
Zum Absacken noch ein 2-Personen Strategiespiel aus dem Wünnenberg Verlag Dortmund. Der Verlag hat vor rund einem Jahrzehnt in einheitlicher Aufmachung insgesamt rund 50 solcher “Spiele der Welt” herausgebracht, ist damit aber offensichtlich nicht über die Runden gekommen. Bei Luding ist kein einziges davon rezensiert und Quitt fehlt vollständig.
In “Quitt” wird ein quadratisches 7 mal 7 Felder großes Spielbrett diagonal zwischen die Spieler gelegt. Jeder Spieler besetzt mit seinen 15 Spielsteinen die ihm zugewandte Ecke. Die Spieler ziehen geradeaus oder schräg vorwärts auf benachbarte freie Felder. Steht ein Stein unmittelbar vor einem gegnerischen Stein und ist das dahinterliegende Feld frei, so muß der Gegner diesen Stein schlagen. Wer als erster keine Steine mehr hat, hat gewonnen.
Unklar in den Regeln blieb, ob man auch rückwärts schlagen darf. Wenn das nicht der Fall ist, dann befinden sich früher oder später hinter beiden gegnerischen Reihen Steine, die nicht mehr geschlagen werden können. Das Spielziel, nämlich “der Verlust aller eigenen Steine” ist somit oft genug für keine der beiden Seiten erreichbar. Was dann?
Keine WPG-Wertung

Egizia is our Game of the Month

It is unusual to select a ‘game of the month’ that has not been published yet, but in this case 2 of the Westpark Gamers had extensive experience with the prototype during test sessions at ‘Hans-im-Glueck’, so that it can safely be said that there is another winner in the works here. ‘Egizia’ is an excellent game built around a selection mechanic that uses the river Nile as a thematic base that works very well. The game is an exciting race for victory points and the survival of one’s people – both in equal measure.

14.10.2009: Neue, alte und ganz alte Spiele

“Wenn ich heute etwas überzwergs schreibe, so ist das kein Wunder. Hinter mir spielt man ein Spiel du Pharao, auf meiner Rechten ein Hoca, auf meiner linken ein Ombre und Schachspiel und nahe bei dem Bett ein Berlan. Also könnt ihr wohl denken, welch ein abscheulicher Lärm in meiner Kammer sein muß.”
Wer kennt heute noch die Spiele, mit denen die beklagenswerte Liselotte von der Pfalz vor 300 Jahren bei ihrem Briefeschreiben belästigt wurde?
1. “Waterloo”
Moritz war heute nach Nostalgie-Stimmung. “Waterloo” hat immerhin schon ein sechstel der Zeitspanne zwischen heute und der guten Liselotte auf dem Buckel: 1974 wurde es von Parker Brothers in deutscher Version herausgebracht, die amerikanische Urversion “Campain” stammt aus dem Jahre 1962.
Bei vier Mitspielern kämpfen Rußland, Österreich, Spanien und Frankreich den bösen Kampf des Lebens um die Vorherrschaft in Europa. Auf dem Spielbrett sind ihre Länder symmetrisch in den vier Ecken angeordnet. Ähnlichkeiten zur lebenden oder toten Geographie sind rein zufällig.
Die Spieler besitzen Infanterie, Kavallerie und je einen General, die ganz brav in den Ecken ihrer Spielfeldecken ihre Ausgangsstellung einnehmen. Die Figuren bewegen und schlagen sich auf dem karierten Spielbrett waagrecht und/oder diagonal ganz wie Türme, Läufer und Dame im Schach. Die jeweilige Reichweite wird wie bei “Monopoly” mit 2 Würfel ausgewürfelt. Die Augenzahl darf beliebig auf die einzelnen Figuren verteilt werden. Dabei muß sich der “Turm” aber pro Augenzahl um genau zwei Felder weiterbewegen. Konsequenz daraus ist, daß es wie bei den Läufern “weiße” und “schwarze” Türme gibt, die ihre Farbe nicht wechseln und sich gegenseitig nicht schützen können. Überhaupt erfordert es eine elende Analyse, für jede einzelne Figur zu berechnen, wen sie schützt – wenn überhaupt – und wie oft sie geschützt ist – wenn überhaupt!
