10.06.2009: Mensch-ärgere-Dich-nicht beim Schach

“Das Spiel hat seine Unschuld verloren. Auch wenn sich die Kulturphilosophie einig ist, daß Elemente des Spiels alle Ebenen unserer Gesellschaft durchdringen, ja daß Kulturgeschichte an sich ohne Spiel nicht möglich ist, erleben wir gleichzeitig, wie das Spiel immer mehr instrumentalisiert wird. Wir leben in einer dem Spiel als Massenphänomen unterworfenen Zeit. Man verspielt seine Zeit mit Computerspielen, man verspielt sein Geld bei Lotterien, man wird gespielt. Aus dem Spiel ist Ernst geworden. Im Sport – der einmal Spiel war – ist ein Wettkampf ohne Doping oder nationalen Fanatismus kaum noch denkbar, eben weil das Spiel nicht mehr zweckfrei ist.” – Moritz in seinem Vorwort zum 10. Internationalen A-DEvantgarde-Festival für neue Musik vom 14. Juni bis 1. Juli 2009 in München.
1. “Frage der Ähre”
Aaron muß noch eine Rezension schreiben. Das gab den Ausschlag für das erste Spiel des Abends.
Wir legen reihum Saatplättchen auf die Almende und kassieren Siegpunkte für die Flächenformation, die dabei entsteht. Keiner hat sein Glück in der Hand, sondern ist abhängig von der Formation, die uns unser Vordermann hinterlassen hat, sowie von den Saatplättchen, mit denen die Mitspieler unsere siegpunktträchtigen Formationen zerstückeln.
Es gibt keine vorausschauende Planung. Jeder legt sein Plättchen so, daß es ihm für den Augenblick die meisten Punkte einbringt, und versucht dabei als Nebeneffekt, einem Mitspieler möglichst viele Punkte zu zerstören. Der beste Zug ist determiniert, den nächsten besten gibt es nicht. Ein einfaches Computerprogramm könnte die triviale Auszähltechnik mit links bewerkstelligen. Moritz: “So ein Programm würde immer gewinnen!” Günther bezweifelte die Gewinnstrategie. Seine Computer-Programme berücksichtigen in der Regel noch einen zweiten Zug. Mindestens. Doch welcher wäre das in der “Frage der Ähre”?
WPG-Wertung: Moritz lag mit seinen 5 Punkten ziemlich nahe am WPG-Durchschnitt.
Aaron wird eine Rezension schreiben.
2. “Maori”
Moritz gab klare Alternativen vor: “Das Spiel erklärt entweder Aaron ODER Günther. UND Walter hält den Mund.” Der Nebensatz enthielt keine Alternative mehr.
Die Spieler dürfen sich nach bestimmten Regeln vom offen ausliegenden Stapel (Halb-)Insel-Plättchen heraussuchen und damit auf dem eigenen Spielbrett eine Insellandschaft aufbauen. Am Ende entscheiden die meisten Palmen mit und ohne Strohhütten sowie das Maximum an Muscheln und Schiffen über den Sieg.
Wie schon beim ersten mal ergaben die Wortspiele um die Muschis den größten Spaßfaktor. Moritz wollte Muschikönig werden. Solange du Muschis hast, geht was. Die Schiffsplättchen dürfen seitenverkehrt abgelegt werden, Muschis dürfen ja auch verkehrt herum liegen.
Günther praktizierte zum wiederholten Male mit Erfolg seine Schiffsstrategie. Aaron hätte ebenfalls jedes Schiff-Plättchen genommen, das er hätte kriegen können, doch Günther war einfach irgendwie schneller. Obwohl er hinter ihm saß. Das ist das sogenannte Maori-Schiffsparadoxon.
Das Muschiparadoxon hingegen wird vom wahren Leben geschrieben.
WPG-Wertung: Moritz lag mit seinen 6 Punkten genau 1 Punkt unter dem WPG-Durchschnitt.
3. “Wind River”
Hat das Spiel eine Gewinnstrategie?
Gibt es eine Situation, in der das Spiel kippt, d h. in der ein Spieler aus dem ausbalancierten allgemeinen Spannungszustand heraus zu einem uneinholbaren Vorsprung gelangt?
Gibt es eine vernünftig-begründbare Kingmakerei? (Ist sie vernünftig, dann ist es keine Kingmakerei mehr!)
Auf alle diese Fragen haben wir trotz intensiver Auseinandersetzung mit dem Spiel noch keine schlüssige Antwort. Das spricht eindeutig für seine strategischen Qualitäten.
Wir bewegen eine Büffelherde über die Prärie, ziehen mit unseren Tipis hinterher, ernähren unsere Indianer, zeugen zuweilen auch Nachwuchs und bringen möglichst viele Stammesangehörige ins Ziel.
Irgendwann im Laufe des Spieles muß man vom defensiven Aufbau in den Angriff übergehen. Aber wann? Auch beim Schachspiel ist das nicht eindeutig. Und “Wind River” ist nach Walters Meinung das einzig funktionierende 4-Personen-Schachspiel der Welt!
Zum Schluß triumphiert einer. Wie bei mittelprächtigen Schachspielern, wo irgendwann mal einer dem anderen die Dame wegnimmt. Moritz fand das “Endspiel blöd”. Claro, wie ein Schachendspiel nach dem Verlust der Dame.
Günther meinte die problematische Kipp-Situation (Wegnehmen der Dame) identifiziert zu haben. Aber nur als Vision. In Worte fassen konnte er sie nicht, und praktizieren erst recht nicht.
Moritz gab erste vage Tips für gutes Spiel (genauso zutreffend wie der tägliche Wetterbericht im Monat Juni):
1) Baue so schnell wie möglich das dritte Tipi.
2) Baue dir eine Büffelbahn.
Günther ergänzte: 3) Halte dich aus Konflikten heraus.
Nachfrage: “Wie macht man das?” “Ja, das weiß ich nicht!” Zumindest die Randlage könnte dazu eine Chance geben. Genauso sicher wie die englische Vierspringer-Variante im Nimzowitsch-Indisch.
Keine neue WPG-Wertung
Walter wird eine Rezension schreiben.
4. “Dog”
Das Spiel sieht aus wie ein Mensch-ärgere-Dich-nicht. Ein kleines bißchen runder.
Das Spiel spielt sich wie ein Mensch-ärgere-Dich-nicht. Ein kleines bißchen unberechenbarer. Noch unberechenbarer!
Das vorherrschende Element soll die Gaudi sein. Doch dauerte es eine halbe Stunde, bis sich jeder ein dickes Fell zugelegt hatte und die Schicksalsschläge der Tausch- und Chaoskarten mit Gleichmut ertragen konnte. Dann gab es sogar hin und wieder ein allgemeines Gelächter.
Etwas unglücklich ist die Regel, daß man eine ganze Kartenrunde aussetzen muß, wenn man ein einziges Mal nicht ziehen kann. Zwei Klappen ohne eine einzige Fliege! Ist einem Gaudispiel nicht zuträglich. Oder vielleicht gerade?
Zu viert wird “Dog” paarweise über Kreuz gespielt, nur gemeinsam kann man gewinnen oder verlieren. Sobald der erste alle seine vier Pöppel im Loch hat, ziehen beide Parteien die übriggebliebene Farbe. Der große Vorteil: Man ist praktisch bei jedem zweiten Zug am Zug.
Mit überlegener Geisteskraft gewannen Günther und Moritz.
WPG-Wertung: Moritz lag mit seinen 5 Punkten wieder genau 1 Punkt unter dem WPG-Durchschnitt. “Nettes Familienspiel.” Meinst Du, es reicht schon für Deinen Milo?
5. “Bluff”
Neuheit am Westpark: Moritz verpaßte nicht nur die vorletzte, sondern auch die letzte U-Bahn.

03.06.2009: “Dice Town” in ” Bombay”

