08.02.2012: Krieger und Händler um den Ruhm von Rom

Aaron ist kein Freund vom Fußball. Zumindest vom Fußball-Zuschauen. Vor acht Jahren schrieb er zwar noch: „Das letzte Deutschlandspiel dieser EM möchte ich auch gerne sehen“, aber heute ist für ihn solches Zuschauen nur noch langweilig: „Ich finde Fußball genauso spannend wie jemandem beim Würfeln zuzuschauen, der hofft eine Sechs zu schaffen“.

In dieser Abneigung hat er sogar etwas dagegen, wenn Moritz während eines WPG-Spielabends sich auf seinem Handy die aktuellen Fußballergebnisse anschaut, oder wenn der Gastgeber seinen Computer laufen läßt und im Vierstelstundenrhythmus die Zahlen vom Life-Ticker der Tagesschau vorliest. Doch heute gab er sich von einer 3:1-Mehrheit geschlagen: der Life-Ticker wurde eingeschaltetet und um 22:42 Uhr hatte sich der FC Bayern die Halbfinalteilnahme gesichert.

Im Erdgeschoß fieberte die Tochter des Hauses ebenfalls mit einem FCB. www.elpais.com meldete eine halbe Stunde später das Erleichternde: „El Barcelona alcanza la final“.

1. “Warriors & Traders”
Von der einen Hälfte des Titel her ein Kriegsspiel, einem Genre, mit dem wir am Westpark in den letzten Wochen nur bedingt gute Erfahrungen gemacht haben. Moritz versuchte gleich im Vorfeld die Skeptiker zu beschwichtigen: “Das Spiel enthält kein Zufallselement, gar keines!“ Walter meldete seine Zweifel an: „Wenn das erste Glückselement auftritt, höre ich auf.“ Moritz konnte zuversichtlich strahlen.
Im finsteren Mittelalter sind wir Führer von Königreichen und müssen in der Geographie des nordwestlichen Europa unser Land mit einer optimalen Führung zum Sieg führen. Die gute Führung besteht

  • im Aufstellen von Armeen
  • im Erobern von Nachbarprovinzen
  • im Ernten von Produkten und Rohstoffen zum Bauen von Waffen und zum Ernähren unserer Armeen
  • im Steigern unserer Potenz in Produktion, Handel und Militär

Auch wenn Handel und Naturprodukte eine wenigstens teilweise friedliche Gesellschaft suggerieren, stammen alle siegpunkt-trächtigen Segnungen ausschließlich vom Militär. Der Krieg ist der Vater aller Dinge. Und das Militär ist der allesfressende Schmarotzer. (Welch ein Glück für uns Neuzeitmenschen, dass das Militär heutzutage nur noch die Hälfte unseres Bruttosozialprodukts auffrißt!)

Zu Spielbeginn residieren die Spieler verstreut auf einzelnen Grafschaften, wo Holz und Hackebeile produziert werden. Sie schielen begehrlich auf die von Barbaren besetzten Nachbarprovinzen, wo auch schon mal etwas Essbares gedeiht. Mit überlegener Waffentechnik müssen wir die Barbaren bekriegen, um an ihre Früchte heran zu kommen. An dieser Pflicht führt kein Weg vorbei. Doch der Weg ist steinig. Und selbstmörderisch. Um eine Gemüseprovinz zu erobern brauchen wir eine Armee, und um eine Armee zu ernähren brauchen wir eine Gemüseprovinz. Da wir in der Startausstattung aber kein Gemüse mit auf den Weg bekommen haben, folgt daraus notwendig, dass unsere erste Armee verhungert, bevor sie das erste eroberte Gemüse abernten kann. Zäh, sehr zäh, aber unausweichlich. Selbst unser geborener Warrior Moritz bekannte: „Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen!“

Diese Unausweichlichkeit(en) bei einem sehr begrenzten Handlungsspielraum führten zu extrem montonen Entwicklungsschritten. Aaron erkannte sehr schnell: „Ich habe das unbestimmte Gefühl, dass es für alle nur einen einzigen genau definierten schmalen Entwicklungspfad gibt!“ Hypothese: „Bei einem symmetrischen Aufbauspiel in disjunkten Gebieten ohne Zufallseinfluß machen alle klugen Köpfe die gleichen Züge!“ Hi Günther, kannst Du diese Behauptung nicht spieltheoretisch beweisen?

Horst machte es trotzdem “total Spaß”. “Es ist zwar zäh, für ein Aufbauspiel aber absolut angemessen. Das Spiel dürfte ruhig ein paar Runden länger dauern.” Die „Kürze“ des Spiels war – neben Monotonie und Zähigkeit – die nächste Crux. Gerade als es nach zwei Stunden zum ersten Mal spannend wurde, als die Spieler alle Barbarengebiete erobert hatten und sich zum ersten Mal Auge in Auge selbst gegenüber standen, war das Spiel zu Ende. Bis dahin hatten wir kein einziges Mal miteinaner einen Tauschhandel ausgeführt (mangels Warenangebot, mangels Bedarf oder mangels beidem), keine Festung gebaut und keine Prinzessin vergewaltigt. Lediglich fitzelige Markierungsplättchen für Gemüse, Hackebeile und Holzstöße hin und hergeschoben, um unseren aktuellen Besitzstand anzuzeigen. Aaron meinte: „Das ist jetzt eine Ausgangslage, die spätestens nach drei Runden hätte erreicht werden müssen.“

WPG-Wertung: Aaron: 4 („Langsamer Start, frühes Ende; es hat ein paar nette Mechanismen, aber ich möchte es nicht nochmals spielen“), Horst: 6 („Ich habe mich nicht gelangweilt. Allerdings tut die graphische Gestaltung von Spielplan und Markern den Augen weh“), Moritz: 5 (einfache Regeln, doch manche Mechanismen funktionieren einfach nicht“), Walter: 3 (Suppe ohne Salz, vermißt die eleganten Kampfwürfel).