Gewinner ist, wer als erster 8 fremde Städte (von 20) erobert hat und sie halten kann, was natürlich im chaotischen Planspiel gegen drei Mitspieler fast nicht möglich ist, es sei denn, man hat die Figuren der (meisten) Gegenspieler wie beim Anfängerschach erst mal auf Null reduziert. Wenn ein Spieler alle seine Figuren verloren hat, ist für ihn das Spiel zu Ende, leider aber für die anderen Spieler nicht. Wie beim “Monopoly” scheidet er aus und muß warten, bis sich am Ende ein einziger Monopolist gegen alle übrigen Mitstreiter durchgesetzt hat.
Zu Beginn wird angenommen, daß alle Spieler die vier Städte im eigenen Land “besetzt halten”. Die Spielanleitung benutzt hier ganz eindeutig nicht den Begriff “besitzen”. Auch in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts galt noch, daß das Militär nichts “besitzt”, sondern alles nur “besetzt”!
Es dürfen Bündnisse und Nichtangriffspakte geschlossen werden. Z.B. können sich zwei Mitspieler darauf einigen, sich gegenseitig die eigenen vier Städte erobern zu lassen. Dann hat jeder schon mal die Hälfte der Siegbedingungen erfüllt. Doch wie im richtigen Leben kann jede Seite jederzeit ihr Bündnis aufkündigen und den vertrauensseligen Partner abmurksen, sobald er im Kampf gegen die Unbündigen schwächelt.
Moritz knüpfte sofort ein Bündnis zwischen Rußland und Frankreich und bevor das Spiel auch nur aus den Startlöchern kam hatten beide Länder schon die preußischen Städte unter sich aufgeteilt. Dann erst wachten die etwas behäbigeren Habsburger aus Madrid und Wien auf, und teilten sich die italienischen Städte auf dem rechteckigen Zwischenstiefel.
Das Spiel war aber immer noch nicht in Schwung, Bewegungswürfe von 3 und kleiner trugen dazu bei, daß die Truppen nur langsam in die erforderlichen strategischen Positionen zum Losschlagen kamen. Aaron ahnte schon nach wenigen Minuten, daß unsere aktuelle Ausdauer für ein erneutes “Waterloo” wohl nicht ausreichen würde. Moritz war dem grundsätzlich nicht abgeneigt, doch wollte er wenigstens den ersten Kampf sehen.
Das topologische Problem der weißen und schwarzen Türme – schwer zu meistern, da das Spielbrett kein Schachbrettmuster enthält, sondern aus einfarbigen Karos besteht – war früh erkannt, doch nicht gelöst worden. Walter kam selbst nach einer Stunde Spielzeit immer noch nicht mit den Bewegungsregeln zurecht, viel weniger noch mit der Beherrschung der Angriffs- und Verteidigungsstärken jeder einzelnen seiner 12 Figuren. Wie ein Blinder im Nebel kann man in Waterloo keinen Pappenstil gewinnen.
Moritz hatte das Spiel vor Jahrzehnten mit seinen Freunden gespielt. Damals sind sie mit König und wenigen Mitläufern durch die Lande gezogen und haben sich gegenseitig platt gemacht, bis am Ende mit wenigen Figuren das Endspiel erreicht war. Wie Anfänger beim Schach. Das ganze dauerte jeweils mehr als drei Stunden. Soviel wollten wir diesmal von unserem kostbaren Abend nicht opfern.
WPG-Wertung: Aaron: 4 (möchte es nicht nochmals spielen), Günther: 4 (fühlt sich bei dieser Note etwas schuldig), Moritz: 5 (in memoriam 1974), Walter: 5 (hat die Raffinesse noch nicht durchdrungen).
2. “Das Spiel der Nationen”
Noch ein Spiel von Parker aus den siebziger Jahren. Als Spielmotor wurden vom Autor diesmal nicht die “Monopoly”-Würfel, sondern das Geld und die Ereigniskarten herangezogen. Ein Ölkontinent ist in verschiedene Länder mit Ölvorkommen und Ölverlade-Anlagen eingeteilt. Pro Zug können / müssen / dürfen die Spieler:
1) Geldeinnahmen aus ihrer Ölförderung erzielen
2) Eine neue Landesregierung einrichten bzw. vorhandene Regierungen bewegen
3) Einen Geheimagenten bewegen (er erschwert die Bewegung der fremden Regierungen)
4) Schiffe zu ihren Ölverlade-Anlagen hinzukaufen
5) Pipelines zwischen Binnenländern und Meeranrainern bauen
Alles ist sakrisch teuer. Mit 8 Mille geht jeder Spieler ins Rennen. Eine demonarchische Regierung kostet schon allein 2 Mille. Pro Spielerzug muß sie bewegt werden, auch wenn das sinnlos ist; das kostet auch schon wieder 2 Mille. Eine anarchische Regierung kostet immerhin noch 1 Mille pro Einrichtung und Bewegung. Und wenn die Regierung nicht in der Hauptstadt ist, gibt es kein Fördergeld. Schon allein wegen des Bewegungszwanges braucht man eine zweite billige anarchische Regierung, mit der man die die teuren und sinnlosen Bewegungen ausführt, damit wenigsten die andere Regierung in ihrer Hauptstadt bleiben und Einnahmen erzielen kann.