Galileo, das ProSieben Wissensmagazin, hat unseren Moritz eingeladen, in einer Sendung über Gesellschaftsspiele Winner-Tipps abzugeben. Moritz hat sich sehr viel Mühe gegeben und einen Feature-Entwurf für die komplette Sendung erarbeitet.
Seine Spielvorschläge waren “Siedler von Catan”, “Carcassonne” und “Monopoly” (nicht ganz freiwillig), und seine fundierten Detail-Analysen (z.B. Bahnhöfe kaufen) rundete er ab mit allgemeinen Hinweisen wie:
a) Have a plan
b) “Lese” Deine Mitspieler
c) Spiele nicht allein um zu Gewinnen
Ziemlich geschockt war er, als von der Redaktion die knallharte Vorgabe kam: “Als Spielauswahl stehen ausschließlich: Schnick-Schnack-Schnuck (Knobeln), Neunerln, Jenga, 4-gewinnt, Black Jack, Schiffe versenken und Monopoly zur Verfügung.” Ein Kraut und Rüben von Glücks- und Geschicklichkeitsspielen, doch nichts zum Wissen, Planen und gute Ratschläge geben. Moritz fühlte sich wie ein Kenner von Horrorfilmen, der über das Rotkäppchen befragt werden soll.
Moritz schluckte diese Kröte und noch einige andere und machte sich mit der hoffnungsvollen Erwartung auf den Weg, im Studio wenigstens ein paar anregende Spielstunden mit gestandenen Spielern verbringen zu können. Doch auch hier riß der Krötenstrom nicht ab. War seine Erwartung nativ oder legitim, jedenfalls warteten anstelle von Profis lediglich [!?] blonde Models auf ihn, die keinerlei Ahnung von Schloßallee und Parkstraße hatten, und auch nicht unbedingt die Ambitionen hatten, klüger nach Hause zu gehen. Die Kamera diktierte die Maßstäbe, nicht die Vorlieben für Tisch und Brett. Selbst der Würfel-Sex war gefaked! Krone der Schöpfung waren Szenen im Biergarten über einem Schiffchen-Versenken mit Papier und Bleistift. Wo und womit kann man denn sonst seine blonden Neuerwerbungen zum Höhepunkt bringen?
Erkenntnis: Selbst Redakteure von Aufklärungsreports sind bestenfalls nur Menschen. Tröstlich: Auch der Pate der Sendung hat schon unter alleinseligmachenden Knowhow-Trägern leiden müssen.
Moritz’ Eigenbalsam auf seine Wunden: “Schlechte Spiele [in einer fragwürdigen Sendung] ruinieren wenigstens nicht den Ruf unseres Hobbys.”
1. “Bombay” von Ystari
Wir sind Händler in Indien, trampeln mit unserem Elefant auf die verschiedenen Märkte um Warenballen aufzuladen, transportieren sie zu Städten, in denen die Ware benötigt wird, verkaufen sie und werden damit reich.
Es sind sehr hübsche Elefanten, mit denen wir in “Bombay” als Spielerpöppel ausgestattet werden. Leider stinken sie. Gewaltig. Nicht nach Elefantenlosung, sondern nach China-Plastik. Hoffentlich gibt sich das.
Das Warenangebot auf den Märkten wechselt nach zufälligen Regeln. Die Preise auf den Märkten fallen systematisch mit dem Angebot. Mit dem erwirtschafteten Geld können die Spieler auf den Wegekreuzungen Herbergen bauen. Wer hier vorbeikommt, muß Wegezoll bezahlen.
Keiner wurstelt für sich alleine herum, jeder ist von den Aktionen der Mitspieler beeinträchtigt:
a) Die Waren sind knapp. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Wer Pech hat, dem schnappt der Vorgänger den letzten Warenballen vom Markt.
b) Wer eine Ware zuerst verkauft, erzielt den doppelten Preis. Für die wichtigen monetären Siegpunkte muß man auch hier die Nase vorn haben.
c) Auf Wegekreuzungen darf immer nur eine Herberge stehen. Wer zuerst baut, lacht zuerst. Und zuletzt.
d) Eigene Herbergen fördern die Geldquellen, fremde Herbergen fördern die Konkurrenz.
Alle diese Spielmechanismen bewirken, daß jeweils nur der aktive Spieler einen Grund zur Freude hat, alle anderen eher einen Grund zu Ärger und Neid. Das ist leider kein Nullsummenspiel. Gehobene Spielstimmung kommt nur selten auf; der Eggert-Faktor liegt unter 0,2.
Günther fand in “Bombay” ein “Valdora light”, weil das Brimborium mit den Aufträgen und Auftraggebern weggefallen ist. Walter hielt es umgekehrt eher für ein “Valdora heavy”, weil es immerhin ein gerüttet Maß an Interaktion kennt, auch wenn sie nicht immer erfreulich ist.
Doch einen Vorteil muß man “Bombay” unbedingt lassen: In einer halben Stunde kann man die 5 Sätze á drei Runden mit je 3 Aktionen problemlos hinter sich bringen.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (fehlende Dynamik), Günther: 6 (warten ohne Aufgabe), Loredana: 5 (“hat mich genervt”), Peter: 6 (einzige Spannung geht darum, ob die anderen schneller sind), Walter: 6 (die Interaktionen sind alle negativ).
Ystari schwächelt. Auch Günther hat nicht gewonnen, nur fast.
2. “Dice Town”
Von Bruno Cathala, nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Faidutti, mit dem er “das Halsband der Königin” gemeinsam gemacht hat. Um einen vom anderen zu unterscheiden, bemerkte Aaron: “Der macht eher chaotische Spiele!” Welcher jetzt?
Wie der Name schon sagt ist “Dice Town” ein Würfelspiel. Jeder Spieler bekommt fünf Würfel und einen Würfelbecher und darf sich damit die gelungenste Poker-Kombination zusammenwürfeln. Pro Wurf muß man einen Würfel zu seiner anvisierten Kombination aussondern. Wer will, darf auch gleich mehrere Würfel herausnehmen, oder auch gar keinen, dann muß er aber dafür bezahlen.
Am Ende werden die besten Würfel-Kombinationen begutachtet. Die meisten Einser bringen Gold-Nuggets (Siegpunkt-Währung) ein, die meisten Zweier bekommen das Geld aus der Bank, ebenfalls eine Siegpunkt-Währung, die meisten Dreier kriegen Karten mit direkten Spiegpunkt-Zuteilungen, die meisten Vierer dürfen von Mitspielern Siegpunkt-Karten wieder wegnehmen, …
Die von Natur aus unberechenbaren Würfelmechanismen sind reichlich angereichert mit Zufalls- und Chaos-Effekten. Kassieren, wegnehmen, bestechen, betrügen und ärgern sind die wesentlichen Spielzüge. Problematisch ist die Würfelehrlichkeit (natürlich nicht bei uns): Beim Zusammenwürfeln der besten Kombinationen sind Taschenspielertricks unter dem Würfelbecher nicht zu kontrollieren, für ein reinrassiges Poker-Spiel eine problematische Angelegenheit.
Nach einer guten Hälfte der voraussichtlichen Spielzeit – verifizierbar an den übrig gebliebenen Gold-Nuggets – kam der Gedanke an einen Spielabbruch auf. Peter: “Nur weil es neu ist, brauchen wir es nicht bis zur bitteren Neige zu spielen”. Dieses Argument überzeugte.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (Dödelspiel, man muß einige Maß getrunken haben, um Spaß daran zu finden; dafür ist es dann aber wieder zu kompliziert), Günther: 5 (kein Kommentar), Loredana: 3 (“auf jeden Fall weniger als Bombay”), Peter: 4 (“ich würde schreien, wenn ich es nochmals spielen sollte”), Walter: 4 (nicht für mich).
3. “Zoff im Zoo”
Nach dem Spielabbruch war noch eine Menge Zeit für richtige Spiele. Peter bestand auf “Spielen, die ich kenne und schätze” und war auch gleich mit “Zoff im Zoo” bei der Hand. Aaron (mit Dice-Town-Kopfschmerzen) und Günther (“aus Prinzip”) waren dagegen. Doch als sich für keine der vorgeschlagenen Alternativen wie “Frage der Ähre”, “Byzanz” oder “Maori” eine Mehrheit fand, konnte sich Peter schließlich doch noch durchsetzen.
Das lustige Tier-Fress-Kartenspiel ist genauso chaotisch wie die anderen Spiele des heutigen Abends, aber wenigstens intelligent chaotisch. Deshalb bekam es bei uns schon vor geraumer Zeit gute 8,1 Punkte.
Keine neue WPG-Wertung.
4. “Bluff”
Peter hob im 3:4-Endspiel gegen Aaron auf 7 mal die Fünf. Gab es da noch eine Chance außer anzuzweifeln? Jawohl, Aaron fand noch einen Ausweg. Er legte einen zweiten Stern heraus, hob auf 4 mal den Stern und würfelte mit seinem letzten Würfel nach. – Einen Stern! Das war der Anfang vom Ende. Erfolgreich.
Keiner erwähnte sein sprichwörtliches Würfelpech.

