07.11.2012: Legenden um die Keyflower

Es gibt wenigstens drei verschiedene Möglichkeiten, die biologische Funktion des Spiels richtig zu deuten. Da ist erstens die Auffassung des Spiels als Erziehung: die Katze spielt mit der Maus und erzieht sich dadurch in der Geschicklichkeit, deren es bedarf, um Mäuse zu fangen; alle unsere menschlichen Spiele sind Übungen in Fähigkeiten, die das Leben erfordert, und deshalb fahren wir in England fort, dem Herzog von Wellington den Ausspruch zuzuschreiben, daß die Schlacht von Waterloo auf den Spielplätzen von Eton gewonnen worden sei.

Dann gibt es eine Auffassung des Spieles, nach welcher die überschüssigen Kräfte, die in der praktischen Arbeit des Lebens ungenutzt blieben, in der Kunst verausgabt werden. Diese erweiterte und harmonsierende Funktion des Spiels, die sich auf niederen Stufen im Trivialen erschöpft, führt auf höheren zur Schöpfung der herrlichsten Menschenwerke.

Aber es gibt noch einen dritten Begriff vom Spiel, demzufolge dieses einen unmittelbaren innerlichen Einfluß – gesundheitsbringend, entwickelnd und ausgleichend – auf den Gesamtorganismus des Spielenden selber ausübt. … In diesem Sinne darf man davon reden, daß auch die Sexualität eine Spielfunktion hat. Sie betrifft das Physische und das Psychische zugleich. Sie regt den ganzen komplexen Zusammenhang des Organismus zu gesunder Tätigkeit an. Zugleich befriedigt sie die tiefsten Bedürfnisse des Gefühlslebens und bringt die verschiedenen Triebe des Geistes in Harmonie.
(aus Havelock Ellis: „Liebe als Kunst“)

1. “Die Legenden von Andor”
Trotz des märchenhaften Titels macht der Autor Michael Menzel mit dem Thema seines Erstlingswerk nicht viel Federlesens: „Jeder Spieler schlüpft in die Rolle eines Helden von Andor und erlebt fantastische Abenteuer“ heißt es ganz lapidar. Die Abenteuer erleben wir im Würfelkampf gegen Gors, Skale, Trolle, Wardraks und ähnliche Elemente aus dem schwedischen Wörterbuch.

Das Spielbrett zeigt eine märchenhafte Landschaft aus Burg, Wald und Wiese; hier hat der begnadete Menzel seine Talente als Illustrator gekonnt demonstriert. In der Landschaft stehen verstreut unsere fabelhaften Gegner herum und schleichen (das bezieht sich auf ihre Geschwindigkeit, nicht auf ihre Verstecktheit) auf vorgegebenen Pfaden alle in Richtung Burg. Wenn mehr Fabelhafte in die Burg eingedrungen sind, als dort Platz ist, haben wir menschlichen Teilnehmer verloren. Wir müssen ihnen also mit vereinten Kräften in den Weg treten und sie in einem eleganten Würfelkampf besiegen.

Wenn wir das schaffen, zugleich auch noch den Zaubertrank für den kränklichen König auf die Burg gebracht haben, und rechtzeitig die Festung der Bösen erstürmt haben, sind wir Sieger. Alle zusammen, es gibt keinerlei singuläre Lorbeerblätter für denjenigen, der sich im Würfelkampf besonders ausgezeichnet hat.

Bei Spielbeginn sind wir noch schwach und sollten nicht alleine gegen einen Troll antreten. Aber zu zweit haben wir schon ganz gute Aussichten, unsere eigenen Lebenslichter zu erhalten und diejenigen des bösen Geistes alle auszupusten. Nach jeden Sieg erhalten wir weitere Lebenslichter oder Geld, das wir auf bestimmten Händler-Feldern des Spielbretts in Stärke umwandeln können. Die Stärke ist ein direkter additiver Posten, mit dem wir unsere Würfelergebnisse aufmotzen. Nach ein paar Runden haben wir leicht eine Stärke von 7 oder mehr erreicht und brauchen uns vor niemandem mehr zu fürchten.

In die recht lineare Plattmach-Orgie sind ein paar Überraschungen eingebaut: Sporadisch tauchen auf ausgewürfelten Spielfeldern neue Monster auf, oder wir verlieren bei zufällig unglücklicher Positionierung ein paar Lebenslichter. Doch jeder hat genug davon, um das verschmerzen zu können.

Aarons größte Freude – im gesamten Spiel! – war, auf dem Spielbrett das Feld Nummer 15 zu finden. Die Felder sind nämlich nicht sequentiell durchnummeriert, sondern mit erheblichen Chaos. Feld 15 ist ganz unten versteckt in der Ecke zwischen 7 und 9. Die Felder 73-79 haben wir gar nicht gefunden; vielleicht gibt es sie gar nicht, und die Zauberwelt fängt erst wieder bei 80 an. Herr Menzel wird schon wissen warum das so ist, wir wissen es nicht. Leider kann Aaron diese seine Findefreude nur einmal im Keyflower-Leben genießen.

Die größten Lacher gab es bei Aarons weltbekannt-schlechten Würfelwürfen: Für den Kampf durfte er nacheinander bis zu fünf Hexawürfel werfen und bei einer ihm genehmen Augenzahl aufhören. Und wirklich: Er warf nur Einsen und Zweien. Doch noch bemerkenswerter: Als er später die Fähigkeit erworben hatte, einen beliebigen Würfel auf die Rückseite zu drehen, d.h. aus einer Eins eine Sechs und aus einer Zwei eine Fünf zu machen, würfelte er schlagartig nur noch Dreien und Vieren! Ausschließlich! Ungelogen! Ohne report-dichterische Freiheit hier niedergeschrieben! An seinem Würfelruf scheint doch etwas dran zu sein.

WPG-Wertung: Aaron: 4 (kann dieser Art von Spielen nichts abgewinnen), Günther: 4 (ich bin halt doch kein Rollenspieler), Moritz: 7 (die erste Legende – die er mit seinem 5-jährigen Milo gespielt hat – war interessanter), Walter: 4 (hat das dumpfe Gefühl, dass wir irgendetwas falsch gemacht haben müssen, es gab keine einzige logistische Herausforderung).

2. “Keyflower”
In Essen der Sieger auf der Top-Liste von „Fair-Play“. Ein Ersteigerungsspiel mit den Betriebsmitteln Arbeiter (rote, grüne, gelbe und blaue), Rohstoffe (Holz, Stein, Eisen und Gold) und Werkzeuge (Amboss, Hacke und Säge) um Ackerland zum Gewinnen von Arbeitern, Rohstoffen, Werkzeugen und Siegpunkten.

Auf dem Tisch liegen eine Reihe von hexagonale Ackerflächen, die es zu ersteigern, zu nutzen und zu veredeln gilt. Das Ersteigern erfolgt mittels Arbeitern, die höchste Kopfzahl gewinnt, der Überbotene darf seine Arbeiter abziehen und ihnen neue Aufgabengebiete zuweisen. Bei einer Belegschaft von 10 bis 20 Arbeitern pro Spieler eine ziemlich zähe Angelegenheit.

Diese fingierte Keyflower-Szene enthält mindestens 5 sachliche Fehler. Wer die meisten findet bekommt 1 Flasche Wein!
Zur Nutzung stellt man einen Arbeiter auf eine bereits ersteigerte oder noch öffentlich ausliegende Ackerfläche. Man darf auch auf beliebige Flächen der Mitspieler setzen und damit deren Fähigkeit nutzen. Der Nutz-Arbeiter wandert hinterher allerdings in die Belegschaft der Konkurrenz.