Ein Schiff kostet 5 Mille, eine Pipeline auch. Da ist man seine Peanuts-Geldausstattung schneller los, als die bayerische Landesbank unsere Ersparnisse an den Lehmann bringen kann. Wer kein Geld mehr hat, scheidet aus. Ohne das Spiel zu beenden – aber das hatten wir schon.
Ein anhaltendes homerisches Gelächter erhob sich, als die krassen Zugmöglichkeiten analysiert wurden: Walter konnte in seinem dritten (!) Zug bereits mit seiner Revoluzzer-Regierung Günthers König entthronen und seine Ölvorkommen übernehmen. Günther konnte gerade noch seine Schiffe retten, blieb aber hilflos ohne jede Einnahmequelle und wäre nach weiteren drei Zügen unausweichlich pleite gewesen, wenn … ? Ja, wenn er nicht aus lauter Verzweiflung auf ein Ereignisfeld gezogen wäre, das ihm 6 Mille zuschusterte, mit denen er in einem neuen Land ein neues Leben beginnen konnte. Diese Spielbalance ist absurd. Moritz verteidigte sie als “normale” Erscheinung in den Spielen der siebziger Jahre. Aber so ganz kann ich ihm diese Behauptung nicht abnehmen.
Walter konnte der Verlockung der Ereignisfelder ebenfalls nicht widerstehen. Doch hier wurde sein Leichtsinn bitter bestraft. Er verlor die Hälfte seiner Schiffstonage und konnte mit dem Rest seine laufenden Ausgaben für Regierung und Exploration nicht mehr bestreiten. Es war tatsächlich sein Aus, und nach WPG-Verständnis war es auch das Ende des Spiels.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (im Gegensatz zu “Waterloo” keine Topologie-Probleme), Günther: 3 (reines Glücksspiel), Moritz: 6 (weil so viel gelacht wurde + weil es damals gut war), Walter: 3 (könnte funktionieren, wenn die vielen krassen Effekte restlos eliminiert würden).
3. “Kunststück”
Ein “Krimi-Kartenspiel für clevere Kunsthändler”.
Aus verdeckten Kartenstapeln ziehen die Spieler Karten für “Kunstwerke” verschiedener Stilrichtungen (Renaissance, Barock, Romantik etc.) bzw. für verschiedene “Galerien” (Pinakothek, Städel Museum, Kunsthalle etc.) und Aufträge, nach denen sie Kunstwerke vorgegebener Stilrichtung an beliebige Galerien oder beliebige Kunstwerke an vorgegebene Galerien verkaufen können.
Es geht also darum, passende Sets von Karten zu ziehen, zu sammeln und abzulegen. Das ganze riecht nach Romme oder Quartett. Allerdings gibt es dabei ein Regelbeiwerk, das dem ganzen schon eine intellektuelle Note verleiht.
Die Spieler dürfen maximal 3 Karten in der Hand haben. Alle weiteren Karten müssen sie in eine private Ablage tun (Kapazität: 3 Karten) oder an öffentliche Stapeln offen ablegen, wo sie jedem Mitspieler zur freien Verfügung stehen. Beim Ziehen einer jeder Karte muß man also herumschauen, welche passenden Karten öffentlich herumliegen, welche Karten man privat in der Ablage hält und welche Karten auf der Hand sind. Ergibt sich daraus ein passendes Quartett (es reicht schon ein Trio), dann kann die entsprechenden Karten einsacken.
Die wichtigsten strategischen Überlegungen gehen darum:
1) Wie viele Karten soll man in der Hand behalten, zwei oder drei? Mit zwei Handkarten ist man flexibler beim Aufnehmen der nächsten Karte, bei drei Karten hat man mehr unbekannte Überraschungen für die Mitspieler auf der Hand.
