23.03.2011: Mission in Afrika, Kartenspiel in London

Die Westpark-Katze hat letzte Woche ihr Gastspiel bei uns beendet. Eine Bridge-Partnerin hat sie übernommen. Dort wurde sie entwurmt, geimpft und darf jetzt im Schlafzimmer mit dem Frauchen kuscheln. Für ihr endgültiges Bleiben müssen die dortigen Platzhirschen, zwei „alte Zicken“ erst noch gehörig ins Gebet genommen werden.

Für die äußerst liebenswürdige Art von „Bridgie“ ist auch bereits ein Gedicht entstanden:
An meine Katze
Wenn ich zur Mittagszeit den Schlummer suche,
kommst Du zu mir und wachst an meinem Lager.
Ich weiß, wenn ich erwache, wachst Du noch bei mir,
und dieses Wissen ist unsäglich schön.
Dann tapst Du zierlich über meinen Busen,
legst Deinen Kopf vertraut auf meine Schulter,
drehst Deinen Bauch nach oben hin,
läßt Dich umfassen und ganz zärtlich kraulen.
1. “Livingstone”
Auf den Spuren des großen schottischen Afrikaforschers fahren wir auf einem Dampfboot (Holzfigur) den Sambesi hinauf bis zu den Viktoriafällen (Spielbrett-Szenerie), errichten an verschiedenen Stationen unsere Zelte (Holzpöppel) und versuchen unser Glück beim Schürfen von Edelsteinen (Plastiknuggets).
Herzstück des ganzen sind Würfel, die ganz analog dem Ysphahan-Prinzip gehandhabt werden: Ein Spieler würfelt für alle Mitspieler mit allen Würfeln und reihum darf sich jeder Spieler einen Würfel davon heraussuchen und damit seinen Zug bestreiten. Er darf

