Archiv der Kategorie: Spieleabende

06.04.2011: Wunder um die Ost-Erweiterung

Seit gut 10 Jahren veröffentlichen wir Berichte und Kommentare zu Brettspielen. Das genaue Datum der ersten Veröffentlichung liegt im Dunkeln, lediglich Aarons Eintrag: „Zusätzlich zu den Informationen über die Spiele der 18xx-Reihe habe ich Kritiken über Spiele, die wir bei den Westpark Gamer Treffen gespielt haben, eingebaut. Als kleine Besonderheit besprechen wir englische Spiele in deutsch und deutsche Spiele in englisch.“ ist mit dem Datum 14.3.2001 genau festgehalten.
Seit diesem Datum ist die Zusammensetzung unserer Gruppe ziemlich stabil. Moritz und Peter haben inzwischen ihre Mitspielerinnen geheiratet. Damit soll aber nicht gesagt sein, dass die Westparkgamers ein Heiratsmarkt wären. Ihre Anvertrauten haben sie selber in die Westpark-Gemeinschaft eingebracht. Die Sitzungen hier waren lediglich eine der Prüfungen, die die Heiratskandidatinnen zu absolvieren hatten.
Die Handhabung der Sprachen englisch/deutsch ist auch schon längst nicht mehr so, wie mal angedacht. Wenn Politiker, ja sogar ganze Parteien schon klüger werden können – mal schneller, mal langsamer -, dann fällt das uns vergeistigten Spielerseelen doch gleich tausendmal leichter.
1. “7 Wonders”
Walter hing das Spiel schon seit seinem Hochgejubelt-Werden in Essen zum Halse heraus. Doch Günther ist ein eifrige Puscher davon und hat es seit Wochen jedesmal in seiner Tasche, wenn sich am Westpark ein größerer Teilnehmerkreis abzeichnet. Und wenn Günther eine positive Wertung abgibt, dann ist Peter nicht mehr zu halten und Walter überstimmt. Für dieses stramme Sich-Durchsetzen als Alpha-Tierchen bekam Peter von seine Anvertrauten den Kosenamen „Kurkanoi“. Klingt sicherlich liebevoller als „Diktagoge“.
Doch schon beim Verteilen der Spielertableaus mußte „7 Wonders“ bei unserem Historiker ein paar Federn lassen. Beim Mausoleum von Halikarnassos fehlen in der Graphik die Statuen zwischen den Säulen. Hier hat der Designer schlichtweg geschlampt.
Das Spiel tröpfelt mit dem jeweiligen Ausspielen einer Wertungekarte und dem Weitergeben der übrigen Handkarten an den rechten bzw. linken Nachbarn so vor sich hin. Na ja, langsam geht das nicht, eher flott – glücklicherweise -, doch ein mächster Spielstrom mit Planung, Finten und Interaktion entsteht dabei auch nicht. Eigentlich spielt jeder Spieler für sich allein. Keiner hat eine Ahnung, wer die direkten Konkurrenten sind, das läßt schon die umfangreiche Schlußwertung nicht zu. „To have a plan“ ist nur für Traumtänzer möglich. Bei den ersten Karten heißt es notgedrungen, diejenigen zu wählen, bei denen man sein vorhandenes Potential am besten ausnutzt. Später gilt das immer noch, nur ein kleines bißchen weniger notgedrungen. Eine Freude für Liebhaber von konstruktiven Aufbauspielern mit minimaler Feindeinwirkung.
Die größte Stärke des Spieles ist, dass es auch mit 7 Mitspielern funktioniert. „Ich will aber nicht mit 7 Leuten spielen.“ Am Westpark schon gar nicht! Von wenigen, begründeten Ausnahmen abgesehen liegt unser Maximum bei 5.
Als Schlußresummee forderte Peter im Protokoll seine Aussage: „Walter hatte recht!“ Hier ist sie.
WPG-Wertung: Loredana mit 7 und Peter mit 5 Punkten siedelten sich am unteren Ende unserer Wertungsskala an.
2. “Hansa Teutonica – Die Osterweiterung”
Während Günther sich auf seine Rolle als Erklärer vorbereitete und intensiv Regelheft und Erweiterungsseiten studierte, wurden Fakten und völkische Vorurteile (Jodtabletten und verstrahlte Lebensmittel) des GAUs in Fukushima diskutiert. Lordana erweiterte die Szenerie um ein paar tausend Kilometer in unsere Richtung: Sie konnte sich nicht daran erinnern, dass die Havarie von Tschernobyl bemerkenswerte Spuren im rumänischen Alltagsleben hinterlassen hätte. Damals war sie allerdings noch keine 5 Jahre alt!
Dann kam die Frage an unseren Doktor über das Thema Nummer 1 aus der Vor-Fukushima-Zeit. Hier seine wesentlichen Beiträge zum Plagiat und zum Ghostreiten:

  • Juristen lernen vom ersten Tag des Studiums an, fremde Texte zu kopieren, um sie für die eigene Lebensarbeit zu nutzen. Das ist legitim bis notwendig.
  • Ein Ghostwriter schreibt einen einheitlichen Stil, und zwar seinen eigenen. Es sei denn, der Stil des Klienten wäre bekannt und leicht zu kopieren.
  • Ein Ghostwriter würde maximal nur 200 Seiten schreiben, aber keine 475. Das kostet nur unnötig Geld, das man natürlich nicht hat, wenn man noch Frau und Kinder ernähren muß.
  • Die daraus zwangsläufig resultieren Schlußfolgerungen für den Geist des Kindes überlassen wir den Lesern.
  • Übrigens findet Google zu den drei Stichwörtern: „Gbg“ + „Doktorarbeit“ + „Seitenzahl“ zur Zeit genau 487.000 Einträge.
    Günther konnte mit seinen Ausführungen zu „Hansa Teutonica“ beginnen. Wir haben ein neues Spielbrett, das nach Osten bis Königsberg und Krakau erweitert wurde. Die beiden lebenswichtigen Städte, wo wir die Anzahl unserer Aktionen und unsere Nachschubkapazitäten erweitern können, ist auf eine einzige Stadt mit drei Zugängen konzentriert. Das ist jetzt das Herzstück des Spielplans. Hier spielt die Musik der ersten Runden. Doch durch Blockierungen und Verdrängen entsteht eine absolut neue Startszenerie mit größtenteils nicht vorhersehbaren Entwicklungen. Keiner kann behaupten, dass dieser Ablauf zu deterministisch wäre. Es gibt jede Menge Strategien und Gegenstrategien, jeder spielt jederzeit mit und gegen jeden, ein Höchstmaß an spielerischer Interaktion.
    Es gibt viele verschiedenartige kräftige Siegpunktquellen, man kann nur einen Teil davon anzapfen. Manche wirken sofort, andere langfristig. Wer erst aufrüstet, um dann später mit geballter Kraft den Stadtplan von „Hansa Teutonica“ von hinten her aufzurollen, wird von denjenigen in Schach gehalten, die auf ein schnelles Ende drängen.
    Peter hatte sich – als Startspieler, mit klarer Planung und dank glücklicher Umstände – blitzschnell die Höchstzahl an zulässiger Aktionen und die totale Regenerierungsfähigkeit entwickelt und sah wie der sichere Sieger aus. Doch in der Zwischenzeit hatte Günther alles vorbereitet, um aufs Tempo zu drücken und den Sudden Death zum Spielende auszulösen. Mit weitem Vorsprung wurde er Sieger.
    WPG-Wertung: Aaron: 8 (bleibt), Günther: 8 (bleibt), Loredana: 8 („will ich nochmals spielen“), Peter: 8 („es macht Spaß, die verschiedenen Möglichkeiten des Spiels zu entdecken“), Walter: 9 (bleibt).
    PS: Hallo Argentum Verlag: Leipzig liegt zweifellos nicht an der Seehandelsroute der Ost-West-Verbindung. Aber wahrscheinlich haben diesen Fehler in der Regelerweiterung andere Spieler auch schon mokiert.
    3. “Bluff”
    Peter stand mit 2:1 Würfeln im Endspiel gegen Günther. Günther legte gemäß seiner Immer-5-Strategie 1 mal die Fünf vor. Peter hatte zwei Sterne unter dem Becher und hob mit 5/6-Siegesgewißheit auf 2 mal den Stern. Doch Fortuna stand mit seiner 1/6 Wahrscheinlichkeit auf Günthers Seite und hatte ihm auch einen Stern gegeben. Mit seiner 3 mal Stern-Antwort konnte er Peter den ersten und bald auch den zweiten Würfel abnehmen.
    Hinterher gab es eine breite Diskussion, ob Peters Hebung auf 2 mal Stern die optimale Chancen-Ausbeute war. Wäre nicht 1 mal Stern viel besser gewesen? Wenn Günther darauf mit 2 mal Zahl geantwortet hätte, wäre 2 mal Stern sicherlich mit einer höher als 5/6-Wahrscheinlichkeit der Sieg gewesen. Und wenn Günther mit 2 mal Stern geantwortet hätte, dann wäre 3 mal Stern eine gute Wette gewesen. Walter Argumentation fanden Günther und Aaron nicht schlüssig genug. Wer hilft uns, darüber Klarheit zu gewinnen?
    Zumindest konnten wir uns auf das Fazit einigen: Günthers Immer-5-Strategie war hier wohl nicht der besten Anfang. Mit der Vorgabe 1 mal Vier hätte er viel mehr von Peters Superwurf erfahren können! Oder wird das auch schon wieder bestritten?
    In allen diesen Berechungen schaffen die Bluffs in Vorgaben bzw. Antworten einen Graubereich, der mathematisch nur schwierig zu erfassen ist.
    Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

    30.03.2011: Wasser für die Welt

    Können Kinder von Haus aus problemlos verlieren? Moritz macht mit seinem knapp vierjährigen Milo gerade die Erfahrung, dass dies gar nicht so leicht ist. Ich kann mich diesbezüglich an meine eigene Kindheit und die meiner Kinder nicht mehr gut erinnern. Könnte es sein, dass die Leichtigkeit, spielerische Niederlagen zu verschmerzen – oder auch das Gegenteil davon – angeboren ist? Garantiert findet man dazu auch unter Erwachsenen ein extrem weitgestreutes Naturell. Es soll Leute geben, die sogar schon Magenkrämpfe kriegen, wenn sie ein Backgammonspiel verloren haben.
    1. “Aqua Romana”
    Beim Auspacken des Spielmaterials lacht sofort das alte Eisenbahnerherz: Wie beim guten alten „1830“ kommen Gleisteile mit grader und gebogener Streckenführung, mit Kreuzungen und Doppelschleifen zum Vorschein. Beim näheren Hinsehen sind es allerdings keine Eisenbahngleise, die gelegt werden, sondern Bauteile von städtischen Wasserleitungen im alten Rom. Jeder Spieler hat vier Arbeiter an vier verschiedenen Wassersträngen stehen und muß versuchen, auf dem gemeinsamen Stadtterritorium mit seinen Leuten die in der Summe längste Leitung zu legen.