27.05.2009: Spielen mit den Spielen des Jahres

Die Auswahlliste zum “Spiel des Jahres 2009” ist erschienen. Wer mag – Experte, Vielspieler, oder Gourmetspieler – darf wie jedes Jahr den Kopf schütteln. Wer die heren Ziele der Jury kennt, freut sich mit dem Heer der Alles- oder Gelegenheitsspieler über die Kaufempfehlungen des Jahres 2009.
FITS“: Ravensburger haben eine Brettspielversion von “Tetris” hergestellt. Wer die fallenden Flächen in seinem Handy-Bildschirm nicht mehr sehen kann, darf sein geometrisches Vorstellungsvermögen jetzt am Tisch im Kreise seine Freunde zum Besten geben.
Dominion“: Hans im Glück hat neben sein Paradepferd “Sankt Petersburg” ein weiteres Karten-Aufbau- und Entwicklungsspiel gestellt, bei dem es gilt, sich zur richtigen Zeit in der richtigen Reihenfolge die richtigen Karten zuzulegen.
Finca“: ein weiterer Kandidat vom Hans im Glück-Verlag, das wir zu Ehren seiner Auswahl heute gleich bei uns auf den Tisch gelegt haben.
Fauna“: Ein Quiz-Schätz-Spiel von Friedemann Friese nach der Grundidee von “Anno Domini” bzw. “Ausgerechnet Buxtehude”: Reihum kreisen die Spieler die Antwort zu zoologischen Fragestellungen ein; wer am nächsten dran ist, punktet.
Pandemie” : Ein kooperatives Strategiespiel vom Pegasus Verlag. Wenn die Spieler gemeinsam eine Seuchen-Epidemie verhindern können, haben sie gewonnen.
[glowred]”Die meisten Spiele, die verkauft werden, werden nie gespielt”[/glowred] meint die Jurorin Birgit Nößler. Das gilt nicht nur für die Ernte des Jahres 2009. Aber solange Spiele gekauft werden, in rauhen Mengen sogar, wird es regelmäßig auch ein paar sehr gute Spiele geben. Über diese simple Tatsache dürfen sich dann wiederum alle Spieler aller Länder freuen.
1. “Wind River”
Letzte Woche gespielt und die ungeheure strategische Vielfalt nur geahnt. Unser Chefideologe Günther sollte ebenfalls sein Urteil darüber abgeben.
Das Treiben der Büffel und das Verlegen der Zelte verläuft im Dreierspiel ganz anders als im Viererspiel ab: Es gibt unweigerlich 2:1 Koalitionen. Man muß sie nur nutzen und sich gegenseitig auch was gönnen, ohne sich dabei über den Schmarotzer zu grämen.
Aaron mit dem Zufallsschmarotzer Walter hatte sich schnell 5 Zelte zugelegt, die seinen Handlungsspielraum bedeutend erweiterten. Damit fing er ein hochaggressives Spiel gegen die paar vorderen Zelte von Günther und Walter an, ohne damit seine eigene Position aber wesentlich nach vorwärts zu bringen. Die Geschädigten schlugen mit vereinten Kräften zurück, und bald waren alle seine Vorräte aufgebraucht. Günther konnte schlußendlich mit einem einzigen leichten Husterer die letzten Zelte von Aaron und Walter davonfliegen lassen und dann alleine zum Sieg marschieren.
Meinen Kritikpunkt von letzter Woche möchte ich unbedingt zurücknehmen. Das Spiel hat keine Balance-Schwäche. Es bietet wirklich eine ungeheure Vielfalt verschiedenen Strategien und Gegenstrategien, die alle diesen Namen verdienen. Richtig lang-fristige vorausplanende Vorgehensweisen, nicht nur kurzfristige Manöver und Taktiken. Wir haben immer noch erst einen kleinen Bruchteil davon entdeckt.
Das Spiel muß unbedingt noch mehrmals auf den Tisch kommen. Bald.
WPG-Wertung: Aaron: 7 (bleibt), Günther: 7 (neu), Walter: 8 (ein Punkt mehr)
Walter wird eine Rezension schreiben.
2. “Finca”
Der unfehlbare Mathematiker hatte sich im Vorfeld fehlbar ausgedrückt: “Finca geht nur zu viert!” Walter wollte für unser heutiges Trio schon einen Dummy-Spieler einführen, “entweder kooperativ oder pro Zug reihum wechselnd”. Günther konnte noch rechtzeitig klarstellen: “Gemeint war: maximal nur zu viert”. Wir konnten zu dritt loslegen und brauchten nicht zu fürchten, daß “hinterher auch noch der vierte gewinnt” und wir “Finca” für ein “super-kooperatives” Spiel halten müßten.
Das Spiel besitzt äußerst aufwändiges Holzmaterial. Ganze Ladungen von bunten Früchten in knalligen Farben, Bauern in Standardfarben, hübsch geformte Finca-Häuschen, deren Nutzfunktion lediglich das Kennzeichnen abgeernteter Felder ist, Windmühlenflügel, die einen neuartigen, bestrickenden Zug-Mechanismus abgeben. Dazu jede Menge dicker Ernte- und Siegpunkt-Plättchen, die von Kinderhänden nicht verknickt und von Kindermäulern nicht verschluckt werden können.
Sehr bemerkenswert funktionieren die Bewegungen mit der Windmühle. Die Spieler verteilen ihre je vier Bauern beliebig auf die insgesamt zwölf Felder der Windmühle. Zum Ziehen wählt ein Spieler eine beliebige Figur. Die Anzahl aller Bauern auf dem Startfeld ergibt die Anzahl Felder, die der Bauer vorwärts gehen muß. Die Anzahl aller Bauern auf dem Zielfeld ergibt die Anzahl Früchte einer Sorte (Zitronen, Orangen etc.), die der Spieler dafür bekommt.
Kombinationen seiner gesammelten Früchte darf ein Spieler auf dem Markt gegen Ernteplättchen mit Siegpunkten eintauschen. Dabei gilt es, sowohl Plättchen mit hohen Punktwerten, als auch Plättchen mit verschiedenen Punktwerten, als auch Plättchen mit einer dominierenden Fruchtauswahl zu sammeln. Gelungene Sammlungen werden mit Zusatzprämien honoriert.
Wer sich sehr viel Mühe gibt, kann komplizierte Überlegungen zur Optimierung seiner Bewegungen auf der Windmühle, zum Einsammeln der richtigen Früchte und zum rechtzeitigen Eintauschen in Spiegpunkt-Plätten bei gleichzeitigem Durchkreuzen der entsprechenden Ambitionen seiner Mitspieler machen. Dann kann das Spiel sehr dröge und trocken werden. Wer aber so spielt, wie es sein Erfinder für seine Spielerfamilien gedacht hat, der denkt keinen Zug voraus, sondern der wählt in der ständig wechselnden Situation gerade den Zug heraus, womit er irgendwas vernünftiges anfangen kann. Wenn er Glück hat, fährt er gut damit, wenn er kein Glück hat, gewinnt ein anderer.
Wir haben lange diskutiert, wie stark man in “Finca” sein Schicksal selber in der Hand hat. Günther war ein eifriger Verfechter von seiner Planbarkeit und billigte dem Spiel einen Glücksfaktor (Wert zwischen 0 und 1, ohne exakte Definition) von unter 0,5 zu, Walter und Aaron siedelten den Glücksfaktor eher bei 0,9 an. Am Anfang zieht man den Bauern, der die meisten Früchte einbringt (kein Freiheitsgrad, 100% determiniert), dann schält sich irgendwann eine Vorliebe heraus (100% randomisiert). Damit favorisiert man bestimmte Siegpunkt-Plättchen, und wenn sie die bösen Mitspieler einem nicht vor der Nase wegschnappt haben, dann bekommt man sie sogar. (Planquote unter 50%). Ob man zum Schluß noch das letzte Plättchen mit vielleicht 10 Siegpunkten abräumt, hat man ebenfalls nicht in der Hand, doch es entscheidet mit Sicherheit über Sieg oder Nicht-Sieg. Wenn hier Günther seinen Glücksfaktor von “unter 0,5” rechtfertigen will, muß er noch ganz schön an der Definition dieses Faktors herumfeilen.
“Finca” ist genauso zufällig wie “Mensch-ärgere-Dich-nicht”. Schon allein die vier Pöppel pro Spieler sind identisch! Aaron: “Ein deutliches Zeichen, daß Finca Spiel des Jahres 2009 wird!”
WPG-Wertung: Aaron: 6, Günther: 7, Walter: 6 (pro Zug lauter kleine fitzelige Rechnereien, die zum Charakter des Spiels kontraproduktiv sind)
3. “Dog”
Das Spielbrett sieht aus wie ein modernisiertes “Mensch-ärger-Dich-nicht” aus. (Schon wieder.) Der Spielablauf ist auch ganz analog: Man bewegt seine Pöppel vom Startfeld in die Zielfelder, aber nicht per Würfel, sondern per Bewegungskarte. Sie lassen Schrittweiten zwischen 1 und 13 Feldern zu.
Jeder Spieler bekommt auf Anhieb 6 Bewegungskarten zugeteilt, so daß er sich schon mal einen Plan zurechtlegen kann, in welcher Reihenfolge er die Karten ausspielen wird. Klingt zunächst ziemlich berechenbar.
Doch unter den Bewegungskarten gibt es solche, die das beliebige Austauschen zweier beliebiger Pöppel auf dem Spielbrett zuläßt. Damit können die Mitspieler die Pöppel auf dem Spielbrett ganz schön wild umherwirbeln. Und weil sie es natürlich besonders auf die Pöppel abgesehen haben, die gerade unmittelbar vor dem Ausrücken sind, wird alles absolut unberechenbar. Schlimmer als im Original M-ä-D-n.
Günther wollte den Ausdruck “Zufallsspiel” nicht gelten lassen. Er betonte, “Dog” wäre ein “Gaudi-Spiel”, wobei er aber nicht auf die Sagrada Familia anspielen wollte. Was aber außer Gaudi ist noch am “Dog”? Der Glaube (= Illusion), es gäbe noch etwas.
Aaron kam es vor wie ein “stark simplifiziertes Monopoly”. Es ist alles weggelassen: Straßen, Häuser, Hotels, Bahnhöfe und Würfel. Nur die Gaudi ist geblieben. In der richtigen Runde unendlich viel, in der falschen Runde halt nicht.
WPG-Wertung: Aaron: 6, Walter: 5 (Gaudi), Günther: 7 (Super-Gaudi)
4. “Bluff”
Nichts Neues am Westpark, außer daß:
a) Aaron und Günther im 1:1-Endspiel standen und dabei jeder einen Stern unter seinem Becher hatten. Aaron fing standardmäßig mit 1 mal die Vier an, und Günther erhöhte standardmäßig auf 1 mal die Fünf. Aarons 2 mal die Vier setzte Günther das Messer auf die Brust, doch mit 2 mal Stern zog er sich siegreich aus der Affaire. Ein 2 mal die Fünf von Aaron hätte leichter ein – hier nicht erfolgreiches – Anzweifeln nahegelegt, oder?
b) Günther alle Spiele des Tages gewann. “Es waren ja auch nur Glücksspiele!”
c) Ausgiebige Diskussion, warum “Bluff” viel mehr ist als ein Glücksspiel.
d) Günther auf einen mathematisch existierenden, aber real nicht vorhandenen Verteilungsbaum kletterte. Dort sitzt er hait no!

20.05.2009: Paradise Lost im “Conquest of Paradise”