Zur Veredlung muß man Rohstoffe oder Werkzeuge einsetzen und eine Arbeitsfläche vom Typ „Veredelung“ nutzen.

Am Ende sprudeln eine Reihe von Siegpunktquellen für den Sieg, als da sind:

  • die ersteigerten und veredelten Ackerflächen
  • zusammenhängende Wege oder Kanäle auf unserem Ackerland
  • Arbeiter als Einzelpersonen oder in wohldefinierten Brigaden
  • Rohstoffe als Einzelteile oder in wohldefinierten Kombinationen
  • Werkzeuge als Einzelteile oder im Kasten

Die Siegpunktquellen sprudeln aber nicht unisono für alle; sie sind selber Hexateile, die wie Arbeitsflächen ersteigert werden müssen, und nur für den Besitzer je nach seinem Besitztum Siegpunkte liefern. Das bringt natürlich eine positive Vielfalt in die Interessen der Grundbesitzer. Wem z.B: Rohstoffe honoriert werden, engagiert sich in Bergbau, und wem Werkzeuge honoriert werden, engagiert sich in der Schmiede.

Leider ist das nicht ganz so einfach. Denn der Großteil der Hexateile für die Siegpunkt-Kriterien kommen erst in der letzten Runde ins Angebot. Jetzt hängt es stark vom Mitspielerchaos an Besitztum, Interessen, Ersteigerungspotential und Miesnickeligkeit ab, ob man das begehrte Kriterium bekommt oder nicht. Walter wurde in der letzten Runde – mehr oder weniger zufällig – Startspieler und konnte sich einen Rohstoff-Belohner sichern, der ihm 60% seiner Siegpunkte einbrachte. Immerhin der zweite Platz. Jeder andere Mitspieler hätte ihm das begehrte Siegpunkt-Hexateil durch einen einzigen der seltenen grünen Arbeiter wegschnappen können. Das hätte dann weit abgeschlagen den letzten Platz bedeutet.

Die enorme Optimierungsaufgabe, alle etwa 10 öffentlichen und 20 privaten Ackerflächen bei jedem Spielzug genau zu sondieren und daraus das beste an Besitz und Nutzung für sich herauszusuchen, ggf. noch dabei die Biet-Resourcen und Ambitionen der Mitspieler im Auge (im Gedächtnis) zu behalten, paßt nicht zum enormen Zufall, mit dem am Ende die Siegpunktkriterien unter den Spielern aufgeteilt werden.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (dauert zu lange), Günther: 7 (überschaubare Komplexität), Moritz: 6 (elegantes, durchdachtes Design), Walter: 6 (zu viele, teils unwägbare Optimierungsaufgaben).

“Gebrechlichkeit in Dativ und Akkusativ”
Manche Westparker werden immer jünger und goldiger, andere dagegen reifer und silberner. Doch auch auf letzteren ruht so mancher wohlgefällige weibliche Blick, gerade wenn der Mens noch sana ist, der Corpor aber schon ziemlich debilis ist, den man vorsichtshalber besser „an die Wand nageln“ sollte. Nach einem frivolisierten Wortgeplänkel im Wasserbad hörte jetzt ein Westparker die durchaus hoffnungsvolle Einschränkung: „Sie müssen mich schon an der Wand nageln.“

31.10.2012: Terra Mystica

Moritz ist schlank geworden. Sehr schlank. Zehn Jahre lang haben wir am Westpark seine künstlerische Persönlichkeitsentfaltung in Richtung Pavarottis Amorphologie verfolgt, dann hat er eine radikale Wendung eingelegt und sein langanhaltendes Crescendo in ein abruptes Diminuendo verwandelt. Von Woche zu Woche ist er dabei jünger, dynamischer und strahlender geworden. Ein schöner Mann!

Coloretto als Caruso

Jetzt wurde seine Person auf einer Spielkarte verewigt. Im gerade gestarteten Kick-Starter-Kartenspiel „Nothing Personal“ trägt die Morris „Egg“ Caruso-Karte seinen Charakterkopf. Vorbild für das Konterfei war das Foto aus unserem Sesssion-Report zu „Coloretto“ (12.03.2003). Wahrlich brav getroffen. Doch was die Jugendlichkeit betrifft: Hi Moritz, vor neun Jahren sahst Du ja noch jugendlicher aus als heute mit Deiner Apollon-Figur!

1. “Terra Mystica”
Schon in seiner Anmeldungsmail hatte Günther ein 2-3 stündiges Marathonspiel angekündigt. Sein Vorschlag für ein halbstündiges Warming-Up wurde abgelehnt, wir waren alle schon heiß genug.
„Terra Mystica“ von Helge Ostertag und Jens Drögemüller im nagelneuen Spieleverlag „Feuerland“ herausgebracht, war das Highlight der diesjährigen Spielemesse in Essen. In allen Bestsellerlisten über all die Tage hinweg lag es auf Spitzenplätzen und wurde allgemein als das beste Spiel angesehen. Komplex ist es allemal. Aus 605 Einzelteilen besteht das Spielmaterial, 20 Seiten fasst das Regelheft, und ein mnemotechnisch perfekt durchkonstruiertes Spielbrett spiegelt die 101 möglichen Zugoptionen sehr gut wieder. Günther brauchte in einem wohlgesetzten Vortrag nur eine gute Stunde, um uns mit allem vertraut zu machen.

Auf einer hexagonalen Landschaft entwickeln wir unsere Völker, die diesmal die mystischen Bezeichnungen Zwerge, Hexen, Riesen oder Halblinge tragen, genauso gut aber mit den abstrakten Farbnamen Rot, Grün, Gelb und Blau bedient wären. Das Thema bleibt an der Oberfläche (wenn überhaupt), auch wenn eine ganze Seite Stimmungsstory dazu geschrieben ist.

Mit den Betriebsmitteln Arbeiter, Geld und Machtpunkten graben wir das Land um, bauen Wohnhäuser und wandeln Gebäude in Kontore, Tempel, Heiligtümer und Festungen um.

And the winner is … Günther

Jedes Besitztum liefert unterschiedliche Erträge, jede Kombination von Besitztum bringt unterschiedliche Prämien und Siegpunkte. Wir erweitern unsere Fähigkeiten zur Besiedelung, wir steigen in die Schifffahrt ein, und wir schicken unsere Priester zu den Zauberspalten, um bei Feuer, Wasser, Erde und Luft der größte zu sein.

„Der größte“ klingt nach Konkurrenz, doch in der Praxis ist davon wenig zu spüren. Wenn ich beim Feuer nicht ankomme, dann versuche ich es eben mit dem Wasser. Gegenüber den paar wenigen Zügen, die im Wettstreit miteinander gemacht werden, gibt es zu viele ertragreiche Optionen, die jeder unabhängig von den anderen abwickelt. Es gibt zu viele Rädchen zum Erfolg. Leider viel zu viele. Überall, woran man klopft, fließt die Manna hervor, überall warten Erträge, Siegpunkte und Privilegien. Für jede Prämie gibt es gleich ein oder zwei Handvoll unterschiedliche Vorschläge, aus denen man sich den Besten aussuchen darf. Alles gut geplant, alles bestens austariert, alles funktional stimmig, eine fantastische Arbeit. Doch wenn Helge und Jens der geniale Amadeus wären, würde ich wie Kaiser Franz kritisieren müssen: „Zu viele Noten!“