    Die Herausforderung dabei ist, dass man nicht einfach beliebige Bauteile an sein aktuelles Wassernetz anlegen darf, sondern dass dafür der zugehörige Arbeiter in Peilrichtung zu einem passenden der vielen „Baumeister“ stehen muß, die ständig am Spielfeldrand umherlaufen. Zum gewissen Grad ist für ein bis zwei Züge vorhersehbar, welche Baumeister in Reichweite kommen werden, doch das Ganze unterliegt natürlich zum großen Teil auch dem gewöhnlichen Mitspielerchaos. Nicht rechnen, sondern einfach spielen.
    WPG-Wertung: Horst: 7 (ein strategisches 2-Personenspiel, in einer 4er Runde zu chaotisch), Moritz: 6 (ganz nett, gutes Dreierspiel, am Design gibt es nicht viel auszusetzen, allerdings keine nennenswerte Interaktion, längst nicht so spannend wie z.B. „Trans Europa“), Walter: 7 (keine große Herausforderung, dafür aber sehr schnell, konstruktiv und spielerisch).
    2. “A Brief History of the World”
    Von Moritz ein heiß geliebtes 10-Punkte Spiel, Walter dagegen vergab vor einem Jahr lediglich 3 Punkte: “erste Phase kontemplativ, zweite Phase promiskuitiv, dritte Phase mongoloid”. Seine Vorbehalte wurden heute durch die gute Stimmung und durch Horst’s Erwartungen in den Hintergrund gedrängt.
    In insgesamt 6 Epochen wählt jeder Spieler jeweils ein Volk aus, das an einer vorgegebenen Stelle des Erdkreises die Weltbühne betritt und und so lange seine Nachbarn niederwürfelt, bis alle Pöppel untergekommen oder bereits im Statu nascendi geschlagen wurden.
    Würfel sind das A und O des Spiels. Natürlich dürfen wir uns auch mit Intelligenz und Fingerspitzengefühl das jeweils beste Volk auswählen, das in einer Epoche zur Verfügung steht. Die freie Auswahlaus drei Angeboten – bei drei Mitspielern – hat allerdings nur der Startspieler, d.h. der bisher schwächste in der Runde. Die anderen müssen sehen, was übrig bleibt. Dafür hat der größte Nachseher die freie Auswahl bei den Ereigniskarten, mit denen er sein Volk noch etwas aufpäppeln kann, bevor es in den Überlebenskampf auszieht. Hiervon hat dann der Startspieler keine Alternative mehr.
    Kämpfen heißt würfeln. Ausschließlich. Der Neuling darf mit zwei Würfel würfeln, die Alteingesessenen nur mit einem Würfel. Als Ausgleich muß zum Gewinnen der Neuling mit wenigstens einem Würfel höher würfeln als sein Kontrahent. Schafft er das nicht, so ist er einen seiner Neupöppel los. Allerdings bekommt er dafür als Trostpflaster für seinen nächsten Würfelkampf einen Eroberungsbonus. (So etwas könnten die Rebellen in Libyen sicherlich auch gut gebrauchen!) Würfelt er andererseits sehr viel mehr Augen als der Platzhirsch, so kann er die Augenzahl-Differenz auf einem Overrun-Konto gutschreiben lassen und damit mehr oder weniger Blut-Schweiß-und-Tränenlos gleich eine ganze Reihe von Nachfolge-Städten unter seine Kontrolle bringen. (Auch diese Technik wäre im heutigen Libyen von einigem Nutzen.)
    Moritz als erfahrener Brief-Historiker gab jedem Mitspieler gemeinnützig die besten Ratschläge. Vorzugweise durch das Vorgeben der Richtung, wo die meisten Siegpunkte zu holen wären. Leider liegen keine statistisch signifikant gesicherten Beobachtungen dazu vor, ob die richtungsweisenden Tips vorwiegend gegen den dritten Spieler gerichtet waren. Honi soit qui mal y pense.
    Walter wollte Horst’s Hunnen schon allein aus historischen Gründen gegen Moritz’ Stellungen in Europa lenken, doch Horst ließ sie ganz unhistorisch nach Süden auf die arabische Halbinsel vordringen. Sind sie vielleicht heute immer noch dort? (Verzeihung, für diesen Mangel an political correctness!). Moritz konstatierte dem Spiel eine extrem hohe Thematik, „man lernt die Weltgeschichte“. Es ist ja schließlich egal, wohin die Hunnen wirklich gezogen sind.
    „Das Glückselement ist bei drei Spielern deutlich höher als bei sechs!“ Weil die angebotene Völkerauswahl gewaltig streut und man bei weniger Mitspielern Glück haben kann, dass die schärfsten Konkurrenzvölker vielleicht gar nicht auftauchen werden. Bei sechs Mitspielern spielen hingegen alle Völker mit, und durch die individuelle Losschlag-Reihenfolge gleichen sich die unterschiedlichen Eigenschaften stärker wieder aus. Vielleicht.
    WPG-Wertung: Horst: 8 (ein sehr gutes Spiel für erfahrene Freaks), Moritz: 10 (bleibt), Walter: 4 (ein Punkt mehr für das umfangreiche Spielmaterial, die gewisse Balance in verschiedenen Elementen, aber keinen Punkt mehr für ein kompliziertes, aber verkapptes reinrassiges Würfelspiel).
    3. “Akkon”
    Horst hat das Spiel auf dem Flohmarkt billig erstanden. Sein Rittermilieu und das entsprechende Design haben ihn angesprochen. Doch in Realität ist von dem Rittermilieu nicht viel übrig geblieben. „Akkon“ ist ein abstraktes Entwicklungsspiel, das durch unberechenbares verdecktes Bieten auf Entwicklungs- und Ärgerkarten gewonnen wird.
    Jeder Spieler bekommt insgesamt 5 Bietsteine mit den Werten 2, 5, 6, 7 und 8, einen Verdoppelungsstein und einen Rabatt-Stein, die reihum verdeckt an sechs verschiedenen Bietplätzen abgelegt werden. An einen Platz dürfen sequentiell beliebig viele Bietsteine placiert werden. Nachdem alle Spieler genügend gesetzt haben, werden die Bietsteine aufgedeckt, und wer dann an einem Bietplatz am meisten geboten hat, bekommt eine offen (wenigstens!) ausliegende Karte, mit der er sein Konto an Glauben, Gold, Macht oder Ansehen erhöhen kann. Meist darf er damit sogar das entsprechende Konto eines beliebigen (Pfui!) Mitspielers erniedrigen. Mit manchen Karten darf man im nächsten Zug zwei oder drei Bietsteine von einem beliebigen (nochmals Pfui!) Mitspieler wegnehmen und sie für seine eigenen hinterlistigen Zwecke mißbrauchen!
    Wer am Ende mit der Summe seines niedrigesten und seines höchsten Kontos am besten liegt, hat gewonnen. Ein einstündiger öder Bietkampf ist zu Ende gegangen. Walter bot mehrmals einen Spielabbruch an, doch Moritz fand die monotone Auseinandersetzung mit Bietsteinen um Glaubenspunkte „total spannend“.
    WPG-Wertung: Horst: 4 (zäh, zu wenig Kartenvielfalt, hätte auch gerne abgebrochen), Moritz: 5 (fand den Bietmechanismus nicht schlecht), Walter: 3 (für das simple Spielprinzip viel zu lang).
    PS
    Hallo Hans, wir wünschen Dir, dass es Dir mit Deiner neuen Leber ganz bald wieder ganz gut geht!

    23.03.2011: Mission in Afrika, Kartenspiel in London

    Die Westpark-Katze hat letzte Woche ihr Gastspiel bei uns beendet. Eine Bridge-Partnerin hat sie übernommen. Dort wurde sie entwurmt, geimpft und darf jetzt im Schlafzimmer mit dem Frauchen kuscheln. Für ihr endgültiges Bleiben müssen die dortigen Platzhirschen, zwei „alte Zicken“ erst noch gehörig ins Gebet genommen werden.