2) Sammelt man Kunstwerke oder Aufträge innerhalb der maximal drei Handkarten?
Das ist der ganze Witz, die Herausforderung, die Spannung und das chaotische Zufallselement des Spiel. Ein lockerer Spaß für hochbegabte Schulanfänger.
Und welches sind das Krimi-Elemente? Es gibt eine “Razziakarte”, mit der man einen Mitspieler zwingen kann, seine in der Privat-Ablage ausliegenden Karten auf die öffentlichen Ablagen zu verteilen. Wir nutzten diese Möglichkeit während des ganzen Spieles gerade zwei mal. Aus Faulheit oder Bequemlichkeit, oder weil der Effekt relativ unerheblich ist. Moritz: “Und das waren die spannendsten Momente im ganzen Spiel!”
In der Spielregel steht noch, daß “Timing” gefragt ist. “Jawohl” bestätigte Günther “zum richtigen Zeitpunkt vom verdeckten Stapel die richtige Karte ziehen”.
Moritz: “Die heutigen Spiele sind auch nicht besser als die alten!” Und damit meinte er nur das letzte Jahrhundert, gewiß nicht die Spiele, mit denen am Hofe des Sonnenkönigs die Luder und Luderinnen ihre Zeit vertrieben, und bei denen die gute Liselotte es vorzog, lieber Klagebriefe zu schreiben.
WPG-Wertung: Aaron: 4 (etwas zu lang, sonst OK), Günther: 4 (für Kinder zu komplex), Moritz: 4 (Grundidee ganz hübsch, die Karten auch, aber es fehlen Höhen und Tiefen), Walter: 5 (für Kinder OK).

4. “Bluff”
Zwei ganz extreme Würfelkombinationen:

Erstens: Im Endspiel Aaron (5 Würfel), Günther (2) und Moritz (4) legte Aaron 4 mal die Vier vor, Günther hob auf 5 mal die Zwei und Moritz auf 6 mal die Zwei.
Aaron strahlte, er hatte unter seinen 5 Würfeln keine einzige Zwei: “Das geht nur, wenn ihr alle nur Zweier habt” Und genau so war es. Aus mit dem Strahlen.Beim Absacken
Zweitens: Alle vier Spieler hatte noch ihre 5 Würfel und Aaron begann mit 7 mal die Fünf. Günther hob auf 8 mal die Drei, Walter auf 5 mal Stern und Moritz auf 10 mal die Zwei.
Aaron hatte wieder keine einzige Zwei unter seinem Becher und zweifelte hoffnungsvoll an. Jetzt strahlte auch Günther, er hatte ebenfalls keine einzige Zwei geworfen. Walter zeigte mit gemischten Gefühlen seine 3 Sterne und 2 Zweier. Moritz konnte erneut triumphieren: Er hatte ebenfalls lauter Zweien unter dem Becher und konnte seinen Mitspielern je einen Würfel abknöpfen.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

30.09.2009: Entdeckungen in Marracash

Aaron und Walter hatten heute beide ihren letzten Arbeitstag. In ihrem Leben!
Wenn dieser Session-Report im Internet steht, fängt das Leben an.
1. “Zeitalter der Entdeckungen”
Ein Wirtschaftsspiel mit Geld, Schiffen, Handel und siegpunkt-trächtiger Beteiligung an Forschungsunternehmen. Die Spieler haben ihr Schicksal vollständig in der Hand. Sie kaufen Schiffe aus der offenen Auslage (große teuere oder kleine billige), erledigen Handelsaufträge aus der offenen Auslage (große oder kleine , kurz- oder langfristige), erzielen Gewinne und kaufen sich wieder neue Schiffe. Irgendwann muß man seine Schiffe aus dem Handelskreislauf ziehen und sie auf Forschungsreisen schicken, denn nur so werden Siegpunkte gemacht.
Für die verschiedenen Spielentscheidungen ist ein wohlproportioniertes Abhängigkeitsnetz aufgebaut: Große Schiffe kosten mehr Geld, können dafür aber ein größeres Handelsvolumen bewältigen; in der Siegpunktwertung auf Forschungsreisen zählen dagegen alle Schiffe gleich viel. Größere Handelsaufträge benötigen höhere Tonnagen, bringen aber auch einen höheren Gewinn ein. Dabei kann frei gewählt werden, ob ein Handelsauftrag in 1, 2 oder 3 Runden abgewickelt wird. Längerfristige Abwicklung bindet Schiffskapazitäten, erzielt am Ende aber auch einen höheren Erlös. Alles rational und stimmig.