2. “Ruhm für Rom”
Vor gut drei Jahren lag dieses Karten-Ablagestapel-Management-Spiel als „Glory to Rome“ schon einmal bei uns auf dem Tisch. Wir füllen unsere Kartenhand mit Karten vom verdeckten öffentlichen Nachziehstapel und legen sie in reichlich vielen privaten Kartenstapeln ab:

  • in den Klientel-Stapel legen wir Hilfsarbeiter, die unsere Ablage-Aufgabe unterstützen
  • im Materiallager reservieren wir Baumaterial für Gebäude und für Siegpunkte
  • in bis zu sechs gleichzeitig offenen Gebäudestapeln fertigen wir unsere Gebäude
  • in die Privatschatulle legen wir Siegepunktkarten
  • in den Einflußstapeln legen wir Karten, um die Kapazität vom Klientel-Stapel und Privatschatulle zu erhöhen

Auf welchen Stapel die Spieler reihum ihre Karten legen dürfen, bestimmt die ausgespielte Rollenkarte, z.B. erlauben Baumeister und Handwerker neue Gebäude anzufangen oder zu erweitern, schlichte Arbeiter füllen das Materiallager und Kaufleute die Privatschatulle.

Damit einunddiegleiche Karte auf die verschiedenen Stapel gelegt werden kann, hat sie ein multifunktionales Design, sie ist zugleich

  • Rollenkarten für Arbeiter, Baumeister, Handwerker, Legioär, Kaufmann, Patron und Senator
  • Gebäudekarte für ungezählte Arten von Gebäuden: vom Atrium bis zum Zirkus
  • Baumaterial in der Art von Holz, Schutt, Stein, Marmor, Zement und Ziegel
  • Zählkarte für Einfluß und Siegpunkte

Fertiggestellte Gebäude erhöhen Mächtigkeit und Flexibilität unserer Ablagetätigkeit. Z.B. darf man als der Besitzer vom Zirkus jede beliebige Karte als Senator-Joker nutzen, und als Besitzer des Triumpfbogens darf man Material vom öffentlichen Umschlagplatz (ein weiterer Kartenstapel) zum Bauen benutzen.

Das Spiel ist konstruktiv, dynamisch und schnell. Zuweilen muß man um drei Ecken denken, um die Effekte verschiedener Kartenkombinationen zu erkennen. Am besten macht man es wie Horst: Er bekam in seiner Startausstattung die Gebäudekarte mit der Kanalisation zugeschustert. Nachdem er die Kanalisation fertiggestellt hatte, durfe er alle ausgespielten Rollenkarten in sein Materiallager übernehmen. Damit hatte er ständig einen reichlichen Vorrat an Siegpunktkarten für die Privatschatulle. Kanalisation und Kaufmann brachten ihm den Sieg.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (keine Strategie), Horst: 7 (überschaubare Spieldauer), Moritz: 7 (1 Punkt mehr, nachdem sich das Karten-Effekte-Chaos etwas gelichtet hat), Walter: 6 (sauberes, ausbalanciertes Design, aber wenn man die Technik verstanden hat, entscheidet allein das Kartenglück).

Ein Gedanke zu „08.02.2012: Krieger und Händler um den Ruhm von Rom“

  1. Im Nachhinein finde ich es schade, dass „Warriors & Traders“ auf mich einen solch schlechten Eindruck gemacht hat. Ich habe mir daher eben mal die Regeln durchgelesen und … nein, wir haben alles richtig gespielt… bin zu dem Schluss gekommen, dass der von uns kritisierte langsame Start und das Ende „wenn es doch gerade interessant wird“ wohl eher das Designprinzip des Spiels sind und nicht etwa ein Designfehler. Kämpfe zwischen Spielern scheinen mir eher nicht vorgesehen, da sie mit deutlichem Nachteil verbunden sind (nämlich der Notwendigkeit der vorherigen Kriegserklärung, die eine Aktion ist). Es ist wohl wirklich so, dass man in den frühen Runden seine Soldaten/Bogenschützen tatsächlich verheizen soll (also verhungern lässt) und sich mit Hilfe der Prinzessinnen geeignete Barbarengebiete sichert. Hat man dann erst einmal eine gescheite Produktion von Nahrung und Gütern, lassen sich die Prinzessinnengebiete über Soldaten-Upgrades zu Festungen dauerhaft schützen und damit gleichzeitig weitere Siegpunkte generieren. Bis zum Spielende sollte man so sein komplettes Reich erobert und mit vier Festungen bestückt haben. Dann gewinnt der, der das Reich mit den meisten Gebieten hat. Auch blöd. Also muss man wohl doch gegen die Mitspieler kämpfen. Dann freut sich der, der sich aufgrund von Lage oder Stärke raushalten kann und der gewinnt. Wieder blöd. Also bleibt’s bei meinen 4 Punkten.

    Ach so: zwei kleine Regelfehler haben wir doch gemacht. 1. reicht es aus, wenn man alle Gebiete des eigenen Reichs OHNE das umstrittene Gebiet erobert hat, um die Bonusaktionen durchführen zu dürfen (was ich als Verschlechterung empfinde) und 2. haben die Barbaren eine definierte Rückzugsstrategie, d.h. sie sind nicht frei platzierbar (was ich als eine Verbesserung empfinde).

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