    Für die äußerst liebenswürdige Art von „Bridgie“ ist auch bereits ein Gedicht entstanden:
    An meine Katze
    Wenn ich zur Mittagszeit den Schlummer suche,
    kommst Du zu mir und wachst an meinem Lager.
    Ich weiß, wenn ich erwache, wachst Du noch bei mir,
    und dieses Wissen ist unsäglich schön.
    Dann tapst Du zierlich über meinen Busen,
    legst Deinen Kopf vertraut auf meine Schulter,
    drehst Deinen Bauch nach oben hin,
    läßt Dich umfassen und ganz zärtlich kraulen.
    1. “Livingstone”
    Auf den Spuren des großen schottischen Afrikaforschers fahren wir auf einem Dampfboot (Holzfigur) den Sambesi hinauf bis zu den Viktoriafällen (Spielbrett-Szenerie), errichten an verschiedenen Stationen unsere Zelte (Holzpöppel) und versuchen unser Glück beim Schürfen von Edelsteinen (Plastiknuggets).
    Herzstück des ganzen sind Würfel, die ganz analog dem Ysphahan-Prinzip gehandhabt werden: Ein Spieler würfelt für alle Mitspieler mit allen Würfeln und reihum darf sich jeder Spieler einen Würfel davon heraussuchen und damit seinen Zug bestreiten. Er darf

  • Taler einstreichen – entsprechend der Augenzahl des gewählten Würfels
  • Diamanten verdeckt aus einem Säckchen ziehen – soviele wie Augen auf dem gewählten Würfel. Die Diamanten kann er unverzüglich in klingende Münzen verwandeln
  • Ein Zelt errichten auf einem Feld, das mit der Augenzahl korreliert. Das kostet in steigendem Maße Geld und dafür gibt es früher und später, mehr und weniger Siegpunkte
  • Eine Aktionskarte ziehen – unabhängig von der Augenzahl. Die Aktionskarte liefert entweder Geld oder Siegpunkte oder Vorteile beim Zeltbau.
  • Pro Mitspieler werden zwei Würfel eingesetzt und wenn jeder Spieler einen Würfel genutzt hat, bleiben in der Mitte noch eine Menge Würfel liegen. Jetzt darf jeder Spieler einen weiteren Würfel nehmen und damit einen Zug machen, aber nur, wenn noch ein Würfel mit einer höheren Augenzahl als sein erster gewählter Würfel übrig geblieben ist. Hierin liegt die Taktik des Spiels: Man sollte für jeden Zug in der Regel einen möglichst hohen Würfel aussuchen, allerdings sollte er nicht so hoch sein, daß man in dieser Runde keinen zweiten Zug tun darf; die Mitspieler werden natürlich ihrerseits alles tun, um den anderen den zweiten Zug zu vermasseln. Das genaue Lavieren zwischen kalkulierter Bescheidenheit und entschlossenem Zupacken bringt die entscheidenden Vorteile ins Spielgeschehen.
    Der Rest ist Zufall. Der Würfelwurf als solcher ist Zufall. Werden z.B. bei drei Mitspielern und dementsprechend sechs Würfeln einmal die Fünf und fünfmal die Sechs geworfen, so kann der Startspieler zwei Würfel nutzen, nämlich die Fünf und eine Sechs, die anderen können nur je eine Sechs nutzen.
    Zufall ist auch die Ausbeute bei den Diamanten. Wer extremes Glück hat, kann bei einer Augenzahl von Vier insgesamt vier rote Diamanten aus dem Säckchen ziehen und bekommt dafür 20 Taler, wer ein bißchen Pech hat, zieht vier schwarze Geröllkiesel aus dem Säckchen und bekommt dafür gar nichts.
    Genauso zufallsbestimmt ist auch das Ziehen der Aktionskarte. Wer Glück hat, darf damit in einem späteren Zug gleich zwei Würfel ziehen. Er kann dann beispielsweise seinem Hintermann dessen wohlkalkulierten zweiten – in der Regel höherwertigen – Würfel vor der Nase wegschnappen und damit bei den Diamanten den glücklichen Riesenraibach machen.
    Diese Zufallseinflüsse bringen in eine an sich logische und planbare Würfelkombinatorik spielerische Überraschungselemente hinein, die bis ans unberechenbare Chaos reichen.
    Der Höhepunkt des Unkalkulierbaren in „Livingstone“ ist „die Spende für den König“: Jeder Spieler kann während jedes Zuges eine geheime „Geldspende“ in ein Schatzkästchen werfen. Wer bei Spielende die geringste Spendensumme aufgebracht hat, scheidet aus. In unserem Zieleinlauf rangierte Horst mit 51 vor Walter mit 45 und Günther mit 44 Siegpunkten. Doch Horst und Walter hatten beide nur je 11 Taler gespendet und schieden unisono aus. Günther blieb als Sieger übrig. Bei dieser Spendenlage hätte er eigentlich überhaupt kein Zelt zu errichten brauchen, sondern ganz locker unverzüglich alle Einnahmen für den König spenden können.
    WPG-Wertung: Günther: 6 (hübsche Ideen, an manchen Stellen aber zu schicksalshart), Horst: 7 (mag die Würfel-Kombinatorik), Walter: 6 (hübsche Kombinatorik, die „Spende“ hätte aber besser weggelassen werden sollen und die Aktionskarten sind auch zu wenig ausgewogen, vor allem diejenigen mit Ärgereffekten.)
    2. “London”
    Ein ziemlich reinrassiges Kartenspiel, obwohl ein dickes Spielbrett mit einem Stadtplan von London auf dem Tisch liegt und wir darauf konsequent Stadtvierel ausbauen und darin „regieren“ müssen. Doch diese Aktionen dienen nur dazu, ein variable Anzahl von Karten zu ziehen, die Karten in optimaler Konstellation auszulegen und in regelmäßigen Abständen ihren Ertrag zu kassieren.
    Erträge der Karten ist Geld und / oder Siegpunkte, und zuweilen können wir damit die Armut bekämpfen. Wenn wir viele Karten ausliegen haben, fließen natürlich auch reichlich Erträge in unsere Taschen, dafür steigt aber die öffentliche Armut in unseren Stadtvierteln rapide an. Am Ende führt die öffentliche Armut zu erheblichen Siegpunkteinbußen; wer hier nicht konsequent gegengesteuert hat, kann nicht gewinnen. In der richtige Balance zwischen der Menge an ausliegenden und genutzen Karten mit ihren Geld und Siegpunkteinnahmen sowie an den Maßnahmen gegen die Armut liegt der Sieg.
    Dabei ist der Spielverlauf aber ziemlich solitär. Jeder spielt seine eigenen Karten nach optimalen Gesichtspunkten; Einwirkungen auf Aktionen und Besitztum der Mitspieler gibt es nicht. Für Horst war es immerhin ein gutes (mit Betonung) Solitärspiel. Zumindest über drei Viertel des Spiels. Dann ging ihm bitterlich das Licht auf: „Die Armut bricht mir das Genick!“. Er hatte sich mit seinen privaten Erwerbsquellen in eine Sackgasse manövriert; sein Armutsstand kostete ihn in der Schlußabrechnung die Hälfte seines Besitztums, es reichte gerade noch zur Bronce-Medaille.
    WPG-Wertung: Günther: 7 (mit den üblichen Wallace-Fragezeichen), Horst: 7 (Das System ist klasse, aber Abzüge in der B-Note für den Armutsmalus), Walter: 7 (Einschränkung für den solitären Charakter; maximal für 3 Spieler, die vielen Zugoptionen sind in einer größeren Runde tödlich).
    3. “Trans Europa”
    Kam um 23 Uhr als mittellanger Absacker auf den Tisch. Schnell, flüssig, genial.
    Weiterhin unentschieden ist die Frage, ob man solo an der Problemlösung mit seinem Randstädten beginnen soll oder lieber im gemeinsamen Zentrum.
    Die „Ungerechtigkeit“ der Städteauswahl fällt bei dem leichten, spielerischen Charakter und den schnellen Wiederholungen überhaupt nicht ins Gewicht.
    Keine neue WPG-Wertung für ein 7,8 Punkte-Spiel.
    4. “Bluff”
    Noch nicht genug abgesackt beim Gleisbau für die europäischen Eisenbahnen. Horst hat seine Stern-Strategie erfolgreich überarbeitet. Er würfelt jetzt mehr Sterne als er blufft.
    Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

    16.03.2011: Super GAU in Istanbul

    GAU zum Ersten
    Darf man sich so ohne jeden Skrupel über die weltpolitische Lage am Westpark zusammensetzen und einen lustigen Brettspielabend verbringen, während in Japan Hunderttausende ihr Zuhause verloren haben und vielleicht Millionen noch vor diesem Schicksal stehen? Wir haben es getan. Der FC Bayern hat gestern auch gespielt und seinen GAU erlebt. Die Welt dreht sich weiter und wir mit ihr. Hoffentlich noch ein Weilchen.
    1. “Constantinopolis”
    Wir sind Händler in der ehemaligen Kaiserstadt am Bosporus. Wir erwerben verschiedene Arten von Gebäuden (für Produktion, Wirtschaft, Versorgung und Verwaltung), produzieren Güter (Nahrung, Konsum, Gewerbe, Militär und Luxus), kaufen Schiffe, sammeln Verkaufsaufträge und verkaufen unsere Waren gegen Geld und Siegpunkte an Ort und Stelle oder in der weiten Welt.
    Meisterhaft führte Horst durch die 30 Seiten des Regelbuches. Bei den vielseitigen Abhängigkeiten innerhalb der verschiedenen Spielelemente kein leichtes Unterfangen. Öfters mußte er sich mit dem bekannten Trick aus der Feuerzangenbowle behelfen: „… das kriegen wir später.“ Nach einer Stunde waren wir durch und keine Frage blieb offen. (Dass es hin und wieder jemanden gibt, der sich Details nicht merken kann und einzelne Abläufe falsch handhaben möchte, das ist am Westpark ein bekanntes und unabänderliches Phänomen. Selbst Moritz verliert hierbei schon nicht mehr seine sprichwörtliche Engelsgeduld.)
    Moritz fand sofort Anklänge an Aarons „Trawler“ und auch Aaron entdeckte mehr und mehr Ähnlichkeiten, bis sich ihm der Seufzer entrang: „Ich stampfe Trawler wieder ein.“ Soviel Skrupel sind unter Spieleautoren eher selten. Dort wird in der Regel auf Teufel komm raus abgekupfert.
    Sicherlich hat „Constantinopolis“ auch Anleihen gemacht bzw. sich inspirieren lassen. Ein großes Vorbild für Produktions- und Verkaufsspiele ist in jedem Fall „Puerto Rico“. Den Kern des dortigen Wirtschaftskreislaufs findet man auch „Constantinopolis“ wieder: Aus Geld mache Produktionsstätten, mit Produktionsstätten mache Waren, aus Waren mache Geld. Nebenfaktoren können diesen Kreislauf beliebig kompliziert machen. Z.B. sind muß man mit folgenden Einflussgrößen geschickt jonglieren:

  • Lagerfähigkeit von Waren
  • Zukauf oder Tausch von Waren
  • Preise und Rabatte für Waren
  • Preise und Rabatte für Produktionsstätten
  • Anzahl durchsuchter Verkaufsaufträge
  • Reservierbarkeit von Verkaufsauträgen
  • Die größte Krux des gesamten Spielablaufs sind die Verkaufsaufträge. Sie werden zufällig gezogen und nur passende Aufträge darf man behalten. Endstand nach 3 StundenDoch wenn in einem Auftrag 1-2 Wareneinheiten aus einem Sortiment von 1-5 verschiedenen Wartenarten benötigt werden, und wir zu Beginn nur eine einzige Warenart produzieren, kann man leicht erkennen, dass nur ein Bruchteil der Aufträge genutzt werden kann. Das bringt das Spiel nur langsam in Gang. Und es löst natürlich Frust bei denjenigen aus, die bei der diktatorischen Zufallsauswahl längere Zeit gänzlich leer ausgehen. Dieser Effekt paßt keinesfalls zum planerischen Ausbau der Produktionsstätten.
    Moritz fand aus diesem Dilemma allerdings eine geniale Lösung: Er verzichtete mehr oder weniger vollständig auf Aufträge, sondern legte sich bei seinen Investitionen eine Menge Kauf-Tausch-Verkaufsoptionen zu, die ihm im in internen Binnenhandelsschleifen zu Reichtum und Ehren kommen ließ. Günther meinte zwar: „Wenn jemand in Constantinopolis den Handel ohne Schiffe betreibt, dann nimmt er dem Spiel die Seele“, doch die Designer haben das offensichtlich zugelassen. Nach drei Stunden war Moritz mit seinem Binnenhandel Sieger geworden, hatte dabei aber auch in selbstloser Weise einen Großteil der gewinnträchtigen Stadtmauern errichtet.
    WPG-Wertung: Aaron: 5 („Hans-im-Glück hätte daraus ein gutes, resp. besseres Spiel gemacht“), Günther: 5 („Man hätte die Aufträge besser in den Griff kriegen sollen, z.B. könnten die Aufträge offen liegen und ersteigert werden bzw. in der Spielerreihenfolge gezogen werden“), Horst: 7 („Die Spielmechanismen sind klar und logisch, die Aufmachung ist gefällig“), Moritz: 7 („solide und austariert, der Wiederspielwert ist offen.“), Walter: 6 („viele reizvolle Optimierungsaufgaben, in der Summe zu solitär und zu lang.“)
    2. “Bluff”
    Horst bemeckerte, dass in unserer Runde zu wenig geblufft wird. Doch auch darin kann eine Strategie liegen. Wer nahezu 100% „ehrlich“ spielt – soweit dies möglich ist – bewirkt bei seinen Nachfolgern einen Vertrauensvorschuß, der in vielen Situationen durchaus auch hilfreich sein kann. Wer zu 50% blufft, schneidet zu 100% schlechter ab als der Durchschnitt der Mitspieler. (Begründung!)
    Aaron ging mit 2:1 Würfeln gegen Günther ins Endspiel. Als Anhänger der Immer-4-Strategie legte er 1 mal die Vier vor, Günther ging standardmäßig auf 1 mal die Fünf. Aaron hatte eine Eins und eine Vier unter dem Becher; was tun?
    Mit welcher Wahrscheinlichkeit hatte Günther geblufft? Aaron nutzte die einzige Chance, mit 33% Wahrscheinlichkeit das Spiel siegreich zu beenden. Welche ist das?
    Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.
    GAU zum Zweiten
    Zum Schluß wieder eine lange Diskussion über die GAU-Situation in Japan. Die Restenergie, die ein stillgelegtes Atomkraftwerk noch jahrelang (!) produziert, beträgt ca. 20 Megawatt. Wieviel Liter Wasser müssen pro Stunde verdampft werden, damit die Temperatur konstant bleibt? Woher nimmt man die Freiwilligen, die all die notwendigen Arbeiten durchführen, um die Kühlsysteme in Funktion zu erhalten? Vorschlag: 50% unserer Parlamentarier sollten zwangsverpflichtet werden, sich im Notfall für solche Harikiri-Einsätze bereit zu halten. Besonders diejenigen mit den markigen Sprüchen über die „sicherste Kerntechnik der Welt“.

    09.03.2011: Siedeln und Fliehen im Weltraum

    Im Vorfeld haben wir über die traurige Situation beim FC Bayern gesprochen. Innerhalb einer Woche drei wichtige Spiele verloren, und das mit den gleichen Spielern, die bei der Weltmeisterschaft letztes Jahr einen grandiosen dritten Platz erreicht haben. Liegt es tatsächlich am Trainer, wenn eine Fußballmannschaft gute Ergebnisse erkickt? Oder liegt es am Geld? Dann aber müßte der FC Bayern unangefochten an der Spitze liegen.
    Mein Neffe hat mit mir gewettet, dass von einer ausgewählten “Neuner-Liste“ von Bundesliga-Mannschaften (Bayern, Bremen, Dortmund, HSV, Hoffenheim, Leverkusen, Schalke, Stuttgart, Wolfsburg) in den nächsten fünf Jahren, d.h. bis zum Saison-Abschluß im Jahre 2015, jeweils mindestens 3 Mannschaften im Europapokal spielen, und dass der Meister lediglich aus dem Kreise dieser 9 Mannschaften stammt.
    Wer wettet dagegen?
    1. “Ad Astra”
    Nach Moritz Aussage „kein „Freak-Game, sondern ein richtiges Euro“. Faidutti ist Coautor und es gibt in eine tadellose deutsche Spielanleitung dazu. Horst hatte sich vorbereitet und trug perfekt vor. Eine echte Konkurrenz zu … wem?
    Wir sind immer noch Menschen, doch unsere Sonne ist uns zu langweilig geworden, wir besiedeln Planeten in fernen Sonnensystemen. Dazu benötigen wir natürlich Energie, Wasser, ein bißchen was zum Kauen und Baumaterial für Kolonien und Fabriken. Eine Grundmenge der benötigten Rohstoffe gehört zu unserer Startaufstellung, den Rest müssen wir auf den besuchten Planeten im All finden und exploitieren.
    Für die Spielzüge steht jedem Spieler ein Satz von Aktionskarten zur Verfügung, gemäß dem wir Bewegungen, Resourcen-Produktion, Bautätigkeit oder Spiegpunkt-Ernten durchführen. Reihum plazieren wir drei unserer Aktionskarten verdeckt auf einem gemeinsamen „Planungsfeld“ und arbeiten den Stapel sequentiell ab. Bemerkenswert dabei ist, dass jede Aktionskarten für alle Spieler gilt. Wird also z.B. eine Bewegungskarte aufgedeckt, so dürfen alle Spieler mit ihren Raumschiffen von Planet zu Planet hüpfen, nicht nur derjenige, der diese Karte beigesteuert hat.
    Wenn man aber gerade keine Energie mehr hat, dann nützt die fremde Bewegungskarte gar nichts. (Die eigene übrigens auch nicht.) Die Art der von den Mitspielern ausgewählten Karten ist eine Unbekannte und man sollte in seiner Zugplanung nicht damit spekulieren. Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied, und es ist eher selten, dass man von fremden Karten wirklich profitiert.
    Nur ganz am Anfang zog Horst irrtümlich eine falsche Produktionskarte und setzte damit Walter’s statt seiner eigenen Produktion in Gang. Dieser Irrtum brachte Walter gleich in der ersten Runde eine gewisse materielle Dominanz auf den Spielbrett ein, die sich auch unverzüglich in einen Vorsprung von 10-15 Siegpunkten umsetzen ließ, ca. 25 % der Gesamtpunktzahl zum Sieg!
    Alle waren sprachlos, wie das blinde Huhn mit dem irrtümlich geschenkten Korn seine Runden drehte und dabei seinen Vorsprung stetig und uneinholbar ausbaute. „Das Spiel ist nicht gut, wenn Walter gewinnt!“ Das Spiel war nicht gut!
    Vor allem der Stapel mit den unberechenbaren und damit ziemlich chaotischen Aktionskarten erntete Kritik. Moritz forderte hierfür ein sequentielles offenes Auslegen der Karten. „Typisch Faidutti, gute Ideen aber nicht konsequent durchdacht.“
    WPG-Wertung: Aaron: 5 („zu wenig planbar“), Günther: 5, Horst: 7 (mag diese Art von Spielen, war auch atmospärisch zufrieden), Moritz: 5 („es darf nicht sein, dass man auch ohne Aufbau allein mit Siegpunkt-Ernte-Karten das Spiel gewinnt“), Walter: 5 (einschließlich Siegerbonus).
    2. “Escape from the Aliens in Outer Space”
    Letzte Woche in einer Dreierrunde schon angespielt, sollte das Spiel heute in einer Fünferrunde seine volle Pracht entfalten. Im Prinzip funktioniert es ganz ähnlich wie Scotland Yard, einem Oldtimer aus dem Jahre 1983. Anstelle eines bösen Mister X gibt es 2 gute Menschen, anstelle von 4 guten Detektiven gibt es 3 böse Aliens. Alle bewegen sich auf wohldefinierten Strecken über das Spielbrett, bei Scotland Yard ist es der reale Stadtplan von London, bei „Escape“ eine abstrakte Ebene von Raumschiff-Hexagons. Als Spielziel muß in Scotland Yard der Mister X dingfest gemacht werden, bei „Escape“ müssen die Menschen gefressen werden, bevor sie sich in ihre Fluchtkapseln retten.
    Absprachen sind erlaubt, aber nicht notwendig, da die Aliens praktisch bei jedem Zug mitteilen, wo sie sind und sich entsprechend aufeinander einstellen können. Die Menschen müssen das – mit zufälligen Schwankungen – etwa bei jedem zweiten Zug kundtun. Da die Aliens eine doppelt so große Reichweite haben, sind die Menschen mehr oder weniger chancenlos. Zumindest auf der Raumschiff-Struktur, die wir zugrunde gelegt haben. Noch aussichtsloser wäre es gewesen, wenn wir mit der optionalen Erweiterung gespielt hätten, dass die Fluchtkapsel mit 50% Wahrscheinlichkeit kaputt ist, wenn ein Mensch sie halb aufgefressen erreicht hat. Aber was ist schon die Hälfte von Null?
    WPG-Wertung: Moritz: 9 („Originell, lustig, mir machte es Spaß“), Aaron: 5 („nicht lustiger als 5 Punkte“), Günther: 4 („hat mir es schon in der Dreierrunde nicht gefallen“), Horst: 4 (abhängig von der Spielrunde; nicht besser als „Ad Astra“), Walter: 3 (war einer der chancenlosen Menschen).
    3. “Gisborne”
    Gemäß Regelheft sind wir die ersten Seefahrer Europas, die in Neuseeland gelandet sind und anfangen, die Insel zu kartographieren. Stück für Stück wird ein neues unbekanntes Stück Land aufgedeckt, und wir bewegen unseren Kartographen-Pöppel entlang eines Trampelpfades in Richtung Ziel. Die Strecke, die wir pro Zug zurücklegen dürfen, ergibt sich aus der Summe der Schritte auf den Bewegungskarten, die wir dafür einsetzen. Die Bewegungskarten werden von einem verdeckten Stapel gezogen, und es ist natürlich einsichtig, dass hier Lady Fortuna einen erheblichen Einfluß ausübt.
    Auf dem Trampelpfad gibt es in unregelmäßigen Abständen Sonderfelder: wer mit seinem Pöppel hier darauf zieht, bekommt einen Siegpunkt-Chip und löst eine Wertung auf. Der vorderste Spieler erhält eine Menge neuer Bewegungskarten, die nachfolgenden erhalten weniger. Den Letzten beißen die Hunde.
    Zum Ausgleich beißen den Ersten die Wölfe, nämlich wenn er bei seinem Vorwärtsschreiten auf ein neues Stück Land kommt, auf dem zufällig und keinesfalls voraussehbar noch Wölfe leben. Der Erste kann auch ungewollt in einen Sumpf fallen, aus dem er nur mit erhöhtem Aufwand an Bewegungskarten wieder herauskommt.
    So ist in „Gisborne“ einfach alles zufällig:

  • die Wertigkeit der gezogenen Karten
  • die Struktur der neu entdeckten Landesteile
  • die Schrittweite der Mitspieler und deren sonstigen Ambitionen
  • Locker ist es auch. Zwangsweise.
    WPG-Wertung: Aaron: 5 („genauso gut wie Ad Astra“), Günther: 6 („schnelles Spiel mit Ärgerfaktor“), Horst: 7 (fand ein „Schluchten-Feeling“), Moritz: 7 („lockeres Glücksspiel“), Walter: 6 („einschließlich Enkelbonus“).
    4. “Bluff”
    Horst’s vor zwei Monaten noch als erfolgreiche Überraschung vorgetragene Sternenstrategie kann keinen Stich mehr machen. Er wird sich etwas Neues ausdenken müssen. Aaron, Günther und Walter waren mit 3, 2 und nochmals 2 Würfeln im Endspiel. Walter begann standardmäßig mit 1 mal die Vier und Aaron hob ohne Zögern auf 2 mal die Vier. Günther hatte 2 Vieren unter dem Becher und kämpfte mit den Setz-Alternativen 3 mal die Vier oder 4 mal die Vier.
    Was hatten die anderen mit ihren 5 Würfeln gewürfelt, als sich nach Walters Anzweifeln unverzüglich ein homerisches Gelächter erhob. Anders gefragt: Was hatten die anderen NICHT gewürfelt und wer stimmte nur unwillig in das Gelächter ein?
    Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.
    PS: Die Katze kriegt immer noch am Westpark täglich ihre Milch. Und nach den Indizien im Katzenklo zu schließen, ist ihre Verdauung in Ordnung.
    PS2: Immerhin hat Schalke gewonnen und Mailand nur Unentschieden gespielt. Der dritte Champions-League-Platz für Deutschland scheint gesichert. Hallo FC Bayern, nochmals die Ärmel hoch gekrempelt!

    02.03.2011 Die Katze ist noch da

    In der Regel läuft die Planung unseres Spieleabends schnell und effizient: Walter schickt am Wochenende eine Einladungs-Email an unseren Verteiler und die übrigen Westpark Gamers antworten mit einem kurzen „bin dabei“ oder „kann nicht“. Gelegentlich knirscht es aber im Getriebe wenn von der gewohnten Routine abgewichen wird. So auch gestern. Letztendlich fanden sich wegen unnötiger bzw. unerwarteter Absagen gerade einmal drei Spieler zusammen und nicht bei Walter sondern bei Moritz. Die ungewöhnlich kleine Runde an ungewöhnlichem Ort führte dann auch zu einer eher ungewöhnlichen Spieleauswahl.

    1. „Escape from the Aliens in Outer Space“

    Das Setting erinnert im ersten Moment an den ersten “Alien” Film, denn die Spieler befinden sich in einem von Aliens verseuchten Raumschiff irgendwo im All. Aufgabe ist es, ohne gefressen zu werden eine Rettungskapseln zu erreichen. Das gilt für diejenigen Spieler, die die Rolle „Mensch“ zugelost bekommen haben. Die Spieler in der „Alien“-Rolle müssen versuchen, innerhalb von 36 Runden alle Menschen zu finden und zu verspeisen.

    Je nach Spieleranzahl und gewünschtem Schwierigkeitsgrad werden entsprechende Raumschiffpläne an alle Spieler verteilt, auf denen die Startsektoren für Menschen und Aliens sowie die Position der Rettungskapseln, das Ziel der Menschen, markiert sind. Die Spieler bewegen sich durch die einzelnen Sektoren des Schiffs indem sie pro Runde den jeweiligen Zielsektor geheim aufschreiben. Dabei dürfen sich Menschen nur von Sektor zu Sektor bewegen, während Aliens zwei Sektoren weit ziehen dürfen. Manche Sektoren sind „unsicher“ und betritt sie ein Spieler, muss er eine Karte ziehen, die angibt ob er seine aktuelle Position verraten muss, ob er dabei lügen darf oder ob gar nichts passiert. Zusätzlich gewürzt wird die Atmosphäre damit, dass erst nach und nach durch Deduktion erkennbar wird, welcher Spieler einen Menschen spielt und wer ein Alien.

    Ein bisschen erinnert das Ganze an „Scotland Yard“, dem Spiel des Jahres 1983. Und so ähnlich war auch das Spielgefühl in unserer 3er-Runde, in der es nur einen Mensch-Spieler gibt. In dieser Konstellation und mit dem von uns gewählten Plan ließ sich der Mensch-Spieler recht schnell orten und dann gezielt einkreisen. Mit ein wenig Glück auf der Alienseite war der Menschen-Moritz nach 18 Runden gefunden und gefressen.

    Zu dritt funktioniert das Spiel zwar, aber so richtig Spaß macht es vermutlich nur, wenn im Raumschiff richtig etwas los ist, d.h. durch das Betreten unsicherer Sektoren laufend Positionsangaben gemacht und auf ihre Plausibilität hin überprüft werden müssen. Dann kann es im Eifer des Gefechts auch leicht einmal vorkommen, dass ein Alien aus Versehen ein anderes Alien verspeist.

    WPG-Wertung: in einer 3er-Runde nicht wirklich zu bewerten. Aaron gefällt Scotland Yard wesentlich besser.

    2. „Revolution!“

    Schon seit einigen Wochen bringt Aaron „Revolution!“ regelmäßig mit zum Spieleabend aber bisher gab es immer genügend Neuheiten aus Essen, als dass ein Spiel von 2009 Chancen gehabt hätte, auf den Tisch zu kommen.

    Die Spieler bieten verdeckt um die Kontrolle verschiedener Charaktere, die ihrerseits Siegpunkte, Einfluss in Gebieten und/oder „Währungen“ für die nächste Bietrunde gewähren. Das verdeckte Bieten sorgte auch gleich für die Anmerkungen „kein Walterspiel“, denn es gibt beliebigen Freiraum für Mitspielerchaos. Zwar ist bekannt, wie viel „Währung“ (Macht, Erpressung, Bestechung) jeder Spieler einsetzen kann, aber da grundsätzlich alle Gebote verfallen, ist eine Pattsituation (keiner gewinnt) oder ein knapper Verlust extrem teuer und unbefriedigend. Die Spielregel bietet hier als Option an, dass die Währungen für verlorene Gebote wieder zurück genommen werden können und vermutlich sollte diese Option immer gewählt werden (wir haben sie erst nach Spielende entdeckt).

    Obwohl „Revolution!“ für drei bis vier Spieler ausgewiesen ist, fanden wir den Verlauf bei drei Spielern eher unbefriedigend. Schnell zeigte sich, dass es nur zwei Strategien gibt, um erfolgreich zu bieten: die mittlere Reihe der Charactere via Bestechung oder die beiden anderen Reihen durch Macht und Erpressung. Zwei Strategien bei drei Spielern bedeutet aber, dass sich immer zwei Spieler ins Gehege kommen, wenn sie die gleiche Strategie gewählt haben und der Dritte eben der lachende ist. Hier muss gekonnt das Verhalten der anderen Spieler vorhergesehen werden, um sich nicht in unnötigen Kämpfen aufzureiben. Ob das in unseren Runden möglich ist, darf bezweifelt werden.

    WPG-Wertung: Günther: 5 („funktioniert“), Moritz 5: („funktioniert, möchte es aber nicht noch einmal spielen“), Aaron 5: („nicht mein Ding“)

    3. Trawler

    Aaron nutzte die kleine Runde, um die neueste Version seines Spiels „Trawler“ noch einmal anzutesten. Kurz vorher hatte er noch einige Änderungen vorgenommen, die im Wesentlichen den Geldfluss im Spiel verbessern sollten.

    Bei „Trawler“ kaufen die Spieler Schiffe, um in drei Seegebieten unterschiedliche Fischarten zu fischen. Je nach Größe der Schiffe kann mehr oder weniger Fisch gefangen und verkauft werden und je nach Motorisierung haben die Schiffe eine mehr oder weniger große Reichweite. Zusätzlich beeinflusst das (variable) Wetter die Anzahl der Züge, die jeder Spieler pro Runde durchführen kann. Nach und nach werden die Seegebiete überfischt und der Fischfang lässt sich nicht mehr wirtschaftlich betreiben. Dann endet das Spiel.