Beim Handel ist Interaktion kaum spürbar; sie beschränkt sich auf die wetteifernde Auswahl um die am besten passenden Schiffe und Handelsaufträge.
Hier mußte mutwillig etwas Schmalz dazugegeben werden. Moritz hatte gerade das erste Schiff gekauft, da fuhr ihn Aaron auch schon von der Seite an: “Das war äußerst aggressiv gegen mich!” “Ich habe selten einen unaggressiveren Zug gemacht!” “Ich war aber doch noch gar nicht dran, du Blödmann!” “Sag doch gleich: 'Du W.c.s.r' zu mir!” – Keine Panik, kein Sittenverfall, alles nur Oktoberfeststimmung!
Erst wenn der Run auf die Forschungsaufträge einsetzt, entsteht Konkurrenz, und zwar ziemlich abrupt. Wer sich hier nicht schnell genug engagiert, kann seine teuer erworbenen Schiffe und die damit gewonnenen Barmittel in der Pfeife rauchen. Er bringt sie auf dem begrenzten Forschungsareal nicht mehr unter und kriegt dafür keine Siegpunkte.
Die offen erzielbaren Siegpunkte werden durch eine für jeden Spieler verschiedene Sonderwertung ergänzt: Spieler A bekommt 9 Punkte für jeden Forschungsauftrag, den er ganz alleine durchführt. Spieler B bekommt 7 Punkte für jeden Forschungsauftrag, bei dem er die absolut meisten Schiffe eingesetzt hat. Spieler C bekommt 6 Punkte für jeden Forschungsauftrag, bei dem er mindestens die Hälfte aller eingesetzten Schiffe besitzt. Spieler D bekommt 5 Punkte für jeden Forschungsauftrag, bei dem er mit mindestens einem Schiff beteiligt ist. Diese Punktwerte werden noch mit der Anzahl erledigter Handelsaufträge multipliziert. Dieses ist der einzige Schwachpunkt des Spiels. Kann da nicht bereits ein Blinder mit der Krücke fühlen, daß Spieler D am besten dran ist? Hans war der Glückliche und zog mit 30 Sonderpunkten an die Spitze.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (früher 7. “Das Spiel macht Spaß, die Frustbedingung kommt hinter”), Hans: 4 (“Ohne die Sonderwertung wäre es ein 7 Punkte Spiel”), Moritz: 5 (“So viele Punkte weil’s funktioniert. So wenig Punkte, weil’s beim ersten Mal toller war.”), Walter: 6 (“für die Balance, abzüglich Sonderwertung”).
Walter hat schon eine Rezension geschrieben.
2. “Marracash”
1996 von Kosmos herausgebracht lag das Spiel schon im vorigen Jahrtausend am Westpark auf dem Tisch. Allerdings hatten wir damals noch keine Internet-Seite, und deshalb hat das Spiel noch keine sichtbaren Spuren hinterlassen. Selbst die Freaks unter uns waren nicht einmal sicher, ob sie das Spiel schon gespielt hatten oder nicht.
Wir ersteigern oder versteigern Läden, bringen Käufergruppen in die Altstadt, führen die Käufergruppen durch die Straßen, wo sie sich in den verschiedenen Läden verlieren. Für ersteigerte Läden zahlen wir viel Geld, für versteigerte Läden bekommen wir Provision. Jeder Kunde in unserem Laden bringt progressive Einnahmen; wurden sie von Mitspielern angeschleppt, müssen wir ihnen Provisionen zahlen. Die Topologie der Straßen von Marracash in Verbindung mit der Verteilung des Ladenbesitzes der einzelnen Mitspieler, die Zusammensetzung und die Größe der vor den Stadtmauern wartenden Käufergruppen und die nur zu ahnenden Ambitionen der Mitspieler stellen eine hübsche Herausforderung dar. Mitspielerchaos eingeschlossen. Immerhin befand unser Hausdenker ziemlich schnell: “Schon lustig, das Spiel!” Klar, für einen Hobbydenker!