Noch dazu hoppelt jeder Spieler mehr oder weniger soliär durch das Serail. Jeder überlegt für sich alleine, wann und in welcher Reihenfolge er sich in welcher Richtung entwickeln soll oder ob er erst seine Fähigkeiten dazu steigern soll. Dazu kann er jede Menge Denkschmalz investieren. Und die Mitspieler dürfen seinen Denkprozess bis zur bitteren Neige mitverfolgen, sprich abwarten. Drei Stunden dauerte dies heute. Kein Unglück in einer harmonischen Runde, aber auch keine spielerische Offenbarung, wenn man vor lauter Rädchen das Uhrwerk nicht mehr sieht.
Wer von Natur aus dafür aber den richtigen Blick mitbekommen hat, und sich mit wachsender Begeisterung stundenlang an den ungezählten Entwicklungsmöglichkeiten erfreuen kann, der ist mit dem mystischen Land sehr gut bedient. Siehe seine positive Resonanz in Essen. Wenn die SdJ-Jury mal wieder einen Sonderpreis für „das komplexeste Spiel“ des Jahres zu vergeben hätte, wäre „Terra Mystica“ ein heißer Anwärter darauf. Doch „komplex“ und „spielerisch“ sind leider keine Synonyme.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (total langweilig, ich fand’s einfach öd, ich hasse diese fitzeligen Friemeleien), Günther: 8 (komplexes – das ist hier positiv gemeint – Aufbauspiel), Moritz: 7 („mindestens“, obwohl er dieses Spielprinzip nicht besonders mag; glaubt, dass die spielerische Spannung bei näherem Kennenlernen steigt), Walter: 7 (für die vielen gut umgesetzten und ausbalancierten Mechanismen; bezweifelt einen hohen Wiederspielreiz.)

2. “Love Letter”
Das kleine Absacker-Kartenspiel hatte schon letzte Woche am Westpark für schadenfreudige Lacher gesorgt. In kurzen, mitleidslosen Body-Checks kicken sich die hochadeligen Spieler aus dem Rennen. Wer will, kann versuchen, mit einem ambitionösen Gedächtnis und mittels Deduktionsschlüssen innerhalb unbekannter oder zumindest äußerst vager Informationen, sich Vorteile zu verschaffen. Doch wenn der Prinz die Prinzessin auf dem Kicker hat, geht sie über den Jordan, egal wie intensiv zuvor ihre Techtelmechel mit Reitlehrern und Priestern waren.

Das ganze kann lustig sein, wenn man in lockerer Stimmung herangeht. Doch Schadenfreude kommt in der Regel nicht bei dem auf, der den Schaden erlitten hat. Wessen Kartenhand wurde wohl von Priester Aaron ausgespäht? Wer wurde als Bodyguard von Baron Walter liquidiert? Wer erboste sich über diese Spielzüge und verlautete: „Bei der nächsten Aggression gegen mich verlasse ich den Saal!“?

Keine Änderung der WPG-Wertung für ein fast 7-Punkte-Spiel.

Unser treuer Leser Willi hat uns, bzw. unserem Regelerklärer Günther hier eine – womöglich sogar böswillige – Regelwidrigkeit unterstellt. Zum Prinzen heißt es nämlich in den Regeln: Wenn der Prinz einen Mitspieler zwingt, seine Handkarte abzuwerfen: „Do not apply its effect.“ Bei der Prinzessin heißt es allerdings: Wenn Du die Prinzessin abwirst „no matter how and why“ bist Du draußen. Warum gibt es den expliziten “no-matter” Zusatz? Etwa für Spielverderber, die aus freien Stücken die Prinzessin abwerfen, um danach rechtzeitig zur vorletzten U-Bahn abzudüsen?
Bei Boardgamegeek wurde diese Frage ebenfalls diskutiert und von Herausgeber AEG (Alderac Entertainment Group) entschieden: “The Princess’ effect is always applied, even if discarded by ways of the Prince (Wizard in the Japanese version).“
www.boardgamegeek.com/thread/858554/prince-causing-princess-to-be-discard
Hallo Günther: Hiermit nehme ich den Anfangsverdacht einer möglichen Böswilligkeit in vollem Umfang zurück.

3. “Bluff”
Mit überzeugenden Würfeln Moritz konnte sein heutiges Kampfmotto: „Mich anzweifel, heißt lusen“ unterstreichen. Doch was blieb Aaron übrig, als er von Moritz bei 6 ausstehenden, noch verdeckten Würfeln mit der Vorgabe: “6 mal die Fünf” konfrontiert wurde.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

24.10.2012: Wellen aus Essen

Günthers Bilanz von der diesjährigen „Spiel 2012“ in Essen:

“Es wird immer schlimmer … Die Spielekisten werden jedes Jahr dicker, schwerer und teurer. Passend dazu werden die Tüten immer größer… Gegenüber den Jahrgängen von ’Canyon’ oder ’Samarkand’ haben wir jetzt im Schnitt bestimmt 2-3 mal größere Kisten…. Wer stoppt diesen Trend ???“

Aaron sieht das genauso: „Konsequenterweise laufen immer mehr Leute mit Sackkarren und großen Koffern auf der Messe rum, um ihr Zeug zu transportieren. Und AEG hat diesmal am Stand einen rund 1,5m großen Sack als Tragetasche ausgegeben.“

1. “Love Letter”
In der Volksausgabe ist der 16-blättrige Kartenstapel einen halben Zentimeter hoch. In der Luxusversion gibt es dazu noch einen amourösen roten Lederbeutel mit goldener Aufschrift und Kugeln aus Rubinglas zum Zählen der Siegpunkte.

Jeder Spieler bekommt eine Karte in die Hand und ist damit – in steigender Rangfolge – entweder Guard, Priest, Baron, Handmaid, Prince, King, Countess oder Prinzess. Wenn er am Zug ist, zieht er vom verdeckten Stapel eine Karte nach und muss nun einer seiner beiden Karten ablegen. Dazu muss er eine Aktion ausführen, die mit der abgeworfenen Karte korreliert und deren Hauptziel darin besteht, seine Mitspieler so nach und nach aus dem Rennen zu kicken.

Der Guard darf bei einem beliebigen Mitspieler raten, welche Karte er noch in der Hand hält. Hat er richtig geraten, so ist der Mitspieler draußen. Der Baron darf sich mit einem beliebigen Mitspieler vergleichen. Der rangniedigere von beiden ist draußen. Der Prince kann von einem Mitspieler verlangen, dass er seine letzte Karte abwirft. Falls dies zufällig die Countess ist, ist diese ebenfalls tot. Der Priester schaut in eine fremde Kartenhand und der König tauscht mit ihr.

Nach kurzen zwei Minuten ist eine Runde zu Ende. Entweder ist nur noch einer übrig geblieben, der dann einen Siegpunkt erhält, oder es sind mehrere übrig geblieben, von denen der Ranghöchste gewinnt. Lustig, schnell, schadenfreudig. Die Anzahl der „meaningful decisions“ (Moritz Originalton) ist begrenzt. Man kann auch rausgekickt werden, bevor man auch nur einen einzigen Atemzug getan hat. Begrenzt lustig, aber schnell und schadenfreudig.

Ja, wir haben viel gelacht. Nicht so viel wie Günther auf der Messe in Essen, aber immerhin. Auch wenn dem einen oder anderen (mir) dabei das Messer im Halse stecken geblieben ist.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (bei welchem Spiel haben wir schon so viel gelacht?), Günther: 8 (mit minimalem Aufwand viel erreicht), Horst: 7 (locker und leicht wie die Milkyway-Reklame), Moritz: 7 (wegen der reinen Schadenfreude), Walter: 5 (kurzer Zeitvertreib [das kommt bei Birgit einem spielerischen Todesurteil gleich]. Bei „Mensch-ärgere-Dich-nicht“ darf der Letzte wenigstens am längsten spielen).