    Leider stellte sich recht bald heraus, dass durch die Änderungen nun zu viel Geld im Spiel war und viel zu schnell die größten Schiffe gekauft werden konnten. Gleichzeitig zeigte sich eine noch gravierendere Schwäche: es gibt nur eine einzige Strategie, nämlich so schnell wie möglich zwei große Schiffe zu besitzen, um immer die teuerste Fischsorte fangen und verkaufen zu können. Hier ist noch einiges an Designarbeit zu leisten, um den Spielverlauf mehrdimensionaler und damit interessanter zu machen.

    WPG-Wertung: keine Wertung für einen frühen Entwurf.

    23.02.2011: Luna und die Patrizier

    Am Westpark ist uns heute eine junge Katze zugelaufen. Als meine Frau morgens die Zeitung holen wollte, stand sie zitternd vor der Tür. Ohne zu fragen trat sie ein und genoß sichtlich die Zimmerwärme. Milch gibt es in jedem Haushalt, Katzenfutter war auch gleich besorgt, sowie ein Katzenklo, mit der Befürchtung, dass die Katze nicht weiß, was das ist, und dass wir in Bälde den Katzendurchfall aus dem Teppich waschen müssen.
    Doch das süße Kätzchen übertraf alle Erwartungen. Es war sofort gegen jedermann zutraulich, zeigte keinerlei Schreckreaktionen, trank massig Milch, ging stündlich aufs Katzenklo, verzog bei den Klaviergeräuschen keine Miene, und begrüßte die ankommenden Westpark-Gamers mit einem freundlichen Um-die-Beine-Streichen.
    Leider kann sie nicht ewig bei uns bleiben, der Hausherr und auch Aaron (der erst heute Abend aus Bangkok zurückkehrts, sind allergisch gegen Katzenhaare. Deshalb eine Frage an die nettesten unserer Leser: Wer will eine süße, kleine, gesunde, liebenswerte und kluge Katze haben? Gegen Liebe.
    1. “Sixon und Ming Mang”
    Horst hatte eine einstündige Verspätung angekündigt und Günther und Walter machten sich, wie in ihrer Zweierrunde schon Gewohnheit, über die Spielesammlung aus dem Wünnenberg Verlag her.
    In „Sixon“ setzen wir zuerst – ähnlich wie bei Mühle – unsere Steine auf beliebige Felder eines in 6 Richtungen orientierten Spielbrettes, und ziehen anschließend einzelne unserer Steine (in eine der 6 möglichen Richtungen), um damit einen gegnerische Steine zu schlagen. Dies ist erfolgreich, wenn wir unseren Stein so ziehen können, dass er mit zwei weiteren unserer Steine ein gleichseitiges Dreieck (beliebiger Größe) bildet, in deren Zentrum der gegnerische Stein ist.
    Das klingt vielleicht kompliziert, ist aber ganz einfach und am Anfang praktisch bei jedem Zug möglich. Muss es auch sein, denn wer als erster mit seinem Zug keinen gegnerischen Stein schlagen kann, hat verloren.
    In „Ming-Mang“ stellen wir unsere Steine an je zwei Randseiten eines 8×8 Plätze großen Spielfeldes auf. Anschließend dürfen wir horizontal oder vertikal auf benachbarte freie Felder ziehen. Wenn wir damit einen gegnerischen Stein von zwei Seiten eingeschlossen haben, gehört er uns. Wie bei „Reversi“ wird er dazu auf die andere Farbseite gedreht. Einzelne Vorteile kumulieren sich sehr schnell zu einer unwiderstehlichen Übermacht. Wer alle gegnerischen Steine geschlagen hat, ist Sieger. Den konnten wir allerdings nicht mehr ermitteln, denn Horst war aufgetaucht.
    Keine WPG-Wertung für 2-Personen-Spiele.
    2. “Luna”
    Horst hatte das Spiel schon zweimal auf dem Tisch liegen gehabt, um es mit seiner Frau zu spielen. Doch jedesmal kam sein Erstling Sebastian mit seinen Nachwuchs-Wünschen dazwischen, und aus der Partie wurde nichts. Für alle Unentschiedenen, die noch über die geboten Alternativen nachdenken, ist hieraus ein wesentlicher Unterschied zwischen Säuglingen und jungen Katzen erkennbar: Katzen kann man in die Ecke stellen. Die Westpark-Noch-Katze störte unsere Kreise nicht.
    In „Luna“ spielen wir nicht auf oder hinter dem Mond, sondern wir tanzen um den irdischen Tempel der Mondpriesterin. (Was eine „Mondpriesterin“ ist, kann man bei Google nachschlagen, es gibt dafür immerhin 9 mal soviele Treffer wie für das männliche Pendant.) Der Tempel liegt im Zentrum des Spielbretts und drum herum gibt es sieben Inseln, auf denen wir die Glückseligkeit erwerben. Dazu bewegen wir unsere Pöppel, “Novizen” genannt, über die Inseln, bauen Kultstätten, werben neue Novizen an (Horst würde das „Kinderkriegen“ nennen), bauen Schiffe für das Inselhopping, lernen Gezeiten beherrschen, um unsere Pöppel schwimmend zu den verschiedenen Inseln treiben zu lassen, lernen Heilkräuter kennen, um die Novizen länger bei der Labora zu halten, und bringen ab und an einen Pöppel für gehobene Siegpunktquoten in den Tempel.
    Wie viele Novizen ein Spieler auf dem Spielbrett hat, so viele Züge hat er pro Runde. Und mit Hilfe der Heilkräuter werden es noch ein paar mehr. Es gibt viel zu tun, anfangs mehr für die Verbreiterung der Resource-Basis, hinterher mehr zum Punkten. Am besten versucht man beides von Anfang an zu verbinden, also nicht nur Kultstätten bauen und Novizen zeugen, sondern sein Material auch gleich konsequent auf die besten Punktequellen ansetzen.
    Interaktion gibt es durch die Konkurrenz um die Plätze im Tempel, in Mehrheiten für verschiedene Siegpunktprämien und im aktiven Verkürzen der Rundenzahl.
    Ein hübsches Spiel, Stefan Feld hat es gut komponiert.
    WPG-Wertung: Günther: 8 (nette Mechanismen; enthält im Laufe des Spiels zwar keine nennenswerte Steigerung, aber eine Änderung der Aktions-Schwerpunkte), Horst: 8 (war von der Stimmung – nicht gleichzusetzen mit Thematik – angetan, schätzte die Vielzahl der Zugmöglichkeiten), Walter 8 (lauter funktionierende, konstruktive Elemente, alles ist wohl aufeinander abstimmt).
    3. “Patrizier”
    Ein Kartenspiel von Michael Schacht. Bei der Klassifizierung „Kartenspiel“ kann man natürlich sofort aufschreien, denn die „Patrizier“ haben ein richtiges Spielbrett mit Patrizierstädten des mittelalterlichen Italiens, es gibt hölzerne Stockwerke, mit denen wir in den Städten Geschlechtertürme a la San Gimignano errichten, und es gibt Wertmarkten, mit denen die besten Türme prämiert werden.
    Doch der Motor des Spiels sind ausschließlich Karten. Sie allein bestimmen, in welchen Städten wir bauen dürfen. Und abhängig davon, wo wir gebaut haben, ziehen wir offen ausliegende neue Karten für unsere nächsten Baugenehmigungen.
    Jeder Spieler hat drei Karten in der Hand, aus der er jeweils eine auswählen kann. Der Freiheitsgrad ist also nicht besonders berauschend. Doch da man mit jeder gelegten Karte auch bestimmt, welche nächste Karte man dafür zieht, gibt es doch eine ganze Menge Zukunftsplanung, und man fühlt sich keinesfalls gespielt. Selbst wenn so manche gewünschte Karte nicht erreichbar ist.
    Neben den Siegpunkten für die Mehrheiten an der Geschlechtertürmen („Wer den längsten hat, bekommt die höchste Prämie; wer den kürzesten hat, geht leer aus.“) gibt es noch Siegpunkte für bestimmte Kartenkombinationen, die wir im Laufe des Spiels gezogen und genutzt haben.
    WPG-Wertung: Günther 7 (angenehm schnell, auch durch die geringen Auswahlmöglichkeiten), Horst: 7 (ein hübsches Spielchen für zwischendurch), Walter 7 (lockeres Kartenspiel mit Glücksspielcharakter).
    4. “Bluff”
    Nichts Neues vom Westpark. Günther zog sich schnell aus dem Geschehen zurück und der 5:4 Endkampf zwischen Horst und Walter ging immerhin noch über 6 Runden.
    Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

    14.02.2011: Sammeln und Bauen mit Würfeln und Karten

    „Elisabeth Schneider wendet das Strategiespiel Monopoly auf die Berliner Kulturlandschaft an“, so hieß heute eine Bildunterschrift in der Abendzeitung. Dieser Satz enthält mindestens fünf sachliche Fehler.