Aaron hat diese Woche tatsächlich “Space Alert” als Teamtraining auf den Bürotisch gebracht. Lauter spiel-unerfahrene Mitarbeiter sollten mit diesem Spiel Erfahrungen in spontaner Führung und Kooperation sammeln. Moritz erinnerte sich an unsere damaligen Aggressionen (siehe Spielbericht vom 25. April) und wollte wissen: “Gab’s auch einen Walter?” Aaron: “Nein, alle haben die Regeln sofort verstanden?”
Ein forscher Kollege übernahm unverzüglich das Kommando und gab es bis zum Ende nicht mehr ab. Er war zwar ein Alpha-Tierchen, doch über seine Kompetenz wollen wir lieber den Mantel der Barmherzigkeit decken. Dazu gab es noch eine Beta-Kollegin, die weder zuhören noch folgen konnte. Diese Kombination ist tödlich.
Immerhin hat das Team gelernt, daß es nicht teamfähig ist.
1. “Conquest of Paradise”
Erst mal mußte entschieden werden, ob wir zuerst das lange (“Paradise”/Moritz) und danach das kurze (“River”/Aaron) Spiel spielen oder umgekehrt. Walter war für das kurze, da haben wir uns wenigstens ein komplettes Spiel reingezogen, wenn das andere länger dauert als die vorletzte U-Bahn. Die anderen waren für das lange zuerst, da ist die Wahrscheinlichkeit größer, das Spiel zu Ende spielen zu können. Walter gab sich nicht gleich geschlagen, schließlich werden Moritz’ Einstünder gewöhnlich weit nach Mitternacht abgebrochen, und “Conquest of Paradise” ist schon ganz offiziell für eine bis zweieinhalb Stunden ausgelegt. Peter fand den Kompromiß: “Mit Moritz’ Spiel fangen wir an, und wenn es Sch… ist, entscheiden P&W nach einer Stunde, ob wir es abbrechen.”
Dabei dauerten Spielaufbau und Regelerklärung schon für sich alleine bald eine Stunde. Spannend natürlich, wie immer. Moritz wußte alles und Peter wußte alles besser. Es gab unzählige Diskussionen über Regeln, die noch gar nicht vorgetragen waren. Doch der Teufel steckt natürlich im Detail und Moritz kann leicht noch einen Zauberspruch aus dem Hut (Regelheft) ziehen, wenn es gilt, sein Schäfchen ins Trockene zu bringen.
“Conquest of Paradise” ist eine Kreuzung aus “Maori advanced” und “Vinci light”. Auf einer Meereslandkarte in der Gegend von Polynesien startet jeder auf einer anderen Insel. Er muß Dörfer und Schiffe bauen, auf Entdeckungsfahrten ausgehen, neue Inseln entdecken und besiedeln, irgendwann mal seine Pflugscharen in Schwerter umwandeln und die Mitbewohner abmurksen. Wer damit am schnellsten die vorgeschriebenen Siegpunkte zusammengerafft hat, ist Sieger.
Das ganze ist ein amerikanisches Spiel, deshalb wird auf Aufgewogenheit und Planbarkeit kein so großer Wert gelegt. Und Kämpfe werden natürlich sozial-verträglich durch einen neutralen Würfelwurf entschieden.
Aaron und Walter mußten in einer Wasserwüste starten, wo sie ihre Zeit besser mit Whale Watching verbracht hätten. Moritz und Peter durften in einer paradiesischen Insellandschaft beginnen, und sich vom ersten Augenblick an auf den Geschlechterkampf mit den anmutigen Vahines freuen.
Entdeckungsfahrten macht man in die freien Meeres-Hexagons der Umgebung. Doch ob man eine herzerfreuliche Vahine findet oder nur eine einsame Wasserpuszta, das liegt an zufällig gezogenen Entdeckerplättchen. Diese enthalten so viele Puszta-Nieten, daß der Frust schon vorprogrammiert ist; es sei denn, man kann sich am gleichartigen Frust der Mitspieler wieder hochziehen.
Das Spiel schwingt unendlich langsam ein. In den ersten Runden hat jeder nur ganz wenige, eindeutig vorgegebene Entwicklungszüge. Dorfbau ist Pflicht, Schiffbau ist Pflicht, Entdeckungsfahrten sind Glücksache. Oft kann man auch gar nichts tun. Ohne Moos nix los, ohne Schiff kein Riff, ohne Mann keine Maus.
Nach einer knappen Stunde ohne einen einzigen freien, vernünftigen Zug drehte Walter’s Stimmung ins Aggressive. Moritz fühlte sich angegriffen, aber es ging nicht gegen ihn, sondern gegen das Spiel. Walter erinnerte Peter an die obige Abmachung. Doch der wollte nix mehr davon wissen. Er hatte gerade einen Plan gefaßt, wie er nach nur noch wenigen Runden eine Kriegsflotte aufrüsten und Moritz den Garaus machen konnte. An seiner Stelle schlug Aaron in die Bresche und plädierte für Abbruch. Unsere bisher erreichten Siegpunkten extrapolierte er zu einer Gesamtspieldauer von sechseinhalb Stunden. Da wäre vielleicht schon wieder die erste U-Bahn gefahren.
Das Spiel hat ein viel zu aufgeblähtes Regelwerk. Eine Menge davon ist absolut überflüssig, enthält keinerlei spielerischen Nährwert, sondern verlangsamt im Gegenteil den Spielfluß und bringt höchstenfalls Leerlauf und Frust statt Tempo und Lust. Peter: “Das Spiel hat Potential. Aber es hätte zu Hans-im-Glück gehört, damit man es dort tüchtig tuned”. Leider hat es diesen Prozeß nicht durchlaufen.
WPG-Wertung: Aaron: 3, Moritz: 7 (schon für 6 Punkte mit seiner Frau gespielt; die dabei vermißte Interaktion konnten wir heute leider auch nicht bieten, da wir noch vor dem ersten Würfelkampf abgebrochen hatten), Peter: 7 (möchte es in anderer Besetzung nochmals probieren), Walter: 3
2. “Wind River”
Peter: “Habt ihr was Deutsches?” Aaron: “Bestes deutsches Material!” Dirk Liekens hat es im Argentum-Verlag herausgebracht.
Das Spielbrett stellt eine Prärie aus Hexagons dar. Auf der einen Spielhälfte tummeln sich Büffel. Hier müssen die Spieler ihre Tipis aufbauen (für die Nach-Karl-May-Generation: “Tipi” = Zelt der nordamerikanischen Indianer) und sich langsam mit den Büffeln zur anderen Spielhälfte bewegen. Jeder Spieler bewegt die Büffel und seine Tipis, ernährt seine Tipi-Bewohner und baut neue Tipis. Jedes Tipi braucht mindestens einen Büffel, sonst verhungert es und wird vom Spielbrett genommen. Sind überzählige Büffel auf einem Tipi-Feld, kann man sich Nahrungsvorräte zulegen, um spätere Hungerphasen zu überbrücken. Wer am Ende die meisten Tipis ins Ziel gebracht hat, ist Sieger.
Ein ausgesprochenes Denkerspiel, das aber immer einen spielerischen Charakter behält. Es gibt eine Menge Strategien für erfolgreiches Vorgehen. Man kann vorneweg laufen, und ist dann immer ein bißchen am hungern. Man kann sich auch hinten halten und an den zurückbleibenden Büffeln dick und rund fressen. Man kann gegen die Mitspieler spielen und ihnen die Büffel von der Weide holen, man kann aber auch kooperieren und gemeinsam eine ausreichende Büffelherde um sich scharen.
Es gibt sehr viel Interaktion. Jeder Zug hat starke Konsequenzen auf die Versorgungslage der Mitspieler. Die Grenzen für Taktik und Strategie sind nach unserer kurzen Spielerfahrung noch längst nicht erfaßt.
Nach unserem ersten Eindruck scheint das Spiel aber eine kleine Balance-Schwäche zu haben: Wer als letzter ins Ziel marschiert, sollte die Möglichkeit haben, alle seine Tipis über die Runde zu bringen; er sollte deshalb Sieger werden. Demnach wird der Kampf vorwiegend darum entbrennen, wenigstens mit einem seiner Tipis hinten zu bleiben. Es kann aber sein, daß Moritz diese Vorgehensweise nur deshalb so erfolgreich praktizieren konnte, weil er alleine auf dieser Schiene fuhr. Vielleicht ändert hier Konkurrenz die Verhältnisse.
Doch auch ohne Konkurrenz könnte man hier gegensteuern, wenn die ersten Tipis im Ziel höher bewertet würden als die Letzten. Das brächte ganz andere Vorgehensweisen mit sich, dann hätte auch ein schnelles Spiel seine Chance. Es täten sich weitere Gewinnstrategien auf, zusätzlich zu den vielen, die das kleine, hübsche Spiel ohnehin schon hat.
WPG-Wertung: Aaron: 7, Moritz: 7, Peter: 6 (Tendenz zu 5), Walter: 7 (Tendenz zu 8)
3. “Bluff”
Mal wieder eine Weltneuheit: Noch ziemlich in der Startphase mit 4 Spielern setze Aaron auf 4 mal den Stern. Und verlor alle seine 4 Würfel – weder er noch einer der 4 Mitspieler hatten unter ihren Würfelbechern einen einzigen Stern. Homerisches Gelächter.

13.05.2009: “Maori” und die “Frage der Ähre”

Wir haben einen ungeheuren Verbrauch an Gummibärchen. Vor Jahren waren Haribo’s Fröschli der Favorit, später Katjes Tropenfrüchte, und heute sind es die Saft-Gummis von Trolli. Pro Kopf und Tag wandert mehr als ein Päckchen in den Spielermagen. Wenn ich dann oft genug in rauhen Mengen Nachschub kaufe, fragt die Verkäuferin: “Kindergeburtstag?”
Dabei ist unser Kücken gerade 36 geworden. Und hat auch soeben schon seine Zahnspange bekommen. Der Arzt hat ihm strikt verboten, Gummibärchen zu essen. Ein ganzes Jahr lang. Jetzt hat er seinen tonnenschweren Privat-Vorrat dem Westpark gespendet. Vier Wochen lang bleibt der Verkäuferin das freundliche “Kindergeburtstag?” erspart. So lange aber nur, weil einer nicht mehr mitverzehrt!
1. “Maori”
Nagelneu, 2009 auf der Spielmesse in Nürnberg noch nicht herausgekommen, von Günther Burkhardt gezeugt, von Hans im Glück ausgetragen.
Auf einer quadratischen Fläche von 4 mal 4 Feldern liegen Inselteile mit Bäumen, Hütten, Schiffen und Muscheln. Die Spieler dürfen reihum jeweils einen Inselteil auf ihre Privat-Landkarte nehmen. Wer am Ende die siegpunkt-trächtigste Landkarte zusammengestellt hat, ist Sieger.
Natürlich gibt es Randbedingungen zu beachten. Man darf sich nicht ein beliebiges der offen ausliegenden Inselteile nehmen, sondern muß mit einem Spielstein, der gemeinsam von allen Spielern außen um die Fläche mit den Inselteilen herumbewegt wird, möglichst nahe herankommen. Mangelnde Nähe darf durch Bezahlen in Muscheleinheiten ersetzt werden.
Man darf die ergatterten Inselteile auch nicht beliebig auf seiner Landkarte plazieren, sondern man muß sie in Nachbarschaft zu einem Schiff anlegen, daß man vorher innerhalb seiner Landkarte positioniert hat. Falsche Positionierung kann man hierbei ebenfalls mit der Muschelwährung ausgleichen.
Immer wieder Muscheln. Für ältere Herren ab 36 ist das selbstverständlich ein Anlaß zu Wortspielen, oder besser gesagt Wort-Anspielungen. Es gibt M-Probleme, M-Strategien, M-Mangel und M-Bedarf. Keine Muschel mehr zu haben ist tödlich. Lieber eine Muschel zu viel als eine zu wenig. Aaron wurde durch eine Muschel in das Unglück gestürzt. Im entscheidenden Moment hatte er keine zur Verfügung!
Ein lockeres leichtes Familienspiel, mit einfachen Regeln, mit der Hoffnung auf Planung, einer Abfederung der Niederlage durch Glückselemente, und einer Aufweichung der determinierten, mechanischen Bewegungen durch Muschel-Einsatz.
Nach der Schlußabrechnung konstatierte Walter: “Wenn man die Siegbedingungen kennt, ist das Spiel viel besser” – Großes Gelächter. Aber unbegründet. Denn es gibt Spiele, die kann man nur dann ganz fröhlich und unverkrampft darauf losspielen, solange man die Siegbedingungen nicht kennt und deshalb nicht weiß, was richtige und was falsche Züge sind. In “Maori” stehen zunächst alle Mitspieler vor der gleichen Ausgangslage und lauern auf die gleichen Inselteile. Das ist ein bißchen einseitig. Doch schnell entstehen zufällige Ungleichgewichte – der eine hat mehr Bäume, der andere mehr Schiffe, der nächste mehr Muscheln usw. Diese Ungleichgewichte gilt es auszubauen, denn am Ende werden die extremen Besitztümer besonders honoriert. Jetzt verfolgt jeder andere Aufbauziele, die Inselteile in der Mitte bekommen für jeden eine andere Wertigkeit, die Chance für Schnäppchen wächst, das Spiel wird vielseitiger. Besser!
WPG-Wertung: Aaron: 7 (nettes Familienspiel), Günther: 7 (plus), Hans: 7 (für 8 Punkte zu leicht), Peter: 7 (plus), Walter: 7
2. “Eine Frage der Ähre”
Während des Spielaufbaus diskutierten wir Moritz’ Lottovorlieben. Warum auch immer. Hans behauptete: “Wenn beim Roulette zehnmal hintereinander Rot kommt, wird Moritz ebenfalls auf Rot setzen, um auf die lange Serie aufzuspringen.” Peter widersprach: “Moritz wird in diesem Fall auf Schwarz setzen, weil er von dem Abreißen der Serie profitieren will!” Die Frage blieb unentschieden. Wie haltet es denn ihr Leser draußen bezüglich dieser statistischen Orientierungsfrage?
Günther hatte in die Startaufstellung einen Fehler eingebaut und Aaron konnte ihn allein anhand der Piktogramme auf dem Spielbrett erkennen. Schlußfolgerung von Peter: “Das Spielmaterial ist super!”
Auf einem gemeinsamen Acker von 6 mal 10 Parzellen müssen wir Kartoffeln, Mais, Getreide, Rüben oder Raps anbauen, d.h. Doppelplättchen mit den entsprechenden Pflanzen auflegen. In beliebig vielen Schichten übereinander. Jedes Mal, wenn wir ein Plättchen legen, entstehen neue zusammenhängende Flächen gleicher Anbauarten. Die Summe der orthogonal verbundenen Parzellen einer Anbauart ergeben die Siegpunkte für einen Zug.
Anstelle von Siegpunkten kann man auch “Erntepunkte” kassieren und damit seine Spielsteine auf einer der fünf Bahnen für Kartoffeln, Mais, Getreide, Rüben oder Raps vorwärts ziehen. Wer auf allen Bahnen eine vorgeschriebene Strecke zurückgelegt hat, darf ein Häuschen auf der Anbaufläche positionieren und dafür pro Runde ebenfalls Siegpunkte für Parzellen gleicher Anbaufläche kassieren.
Natürlich ist es dann ein Bestreben der Mitspieler, durch entsprechendes Legen ihrer Anbauplättchen diese Parzellen zu überdecken und damit und den Siegpunkt-Zufluß des Konkurrenten möglichst klein zu halten. So ist der Spielverlauf weniger ein konstruktives Erzeugen großer Anbauflächen für sich selbst, sondern eher ein destruktives Zerteilen der Anbauflächen der Mitspieler. Die Interaktion ist sehr groß, die Schadenfreude beim Zerstören auch, dagegen hält sich die Freude an erfolgreichen Konstruktionen in engen Grenzen. Eine Planung von mehr als dem gerade aktuellen Zug scheint vergebliche Liebesmüh.
Peters Euphorie über das Spielmaterial war schnell dahin. “Das Spiel ist kontingenz-bestimmt.” Walter wußte jetzt nicht, wer auf seine Blase achten sollte, doch Aaron klärte auf, daß es sich hier nicht um “Kontinenz” handelt. Nach Wikipedia ist Kontingenz “in der Philosophie die Zufälligkeit in Hinblick auf eine übergeordnete schicksalhafte Notwendigkeit.” Mit anderen Peter-Worten: “Es ist ein Scheiß-Glücksspiel!”. Na ja, nicht der blinde Zufall entscheidet über den Sieg, sondern die geringste Miesnickeligkeit, mit der man von seinen Mitspielern bedacht wird.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (die Idee ist schön), Günther: 6 (schön öfters gespielt, es war jedesmal nett), Hans: 6 (trotzdem! Im kleinen Kreis sollte es gut funktionieren), Peter: 4 (Wertungs-Konstanz), Walter: 5 (zufälliges Zerstörungsspiel)
Aaron wird eine Rezension schreiben.
3. “Bluff”
Aaron schlug vor, auch die Würfelseiten gelten zu lassen, die man von der Seite sieht. Da wird Günther wieder jahrelang an einer neuen Immer-5-Strategie herumrechnen müssen!
Neue Erkenntnis (welch ein Wunder, daß sie erst heute bewußt wurde):
Wenn man nur noch einen Würfel hat und ausscheiden müßte, wenn unter drei verdeckten Würfeln wenigstens eine Fünf ist, dann ist es besser, darauf bauen, daß unter den drei Würfeln mindestens zwei Fünfen sind! Oder gilt das erst ab vier Würfeln? Heute in der Nacht wird das meine Excel-Tabelle nicht mehr offenbaren.
4. Zahlenexperiment
Zum Abschluß schlug Günther noch ein Zahlenexperiment vor. Jeder soll geheim auf einen Zettel eine Zahl zwischen 0 und 100 schreiben. Dann werden alle Zahlen zusammengezählt und der Durchschnitt gebildet. Wer am nächsten an zwei Dritteln vom Durchschnitt ist, hat gewonnen.
Grobe Überschlagsrechnung: Der rein mathematische Durchschnitt der aufgeschriebenen Zahlen ist 50, zwei Drittel davon ist 33. Diesen Werte sollte man auf seinen Zettel schreiben.
Halt, verkehrt, zweite Näherung: Wenn ich hier determiniert 33 hinschreibe und die anderen den Durchschnitt von 50 einhalten, dann ist der Gesamtdurchschnitt ja schon kleiner als 50 und zwei Drittel davon liegt schon unter 30.
Dritte Näherung: Wenn die anderen genauso rechnen …
Lange Rede kurzer Schluß: der mathematisch vernünftigste Schätzwert für zwei Drittel des Durchschnitts ist 0, in Worten: Null.
Wer die niedrigste Zahl aufgeschrieben hat, ist der Klügste! Bei uns war es Aaron mit der Zahl 11. Ab 10 wäre er nach der nach oben offenen Kontingenzskala als Genie eingeordnet worden …