Irgendwie lag heute ein bemerkenswerter Spieleifer in der Luft. Versteigerungen um lauter gleichartige Läden wurden mit einer Ernsthaftigkeit durchgeführt, als gelte es die Präsidentschaft der Baltimore & Ohio zu erwerben. Bei einem Aktionspreis von 475 Dirham wurden gewaltige Denkprozesse in Gang gesetzt, nur um zu bestimmen, ob ein Laden nicht doch 500 Dirham wert sei.
Dabei wird das Spiel nicht durch die meisten oder besten Läden entschieden, sondern durch eine gute Mischung aus Geben und Nehmen. Vielleicht kann man sogar ohne eigenen Laden das Spiel gewinnen, wenn man nur immer seinen Mitspielern genügend Kunden zuführt und die Provisionen kassiert. Walter hatte nur einen einzigen Laden, Aaron einen einzigen Laden zuviel ersteigert. Dazwischen lagen die Welten von Sieg und Niederlage.
WPG-Wertung: Aaron: 7 (“flott”), Hans: 7 (“richtiges Timing gefordert”), Moritz: 6, Walter: 7 (“locker”).
3. “6 nimmt”
Dieser frühere Standardabsacker lag vor gut 2 Jahren zum letzten Mal bei uns auf dem Tisch. Bis heute hat er nichts von seinen Qualitäten verloren.
Wir erfanden zwei neue Verteilungsprinzipien:
a) Moritz-Variante : Um mehr Verteilungsgerechtigkeit zu erzielen und die bisherigen Gewinn-Strategien zu erschüttern: Jeder Spieler bekommt aus jedem Zehnerbereich (1-10, 11-20, … , 91-100) genau 1 Karte.
Effekt (statistisch noch nicht gesichert): Die Zahlen in den ausliegenden Stapel liegen deutlich näher beisammen. Die Minuspunkte in der Endabrechnung ebenso.
b) Flaschenteufel-Variante: Die Karten werden normal ausgeteilt, hinterher gibt jeder Spieler an jeden anderen je eine beliebige Karte ab.
Effekt: Extreme Ungleichgewichte in der Kartenverteilung werden ausgeglichen, da ein Spieler mit vielen hohen Karten in der Hand eher ein paar hohe Karten abgibt, und ein Spieler mit vielen niedrigen Karten eher ein paar niedrige. (Statistisch noch nicht gesichert, aber pfiffig.)
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

23.09.2009: Weiche Landung bei Prinzessinnen

Es gibt Tage, da kann ein beliebig-mieses Spiel auf den Tisch kommen, trotzdem ist die Stimmung gelöst, locker, konstruktiv und der Abend hinterläßt eine spielerische und emotionale Befriedigung. Es gibt aber auch Tage, da liegt Spannung, Kratzbürstigkeit und Aggressivität in der Luft, die Spiele werden abgebrochen und bekommen schlechte Noten. Wenn dann die Gummibärchen nicht so nahrhaft wären, würde ein jeder hungrig nach Hause gehen.
Woran das liegt, das ist noch nicht ermittelt. Sicherlich spielt die individuellen Zusammensetzung der Runde eine gewisse Rolle. Doch weitere Details bedürfen noch einer gründlicheren Analyse. Packen wir’s an.
1. “Genji”
Autorenname Dylan Kirk und Verlag Z-Man Games sind amerikanisch, doch das Thema, in dem sich “Genji” tummelt, ist absolut japanisch: “Eine romantische Flamme aus der Hochzeit der Heian Epoche”, so lautet der Untertitel in der Spielregel.
Wir müssen an 12 Höfen die Prinzessinnen mit Gedichten becircen. Dazu erhält jeder Spieler pro Runde 5 Karten mit Gedicht-Anfängen oder Gedicht-Enden. Lesen können wir die japanischen Zeichen natürlich nicht, und auch die amerikanischen Übersetzungen sind beim Spielen nicht von Bedeutung. Wichtig ist, daß die Gedichte zur gerade herrschenden Jahreszeit und zu den Vorlieben der jeweiligen Dame passen, und das ist an entsprechenden Piktogrammen eindeutig abzulesen. Manche Damen bevorzugen Melancholie, andere Romantik oder Naturliebe.