    1. “Kingsburg”
    Ein Brettspiel mit vielen Würfeln als dominierendes Spielelement, bei dem aber doch nicht vorwiegend die Summe der zufälligen Würfelergebnisse den Ausschlag über Sieg oder Niederlage gibt. Jeder Spieler wirft mit drei (oder mehr) Würfeln und darf die Ergebnisse einzeln oder in beliebigen Kombinationen für seine Züge ausnützen. Er besetzt damit entsprechende Zahlenfelder („Gouverneure“), die ihm Einkommen in Form von Rohmaterial (Holz, Stein oder Gold) gewähren, Kampfstärke gegen regelmäßige feindliche Angriffe verleihen, oder Bonuspunkte für seine nächsten Würfelkombinationen vergeben.
    Jedes Zahlenfeld (mit den Werten von 1 bis 18) kann pro Runde nur von einem Spieler genutzt werden. Wer mit seinen Würfelergebnissen nur noch auf Felder kommen kann, wo schon Mitspieler stehen, verliert diesen Zug. Deshalb setzt nach jedem Würfelwurf (gleichzeitig und öffentlich von allen Spielern) ein eifriges Analysieren ein, welche Kombinationen die Mitspieler auch erzielen können, welche Felder also umkämpft sind, und welche Zahlenwerte man nur allein kombinieren kann, für deren Zug man sich also noch Zeit lassen kann. Diese Phase dauerte bei uns zu dritt schon recht lange, bei vier oder mehr Mitspielern (Denkern) kann sie vielleicht sogar unterträglich werden.
    Mit dem erworbenen Rohmaterial kann man Gebäude errichten, die erstens Siegpunkte einbringen, zweitens Kampfstärke gegen die bereits erwähnten Angriffe, drittens Vorteile bei weiteren Aktionen, und viertens vor allem Modifier für zukünftige Würfelkombinationen. Vor allem durch die Modifier werden die Auswirkungen von Fehlkalkulationen bei der Würfelanalyse gemäßigt, man darf ja noch etwas zulegen, um vielleicht ein benachbartes Zahlenfeld zu erreichen, das noch frei ist. Diese Modifier geben einem Profidenker aber noch mehr Gelegenheit, die insgesamt 10 bis 15 geworfenen Würfel ausgiebig zu analysieren, um für sich und seine Bauvorhaben die optimalste Ausbeute zu erzielen. Heute war glücklicherweise keine dieser zuweilen unangenehmen Spezies am Werk.
    Horst verlegte sich bei seinen Bauwerken schwerpunktmäßig auf den religiösen Sektor. Allein über Standbild, Kapelle, Kirche und Kathedrale erzielte er 96 % seiner ingesamt 25 Siegpunkte. Doch seine Götter ließen ihn beim Kampf gegen Drachen und Dämonen im Stich. Hier mußte er zu viel Federn lassen, um noch aufs Treppchen zu kommen. Moritz ließ nichts anbrennen; seine planmäßige Konzentration auf Kneipen und Kasernen brachte ihm den Sieg.
    WPG-Wertung: Host: 9 (hübsche Würfel-Kombinatorik, auch für Gelegenheitspieler bestens geeignet), Moritz: 7 (alles funktioniert, wirkt auf Dauer allerdings repetitiv, es kommen im Laufe des Spiels keine neuen Abläufe mehr hinzu, Walter: 7 (alles ist konstruktiv und sehr gut ausbalanciert).
    2. “Partacus”
    Ein neues hübsches Kartenspiel von Bernd Eisenstein, das er zur Spiel 2011 in Essen herausbringen will. Wir sammeln „Besitzkarten“ verschiedener Kategorien (Armeen und Flotten, Land und Leute, Reichtum und Macht), die wir einerseits kostenlos von einem verdeckten Stapel ziehen, andereseits aus einer offen Auslage käuflich erwerben. Die unterschiedlichen Kategorien haben alle Einfluß auf Rabatte und Vergünstigungen bei unseren nächsten Zügen.
    Wenn der Stapel mit den 74 Besitzkarten durch ist, ist das Spiel zu Ende, und der Spieler mit dem optimalsten Besitzstand hat gewonnen. Bevor wir uns recht versahen – nach knapp 30 Minuten – war das Spiel auch schon zu Ende. „Viel zu schnell“ war der einhellige Kommentar. Das Sammeln, Kaufen und Auslegen der Karten und das effiziente Wirtschaften mit den beeinflußbaren Einnahmen hat allen viel Spaß gemacht.
    Noch keine WPG-Wertung für ein Spiel im Beta-Test.
    3. “Rumis”
    Ein schönes Spiel mit Bauklötzchen für Ingenieure und Topologen. Wir stecken unsere Elemente zu einem kompakten Gebilde zusammen, und Sieger wird der, von dessen Farbe am Ende die größte Fläche noch zu sehen ist.
    Vor sechs Jahren hatte ich meinen Großneffen ein Exemplar dieses Spiels zu Weihnachten geschenkt, letztens – 5 Jahre später – erhielt ich von ihrem Vater dazu folgenden Kommentar:
    Rumis war, nachdem Du es uns geschenkt hattest, einige Male ausprobiert worden, dann aber, wie so viele andere Spiele, erstmal im Spieleschrank verschwunden. An diesem Wochenende feierte das Spiel dann seine Auferstehung – nachdem Du dass Spiel in München unseren Kindern “näher” gebracht hattest. Ich muss allerdings gestehen, dass sich das Spiel – wie schon nach den ersten Testrunden, in grauer Vorzeit – bei mir sicher nicht so hoch platzieren wird, wie bei den WPG. Das Spiel ist “nett”, um es mit den Kindern zu spielen, kurzweilig, schnell, ohne komplizierte Regeln, aber offen gestanden für mich ein reines Glücksspiel. Bei zwei Spielern ist das mit Sicherheit anders zu bewerten, aber bei vier Spielern ist man absolut vom Wohl der anderen Mitspieler abhängig und es gilt sich eigentlich hübsch zurück zu halten, weil man, wenn man durch zu viele eigene Oberflächen, den Missmut der anderen Spieler auf sich zieht, gnadenlos gemobbt werden kann (bis hin zum “Spielausschluss”).
    Wir werden das Spiel, weil es jetzt bei uns – speziell den Kindern – gerade “in” ist, in den nächsten Tagen/Wochen noch viele Male spielen, und ich werde mich dem auch nicht verweigern, weil es, wenn es um das Spielen an sich geht, wie beschrieben “nett” ist, hübsch aussieht und auch den Kleinen und Unbedarften eine Siegchance bietet. Wie aber diese Spiel sich den “Monatstitel” der WPG erworben hat erschließt sich mir momentan noch nicht.

    Diese provozierende Kritik war der Auftakt zu einem vielseitigen Briefwechsel über Techniken und Strategien, sowie über eine mathematische Definition des Begriffs „Glücksspiel“. Rumis ist definitiv keines, doch ich bin nicht sicher, ob ich meinen Neffen davon überzeugen konnte.
    Heute durfte Horst die Initiationsriten von Rumis über sich ergehen lassen. Er fand das Spiel „toll, aber nicht für mich“. Als Wertung vergab er eine „objektive“ 8, und eine „subjektive“ 3! Hallo Aaron, wie bringst Du diese Klassifikation in unser Wertungsschema?
    WPG-Wertung: Lassen wir den WPG-Durchschnitt bei 8, auch Birgit ist dafür.
    4. “Bluff”
    Große Verluste im ersten Spiel, vor allem bei denen, die nicht mehr bezahlen konnten.
    Dann setzte Horst zum großen Bluffen an und bevor wir hinter seine Masche kamen, hatte er dreimal hintereinander gewonnen. Jetzt ging es nur noch darum, ihn wieder zu enttronen. Es dauerte immerhin noch zwei Durchgänge, bis das geschafft war.
    Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.
    PS: Hallo Birgit, ich wünsche Euch, dass Sebastian seine Nach-Impf-Probleme bald überwunden hat und auch Du mal wieder bei uns vorbeischauen kannst.

    09.02.2011: Heimstatt und Heimarbeit

    „Manche mußten sich vorhalten lassen, sie hätten nicht weniger mäßig, doch noch weit weniger ersprießlich ’die Sonne vor dem Aufgehen verspielt’, angeblich um die Zeit zu vertreiben, als ob nicht die Zeit vielmehr sie vertriebe.
    Tatsächlich fand sich bei einem von ihnen ein Spiel Karten. Sie ließen es auf der Stelle verbrennen, wegen der Ansteckungsgefahr; denn wo man Karten mischt, da mischt man auch die Fäuste, auf alle Fälle die Gefühle; beim Ablegen legt man auch jedes Gefühl ab für Anstand und Ruf, Bescheidenheit und Würde. Man wird verspielt und gar bald hat man es.“
    (Balthasar Gracián in seiner Gesellschaftssatire „Das Kritikon“ um 1650)
    1. “Pergamemnon”
    Bernd Eisenstein hat uns wieder den Prototypen seiner Neuentwicklung für Essen 2011 zum Testen zukommen lassen. Diesmal ist es ein Kartenspiel.
    Jeder Spieler erhält ein eigenes Kartenset mit Kämpfern der verschiedenen Waffengattungen (Schwert, Speer und Pfeil), mit unterschiedlicher Angriffsstärke, unterschiedlicher Verteidiungskraft, mit unterschiedlichen Charismawerten zum Anheuern von Support-Kreaturen, mit verschiedenen Sondereigenschaften wie z.B. Flüchten-Können und mit unterschiedlichen Siegpunkten für die Endwertung.
    Jeder Spieler spielt sein Kartendeck portionsweise wrap-around durch und kann damit pro Zug entweder einen Kampf gegen einen Mitspieler vom Zaun brechen oder eine offen ausliegende Kreaturen-Karten anheuern und damit sein Kartendeck und/oder sein Siegpunktkonto aufbessern.
    Der Ausgang eines Kampfes ist a prioi offen, d.h. der Angreifer hat keinerlei Vorzeichen oder gar Gewißheit für seinen Sieg. Er kann lediglich mit seiner stärksten Angriffskarte mit der aufgedruckten Waffe gegen ein Volk antreten, dessen Verteidigung in dieser Waffenart bekanntermaßen unterdurchschnittlich ausgestattet ist. Doch wenn der Schlag pariert wird (nichts genaues weiß man nicht), dann wird er dem Gegenschlag in unbekannter Waffengattung vermutlich nichts Angemessenes entgegensetzen können.
    Die Austarierung der unterschiedlichen Kampfaustattung der verschiedenen Völker ist noch eines der Problemfelder, auf denen Bernd arbeitet. Bei uns gewannen die Römer problemlos dank ihrer Charisma-Startvorgabe, mit der sie sich viele siegpunktträchtige Kreaturen an Land ziehen konnten. Hannibal nahm sich Quintus Fabius Maximus zum Vorbild und versuchte möglichst friedlich in den Gauen am Westpark zu überleben. Damit wurde er Letzter.
    Moritz meinte, mit ein paar Vereinfachungen hätte das Spiel auf dem amerikanischen Markt durchaus Chancen. Horst fragte, was denn der Unterschied zum europäischen Markt wäre. „Die haben weniger Probleme damit, mal einfach so drauf los zu spielen.“
    Keine WPG-Wertung für einen Prototypen.
    2. “Homesteaders”
    In LEO wird für „Homesteader“ keine Übersetzung angeboten. Doch mit wenig Phantasie erkennt man darin das Wort „Heimstatt“ und ahnt, dass es sich um eine Ansiedlung in ländlicher Gegend handelt, in der wir im Schweiße unseres Angesichts unser Brot essen. In „Homesteaders“ sind wir Siedler in den Weiten des nordamerikanischen Kontinents, errichten unsere Bauereien, Marktplätze und Gewerbebetriebe und versuchen durch landwirtschaftliche und industrielle Produktion sowie günstigen Handel die meisten Siegpunkte zu erwirtschaften. Entwicklung zur Entwicklung von Entwicklung ist das Prinzip des stark progressiven Spielablaufs.
    Die ersten Schritte sind mühsam, doch schnell sprudeln die Quellen für Holz, Kupfer, Eisen, Gold, Äpfel, Rindviecher und Menschenkinder reichlich für uns hin. Das Recht für den Erwerb von Grundstücken wird durch einen Bietvorgang ganz ähnlich wie in Aarons „Manipur“ („aber hier funktioniert’s“ !?) erworben: wer bei der Versteigerung aussteigt (mangels Geldmasse aussteigen muß), bekommt eine Ersatzvergütung, mit der sich ebenfalls gut leben läßt. Um das ersteigerte Grundstück mit der vorgeschriebenen Homestead zu bebauen, muß man hinterher noch unterschiedliche Materialien vorweisen.