29.04.2009: “Byzanz” vor einer Erweiterung des “Tribun”

Passend zur aktuellen Weltgesundheitslage schlug Aaron für heute eine “Pandemie”-Session vor: Vier todbringende Krankheiten bedrohen die Menschheit; Ziel des Spiels ist es, in Kooperation aller Spieler für jede Krankheit ein Gegenmittel zu entwickeln.
Beim Schlagwort “Kooperation” wurde Moritz hellhörig: Zartbesaitet, wie es seine Profession ist, wollte er dem Non-Kooperierer Walter nicht schon wieder einen Frustspiel aufbürden.
Bei “Spiel mit mir” hat es die Note 3,57 (Höchstwert 6); bei Udo Partsch liegt der Mittelwert bei 4 von 8 Sternen (solide). Da mußten die Spieler des heutigen Abends keinen dicken Verzicht auf sich nehmen, als sie statt dessen den gewöhnlichen spielerischen Wettbewerb vorzogen.
1. “Byzanz”
“Ich habe mir ein großes Spiel darunter vorgestellt” kommentierte Aaron etwas enttäuscht, als Günther das Kartenpack aus einer skat-großen Schachtel herausholte.
Jeder Spieler bekommt ein paar Karten mit unterschiedlichen Farben und Werten ausgeteilt und muß damit im biblischen Sinne “wuchern”:
– neue Karten durch alte Karten ersteigern
– Trio-Kombinationen von Karten in Siegpunkte umwandeln
Beim Ersteigern zählen die summierten Kartenwerte; innerhalb der Trio-Kombinationen zählt nur die höchste Karte. Hier ist eine gewisse Spannung zwischen Kartenwerten und Kartenanzahl vorhanden.
In der ersten Auktion sind 5 Karten angeboten, in der zweiten nur 4 und so weiter, in der Schlußauktion geht es nur um eine einzige Karte. Die gebotenen Summen werden farblich sortiert offen ausgelegt. Wer als letzter gesteigert hat, darf hieraus als erster kostenlos eine komplette Farbe an sich nehmen. Hierin liegt ein herausfordernder Antagonismus zwischen frühen Bieten um viele Karten und ggf. leer Ausgehen beim Nachfassen und als Gegensatz dazu einem späten Bieten um nur eine Karte, aber nachfolgendes Einstreichen von vielen lukrativen Karten aus der Auslage.
In die kleinen einfachen Karten von “Byzanz” hat der Kartenmeister Emanuele Ornello vielseitige Spielzüge mit pfiffigen Planungsmöglichkeiten eingebaut. Auch wenn es nur aus einem einfachen Kartendeck besteht, ist es doch ein großes Spiel.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (hübsch, aber kein Brüller), Günther: 7, Hans: 7, Moritz: 6, Walter: 7 (Leistung = Effekt / Aufwand)
2. “Valdora”
Aaron hat seine Rezension zu “Valdora” bereits fertig. Deshalb legte er nur gebremsten Ehrgeiz an den Tag, das Spiel heute nochmals auf den Tisch zu bringen. Sein angedeutetes Ansinnen wurde von Günther und Walter aber unverzüglich und unisono mit einem “mir gang’s” abgeblockt.
Wer mit dieser klaren Ausdruck einer neubaierischen Positionierung nicht zurecht kommt, kann im Schmeller nachschauen, was damit ausgedrückt ist.
Jedenfalls brauchte “Valdora” heute am Westpark nicht die spielerische Spreu vom Weizen zu scheiden.
3. “Tribun mit Erweiterung”
Moritz wußte noch, daß er es vor zwei Jahren schon bei sich zuhause gespielt hatte. Am Westpark lag es zum letzten Mal vor eineinhalb Jahren auf. Jetzt gibt es eine Erweiterung dazu:
1) Das Spielbrett ist durch eine Zusatzfläche erweitert, auf der die Spieler neue Auswahlmöglichkeiten für Rundenvorteile und Siegbedingungen vorfinden.
2) Es gibt zusätzliche Personenkarten mit Mördern, die die Übernahme von Parteigruppierungen erleichtern.
3) Mit Sklavenkarten können weitere Siegbedingungen erfüllt werden.
4) Ein Spieler kann in die zusätzliche asymmetrische Rolle des Brutus schlüpfen, und damit die Planungen der Mitspieler deutlich chaotisieren.
Fast eine Stunde brauchte Günther, um die allen bekannten Regeln zu wiederholen und die Zusatzelemente zu erklären. Für Freaks, die mit dem alten “Tribun” groß geworden sind und die vielleicht ausgelutschten Abläufe mit neuem Pfeffer aufpeppen müssen, ist es gerade das Richtige. Die Erweiterung paßt sich nahtlos in die bisherige Szenerie ein.
Doch die vielen neuen Elemente geben dem Spiel keine wesentlich neue Qualität. Vielleicht wird die bisher etwas kantige Planbarkeit abgerundet. Vor allem aber wird sie mit viel Chaos gespickt. Das bereits vorhandene ärgerliche Meuchelprinzip dezimierte zuerst Walters erwartungsvoll aufgebaute Prätorianergarde. Das ging natürlich nicht ohne Lamento ab. Dann richtete Brutus seine neu geschaffenen Mörder gegen Aaron und Moritz. Was beide postwendend mit “Das ist keine gute Erweiterung” quittierten.
Hans als asymmetrischer Brutus schwelgte in Geld und Personenkarten, doch er konnte sie nicht konsequent in erfüllte Siegbedingungen umsetzen, weil das Zufallsprinzip ihm bei seiner Zugfreiheit oft genug die Hände band.
Aaron wurde überraschend Sieger, als die “temporäre Gunst der Götter” sich neben der “permanten Gunst der Götter” als unabhängige Siegbedingung herausstelle. Moritz haderte mit sich, daß er einen Zug vorher den Winning-Move übersehen hatte. Ansonsten hatte Günther als dritter im Bunde schon den Kopf rausgestreckt, um sich den Siegeslorbeer aufsetzen zu lassen. Das Spiel läßt keinen konsequenten Aufbau zu. Ab der Mittelphase schwanken die Positionen um eine schwach ansteigende Besitzstandslinie herum, und wem Fortuna letztendlich den Sieg gönnt, das bleibt ihr persönliches Geheimnis.
WPG-Wertung zur Erweiterung: Keine Änderung zur bisherigen Notenvergabe. Durchschnitt 6,6 Punkte.
Aaron, Günther, Moritz: “Tribun” wird durch die Erweiterung nicht besser, nur undurchschaubarer, Hans: Kritik an der starken Zufallsabhängigkeit von Brutus’ Aktionsradius, Walter: Zugewinn an spielerischem Chaos, aber gerade das ist nicht mein Fall.

