17.02.2010: Vor Bagdad nach Kairo

Aus Moritz seinem Reisekalender: Köln, 13.02. Proben Amadé, Amadé; Tilburg (Holland), 14.02. Dromomania Performance; Köln, 15.-16.02. Aufnahmen Amadé, Amadé; Koblenz, 17.02. Besuch der Bordellballade-Proben …
Eigentlich wollte er heute rechtzeitig zurück sein, um pünktlich um 19 Uhr bei den Westpark-Gamers anzutreten. Doch dann kam doch noch eine Absagemail: „Leider hat sich bei mir die Terminplanung in Koblenz verändert“. Vermutlich saß er heute in irgendeinem Hotelzimmer und schaute sich bei SAT1 das Fußballspiel FC Bayern – AC Florenz an. Vielleicht sogar zuhause bei A&M.
Die anderen Zuagroasten kamen pünktlich zum Westpark. Sie zogen ein Life-Spiel mit Pöppeln und Würfeln vor. Nur Sven kam später als sonst. Er stand im „Stau ohne Ende“ all derjenigen Fußballfans, die vom Brunntalkreuz aus in Richtung Allianz-Arena unterwegs waren. (Später konnten die Fans immerhin noch 3 Tore sehen. Sogar zwei Drittel davon auf „unserer“ Seite!)
1. “Egizia”
Wir optimieren unsere Schiffsladungen auf der Fahrt den Nil hinab.
Wie schon mehrfach geschildert sind die Bausteine in der ersten Runde die wichtigste Ressource, die wir uns zulegen müssen. Und hier hat der Startspieler einen entscheidenden Vorteil. Sicherlich einen größeren Vorteil, als er an Bausteinen-Grundausstattung zur Startaufstellung benachteiligt wird. Ist HiG dieses kritische Ungleichgewicht in seinen umfangreichen Testrunden etwa entgangen?
Doch das Spiel funktioniert sehr gut. Flüssig wickeln die Spieler ihre Aktionen ab, schauen, welche Vorteile sie für sich selber an Land ziehen können und wie sie ihre Mitspieler in Hungersnöte treiben können. Entscheidend ist es, in den ersten beiden Runden taktisch hinten zu bleiben und sich damit das Startspielerrecht auf die erste Wahl der Nilstationen zu sichern.
Die Interaktionen sind gewaltig, allerdings sind sie nur jeweils innerhalb einer Runde überschaubar. Die Veränderungen der Nilstationen von Runde zu Runde stellen hingegen solche massiven Brüche innerhalb der Spielsituationen dar, daß eine übergreifende Planung nicht möglich erscheint. Man kann im Grunde immer nur einen Zug vorausdenken. Oder einen Zug hinterherjammern.
Kurzzeitig kam ein Vergleich mit den Interaktionen bei „1830“ auf. Doch dort baut alles sehr langfristig auf; schon über viele Runden hinweg kann man Angriffe auf die gegnerischen Positionen planen. Oder sich dagegen zu schützen suchen. In „Egizia“ ist das doch eher nur kurzfristig bis chaotisch möglich. Aber auf jeden Fall spielerisch elegant.
Sven blieb mit seinen 5 Punkten deutlich unter dem WPG-Durchschnitt von 8.4. Ihm fehlte die langfristige planerische Herausforderung.
2. “Der Dieb von Badgad”
Als nächstes standen „Giganten“, ab 10 Jahre, und der „Dieb“ ab 8 Jahre zur Auswahl. Aarons Vorschlag: „Da machen wir doch lieber das für Kinder“ wurde ohne Gegenstimme angenommen. Doch schon während Günthers Einführung in die Spielregeln sank die Euphorie ob des läppischen Kartenspiel-Charakters rapide ab. Unverkennbar wird uns hier lediglich ein „Advanced Mau-Mau“ angeboten, auch wenn das Spiel es im Jahre 2007 bis auf die Auswalliste zum SdJ geschafft hat.