Walter bemängelte auch einen Geburtsfehler des Spiels: Wenn der Guard die Rolle eines Mitspielers erfragt, darf dieser Spieler ohne jegliche Kontrolle seine Rolle verleugnen. Honorige Spieler tun das nicht, Döddelspieler schon eher, aber da macht es wahrscheinlich auch nichts aus. Doch ein gutes Design läßt diese Möglichkeiten erst gar nicht zu.

2. “Rattus Cartus”
Ja, es geht tatsächlich (auch) um Ratten. Google’s Latein-Übersetzer kennt das Wort zwar nicht, aber bei einer Bildersuche unter dem Stichwort „Rattus“ kommen jede Menge putziger Ratten zum Vorschein.

Jeder Spieler bekommt 10 Rattenpunkte, von denen er bis zum Spielende möglichst viele loswerden soll oder muss. Wer am Ende mehr davon übrig hat, als das Limit erlaubt, hat automatisch verloren. Das genaue Limit ist zunächst unbekannt, jeder Spieler kann aber einen Teil seiner Züge dazu verwenden, das Limit peut-a-peut zu erschließen. Er kann es aber auch darauf ankommen lassen. Doch das Rattus Limitus ist eigentlich nur ein Nebenkriegsschauplatz.

Wir wählen zufällige, offen ausliegende, wechselnde Optionen und dürfen dann zwei, drei oder gar vier „Bevölkerungskarten“ nachziehen. (Entschuldigung: solche Alternativen sind doch bereits ein Scheiß! Da die Bevölkerungskarten der Motor des Spiels und in jedem Fall je-mehr-je-lieber sind, sind dies doch keine echten Alternativen. Was soll das? – Natürlich wird zuweilen auch die Option angeboten, eine Ratte loszuwerden oder sich einen Bruchteil des Rattenlimits anzuschauen, aber leider nur zuweilen.)

Als zweites bieten wir mit unseren Bevölkerungskarten auf die gleichen ausliegenen Optionskarten, die aber diesmal eine andere, von unserer obigen Optionswahl absolut unabhängige Bedeutung besitzen: Der meistbietende bekommt Siegpunkte, weitere Bevölkerungskarten, Sonderkarten (Joker, Schwert, Flöte oder Passen), oder er darf Ratten loswerden. Alle Nicht-Meistbietenden kriegen das gleiche, nur in kleinerem Quantum.

Als Gratifikation für das Bieten darf man in sechs verschiedenfarbigen Zauberspalten nach oben rücken. Für jede eingesetzte Bevölkerungskarte um ein Feld. Am Ende bekommt jeder Spieler für jede Spalte, in der er am höchsten gekommen ist, zehn Siegpunkte. Die Nächstplatzierten deutlich weniger. Ach ja: Zum Bieten auf die farbigen Optionskarten sollte man nur Bevölkerungskarten der gleichen Farbe spielen. Andere Farben sind zwar erlaubt, bringen aber unerwünschte Ratten ein.

Die Sonderkarten (Joker, Schwert etc.) dürfen auf alle Optionskarten gespielt werden. Sie beinhalten zuweilen peinliche Nebeneffekte für die Mitspieler: Meist werden sie dabei einen erklecklichen Teil ihrer Bevölkerungskarten los.

Nach einer guten Stunde Ratten-, Optionen-, Schwerter- und Flötenkampfes prophezeite Moritz: „Ihr werdet am Ende alle lachen. Und dann nicht mehr.“ So war es. Das Rattenlimit lag außerhalb der Drei-Sigma-Grenzen , alle Spieler lagen darüber und hatten automatisch verloren. Nur Aaron überlebte als einziger. Eine ganze Stunde Rattenkampf war für die Katz!

WPG-Wertung: Aaron: 7 (in unserer 5er Runde spielte es sich schlechter als in den Essener 4er Runden), Günther: 5 (man kann sich gegen die mancherlei Unbilden im Spiel nicht wehren), Horst: 7 (zwiespältig – Kommentar b.N.: für „Zwiespältigkeit“ ist 7 doch eine relativ gute Note), Moritz: 7 (das Spiel hat ganz hübsche Mechanismen), Walter: 5 (die Mechanismen sind unausgereift; das Pseudoplanspiel enthält zuviel Chaos und zu krasse Effekte).

PS: Moritz bekannte hinterher, dass er seinen Joker konsequent genutzt habe, um in der Zauberspalte nach oben zu kommen. Aber das ist wohl eine andere Geschichte.

3. “Uchronia”
Carl Chudyk hat vor fünf Jahren mit “Glory to Rome“ eine neue Kartenspielidee auf den Markt gebracht, die am Westpark immerhin mit glatten 6 Punkten bewertet wurde. Diese Spielidee hat er jetzt in einen Jungbrunnen geworfen, um eine neue bezaubernde Jungfrau reinkarnieren zu lassen, es kam aber nur der gleiche alte Drache zum Vorschein. „Uchronia“ ist ein „Rome“ im Sauriermillieu.

Wir spielen Aktivitätskarten für Construction, Production, Exploration, Trade und „Draconians“ (offensichtlich die im Pliozän üblichen Saurieraktivitäten) aus und legen damit Karten von der Hand in die private Dominion, in den privaten Stock oder das öffentliche Forum. Wir erwerben öffentlich ausliegende Gebäude (z.B. Latrine und Bazaar, offensichtlich Saurier-Gebäude), bauen sie aus und nutzen am Ende ihre tausendfältigen kleinen Vorteile für verbessertes Kartenmanagement.

Wir bauen unseren Aktivitätenpool aus, um auch mit weniger oder gar fehlenden Handkarben flüssig zu bleiben oder Mehrfachnutzungen auszulösen. Wer am Ende mit Gebäuden, Aktivitätenpool und Monopol-Bonus als erster 15 Siegpunkte erzielt hat, läutet die Schlußrunde ein.

Walter schielte schon nach wenigen Runden verzweifelt auf die doch „nur“ 6 Punkte für „Glory“ und selbst Aaron fragte öffentlich, ob die 15 Siegpunkte als Spielende-Bedingung nicht etwas zu hoch seien. Doch Moritz sonnte sich mit gefülltem Stock und Pool im Vorgefühl seines Sieges. Es reichte auch zum Einläuten der Schlußrunde, doch dann wurde er auf der Zielgraden noch von Günther überholt.

„Rome“ war schon vom Kartendesign und den Farben her bunter und klarer. Vielleicht sogar etwas konstruktiver. Ein bißchen.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (zäh, klein-fummelig mit den vielen Sondereigenschaften), Günther: 6 (das Drum-Herum ist ganz OK), Horst: 5 (kein einziger Lacher), Moritz: 6 („das Spiel ist total gelähmt von den pißgelben Gebäuden“), Walter: 5 (zäh, die Farb-Lähmungen auf dem Forum sind mangelhaftes Spieldesign).

4. “Hanabi”
„Hanabi“ heißt im Japanischen „Feuerwerk“. Mit dem kleinen Kartenspiel sollen wir ein solches an der Himmel zaubern. Das ist etwas zuviel versprochen. Wir können lediglich auf dem Spieltisch in Kooperation miteinander ein patience-artiges Problem lösen.

Immerhin sind dabei neuartige Mechanismen am Werk, die in Essen sehr gut angekommen sind. In den Beliebtheitsskalen war das Spiel ständig unter den Top 10 zu finden. Günther fürchtet allerdings, dass die neuartige Spielidee schnell „ausgelutscht“ sein könnte.

Jeder Spieler bekommt 5 Ziffernkarten von 1 bis 5 in den Farben rot, grün, gelb, blau und weiß in die Hand. Er darf seine Kartenhand allerdings nicht ansehen, sondern muß die Karten mit der Rückseite zu sich halten, so dass nur die Mitspieler seine Karten kennen.