23.04.2009: Sphärenklänge im Weltraum

“Ich bin mit dem Prediger des Dorfes, einem alten, wunderlichen Manne, bekannt geworden. Er hat eine außerordentliche Leidenschaft fürs Kartenspiel, versteht aber kein anderes als das gemeine, altfränkische Mariage. Ihm zu Gefallen habe ich heute den ganzen Tag am Spieltisch gesessen. Aber was soll man bei dem abscheulichen Wetter auch anfangen.”
Das schrieb Ludwig Tieck am 11. Juli 18xx in sein fiktives Tagebuch. Wie heißt der heute gebräuchliche Name für das erwähnte Kartenspiel?
1. “Space Alert”
Moritz legte das Spiel auf den Tisch und ging auch gleich in die Defensive. “Das Spiel ist ganz kurz. Wir können es jederzeit abbrechen.” “Im Grunde dauert es nur 10 Minuten. Eine Episode. Denn das wird von einem festen Taktgeber gesteuert.” “Das Spiel ist ein kooperatives Spiel. Aber ganz anders.” “Wir spielen es so lange, wie es uns Spaß macht” – Das riecht dann – ob gut oder schlecht – schon nach deutlich mehr als 10 Minuten.
Die Spieler sind die Besatzung eines Raumschiffes im All und müssen sich gemeinsam gegen feindliche Geschosse wehren. Insgesamt hat das Raumschiff sechs Räume, in denen es Abwehrkanonen mit unterschiedlicher Zielrichtung und unterschiedlicher Durchschlagskraft gibt. Die Spieler bewegen sich koordiniert oder unkoordiniert durch die Räume, müssen die Kanonen laden und abschießen, müssen natürlich rechtzeitig die Kanonenkugeln (oder womit immer man im Weltraum schießt) in die Laderäume bringen und natürlich im Reaktorraum auch noch für Energienachschub suchen.
Die Bewegung der Spieler erfolgt anhand von Aktionskarten a la Robo-Ralley, die entweder eine Bewegung in eine der vier Himmelsrichtungen zulassen oder eine Aufgabe festlegen. In den insgesamt 7 bis 12 Phasen einer Runde muß die Mannschaft ihre Aktionen vorplanen und sorgfältig darauf achten, daß jederzeit genügend Energie und genügend Kugeln an den benötigten Stellen vorhanden sind, und daß auch rechtzeitig an den entscheidenden Bordkanonen ein Kanonier steht. Wenn jeder nur wie im Ameisenhaufen herumirrt, dann fehlt es an allen Ecken und Enden und das Raumschiff wird zerstört, noch bevor das Pulver erfunden ist.
Getaktet wird das ganze mittels einer Sprach-CD, in der eine menschliche Stimme erzählt, woher die feindlichen Geschosse anfliegen, wann es die Gelegenheit gibt, Aktionskarten nachzuziehen oder Karten zu tauschen. Vor allem wird auch das Ende der Planungsphasen sekundengenau vorgegeben. Anschließend werden die gelegten Karten ausgewertet und alle Spieler haben gemeinsam entweder gewonnen oder verloren.
Natürlich ist es wichtig, daß ein “Kapitän” die Mannschaft koordiniert, damit alle Aufgabengebiete im gegebenen Zeitpunkt einmal und nur einmal besetzt sind. Wenn jeder nur so in den Raum hinein sagt, was er zu tun beabsichtigt, dann müßten sich 5 Spieler auf die Planungsvorgänge im eigenen und in 4 Köpfen weiterer Mitspieler konzentrieren. Damit wären alle überlastet. Vor allem unter dem unausweichlichen Zeitdruck. Nur wenn ein einziger Kopf die Aufgaben verteilt, jeden Mitspieler an einem wohldefinierten Posten aufstellt und die Mitspieler im Teamwork dann ggf. noch untereinander die Aufgaben tauschen, weil einzelne mit ihren ausgeteilten Bewegungskarten die Primäraufgaben nicht lösen kann, dann hat man eine Chance, das Raumschiff über die Runden zu bringen.
In ersten Spiel war Moritz der Kapitän. Auch für ihn war noch alles neu und er war selbst mit seiner eigenen Aufgabe schon überlastet. Walter kam es sogar so vor, als spiele er eine Doppelrolle: Als Verräter schoß er quasi mit Wasserpistolen auf die gegnerischen Zerstörer (böse Zungen behaupteten sogar, er hätte im Reaktorraum mit Feuerwerksraketen seiner Gelieben eine Lichtmusik vorführen wollen), und in der Peter-Rolle legte er seine Karten für die Hin- und Her bzw. die Auf- und Ab-Bewegungen so orientierungslos, wie sonst nur Peter bei Robo-Ralley.
Da verlor Walter seine Contenance. Der 5-fache Frust, unter den Irrtümern eines jeden Mitspielers zu leiden war für ihn zu viel. Hier hat “Robo-Ralley” gegenüber “Space Alert” ja einen gewaltigen spiel-psychologischen Vorteil: Man leidet nur unter dem eigenen Irrtum, kann sich aber 4-fach über die Irrtümer der Mitspieler freuen. Bei “Space Alert” bringt das Fehlverhalten eines einzelnen bereits unweigerlich alle zusammen über den Jordan. Walter warf Moritz – unberechtigterweise – ein Doppelspiel vor und übernahm selber das Kommando.
Doch wie soll man fünf hartgesottene Spielernaturen koordinieren und zu einer zentral gesteuerten Handlungsweise bringen. Noch erfolgloser als eine analoge Tätigkeit im sprichwörtlichen Mädchenpensionat. Auch das zweite Spiel endete im Desaster.
Die ursprünglich vorgeschlagenen 10 Minuten waren um tausend Prozent überschritten, Moritz war im Höhenrausch und wünschte sich noch ein drittes Spiel mit erhöhter Komplexität und allen Schikanen. Walter forderte das Spielende. Als er mit 4:1 überstimmt wurde, drohte er, seine Aktionskarten ganz unkontrolliert und zufällig über die verschiedenen Spielphasen zu verteilen. Doch mit einem einzigen destruktiven Spieler hat die Mannschaft keine Chance. Wie kann man dieses Dilemma lösen? Wir einigten uns auf den Kompromiß: Walter sollte sich ausschließlich im Reaktorbereich aufhalten und dort für ständigen Energienachschub verantwortlich sein.
So konnte er denn als teilnahmsloser Teilnehmer dem dritten Untergang der Titanic emotionslos beiwohnen.
“Space Alert” ist ein sehr gut konstruiertes Spiel, die Zutaten sind stimmig, und die Steuerung über die CD schafft die gewünschte betriebsame Hektik im Teamwork. Das Spiel ist hervorragend geeignet zum Einsatz als Mitarbeitertraining in Unternehmen: die Mitarbeiter werden spielerisch zur Teamfähigkeit zu erzogen. Und die Führungskräfte können sich ohne jegliche Sachkenntnisse in Menschenführung einüben. Fast wia im richtigen Leben.
WPG-Wertung: Aaron: 7 (nicht mein Fall, aber originell), Günther: 7 (nicht mein Fall, aber originell), Hans: 8 (Herausforderung, sich zu koordinieren), Moritz: 9 (originell), Walter: 7 (nicht mein Fall, aber originell)
Das höchstbewertete Spiel der Westpark-Gamers, das eigentlich nur Hans und Moritz spielen wollen.
2. “Smallworld”
Moritz versprach, die Neulinge “in 2 Sekunden” in die Unterschiede zwischen “Vinci” und “Smallworld” einzuweisen. Wenigstens in punkto Zeitdilatation blieb er sich damit treu.
Wie bei Vinci kann sich jeder Mitspieler zwei Völker heraussuchen und damit das gemeinsame Spielbrett besiedeln.
Wie bei Vinci haben alle Völker unterschiedliche Eigenschaften, um bei der Besiedelung Siegpunkte zu machen
Wie bei Vinci muß man dafür bezahlen, wenn man sich ein Volk außerhalb der gegebenen Reihenfolge aussucht. (Hier fiel uns noch ein Verbesserungsvorschlag ein: Um den allerersten Startspieler sollte man eigentlich bieten müssen! Denn wer hier Glück hat, dem wir gleich eine phantastische Völkerkombination in die Wiege gelegt, mit der er sich einen erklecklichen Vorsprung herausholen kann.)
Aber die Völker sind lockerer als bei Vinci, das Spiel ist flotter, die Kämpfe konzentrierter, die Szenerie abwechslungsvoller, das Spiel spielerischer. Ein bißchen.
Gewonnen wird das Spiel von dem Spieler, der über die besten Völker verfügt. Ob das jetzt eine glückliche Fügung oder bestes Timing in der Sterbehilfe ist, ließ selbst unser Sieger Aaron offen.
Je größer der Spielerkreis, desto stärker die Versuche zur Diplomatie. Hans lehnte Moritz Friedensallianzen strikt ab: “Friedensverhandlungen anzubieten, bevor ein Konflikt angebrochen ist, ist immer ein schlechtes Zeichen!”. Gilt wahrscheinlich auch in der Weltpolitik. Und sicherlich kann und darf man auch in der kleinen Welt die einmal gegebenen Versprechen zu friedlichem Verhalten nicht einhalten. Die mörderische Siedlungspolitik ist doch nur ein Spiel. Wenigstens in “Smallworld”.
WPG-Wertung: Den bisherigen WPG-Durschnitt von sehr guten 8 Punkten hoben Aaron mit 8 und Hans mit 9 Punkten auf einen Durchnitt von 8,2 Punkten
Hallo Wilhelm, zu Deiner Smallworld-Kritik wegen der Vinci-Neuauflage sagte Günther heute: “Wenn einer meint, ein Remake wäre schlecht, nur weil es ein Remake ist, so ist das ein Blödsinn!”