  • Taler einstreichen – entsprechend der Augenzahl des gewählten Würfels
  • Diamanten verdeckt aus einem Säckchen ziehen – soviele wie Augen auf dem gewählten Würfel. Die Diamanten kann er unverzüglich in klingende Münzen verwandeln
  • Ein Zelt errichten auf einem Feld, das mit der Augenzahl korreliert. Das kostet in steigendem Maße Geld und dafür gibt es früher und später, mehr und weniger Siegpunkte
  • Eine Aktionskarte ziehen – unabhängig von der Augenzahl. Die Aktionskarte liefert entweder Geld oder Siegpunkte oder Vorteile beim Zeltbau.
  • Pro Mitspieler werden zwei Würfel eingesetzt und wenn jeder Spieler einen Würfel genutzt hat, bleiben in der Mitte noch eine Menge Würfel liegen. Jetzt darf jeder Spieler einen weiteren Würfel nehmen und damit einen Zug machen, aber nur, wenn noch ein Würfel mit einer höheren Augenzahl als sein erster gewählter Würfel übrig geblieben ist. Hierin liegt die Taktik des Spiels: Man sollte für jeden Zug in der Regel einen möglichst hohen Würfel aussuchen, allerdings sollte er nicht so hoch sein, daß man in dieser Runde keinen zweiten Zug tun darf; die Mitspieler werden natürlich ihrerseits alles tun, um den anderen den zweiten Zug zu vermasseln. Das genaue Lavieren zwischen kalkulierter Bescheidenheit und entschlossenem Zupacken bringt die entscheidenden Vorteile ins Spielgeschehen.
    Der Rest ist Zufall. Der Würfelwurf als solcher ist Zufall. Werden z.B. bei drei Mitspielern und dementsprechend sechs Würfeln einmal die Fünf und fünfmal die Sechs geworfen, so kann der Startspieler zwei Würfel nutzen, nämlich die Fünf und eine Sechs, die anderen können nur je eine Sechs nutzen.
    Zufall ist auch die Ausbeute bei den Diamanten. Wer extremes Glück hat, kann bei einer Augenzahl von Vier insgesamt vier rote Diamanten aus dem Säckchen ziehen und bekommt dafür 20 Taler, wer ein bißchen Pech hat, zieht vier schwarze Geröllkiesel aus dem Säckchen und bekommt dafür gar nichts.
    Genauso zufallsbestimmt ist auch das Ziehen der Aktionskarte. Wer Glück hat, darf damit in einem späteren Zug gleich zwei Würfel ziehen. Er kann dann beispielsweise seinem Hintermann dessen wohlkalkulierten zweiten – in der Regel höherwertigen – Würfel vor der Nase wegschnappen und damit bei den Diamanten den glücklichen Riesenraibach machen.
    Diese Zufallseinflüsse bringen in eine an sich logische und planbare Würfelkombinatorik spielerische Überraschungselemente hinein, die bis ans unberechenbare Chaos reichen.
    Der Höhepunkt des Unkalkulierbaren in „Livingstone“ ist „die Spende für den König“: Jeder Spieler kann während jedes Zuges eine geheime „Geldspende“ in ein Schatzkästchen werfen. Wer bei Spielende die geringste Spendensumme aufgebracht hat, scheidet aus. In unserem Zieleinlauf rangierte Horst mit 51 vor Walter mit 45 und Günther mit 44 Siegpunkten. Doch Horst und Walter hatten beide nur je 11 Taler gespendet und schieden unisono aus. Günther blieb als Sieger übrig. Bei dieser Spendenlage hätte er eigentlich überhaupt kein Zelt zu errichten brauchen, sondern ganz locker unverzüglich alle Einnahmen für den König spenden können.
    WPG-Wertung: Günther: 6 (hübsche Ideen, an manchen Stellen aber zu schicksalshart), Horst: 7 (mag die Würfel-Kombinatorik), Walter: 6 (hübsche Kombinatorik, die „Spende“ hätte aber besser weggelassen werden sollen und die Aktionskarten sind auch zu wenig ausgewogen, vor allem diejenigen mit Ärgereffekten.)
    2. “London”
    Ein ziemlich reinrassiges Kartenspiel, obwohl ein dickes Spielbrett mit einem Stadtplan von London auf dem Tisch liegt und wir darauf konsequent Stadtvierel ausbauen und darin „regieren“ müssen. Doch diese Aktionen dienen nur dazu, ein variable Anzahl von Karten zu ziehen, die Karten in optimaler Konstellation auszulegen und in regelmäßigen Abständen ihren Ertrag zu kassieren.
    Erträge der Karten ist Geld und / oder Siegpunkte, und zuweilen können wir damit die Armut bekämpfen. Wenn wir viele Karten ausliegen haben, fließen natürlich auch reichlich Erträge in unsere Taschen, dafür steigt aber die öffentliche Armut in unseren Stadtvierteln rapide an. Am Ende führt die öffentliche Armut zu erheblichen Siegpunkteinbußen; wer hier nicht konsequent gegengesteuert hat, kann nicht gewinnen. In der richtige Balance zwischen der Menge an ausliegenden und genutzen Karten mit ihren Geld und Siegpunkteinnahmen sowie an den Maßnahmen gegen die Armut liegt der Sieg.
    Dabei ist der Spielverlauf aber ziemlich solitär. Jeder spielt seine eigenen Karten nach optimalen Gesichtspunkten; Einwirkungen auf Aktionen und Besitztum der Mitspieler gibt es nicht. Für Horst war es immerhin ein gutes (mit Betonung) Solitärspiel. Zumindest über drei Viertel des Spiels. Dann ging ihm bitterlich das Licht auf: „Die Armut bricht mir das Genick!“. Er hatte sich mit seinen privaten Erwerbsquellen in eine Sackgasse manövriert; sein Armutsstand kostete ihn in der Schlußabrechnung die Hälfte seines Besitztums, es reichte gerade noch zur Bronce-Medaille.
    WPG-Wertung: Günther: 7 (mit den üblichen Wallace-Fragezeichen), Horst: 7 (Das System ist klasse, aber Abzüge in der B-Note für den Armutsmalus), Walter: 7 (Einschränkung für den solitären Charakter; maximal für 3 Spieler, die vielen Zugoptionen sind in einer größeren Runde tödlich).
    3. “Trans Europa”
    Kam um 23 Uhr als mittellanger Absacker auf den Tisch. Schnell, flüssig, genial.
    Weiterhin unentschieden ist die Frage, ob man solo an der Problemlösung mit seinem Randstädten beginnen soll oder lieber im gemeinsamen Zentrum.
    Die „Ungerechtigkeit“ der Städteauswahl fällt bei dem leichten, spielerischen Charakter und den schnellen Wiederholungen überhaupt nicht ins Gewicht.
    Keine neue WPG-Wertung für ein 7,8 Punkte-Spiel.
    4. “Bluff”
    Noch nicht genug abgesackt beim Gleisbau für die europäischen Eisenbahnen. Horst hat seine Stern-Strategie erfolgreich überarbeitet. Er würfelt jetzt mehr Sterne als er blufft.
    Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.