Jeder Spieler zieht nun eine Karte – die er a priori erst mal nicht kennt – aus seiner Kartenhand und gibt dazu an, ob er sie „abwirft“ oder „anlegt“. Abwerfen ist wohl klar, „anlegen“ bedeutet, dass er entweder mit einer Eins einen neuen öffentlichen Stapel anfängt oder mit einer Zahl größer Eins einen bereits existierenden öffentlichen Stapel streng sequentiell erweitert: auf die Eins folgt die Zwei usw.

Wer eine Karte zum „Anlegen“ ausspielt, aber keinen Platz dafür findet, weil kein passender Stapel auf dem Tisch liegt, kassiert für alle Mitspieler einen Strafpunkt. Nach dem dritten Strafpunkt haben die Spieler verloren.

Damit das ganze aber keine zufällige Raterei, sondern eine für alle echte Patience-Herausforderung ist, darf man sich gegenseitig Tips geben: Man bezeichnet einem Mitspieler, welche Karten in seiner Hand von einer bestimmten Farbe oder einer bestimmten Ziffer sind. Auf dem leeren Tisch ist z.B. jede Benennung von Einsen hilfreich, denn damit kann ein neuer Stapel angefangen werden. Die Anzahl der zu gebenden Tips ist begrenzt, man muss sehr sparsam und überlegt damit umgehen. Den Mitspielern die passenden, notwendigen und ggf. auch überflüssigen Karten in der richtigen Reihenfolge zu zeigen, ist essentiell. Bei allen Tips muss man unbedingt auf Grips und Logik der Mitspieler vertrauen und daraus die richtigen Schlußfolgerungen ziehen. Und natürlich sollte man sich die Tips der Mitspieler gut merken und seine Kartenhand möglichst nicht durcheinanderbringen.

Nach dem ersten Spiel – weit nach Mitternacht – waren alle sofort für einen zweiten Durchgang bereit. Das spricht eindeutig für das Spiel. Zumindest für den Essen-Effekt. Die Gefahr des Ausgelutschseins ist damit noch nicht gebannt. Doch in einer vertrauten Knobelrunde sollte das Spiel immer wieder seinen Reiz entfalten.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (neuartige Kartentechnik), Günther: 7 (interessantes Knobelspiel), Walter: 7 (funktionierende Kooperation). Horst und Moritz lagen schon in ihren Heiabettchen.

17.10.2012: Nie wieder Schweiz

Unvermutet flatterte am Westpark ein Brieflein der Berner Kantonspolizei ins Haus. So etwas verspricht ja grundsätzlich nichts Gutes. Der Hausherr war sich keiner Schuld bewußt, hatte er doch auf der Durchreise durch die Schweiz mit Gefühl, Verstand und Tempomat eine jegliche Geschwindigkeitsbeschränkung sicher im Griff gehabt, und den Abstecher nach Bern mangels Parkplatz-Fränkli ohne ein einziges Mal stehen zu bleiben wieder abgebrochen.

Doch die Schweizer hatten trotzdem eine Verkehrswiderhandlung entdecken können. Auf der Autobahn bei Frauenkappelen wurde das Münchener Auto statt der erlaubten 120 km/Std mit 128 km/Std gemessen. Nach Abzug der schweizer Präzisions-Sicherheitsmarge ergab das genau 2 (in Worten: zwei) km/Std zu viel. Bussgeldbetrag: 20 CHF oder 17,25 €, zu zahlen auf ein Konto bei der Deutschen Postbank in Karlsruhe.

Könnt Ihr ihm verdenken, dass der Hausherr auf das Überweisungsformular eingetragen hat: „Nie wieder Schweiz“? Der Ausflug mit dem Glacier-Express ist gestrichen, und die nächste Tour nach Südfrankreich geht über Stuttgart, Nancy, Lyon. Hallo Peter Steinbrück, stopp dem Schäuble seinen Schmusekurs!

1. “Helvetia”
Ach, da hat mich die Schweiz doch gleich nochmals erwischt! Horst hatte sich eigens darauf vorbereitet, da konnte ich es ihm nicht abschlagen! Langsam und präzise wie ein Schweizer Gendarm führte er uns in die Spielregeln ein. Acht eng bedruckte Seiten Regelheft gilt es zu meistern. Normalerweise eine Kleinigkeit, aber für einen Berner Blitz…

Wir haben männliche und weibliche Spielfiguren. Wir lassen sie auf unseren eigenen Feldern arbeiten, oder wir verheiraten sie ins Nachbardorf und lassen sie dort arbeiten. Der Arbeitsertrag gehört uns; die Kinder, die sie kriegen, gehören dem Nachbarn.
Fünf Berufe leiten den Spielefortschritt. Beim Kataster kaufen wir neue Felder, der Fuhrmann bringt unsere Erzeugnisse auf den Markt, der Nachtwächter weckt unsere Männer und Frauen aus dem Dornröschenschlaf auf, in den sie unweigerlich fallen, wenn sie eine einzige Arbeit erledigt haben. Der Pfarrer verheiratet Alt und Jung ins Nachbardorf und die Hebamme bringt den Nachwuchs zur Welt, den die Mischehen auf unseren eigenen Feldern gezeugt haben.
Mit bunten klobigen Holzfränkli honorieren wir die Dienstleistungen. Neue Grundstücke zahlen wir mit Naturalien, die wir auf unseren Feldern (oder mit unseren Halbeheleuten in Nachbars Garten) ernten. Zuweilen muss man eine ganze Produktionskette in Gang bringen, um ein veredeltes Endprodukt zu erhalten: Aus Heu mach’ Ziege, aus Ziege mach’ Käse.

Wer ein bestimmtes Produkt auf den Markt bringt, erhält Siegpunkte und zusätzlich Sonderpunkte, wenn er dabei der erste ist. Weitere Siegpunkte gibt es für ausgewählte Zusammenstellungen von gelieferten Produkten, und für eine vollständige Bebauung rund ums eigene Dorf. Temporäre Siegpunkte gibt es für die höchste Zahlung an die leitenden Berufe. Wer in einer Runde am meisten für Kataster, Fuhrmann etc. hingeblättert hat, bekommt dafür je einen Siegpunkt und darf die entsprechende Berufsgruppe in der nächsten Runde noch einmal kostenlos nutzen.

Hübsch ist das Spieltempo organisiert. Jeder Spieler kann seine Holzfränkli peut-a-peut auf die verschiedenen Berufe verteilen, er kann sie aber auch mit einem Schwung auf einen einzige Beruf setzen, z.B. alles dem Pfarrer geben und dann gleich vier Familienmitglieder auf einmal verheiraten. Haben alle bis auf einen Spieler ihre Fränkli gesetzt, ist eine Runde zu Ende. Das Restguthaben des letzten Fränkli-Besitzers verfällt. Dafür wird er Startspieler in der nächsten Runde.

Es gibt eine Menge kleiner Dinge zu überlegen, die ihren Effekt erst mehrere Runden später zeigen:

  • Welche Felder sind zu welchem Zeitpunkt gut und notwendig? Welche ergänzen sich zu Produktionsketten?
  • Welche Produkt-Zusammenstellungen liefern Sonderpunkte; welche davon sind noch zu haben?
  • Lege ich mir einen männlichen oder einen weiblichen Nachwuchs zu (Heiratschancen)?
  • Setze ich alle oder nur wenige Franken ein (Erwägungen zum Rundenende)?
  • Bei welchen Berufen kann ich noch die Dotierungs-Mehrheit erringen.

Glücklicherweise war Günther, unser notorischer Denker, in Essen. Wir nahmen es heute alle sehr spielerisch. Auch wenn die graphische Darstellung von Feldern und ihren Produkten die Abhängigkeiten im schweizer Uhrwerk nicht leicht erkennen ließen, war es eine gute Stunde lockerer, planerischer Unterhaltung.