Wir ziehen laufend Karten vom verdeckten Stapel, die es uns gestatten, unseren eigenen Wächter, neutrale Wächter oder unsere Diebe in die verschiedenen Paläste des Spielfeldes zu bewegen. Eine blaue Karte erlaubt den Eintritt in den blauen Palast. Zu welchem Palast wird uns wohl eine rote Karte den Eintritt verschaffen?
Wer zuerst eine festgelegte Anzahl von Dieben in einen Palast einschleusen konnte, darf sich daraus eine Schatzruhe nehmen. Wer als Erster vier Schatztruhen in Besitz nehmen konnte, hat gewonnen.
Beim Placieren der eigenen und der neutralen Wächter in den verschiedenen Palästen gibt es ein paar Feinheiten zu beachten, um das Eindringen der gegnerischen Diebe zu erschweren. Doch der ganze Witz des Spiels besteht im Grunde nur darin, die richtigen Farbkarten zu ziehen.
Bevor man sich mit seinen Dieben für einen Palast entscheidet, sollte man genügend Karten der benötigten Farbe gezogen haben. Unbestreibar ist es am besten und sichersten, seine Diebe und Wächter zunächst mal absolut stehen zu lassen und ausschließlich Karten in der Hand zu sammeln. Hier müßte nach dem Regelheft unbedingt ein Handlimit vorgegeben sein. Ist aber nicht. Wenn aber alle Spieler in diesem Sinne richtig spielen, ist der Kartenstapel schnell aufgebraucht. Das führt einen Dead-Lock und damit auch einen Sudden-Death herbei. Für alle. Doch 8 Jährige sind noch keine so scharfen Logiker. Sie fangen halt schon mal an, ihre Diebe in irgendwelchen Palästen zu plazieren, wenn sie nur wenige passende Karten in der Hand halten. Wenn sie dann hinterher keine weiteren Farbkarten mehr nachziehen, haben sie halt Pech gehabt. Wie bei Mau-Mau. Basisversion!
Sven war mit seinem Hochleistungslogikmotor mal wieder total unterfordert. „Selbst ein Erfolgserlebnis ist noch öde“. Für einen professionellen Strategen sicherlich. Für Ab-8-Jährige weniger.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (zuerst 4; würde es aber dann doch nochmals spielen), Günther: 5 (immerhin etwas Spielerisches), Sven: 2 (keine intellektuelle Herausforderung), Walter: 4 (statt nochmals zu spielen würde ich lieber den FC Bayern anschauen).
3. “Flaschenteufel”
Wie so oft bei einem ehrgeizigen Neuling gab es heftige Diskussionen, ob Flaschenteufel ein reines bzw überwiegendes Glückspiel oder ein Spiel mit echten Kartenspieler-Herausforderungen ist. Die Tatsache, daß jeder Neuling jedesmal eine lange Durststrecke durchlaufen muß, bis er die ersten Siege einfahren kann, spricht doch eindeutig gegen den Glücksspiel-Charakter.
Je mehr Ehrgeiz, desto länger wird dieses simple, schon statistisch gesicherte Faktum bestritten.
Keine neue WPG-Wertung. Svens Note wurde vergessen abzufragen. Besser so.
4. “Bluff”
Was bedeutet die Formel:
S=6 x 4 ^ G=7 x 4 ^ A=4 x * ^ W=8 x 4 = minus 5
Zumindest kann man daraus ersehen, daß Aaron und Günther die Plätze getauscht hatten.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