15.04.2009: Krieg und Frieden für das Triumvirat

Mal wieder eine ganz kleine Besetzung am Westpark. Der unverwüstliche Administrator kämpft an der finnischen Front, die leidenschaftlichsten Vertreter der kleinen Besetzung sind beim Kofferpacken, der erweiterte Kreis hüllte sich in Schweigen, und nur die flexiblen Verkoster von Alles und Nichts gönnten sich die Genüsse auf und um den Spieltisch.
1. “Smallworld”
Ein Nachfolger des klassischen Völkerkampfspiels “Vinci”, mit ähnlichen Mechanismen, genauso vielfältigen und ausbalancierten Volkseigenschaften und verschiedenen, genau auf die Spieleranzahl abgestimmten Weltszenerien, die unverzüglich den gewünschten Verdrängungswettbewerb in Szene setzen.
Jeder Spieler sucht sich jeweils wrap around zwei Völker heraus, mit denen er in die Völkerschlacht zieht. Im Gegensatz zu “Vinci”, wo zweifelsfrei Menschenrassen aufeinander losgelassen werden und eine entsprechende martialische Stimmung herrscht, treten in “Smallworld” Fabelwesen wie Riesen, Zwerge und Elfen auf, die allein schon von der Graphik her eine freundlichere Fantasy-Laune verbreiten. Die Amazonen sehen aus wie eine Kreuzung aus Claudia Schiffer und Barack Obama – für alle Spielervorlieben ist etwas dabei.
Jedes Volk hat klare, unterschiedliche Eigenschaften in bezug auf:
– Durchschlagskraft,
– Verteidigung,
– Überlebensfähigkeit,
– Siegpunktquellen
Die Freiheitsgrade beim gegenseitige Verdrängen und Totschlagen sind begrenzt. In welche Richtung sich das Engagement am meisten lohnt, das hätte auch der Neanderthaler an seinen 10 Fingern abzählen können. Hier ist Strategie nicht gefragt, Taktik nur in Ansätzen von Bedeutung, der Rest ist Draufhauen, Killen, Eliminieren. Diese Aufgaben hätte auch der gerade abgehalfterte George W. mit den besten Noten seitens der Geschichtsschreibung lösen können.
Die rechte Herausforderung liegt in der Auswahl der richtigen Völker zum richtigen Zeitpunkt, im richtigen Timing für das Sterben-Lassen eines ausgepowerten Volkes, um eine neue, unverbrauchte Rasse auftreten zu lassen. Und obwohl es hier für jeden Mitspieler um Leben oder Tod, d.h. um Siegpunkte und Sieg geht, diskutierten wir friedlich und konstruktiv die unterschiedlichen Vorzüge der Völker, ihre besten Ausgangspositionen und ihr Totschlagpotential. Bereits während des Spiels, nicht erst nach dem jeweiligen unglücklichen Exodus.
Gerade die richtige Völkerkombination macht’s, daß die Siegpunkte nur so sprudeln. Offensichtlich ist es günstig, sich zuerst ein Volk mit guten Sterbeeigenschaften und danach ein Volk mit langer Lebensdauer zuzulegen. So kann man möglichst lange möglichst viel an beiden Völkern verdienen. Günther hatte hier mehr oder weniger zufällig eine glückliche Hand mit den Ghulen als erstes Volk – die Mitglieder treten vollzählig in den Absterbeprozess ein, nicht nur ein Mitglied pro besetzter Region – und den Elfen als zweites Volk – bei Niederlagen im Verdrängungskampf werden sie nicht eliminiert, sondern treten in jeder Runde wieder mit voller Mannschaftsstärke auf. (Oder haben wir hier ein Regeldetail übersehen?)
Doch die Herrschaft über solche Erfolgskombinationen ist kein reiner Zufall. Da die zur Auswahl stehenden Völker offen ausliegen und sich nur durch – ständig fallende – Preise unterscheiden, kann jeder über mehrere Runden vorausüberlegen, wann er welches Volk mit welchen Eigenschaften zu welchem Preis übernehmen möchte. Alles ist planbar.
WPG-Wertung: Günther: 8 (mehr Kampf als in “Vinci”, an die Spieleranzahl gut angepaßte Spielbretter), Moritz: 8 (noch besser als “Vinci”, durch das Fantasy-Thema etwas lockerer), Walter: 8 (gönnt dem George W. seine neue Auseinandersetzung mit der kleinen Welt)
2. “Uruk”
Obwohl der Name ein ähnlich archaisches Totschlagspiel vermuten läßt wie bei “Smallworld”, geht es hier ausschließlich um die überaus friedliche Entwicklung der Zivilisation. Die Spieler sammeln Entwicklungs- und Aufbaukarten aus einem offenen Stapel, erwerben damit Rohstoffe, machen Erfindungen, bauen Dörfer und Städte und bekommen am Ende für den besten Entwicklungsstand die Siegespalme überreicht.
Insgesamt gibt es 23 verschiedene Erfindungskarten in vier verschiedenen Farben mit steigenden Werten. Gleiche Erfindungskarten bringen einen kumulativen Vorteil, doch benötigt man ein wenig Stapelglück, um sie zusammen zu bringen. Wer hier lange vergeblich auf sein Glück warten muß, kann dem allerdings problemlos mit reichlich Jokerkarten nachhelfen.
Die verschiedenen Eigenschaften der Karten sind mit klaren Symbolen gekennzeichnet. Doch da es tausenderlei Eigenschaften zu unterscheiden gilt, muß man sich gründlich in die Symbolik einarbeiten. Und merken muß man sich das auch noch alles. Hier gab Walter wie gewöhnlich schnell die Hoffnung auf den Durchblick auf. Zu seiner Freude konnte er aber ebenfalls beim absoluten Durchblicker Moritz Schwächen im Erfassen des Spielablaufs entdecken. Und Günther hatte sogar beim Vorlesen der Spielregeln Schwierigkeiten, manche Textpassagen zu verstehen. Z.B. gilt für das “Tonrohr” u.a.: “… Nimmt sich einer der Spieler mit den meisten Siedlungssteinen während seiner Zuges 1 Ressource als beliebiger Quelle, so wird am Ende dieses Zuges das Tonrohr mit 1 gleichen Ressource an dem Pool bestückt. Nimmt sich dieser Spieler während seinen Zuges mehrere Ressourcen, wählt sich der Besitzer des Tonrohrs aus den genommenen Ressourcen nach seiner Wahl 1 entsprechende Ressource aus. …” Nach mehreren Ansätzen zum Verstehen übergab Günther an Moritz, und der konnte unverzüglich verkünden: “Verstehe ich sofort”. Ist ja auch ein Ton-Künstler! Alle Regeln sind präzise, eindeutig und unmißverständlich beschrieben. Nur im Inhalt ziemlich dicht und in der Summe ziemlich viel.
Denn am Ende kommt nur ein mehr oder weniger autistisches Wettrennen um die schnellste-beste Entwicklung heraus. Kein Wunder, daß die drei Weltgestalter mit der knappen Siegpunkt-Folge 25, 23 und 22 ins Ziel gelangten.
WPG-Wertung: Günther: 7 (hübsches Aufbauspiel), Moritz: 6 (ausgewogenes, gutes Dreierspiel), Walter: 5 (irgendwas fehlt. Interaktion?)
PS: Hier darf sich jetzt unser Alles-mit-Allen-Spieler Wilhelm zu Worte melden und sein Plädoyer im Namen der Autoren halten.

01.04.2009: Die Nacht der Diamanten

An welche Arten von Spielen erinnert man sich am besten? Bei uns lief gerade eine heiße Diskussion, ob das nur Spiele mit klaren Themen oder auch rein abstrakte Spiele sein können. Hans konnte dazu die psychologische Erkenntnis beisteuern, daß es wesentlich von den begleitenden Emotionen abhängt liegt, ob ein Ereignis im Gedächtnis gespeichert wird oder nicht. Damit reduziert sich die Anfangsfrage auf eine simple Frage nach Vorlieben. Der Bridgestar Culbertson ließ sich scheiden, weil seine Frau Josefine in einem Titelkampf nicht die Pik-Zwei zurückgespielt hat. Dagegen ziehen sich geborene Kriegerseelen nur dann hoch, wenn sie mindestens ein paar Atombömbchen zünden dürfen. Natürlich über einem Schurkenstaat, wo denn sonst! Alles Geschmackssache!
1. “Diamonds Club”
Ein Ravensburger Spiel von Rüdiger Dorn aus der Ernte des letzten Jahres. Günther hatte das Spiel schon auf der Spiel 2008 in Essen gespielt. Regelsicher war er allerdings nicht mehr, es reichte dazu, einige Regelausführungen von Aaron zu ergänzen. Aber wir gingen das anspruchsvolle Spiel locker an, Fehler und Irrtümer wurden ohne Beanstandungen auch ein-einhalb Runden später noch nachträglich korrigiert.
Ähnlich wie bei den “Fürsten von Florenz” erhält jeder Spieler zu Beginn ein eigenes Tableau, auf dem er sein im Laufe des Spieles erworbenes Besitztum plaziert. Auf dem gemeinsamen Spielbrett in der Mitte befindet sich der Markt, und durch geschicktes Setzen auf die verschiedenen Positionen an Tieren, Landschaften und Gebäuden füllt man sein Privat-Tableau und häuft damit Siegpunkte auf sein Konto.
Es gibt sehr viele verschiedene Entwicklungsrichtungen zu verfolgen. Alle sind mehr oder weniger erfolgreich, und am Ende münden alle in eine Orgie von Prämien und Sonderprämien. Ein konstruktives Spannungsfeld herrscht zwischen der von den Regeln geforderten Diversifizierung der Investitionen und einer angestrebten Monopolisierung in der Entwicklung, die einen progressiven Nutzen bringt. Weiterhin gilt es, eine wirksame Balance zwischen dem langfristigen Ausbau der Erwerbsquellen und ihrer kurzfristigen unmittelbaren Nutzung zu finden.
Günther ging sofort seinen technischen Fortschritt an. Natürlich wußte der erfahrene Fuchs schon vorher, daß die Förderung des Einkommens besonders am Spielanfang den größten Nutzen bringt. Die anderen drei blinden Hühner mußte sich erst in der weiten Landschaft der Siegpunktquellen orientieren, bevor sie einen Spielplan verfolgen konnten. Doch das Spiel ist gutmütig. Viele Vorlieben können zum Sieg führen. Die ersten Züge müssen keineswegs punktgenau gesetzt werden, eine anfängliche Schwächelei kann im Laufe des Spieles durch späteres konsequent-gutes Spiel noch leicht wettgemacht werden.
“Gutes Spiel” besteht – neben der sachgerechten Balance zwischen kurz- und langfristigen Zielen, bzw. zwischen Ein- und Vielseitigkeit innerhalb der Investitionen – zum großen Teil aus einer glücklichen Hand beim Setzen auf dem Markt, sowie aus einer mehr-oder-weniger-zufällig-glücklich-fehlenden Konkurrenz beim hier stattfindenden Setz-Chaos. Hallo Rüdiger, was meinst Du dazu?
Und noch eine Frage: Warum gibt es verschiedene Tierarten (Fische, Vögel und Rehe) zu ersteigern, eine einzige Tierart hätte spieltechnisch doch gereicht! Die Erwerbsmöglichkeiten dafür sind absolut symmetrisch, und ein Trio aus drei gleichen Viechern wird mit dem identischen Aufwand erworben wie eines aus drei verschiedenen. Ist dieses Detail ausschließlich aus ästhetischen Gründen hinzudesigned worden? Oder war das eine Verneigung vor Konrad Lorenz und seinem berühmten “Er redete mit dem Vieh, den Vögeln und den Fischen”?
WPG-Wertung: Aaron: 6 (reduziert wegen Mitspieler-Chaos), Günther: 7 (“super Setz-Mechanismus”), Moritz: 7 (“interessant”), Walter: 7 (ästhetisches Material, ästhetische Spielweise)
Walter wird eine Rezension schreiben.
PS: Mitten aus dem Leben gegriffen:
Aaron hatte vergessen, seinen Setzstein auf das Feld zu setzen, wo er die Orangerie erworben hatte. Damit hätte der nächste Spieler einen Diamanten mehr für die Orangerie hinblättern müssen. Moritz war der Nutznießer dieses Versehens. Kurz danach wurde der Fehler bemerkt. Frage an den Turnierleiter: Muß Moritz jetzt noch einen Diamanten nachschießen, oder wird seine Unterzahlung durchgehen lassen? Frage an die Insider: Hat Moritz einen Diamanten nachgeschossen oder konnte er seinen Vorteil über die Zeit retten? Bestgehütete Geheimnisse am Westpark!
2. “Valdora”
Ein Abakusspiel von Michael Schacht. “Fernab unserer Zeit liegt ein verstecktes Tal voller unermeßlicher Reichtümer. Abenteurer aus der ganzen Welt machen sich auf den Weg, um hier ihr Glück zu finden.” So fängt die Einleitung an, und zwar gleich in fünf verschiedenen Sprachen. Ein Leckerbissen für die Polyphonen.
Die Spieler bewegen ihre Pöppel über die Wege des Spielbretts
– zu Silberminen (um sich mit Liquidität zu versorgen),
– zu den Diamantengruben am Wegrand (in denen das wertvolle Material einfach eingesackt werden kann)
– zu Städten (in denen sie Schürfwerkzeuge erwerben und sich mit Aufträgen eindecken)
– zu ihre Auftraggebern (um die bestellte Ware – Diamanten in vorgegebenen Farben – abzuliefern)
Der Spielablauf ist ein ewiges Pendeln zwischen diesen verschieden Stationen.
Das Ganze geht leider ziemlich zäh und deterministisch zu. Am Anfang hat man weder Geld, noch Aufträge, noch Ladekapazitäten, um große Geschäfte zu machen. Für den nächsten Zug gibt es entweder nur eine einzige Möglichkeit oder eine einzige, trivial zu bestimmende optimale Möglichkeit. Wenn man sich dann langsam hochgeschaukelt hat und hofft, in Freiheitsgraden bei Masse und Mitteln zu schwelgen, liegen keine Diamanten mehr herum. Vielleicht kann man dieses Prinzip als “ausbalanciert” bezeichnen: Das Produkt aus Potenz und Markt ist konstant. Es paßt aber auch der Vers von Wilhelm Busch:
“So geht’s immer, wie ich finde”
spricht der Müller voller Zorn,
“hat man Korn so fehlt’s am Winde,
hat man Wind, so fehlt’s am Korn.”
Ein starkes Programm für Transportoptimierung wäre gefragt. Oder eine von Günthers genialen Faktorenanalysen. Doch dann wären die spielerischen Entscheidungen noch mehr determiniert. Oder ist das etwa die gewollte, aber von mir nicht verstandene Herausforderung des Spiels? Entschuldige, lieber Michael, nach einem ermüdenden Arbeitstag in abgeschlaffter Dödelstimmung um Mitternacht hat ein reiferer Herr nicht mehr genügend Energie, sich hier kommerzielle Perspektiven zu erarbeiten.
Ist es nicht vielleicht auch charakteristisch für den Spielablauf, daß kein einziger Spieler mehr einen sinnvollen Zug tun konnte, als Moritz die Schlußrunde eingeläutet hatte?
WPG-Wertung: Aaron: 7 (fand sein Glück; konnte sich kurzfristig an Moritz’ Schrecken erlaben, ihm vermeintlich den Sieg genommen zu haben; hätte sogar 8 Punkte vergeben, wenn es nicht so autistisch wäre), Günther: 4 (“Aaron, bist Du des Wahnsinns?!”), Moritz: 7 (Sieger mit winning Strategie), Walter: 4 (hat es nicht geschnallt)