WPG-Wertung: Chrissi: 8 (strategisch planbar, keine störenden Zufallselemente), Horst: 7 (ähnliches Thema wie „Village“, aber doch eigenständig), Walter: 7 (große Entscheidungsfreiheiten, flüssig und konstruktiv. Wollte allein wegen der eierköpfigen Wegelagerei der Schweizer Beamten nur 2 Punkte vergeben. Ach guter Matthias Cramer, hättest Du Dein Spiel nicht „Norwegen“ nennen können? Auch dort gibt es Berge, Wasser, Kühe und Milch!).

PS: Horst meinte, ein angemesseneres Motto für diese Woche wäre: „Nie wieder Schweden!“ gewesen. Doch die Schweden sind erstens großzügig, gönnen uns genauso viel wie sich selbst, und verpassen dazu Jogi Löw und Genossen eine nützliche Lehre auf dem Weg zur nächsten Weltmeisterschaft. Wir sind schon wieder ein Quentchen klüger geworden. Hoffentlich.
Dagegen ist Oliver Pochers „Nie wieder Vier-Gewinnt!“ eher einer seiner üblichen Kalauer.

2. “Im Wandel der Zeiten Würfelspiel”
Das ordentliche kleine Würfelspiel lag schon vor drei Jahren mit akzeptablem Echo bei uns auf dem Tisch. Wir würfeln um Personal, Nahrung und Einkommen. Mit dem Personal bauen wir Städte (um mehr Würfel nutzen zu dürfen) oder Monumente (für Siegpunkte), mit der Nahrung ernähren wir unsere Städter und mit dem Einkommen kaufen wir uns Errungenschaften, die uns vor Hunger, Durst und bösartigen Würfelergebnissen der Mitspieler schützen.

Gutes Würfeln am Anfang bringt – über die zusätzlichen Würfel – schnelle Vorteile, die im Prinzip nicht wieder ausgeglichen werden. „Ravensburger“ hätte die Spielidee wahrscheinlich als „Kniffel-Variante” abgetan (siehe Spielbericht vom 26.09.2012). Doch „Pegasus Spiele“ hat dem Hoffen und Träumen bei der Kombinierbarkeit von Würfeln mit einer gelungenen Materialausstattung eine Chance gegeben. Schon allein dies und die kurze Spieldauer sind einen Punkt wert.

WPG-Wertung: Chrissi: 7 (ausgewogene Würfeleigenschaften), Horst: 8 (Würfel-Fan; das Spiel kann auch solitär oder als 2-Personenspiel gespielt werden und ist für Gelegenheitsspieler anbietbar), Walter: 6 (bleibt; immerhin für „nur“ ein Würfelspiel!).

10.10.2012: Letzter Schliff vor Essen

Chrissi war mal wieder dabei. Er hat schon gespielt, da gab es den Westpark (den Park!) noch gar nicht. Und er hat bei den Westpark-Gamers schon mitgespielt, da gab es diese Gruppierung noch gar nicht: In einer familiären Runde mit Aaron, Sabina und Walter (und der ach so göttlichen Susanne!) war er eifrig bei „Civilization“ und „1830“ dabei, lange bevor durch den Zuwachs von Moritz und Peter die Westpark-Gamers gegründet wurden.
Später ist er dann sportlich zu Handball und spielerisch zu Texas Hold’em abgedriftet. Ansonsten kommt er nur noch zum Westpark, wenn ein Gourmet-Menu aufgetischt wird. Oder wenn er selber eines zubereitet. Schließlich ist er ja der Sohn des Hausherrn.

1. “Little Devils”
In dem kleinen Stichkartenspiel versucht jeder, möglichst keinen Stich zu bekommen, denn damit hagelt es Minuspunkte. Letzte Woche haben wir es in einer Dreierrunde ausprobiert und Aaron fand es „broken“. Er hegte aber die vage Hoffnung, dass es bei mehr Spielern doch noch eine gewisse Schönheit würde entfalten können.
Ob sich diese Hoffnung heute erfüllt hat, ist umstritten. Man wird immer noch gespielt. Genauso. Wer für einen Stich zufällig keine bessere Karte auf der Hand hat als die Mitspieler, kassiert die Minuspunkte. Ob das jetzt in Konkurrenz zu zwei, drei oder vier anderen Spielern entschieden wird, macht – für manche – das Kraut nicht fett. Allerdings lässt sich über erfüllte Hoffnung genauso wenig streiten wie über guten Geschmack.
Moritzens Strategie-Vorschlag, sich bei jedem Stich von Extremkarten zu trennen, ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Der einzige, vielleicht. Die kleinen Teufel bleiben heiß. Oder kalt. Alles ist relativ.
Keine neue WPG-Wertung.

2. “Dash”
Nächste Woche in Essen muss Aaron den Prototyp an Mingde zurückgeben, höchste Zeit, ihn heute nochmals auszuprobieren.
Mit den besten Poker-Kombinationen rasen wir drei mal quer durch die Straßen von Singapur. Zwei Vorrennen bringen Nägel oder Nieten ein, das Hauptrennen bestimmt den Sieger. In beiden Vorrennen können wir komplett hinter dem Ofen sitzen bleiben und Kartenkosmetik betreiben, d.h. billige niedrige Karten loswerden und die Hand mit hohen Kombinationen anreichern. Mit Drillingen und Vierständern aus Zahlen von Zwölf bis Vierzehn in die letzte Runde zu gehen, bedeutet zu dreiviertel den Sieg. Für das letzten Siegviertel braucht man dann nur noch ein ganz kleines bisschen Nachziehglück.
Chrissi verfolgte konsequent diese Strategie. Im ersten Rennen rückte er kein einziges Feld vor und der Vater fragte sich schon, ob sein Sohn das Spiel überhaupt verstanden habe. War aber so, denn im dritten Rennen sah er mit seiner präparierten Kartenhand bald wie der sichere Sieger aus. Er wäre es auch geworden, wenn Aaron ihn nicht mit bösartigen Powerkarten zurückgesetzt, und den mit letzter Lunge daherkeuchenden Günther über die Ziellinie gerettet hätte. Reine Kingmakerei! Moritz kommentierte leicht indigniert: „Du schenkst immer nur Günther den Sieg!“
WPG-Wertung: Chrissis 7 Punkte kamen aus einem überzeugten Pokerherzen.

3. “Bullenparty”
Schon zweimal am Westpark aufgelegt, stand die „Bullenparty“ diesmal explizit auf Aarons Wunschliste. In geringfügiger Konkurrenz und mit zurückhaltenden Vorlieben eignen wir uns offen ausliegende Kartenstapel mit den 6-nimmt-Hornochsenzahlen von 1 bis 104 an. Die ersteigerten Karten müssen wir auf einem (oder beliebig vielen) Privatstapeln aufsteigend ablegen. Ein einziger Stapel davon bringt Pluspunkte, alle anderen Minuspunkte.
Der Wiederspielreiz hielt sich in Grenzen. Es gibt kein Alles-oder-Nichts. Alle Stapel haben Vorteile und Nachteile. Lange können wir darüber sinnieren, welcher Stapel am besten zu unserem aktuellen Kartenstand passt. Und wir können noch länger darüber nachdenken, welche Karten aus unserer zuweilen umfangreichen Kartenhand wir in welcher Weise auf unsere Plus- und Minuspunkt-Stapel ablegen.
Nach einem Durchgang hatte Aaron genug gehört und gesehen; wir verzichteten einvernehmlich auf die süße Neige.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (reißt mich nicht vom Hocker), Chrissi: 6, Walter: 5 (2 Punkte weniger als vom ersten Eindruck).