Jeder Spieler zieht mit seinem Pöppel von Hof zu Hof und legt seiner Dame entweder eine Karte mit einem halben Gedicht oder zwei Karten mit einem ganzen Gedicht zu Füßen. Er kann dabei auch mit einem besser passenden Gedicht die Gedichtskarten seinen Vorgänger verdrängen. Man braucht nicht alle Höfe zu besuchen, sondern darf weniger attraktive oder unpäßliche Objekte überspringen. Sobald der erste Spieler wieder an seinem Ausgangshof angekommen ist, ist eine Runde zu Ende und die ausliegenden Gedichte werden gewertet. Der Besitzer des besten Gedichtes bekommt 2 Siegpunkte; Gedichte, mit denen man die Kirschen in Nachbars Garten pflücken konnte, bringen je 1 Siegpunkt ein. Wer vom Rest noch die meisten Gedichte bei seinen Favoritinnen unterbringen konnte, bekommt sogar 3 Siegpunkte.
Vier Männer mit einem Gesamtalter von über 200 Jahren lassen bei diesem Thema natürlich ihrer Phantasie freien Lauf. Flachlegen, beschlafen, beischlafen und Hörner aufsetzen stammen noch aus dem Sprachgebrauch der Gebrüder Grimm. Doch auch das weitaus modernere Poppen wurde weidlich zitiert. “Ist eine Runde zu Ende, wenn man alle gepoppt hat?” Diese Frage muß natürlich mit “Nein” beantwortet werden, man darf ja einige Höfe auslassen. “Dreimal gut gepoppt ist besser als viermal schlecht!” Diese Lebensweisheit gilt auch in “Genji”.
Die Spielregel fordert im Gedenken an gute japanische Kulturtradition auf, den Pinsel in die Hand zu nehmen, um eine wankelmütige Prinzessin rumzukriegen. Im alten Europa scheint das ebenfalls eine lange Tradition zu haben. Ansonsten sind bei uns die Anforderungen an den “Master of the Quickies” schon etwas höher. “Genji” weist in bezug auf Ausgewogenheit doch erhebliche Defizite auf.
1) Pro Runde erhält jeder Spieler ganze fünf halbe Gedichtkarten. Wenn sie nicht zur aktuellen Jahrezeit passen oder gar nur Gedicht-Anfänge aber kein einziges Gedichte-Ende enthalten, wird man damit wohl keinen Stich machen. Hier unterscheiden sich die zufälligen Grundausstattungen der verschiedenen Mitspieler in ihrem Stichpotential leicht um mehrere 100 Prozent.
2) Der Startspieler hat die größten Chancen, sich als erster durch alle Höfe gepoppt zu haben. Jetzt wird sofort gewertet, ohne daß die anderen Spieler noch zum Zug kommen dürfen. Ist das gerecht? Doch widersinnig ist geradezu, daß der Startspieler nicht reihum wechselt, sondern daß derjenige, der die Runde als erster beendet, auch noch bestimmen kann, wer der nächste Startspieler wird. Muß das sein? Hätte nicht problemlos jede Runde zu Ende gespielt werden können?
Es gibt viele Möglichkeiten, bei “Genji” punkten zu wollen. Doch alle diese Vorgehensweisen sind weitgehend zufallsabhängig und risikoreich-unkalkulierbar. Die einzige plausible Technik ist, immer hinter einem Spieler her zu gehen, denn gemachte Betten sind wärmer. Hans wurde Sieger. Er hatte nach seinen eigenen Worten “unumstrittene Frauen gesucht und ihnen halbseidenen Gedichte vorgesetzt”.
Aaron träumte von einer Erwachsenen-Version. Sicherlich in Wort und Bild mit aller Schärfe unseres libertinistischen Kontinents.
WPG-Wertung: Aaron: 4 (nix kalkulierbar), Hans: 5 (weil er’s hat), Moritz: 4 (einschließlich Graphik-Bonus), Walter: 3 (Zeitvertreib).
2. “Soft Landing”
Aaron hat sich das Spielbrett aus dem Internet beim “Blacksbury Tactical Research Center” runtergeladen. Selbst für hunderte von Pöppeln gab es Vordrucke, doch hier hat sich Aaron die Schneide- und Klebearbeit gespart und die Steine vom Flohspiel als Anleihe genommen.
Jeder Spieler ist Herrscher über einen eigenen Teil der Welt und muß durch Produzieren, Handeln, Investieren und Planen den wirtschaftlichen Konkurrenzkampf gegenüber seinen Mitspielern bestehen. Es gibt einen gemeinsamen Markt mit gemeinsamen Preisen, die sich auf Grund von Käufen und Verkäufen systematisch verschieben. Man kann auch auf “Markt-Manipulation” setzen und darf dann willkürlich an der Preiseschraube drehen.