    Konstruktiv, kontemplativ, friedlich, nahezu konfliktfrei verläuft der individulle Aufbau. Sehr viele Wege führen nach Rom und dabei kommt keiner keinem so recht in die Quere. Die vielen, alle sehr gut gehbaren Wege erfordern (und erlauben) keine strategische Planung. Es ist natürlich erfolgreich, wenn man am Ende ein Besitzstands-Ensemble beisammen hat, das zu den internen Siegpunktquellen optimal paßt. Doch wie das alles zusammen zusammenkommt, das ist zu großen Teilen zufällig. Selbst unser Sieger Moritz bekannte freimütig, dass er ohne Strategie und Taktik vorgegangen war.
    Moritz hat das Spiel als Teilnehmer der Boardgamegeek-Com geschenkt bekommen und persönlich von Über-dem-großen-Teich mitgebracht. Auf dem europäischen Markt wird es wohl lange nicht käuftlich sein. Doch die Qualität und das reichliche, hübsch ausgearbeitete Spielmaterial wären durchaus konkurrenzfähig.
    WPG-Wertung: Günther: 5 („zu viel Kleinkram, nicht so pfiffig wie Puerto Rico“), Horst: 8 („viele Möglichkeiten, kein Ausgegrenzt sein“, hätte gerne noch ein paar Runden gespielt), Moritz: 7 („das Spiel ist etwas fibbelig, aber es funktioniert“), Walter: 7 („ausgewogene konstruktive Elemente“, hätte allerdings ungern noch ein paar Runden länger gespielt)
    3. “Bluff”
    Moritz war mit 2 Würfeln im Endspiel gegen Günther und Horst mit je einem Würfel. Günther legte gemäß seinem Markenzeichen mit 1 mal Fünf vor. Horst hob auf 2 mal Vier und Moritz auf 2 mal Fünf.
    Wieviele Runden dauerte das Spiel noch und welche Würfel hatten Horst und Moritz unter dem Becher?
    Die Fragestellung ist leichter, wenn ich den Satz zum Spielverlauf leicht umbaue:
    Günthers Vorgabe von 1 mal die Fünf war gemäß seiner Immer-5-Strategie absolut nichtssagend; Horst hob verzweifelt auf 2 mal die Vier und Moritz schob mit reservierter Spannung auf 2 mal die Fünf.
    Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

    26.01.2011: Dominant Species

    “Gott hat weder einen Menschen noch ein Tier geschaffen, das nicht irgendwie seinen Widerpart hat. Dem Königreich Frankreich hat er als Gegner die Engländer gegeben; den Engländern die Schotten. In Deutschland sind sich zu allen Zeiten die Häuser Österreich und Bayern feind und besonders die Bayern untereinander und das Haus Österreich den Schweizern.
    Weder die natürliche Vernunft noch unser Verstand, noch die Gottesfurcht, noch die Nächstenliebe hat uns davor bewahrt, gegeneinander aggressiv zu sein, dem anderen etwas vorzuenthalten, oder ihm auf jede mögliche Weise etwas wegzunehmen.”
    (Philippe de Commynes um 1490 in seinen „Memoiren“)
    1. “Dominant Species”
    In diesem Spiel um den Kampf aller gegen alle gehen wir gegenüber unserem guten Philippe noch ein paar hunderttausend Jahre weiter zurück und betreten die junge Bühne der Evolution, in der Spinnen, Insekten, Amphibien, Fische, Vögel und Säugetiere um Lebensraum und Überleben kämpfen.Moritz vor dem Sieg
    Moritz hat das Spiel des amerikanischen GMT-Games-Verlag per Subscription erstanden. 28 € hat es gekostet. Die Frachtgebühren wären nochmals in etwa der gleichen Größenordnung, wenn man seine Bestellungen nicht bündelt. Für unseren Großabnehmer Moritz machen diese Nebenkonsten in der Regel nur ein paar Pfennige aus.
    In „Dominat Species“ repräsentiert jeder Spieler eine der oben genannten biologischen Klassen und erhält jede Menge Spezies (kleine Holzwürfel), die er im Kampf gegen die Spezies anderer Klassen peut-a-peut auf geeignete Hexagons einer wachsenden Spielfläche mit unterschiedlichem Nahrungsangebot bringen muß. Pro Runde kann jeder Spieler vier Aktionen aus einer ganzen Reihe von Auswahlmöglichkeiten durchführen:

  • Seine Priorität in der Zugreihenfolge erhöhen.
  • Seine Verdauungsmöglichkeiten verbessern; dann kann er auf mehr Hexagons überleben.
  • Das Nahrungsangebot erweitern; dann bieten entsprechende Hexagons für alle mehr Nahrung.
  • Neue Hexagons legen und damit neuen Siedlungsraum für alle schaffen.
  • Sich vermehren.
  • Seine Spezies in benachbarte Hexagons ziehen.
  • Gegnerische Spezies auf ausgewählten Hexagons töten.
  • Den aktuellen Besiedlungsstand eines auswählbaren Hexagons werten lassen: Das gibt Siegpunkte für alle Anwohner. Zusätzlich erhält die dominiertende Klasse noch eine „Dominance Card“ und kann damit wahre Dezimierungs-Katastrophen über seine Konkurrenten hereinbrechen lassen.
  • Die Eiszeit weiter vordringen lassen: ein fruchtbares Hexagon wandelt sich in „Tundra“; darauf wohnende Spezies werden entfernt; das Nahrungsangebot wird reduziert. Die Welt wird unwirtlicher.
  • Alle diese Aktionen sind begrenzt. Wenn eine bestimmte Anzahl Spieler eine Aktion ausgewählt haben, ist sie für alle weiteren Spieler in dieser Runde gesperrt. Da ist es natürlich wichtig, möglichst früh am Zug zu sein. Diese Startspielerposition wechselt nun aber nicht reihum, sondern sie ist fest. Und lediglich ein Spieler kann mit der Sonderaktion „Initiative“ sich in der Zugreihenfolge um einen Platz nach vorne arbeiten.
    Der Spielablauf ist ein unterhaltsamer Kampf um eigene Vorteile und um die Schädigungen der Gegner. Strategisch ist das Ganze nicht, nicht einmal taktisch, höchstenfalls opportunistisch: Aus den gerade angebotenen Möglichkeiten kann man die beste auswählen und innerhalb der gewählten Möglichkeit möglichst den schärfsten Konkurrenten schädigen. Doch zuweilen ist nicht einmal der nächste Zug vorhersehbar, vielleicht hat ein Gegner schon die Plattform versenkt, vor der aus man seine nächste Aktion starten wollte, bevor man dann am Zug ist.
    Ein bißchen Prophylaxe gegen Unbilden von Natur und Gegnern ist vielleicht ratsam, doch wo die Lage am kritischsten ist, in welcher Richtung die Tundra wächst, welcher Gegner am aggressivsten ist, wo neue Nahrungsquellen entstehen oder existierende versiegen, das ist im Grunde nicht kalkulierbar.
    Die unvermeidlich-gewollten Schädigungen der Gegner erzeugen Revanchegelüste. Dagegen verteidigte der spätere Sieger Moritz seine Aggressionen: „Ich mache alles mit Sinn, nicht aus Haß.“ Durch diesen Trost wurden unserer getöteten Spezies allerdings auch nicht mehr lebendig. Aber unsere Rachegefühle hielten sich in Grenzen. Wenn das Chaos erst einmal verinnerlicht ist, geht es nur noch um die spielerische Beschäftigung mit vielseitigen Ablaufmechanismen. Auch die Kingmakerei wurde akzeptiert. Wenigstens als praktische Beigabe, nicht als theoretisches Prinzip.
    In „Dominat Species“ ist der Weg das Ziel. Es gibt jede Menge Weg und das ist die unbestreitbare Schönheit des Spiels. Dass man vor lauter Weg leicht das Ziel aus den Augen verliert, dass ein Kompass zum Ziel fehlt, das ist zweifellos seine Unschönheit.
    WPG-Wertung: Aaron: 5 (10 Punkte für das Spiel als solches, minus 1 Punkt für die krassen „Dominant Cards“ und minus 1 Punkt für jede Stunde, die wir gespielt haben), Günther: 6 (schöne Elemente, aber fehlende Gesamtlinie), Horst: 6 (zu viel Chaos), Moritz: 9 (alles funktioniert), Walter: 6 (die Spielelemente sind 9 Punkte wert, doch fehlen Planbarkeit und Steigerung).