4. “Titan – the Arena”
Ein alter Klassiker aus Moritz’ Schatzkiste. Er hat es sicherlich schon hunderttausend Mal gespielt. Höchst strukturiert konnte er die Spielregeln erklären und erhielt dafür – einmaliger Vorgang am Westpark – Applaus auf offener Szene.
Wir setzen offen und verdeckt unsere fünf Wetteinsätze auf acht Familien verschiedener Monster und versuchen, in einer Kartenspiel-Konkurrenz unsere Favoriten-Familien am Leben zu erhalten. Der Spieler, von dessen Wetteinsätzen am Ende in Summe am meisten übrig geblieben ist, hat gewonnen.
Alleine kann man nicht gewinnen. Möglichst unauffällig an Familien beteiligt zu sein, mit denen auch die anderen Spieler liebäugeln, ist unabdingbar zum Sieg. Aber das ist leichter gesagt als getan. Wenn Aaron dann noch den Tip ausgibt: „Wir vier sollten versuchen, gegen den Moritz zu spielen!“, liegt schon ziemlich fest, wer in der Arena nicht gewinnen wird.
WPG-Wertung: Chrissis 8 Punkte lagen im Durchschnitt der guten WPG-Noten.

5. “Santa Cruz”
Letzte Woche schon lag Casanova-Merkels Frischling auf dem Tisch. In zwei Runden besiedeln wir eine Insel und kassieren in zwischenschaltbaren Wertungen Siegpunkte für unser Besitztum.
Das Bestreben, möglichst schnell an vielseitige siegpunktträchtige Siedlungen heranzukommen, um bei allen Mitspielerwertungen mitzuprofitieren, beißt sich mit dem Wunsch, einseitig in die eigenen Siegpunktquellen zu investieren und hierfür alleine abzukassieren.
Unsere Meinungen gingen darüber auseinander, ob die beiden identisch ablaufenden Spielrunden ein wohldesigntes Spielelement sind, oder eher aus der Not geboren wurden, die Spielzeit von 20 auf 40 Minuten zu verlängern. Für Moritz und Walter ergänzen sich die beiden Runden mit verschiedenen spielerischen Elementen zu einem gefälligen Ganzen: In der ersten Runde dominiert das unbekannte Entdecken, in der zweiten Runde das Ausnutzen bekannter Gegebenheiten an Geographie und himmlischem Segen.
Aaron und Günther dürfen Ihre hierzu gegenteiligen Ansichten als Kommentar hinterlassen. Am besten aber wohl erst, wenn sie sich in Essen bei Herrn Merkle klüger gemacht haben.
WPG-Wertung: Moritz: 6 (erinnerte sich an eine ähnliche Spielidee, mit der er schon einmal schwanger ging), Günther: 6 (obwohl er mit dem 2-Runden-System nicht einverstanden ist).

03.10.2012: Teufeleien in der Industrie von Santa Cruz

Die Dreier-Runde schwelgte im reichlichen Platzangebot am runden Tisch vom Westpark. Horst machte den Moritz, Walter machte den Günther und Aaron versuchte eine neue Stellung auf dem Stammplatz von Loredana.

Horst war hochbeglückt, sich gleich mit drei seiner Spielvorschlägen durchsetzen zu können. Kein vermeintlicher alter Platzhirsch dominierte die Auswahl.

1. “Santa Cruz”
Ein Besiedelungsspiel von Marcel-André Casasola-Merkle. Schon beim Regelvortrag ließen seine einfachen, sauberen, wohlkonstruierten Mechanismen einen gefälligen Vorgeschmack aufkommen.

Jeder Spieler erhält einen unterschiedlichen Satz von Bewegungskarten, um per Schiff, per Kanu oder zu Fuß die Insel „Santa Cruz“ zu betreten, hierauf herumzulaufen und durch das Bauen von Häusern, Türmen und Kirchen ein paar kleckrige Siegpunkte zu erwerben.

Die Lage der Bauplätze ist auf dem Spielplan festgelegt, die zulässige Bebauungsart wird erst offenbart, wenn man sich dem Bauplatz nähert. Dann erkennt man auch dessen Sondereigenschaften wie: Fischreichtum, Schafsherden, Goldadern, Salzgruben oder Vogelnester.

Das spielentscheidene Element sind unterschiedlichen Wertungskarten, von denen jeder Spieler drei Stück in der Hand hält, mit denen er zu einem beliebigen Zeitpunkt eine Besitzstandswertung auslösen kann. Wer dann z.B. ein Haus mit Fischreichtum besitzt oder vier Häuser am Fluss gebaut hat, bekommt einen richtig klotzigen Siegpunkt-Bonus.

Eine Wertung gilt für alle Spieler, nicht nur für den, der sie auslöst. Zum guten Spiel gehört es demnach, seine Wertungskriterien möglichst schnell zu erfüllen und die Wertung auszulösen, bevor die Mitspieler die Kriterien ebenfalls erfüllt haben. Dahinter steckt natürlich auch eine gute Portion Glück; weniger in der Technik, sich selbst zu belohnen, aber umso mehr darin, bei den Wertungen der Mitspieler mitzuprotifieren. Vor allem, da zu Spielbeginn nicht bekannt ist, welche Wertungen überhaupt im Spiel sind.

Das ändert sich nach dem ersten Durchgang. Jetzt werden alle Gebäude abgeräumt und mit den gleichen Karten bei aufgedeckten Bauplätzen und bekannten Wertungen ein zweiter, ganz analoger Durchgang gespielt. Der Spieler, der aktuell hinten liegt, darf seinen Satz an Bewegungs- und Wertungskarten mit dem eines beliebigen Mitspielers tauschen. Hier sollte er vor allem auf Synergien bei den Wertungskarten achten. Wenn z.B. in zwei Wertungen das gleiche Kriterium (Fischreichtum) honoriert wird, dann kann man durch eine einzige Besitzart – früher oder später – gleich zweimal dafür Siegpunkte einheimsen.

WPG-Wertung: Aaron: 8 (schnell, locker, nette Mechanismen, Wiederspielreiz), Horst: 7 (möchte in seinen Wertungen seriöser werden), Walter: 7 (spielerisch, konstruktiv, Planungbarkeit und Zufallseinfluß gut kombiniert).

2. “Little Devils”
An jeden Spieler werden je 9 Karten mit unterschiedlichen Zahlenwerten ausgeteilt. Der erste Spieler spielt eine beliebige Zahl aus, der zweite Spieler legt eine beliebige Zahlenkarte dazu und (quasi) so tun es alle weiteren Spieler. Dann wird der “Stich” gewertet: Ist die Karte des zweiten Spielers höher als die des ersten Spielers, so bekommt derjenige den Stich, der die insgesamt höchste Zahl ausgespielt hat. Ist die Karte des zweiten Spielers niedriger als die des ersten Spielers, so bekommt derjenige den Stich, der die insgesamt … niedrigste (claro) Zahl ausgespielt hat.

Stiche zu bekommen, ist kontraproduktiv, denn jede Karten zählt entsprechend der aufgedruckten Anzahl von Teufelsköpfen (bei „6 nimmt“ entspricht das den Hornochsen) negativ. Man sucht das tunlichst zu vermeiden. Wie macht man das? Leichter gesagt als getan. Der Ausspieler bekommt den neuen Stich offensichtlich niemals. Der zweite Spieler bekommt den Stich ebenfalls nicht, wenn er einen unmittelbar benachbarten Zahlenwert legt. Dann muss (bei drei Spielern) der dritte Spieler notgedrungen in den sauren Apfel beißen. Hat der zweite Spieler aber keine benachbarte Karte, so spielt er halt eine möglichst naheliegende Karte und kann nur hoffen, dass der dritte Spieler keine Karten mit einem Zahlenwert dazwischen hat. So einfach ist das. Es soll Schlimmeres geben.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (vielleicht ist es ab 4 Personen besser), Horst: 6, Walter: 4 (allein für Preis/Leistung; mehr oder weniger ein Dödelspiel, keine Strategie, keine Taktik, keine Kartenpflege, klein Plan).