Jeder Weltteil hat unterschiedliche wirtschaftliche Fähigkeiten: den einen fällt die Produktion fast von alleine in den Schoß, die anderen müssen gut würfeln, um Industrie, Technik, Lifestyle, Ressourcen und Reserven in Schwung zu halten. Die Schwächen in der Produktion werden durch erhebliche Vorsprünge auf der Siegpunktskala ausgeglichen. Z.B. fängt Westeuropa mit 3 Siegpunkten an, Indien bekommt gleich 16 Stück davon. Bei einem erwarteten Finale in der Größenordnung von 30 Siegpunkten ist das mehr als die Hälfte. Im Großen und Ganzen sind die Vor- und Nachteile zwar ausbalanciert, doch wer mit einer hohen Punktzahl anfängt, hat so wenig Handelsfreiheiten, daß das Spielgeschehen im Wesentlichen an ihm vorbeigeht: keine Produktion, kein Handel, nur Beteiligung an den unausweichlichen Katastrophen.
Nach drei Runden hatte sich Indien von 16 auf gerade mal 19 Siegpunkte hochgearbeitet, während Westeuropa von 3 Startpunkten ausgehend bereits bei 13 Punkten angelangt war. Ähnlich lagen die Verhältnisse in Osteuropa. Bei jeglicher Art von Umweltkatastrophen waren sie mit Mehrheit beteiligt. In den nachfolgenden vier Runden schwankten alle Spieler zwischen 17 und 20 Punkten: Was über Militäreinsätze gewonnen wurde, ging durch die Katastrophen wieder verloren.
Unser indischer Moritz fiel immer mehr aussichtslos zurück. Doch er plädierte nicht für einen Spielabbruch. Schon aus Prinzip spielt er jedes Spiel ohne Murren zu Ende. Diesmal war von ihm nur ab und zu ein leichtes verlangendes Stöhnen nach der letzten erlösenden Katastrophe zu hören. Doch als sie dann endlich eintrat und die Schlußrunde einläutete, wurde er mit einem Schlag in eine unanfechtbare Siegesposition gehievt: Er hatte jegliche Produktion in die “New Era Research” gepumpt und bekam dafür in der Schlußabrechnung 9 zusätzliche Siegpunkte gutgeschrieben. Gut gebrüllt, Löwe! “Aber das Spiel war für mich total langweilig. Diese Strategie hätte auch ein 3-Jähriger verfolgen können.”
Es war aber auch ein bißchen Glück dabei. Westeuropa hätte das Spielende auch durch zwei Mega-Katastrophen auslösen können. Dann wäre der “New Era Research”-Bonus erst gar nicht nicht mehr ausgezahlt worden. War das ein noch kalkulierbares Risiko?
Bleibt noch zu sagen, daß Aaron durch einen Verstoß gegen die Spielregel deutlich benachteiligt wurde: Seine unzureichenden Produktionskapazitäten zwangen ihn unaufhörlich, Flohsteine in die Katastophenerwartungsgebiete abzugeben, so daß er schnell überall die Mehrheit hatte und von den ausgewürfelten Katastrophen ständig als Hauptschuldiger betroffen wurde. Er hätte aber pro Katastrophe einen Flohstein wieder zurücknehmen dürfen und so deutlich größere Chancen aufs Überleben gehabt. Er trug’s mit Fassung.
Das Spiel hat ein paar gute Ideen, aber es holpert noch. Der Würfel, der zu 80% die Produktionsvorgänge bestimmt, macht aus dem Wirtschaftsplanspiel ein Roulette. Die Handelsphase braucht mehr Bewegungsfreiheit und die Fesseln im Markt-Lager-Mechanismus müßten gelockert werden. Immerhin hat der Autor Greg Porter auf der notwenigen Strecke von 99% Transpiration zu einem guten Spiel schon ein erhebliches Stück erfolgreich zurückgelegt.
WPG-Wertung: Aaron: 4 (Abwertung wegen Würfelglück), Hans: 3 (für jedes Foul 1 Punkt weniger), Moritz: 5 (er steht über der Langeweile), Walter: 5 (für die guten Ansätze).
3. “Bluff”
Nein, heute kein Bluff. Moritz mußte mit seinem Radl noch durch die Bierleichen vom Oktoberfest kommen.