3 Gedanken zu „17.02.2010: Vor Bagdad nach Kairo“

  1. hallo,

    zum flaschenteufel: eine bessere version als maumau, aber prinzipiell nicht ganz meine welt.

    um mal die wpg zu aktualisieren: ich geb dem spiel doch 5 punkte. man kann es mal zocken, aber ich kann es nicht beständig.

    zudem mal wieder richtig gut zusammengeschrieben. macht immer wieder spaß zu lesen.

    danke dafür.

    servus

  2. Unser Walter neigt wie immer zu leichten(?) Übertreibungen(aber deshalb sind seine Berichte ja auch so voller “Würze”).
    Egizia:
    Egizia spielt sich in nur 5 Runden – jede Runde besteht aus mehreren Zügen.
    Die eigenen Ziele für eine komplette Runde sollte man schon gut planen, sonst wird man gespielt.
    Über mehrere Runden hinweg sollte man seine Siegpunktkarten in die eigene Strategie einfließen lassen – sie bringen 30-50% der endgültigen Siegpunkte! Außerdem muß man sich natürlich auch ein Konzept für die langfristige Ernährung überlegen … usw.
    Ich würde Egizia also eher als Spiel der “mittelfristigen Planungen” charakterisieren.
    18xx:
    Natürlich versucht man bei 18xx seine Aktionen langfristig zu planen (spätestens in der Phase des Auftauchens der ersten sicheren Züge geht es dann aber auch häufig sehr kurzfristig und manchmal auch zufällig zu).
    Das Mitspielerchaos kann dort aber auch größer als bei vielen anderen Spielen sein: Wie häufig habe ich bei 18xx schon erlebt, dass sich ein glückloser(?) Spieler mit hohem Risiko ganz bewusst eine halb bankrotte Gesellschaft angelt und hofft, dass ihn seine Mitspieler nicht bankrott gehen lassen!
    Geht er nicht bankrott (20% Wahrscheinlichkeit), so wird er vermutlich haushoch gewinnen – geht er in die Insolvenz, so ist das Spiel sofort zu Ende und der Sieger ein Zufallsprodukt!!(Wer am langfristigsten geplant hat, steht am schlechtesten da).
    Folgerung: Viele 18xx Gruppen haben daher häufig ein gemeinsames Verständnis, welches Spielverhalten “nicht zulässig” ist, obwohl es die Spielregeln zulassen! (Z.B. sind auch Absprachen generell offen und bindend, etc …)

    Gruß, Günther

    p.s.: Eine einzelne Runde des Spitzenspieles Bluff ist auch nur von extrem kurzfristigen Planungen geprägt – ist es deswegen gut oder schlecht?
    Weder – noch ! Die Langfristigkeit von Planungsmöglichkeiten ist nur eine von vielen Charakteristiken eines Spieles und hat alleine nichts mit Spielspaß oder Güte eines Spieles zu tun !

  3. Hallo Günther,
    als HiG-minded Spieler mußtest Du natürlich für „Egizia“ noch eine Lanze brechen …
    Daß Planbarkeit nur eine von vielen hübschen Eigenschaften eines Spieles ist, und daß es viele andere Eigenschaften gibt, die ein Spiel zu einem Superspiel machen können, habe ich ja wohl nie bestritten. Für mich ist es allerdings wichtig, daß die verschiedenen Charakteristika eines Spieles stimmig sind. Dauer eines Spiels, intellektuelle Anforderungen und Glückselemente müssen zueinander passen.
    Bei „Egizia“ hatte ich bisher den Eindruck, daß seine Herausforderung deutlich in der planerischen Richtung liegt. Diese Einschätzung habe ich in der letzten Zeit etwas revidieren müssen. Viele gute Züge sind mehr oder weniger zwangsläufig. Bausteine nimmt man sich in der ersten Runde immer, wenn man sie bekommt, genauso wie man in den späteren Runden immer grüne Ernährung nimmt, falls sie angeboten ist. Und viele essentielle Details des Spielablauf unterliegen zufälligen Gegebenheiten des Regelwerks.
    Das wichtigste taktische Element in „Egizia“ ist der Lavieren um die Startspielerposition. Um diese Position zu bekommen oder zu behalten, sollte man in den ersten Runde unbedingt auf Bausteine kostende Züge verzichten. Wer (per Initial-Zufall) Startspieler geworden ist, und diese Position bis in Runde 3 behalten kann, hat den Sieg schon so gut wie in der Tasche. – Unter der Voraussetzung, daß ihm im Rahmen von statistischen Schwankungen pro Runde jedesmal weitere lukrative Bausteine an akzeptablen Stellen angeboten werden! Ob das aber geschieht, ist reiner Zufall.
    Die Mächtigkeit dieses Glückseinflusses in „Egizia“ ist mir bei jedem Spiel immer deutlicher bewußt geworden. Ohne daß das Spiel dabei etwas von seinen spielerischen Qualitäten verloren hätte. Nur etwas von seiner Planbarkeit. Wenn ich ihm früher den Glücksfaktor 0,2 zugebilligt hätte, so ist es inzwischen beim Glücksfaktor 0,5 angelangt. Mit anderen Worten: Von einer Lage deutlich innerhalb der Schach-Seite ist es schon bis zur Mitte auf die Roulette-Seite gewandert.

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