26.03.2008: “Dos Rios” und andere Bekannte

Der Bericht von unserm letzten Spielabend war natürlich getürkt. Wir haben nicht erwartet, daß unsere intelligenten Leser darauf reinfallen. Das Spiel mit dem sumerischen Namen “Lir Parets Re” heißt in der abendländischen Leserichtung ganz schlicht “Erster April”, und darum ging es. Das Fabulieren hat uns Spaß gemacht, “Euch” hoffentlich das Lesen auch.
Damit aber nicht unglücklicherweise doch ein paar verlorene Schäfchen vor dem ADAC am “Westpark 8” auf die Eröffnung unserer heiligen Hallen warten, sind wir sicherheitshalber dort vorbeigefahren und hatten als Trostpreis für jeden ein komplettes “Lir Parets Re” dabei. Es war aber keiner da. Wir haben unsere Leser richtig eingeschätzt. Jetzt können wir die Spiele in den eigenen Reihen verteilen.
Hier also echte Non-Erster-April-Spielbericht vom letzten Mittwoch.
1. “Dos Rios”
Vor über zwei Jahren mit einem sehr guten 8,3 Punkte-Durchschnitt zum letzten Mal gespielt, kam es heute zu dritten Mal auf Tisch. Alle erinnerten sich noch einwandfrei, daß wir es schon gespielt haben, sogar an viele Einzelheiten. Doch leider fehlen uns die Entscheidungskriterien dazu, ob es ein abstraktes Spiel ist oder eines mit Thema. Die notwendigen Basisbegriffe sind noch nicht eindeutig definiert.
Das Spielbrett zeigt eine natürliche Hexagon-Landschaft aus Gebirge, Hügeln, Wald und Wiesen. Im Gebirge am linken Rand entspringen zwei Flüsse und fließen idyllisch über die Hexateile des Spielbretts in einen See auf der rechten Seite. Jeder Spieler besitzt 6 Campesions, die er mit seinen Bewegungsaktionen auf einträgliche Felder am Flußlauf positionieren muß. Die Ergiebigkeit der einzelnen Felder ändert sich nach einer vorhersehbaren Periodik. Natürlich gibt es hier einen ständigen Verdrängungswettbewerb unter den Mitspielern, der einen Großteil des Reizes von “Dos Rios” ausmacht.
Doch das “Geilste” sind die Holzbarrieren, mit denen jeder Spieler den Flußlauf verändern kann. Kaum hat man seine Campesions auf die Tabakfelder plaziert und reiche Ernteerlöse eingefahren, da lenkt ein böser Mitspieler den Rio Moreno um und man steht im Trockenen. Gegebenenfalls kommen auch noch ein paar Desperados die Flüsse herab und knallen die erstbesten Campesions ab, die sich ihnen in den Weg stellen, und schon steht man wieder vor einem landwirtschaftlichen Scherbenhaufen.
Alles ist planbar, aber nur für einen Zug, dann haben die gegensätzlichen Interessen der Mitspieler die Situation total umgedreht. Vom Spielerischen her ist das eher ein Vorteil. Nicht lange überlegen, spielen, ernten und sich an der überraschend vielseitig ändernden Geographie erfreuen, das ist die Idee.
Die Spielmechanismen sind sehr gut konstruiert. Es gibt eine Menge Interaktion beim Verdrängen von den besten Ernteplätzen und beim Verlegen des Flußlaufes. Durch den Bau von unzerstörbaren Fincas und Haziendas steigen noch dazu die Rundenerträge dynamisch an, so daß man bis zum Schluß auf den Sieg hoffen. Wer vorne liegt, kann seinen Vorsprung nur durch gutes Spiel über die Runden retten. Dazu gehört natürlich auch ein bißchen Glück.
Auf keinen Fall darf man sich alle Mitspieler zu Feinden machen, denn gegen die vereinten Rachegelüste der Verlierer hat man keine Chancen. Doch zu solchen Vereinigungen kommt es offensichtlich nicht; jedem geht es bei seinem Zug im Wesentlichen nur darum, unter deutlicher Berücksichtigung gegnerischer Verluste einen maximalen eigenen Nutzen zu erzielen. Gerade weil wir in der letzten Woche sehr ausgiebig über kooperative Spiele diskutiert hatten, fiel Aaron auf, daß “Dos Rios” in etwa “das unkooperativste Spiel ist, das man sich denken kann”. Zumindest war in unserer Runde keiner dabei, der mit dem Finger auf den Führenden zeigend das Feindbild vorgeben wollte, um ein Kartell der Verlierer zu schmieden.
WPG-Wertung: Aaron: 7, Günther: 7, Hans: 7, Walter: 7
Unsere Punkte lagen durchweg niedriger als vor zwei Jahren. Lag das am gestiegenen Lebensalter, an unserer gewachsenen Erfahrung, an der Stimmung des Abend, oder weil wir fast 3 Stunden brauchten, um Aaron den greifbaren Sieg nicht mehr streitig machen zu wollen?

2. “Rumis”
Das einzige Spiel, das auf der Spielschachtel unser WPG-Logo trägt. Da wurde es doch höchste Zeit, es auch mal wieder aus der Versenkung hervorzuholen. Jeder Spieler erhält einen Satz klobiger Bauklötzchen und gemeinsam bauen sie nach vorgegebenen Regeln auf einer vorgegebenen Fläche ein irgendwie zusammenhängendes Gebilde. Wessen Bauklötzchen am Ende die größte sichtbare Oberfläche aufweisen, der hat gewonnen.
Das Spiel ist konstruktiv, kooperativ und destruktiv zugleich. Zum Legen der Klötzchen kommen die Körper in Bewegung und dabei werden auch die Geister richtig munter. Deshalb ist es weniger geeignet als Absacker, aber vorzüglich zum Warming-Up. Und ein Spiel für Großvater und Enkelkinder ist es allemal.
Keine neue WPG-Wertung, aber der bisherige Durchschnitt von 8 Punkten wäre locker wieder erreicht worden.
3. “Flaschenteufel”
Die lange diskutierte Frage, ob das Spiel beherrscht werden kann, ist mit “Ja” entschieden. Deshalb ging Hans sofort in die Defensive und bekannte, daß er im “Flaschenteufel” noch die geringste Erfahrung besäße. Erwartungsgemäß häufte er auch unverzüglich Minuspunkt auf Minuspunkt. Aaron bot an, Hansens Punkte am Ende mit einer Minus-Eins zu multiplizieren, doch Hans erkannt sofort den Haken: “Auch dazu muß man das Spiel beherrschen!”
Wenigstens als kleine Entschädigung konnte er Walter eine böse Überraschung bereiten: Er schob ihm die gelbe Zwei zu und legte die gelbe Eins in den Teufelstich. Als Walter nun freudestrahlend mit der gelben Zwei den Teufelsstich nahm, in der Gewißheit, damit mit einem Schlag alle Sorgen um seine kleinen Karten losgeworden zu sein, blieb er auf dem Teufelsstich sitzen. Auch das gehört zu den vielen Faktoren, die ein guter Spieler beim Flaschenteufel berücksichtigen muß.