3. “Industria”
In Zweifel, ob das 12 Jahre alte Spiel in unserer heutige Runde+Stimmung geeignet war, haben wir schnell mal beim geschätzten H@LL9000 nachgeschaut. Dort schrieb Kathrin Nos: „Wer bereit ist, sich auch über eine Kennlern-Partie hinaus mit Industria zu beschäftigen, und Versteigerungsspielen nicht generell abgeneigt ist, wird mit einem anspruchsvollen, spannenden und herausfordernden Spiel belohnt und erhält einen vielschichtigen strategischen Leckerbissen serviert.“ Das klingt doch mehr als vielversprechend!

Das Regelheft läßt uns ein zum Steuern unserer „Dynastie durch die industriellen Epochen von der Tongrube bis zum Roboterwerk. Erleben Sie die Entdeckung und Nutzung der Dampfkraft, die ersten Maschinen und die Elektrizität. Errichten Sie Fabriken und sichern sie ihrer Dynastie Wege und Schiffffahrtsrechte.

„Entdecken“ und „erleben“ ist ziemlich euphemistisch ausgedrückt. Es ist ein simples pomadiges Ersteigern, das uns mit diesen technischen Errungenschaften konfrontiert, die als mäßig bunte Kartonplättchen offen ausliegen. Haben wir ein Objekt-Plättchen ersteigert, haben wir zusätzlich die vorgeschriebenen Rohstoffe zum Errichten des Objekts zur Hand, und legen wir auch noch einen vorgeschriebenen Geldbetrag drauf, dann können wir unser Sägewerk, unsere Eisenhütte, die Kokerei oder die gentechnische Fabrik auch in Betrieb nehmen und Holz, Eisen, Koks oder Homunculi für den Eigen- bzw. Fremdbedarf erzeugen.

Der ach so spannende Verteigerungsprozess ist ein totgeborenes Kind. Reihum wechselnd wählt ein Versteigerer eines von drei ausliegenden Plättchen zur Versteigerung aus und jeder Mitspieler darf genau einmal einen Geldbetrag darauf setzen. Am Ende entscheidet der Versteigerer, ob er den höchsten gebotenen Geldbetrag nimmt oder sich das versteigerte Plättchen lieber selber aneignet. Und zwar kostenlos! Nimmt er es selber, so darf der nächste Spieler das nächste Plättchen versteigern. Nimmt der Versteigerer lieber den Geldbetrag und lässt einem Mitspieler das gebotene Plättchen, so behält er die Versteigerungsrolle und darf auch das nächste Plättchen versteigern. Und so weiter …

Aus Sicht der Mitbietenden ist das ziemlich witzlos, denn für ein attraktives Plättchen können sie soviel bieten wie sie wollen, am Ende nimmt es der Versteigerer – ätschebätsch – doch an sich, und zwar ohne Rücksicht auf die auktionistischen Bemühungen aller Mitspieler. Unattraktive Plättchen kann ein Versteigerer schon mal abgegeben. Dann bekommt er kostenlos ein bisschen Geld (falls es einem Mitspieler das wert erscheint). Von den übrigen ausliegenden Plättchen kann er sich später immer noch das beste unter den Nagel reißen.

Für den Versteigerer ist es allerdings ein gewisses Risiko, nur mal so aus Jux und Tollerei unattraktive Plättchen zu versteigern. Unter Umständen bleibt er darauf hocken und muss nun seine Versteigerungsrolle abgeben. Gegen dieses Wie-die-Jungfrau-zum-Kinde-Kommen hilft nur die Triviallösung: jeweils das beste Stück zur „Versteigerung“ auswählen und es sich selber aneignen! Das ist einfach und macht das Spiel schnell. Der ganze hier vorgeschaltete Versteigerungsmechanismus ist schlichtweg für die Katz.

Auch sonst läuft das Spiel ziemlich zäh ab. Die Spieler haben nicht das geforderte Baumaterial, um ihre Fabriken zu bauen. Nicht-gebauten Fabriken können das für andere Fabriken geforderte Baumaterial nicht herstellen. In jeder Epoche fehlt es an Saft und an Kraft. Und wenn ich dann doch mal mit Blut, Schweiß und Tränen eine Eisenhütte errichten konnte, dann gibt es im gesamten Spiel maximal mal drei Abnehmer, die Interesse an meinen Produkten haben, und ich kann mit maximal drei Gulden Einkommen mein Konto beglücken. (Was immer das auch wert sein mag.)

Eine totale Fehlkonstruktion ist das „Sägewerk“. Sein Bau kostet 3 Gulden, Siegpunkte liefert es keine und siegpunktträchtige Außenwirkungen besitzt es auch nicht. Es liefert lediglich Holz, das unter Umständen 2-3 Gulden einbringt. Ein glattes Verlustgeschäft. Der unglückliche Besitzer des Baugeländes lässt diesen seinen Bauplan besser in der Schublade.

WPG-Wertung: Aaron: 4 (das Potential in Idee und Aufbau nicht genutzt, der Versteigerungsmechanismus ist „broken“), Horst: 6 (drückte sich selber in seinem Seriösierungsprozess um einen Punkt), Walter: 5 (siehe Aaron).

Über die Kernenlern-Partie hinaus werden wir uns wohl nicht mehr mit „Industria“ beschäftigen. Mein Gott, Bernd, Du hast 5 von 6 Punkten dafür vergeben! Da scheint der Michael mit seinen 3 Punkten doch eher unseren Geschmack zu repräsentieren.

4. “Trawler”
Der Abend war noch jung und Aaron durfte mit „Trawler“ seine zweite Eigenentwicklung unserem Hebammenteam vorstellen. Mit Trawler und Kutter schippern wir durch Wattenmeer und Hochsee, fangen Haie und kleine Fische, verscherbeln sie auf dem Jahrmarkt oder stellen damit ausgewählte Einkaufskörbe zusammen.

Aaron hat am Preistableau gedreht, ein neues Tiefkühlfach eingebaut und lässt fischelnde Fische verbrauchergesetzlich auf dem Müll landen. Die Balance des Ganzen sollte neu unter die Lupe genommen werden.
Leider hat uns der Autor zu Spielbeginn eine ganz wichtige Regel falsch handhaben lassen: Die Fische fliegen nicht von selber in unsere Laderäume, sondern wir müssen einen Teil der Energiepunkte unserer Fischereiflotte für deren Einladen ausgeben und können nicht alles allein für das Aufsuchen lukrativer Fischgründe verbrauchen.

Durch diesen Fehler waren alle viel agiler als vorgesehen. Die Laderäume wurden voll, die Fischgründe leer, die Kunden satt und das Spiel zu Ende. Leider keine einzige neue Erkenntnis über die aktuelle Balance. Aber in jedem Fall genügend Vorfreude auf den nächsten Test.
Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.

PS
Hallo Birgit, grüß’ mir bitte den Beißa!

26.09.2012: Rauf und Runter auf der Seidenstraße

Anfang September war Aaron auf einem dreitägigen Seminar über „Grundlagen der Spiele-Entwicklung“. Der (auch in der Spielszene) engagierte Christwart Conrad (u.a. „Pfeffersäcke“) vermittelt hoffnungsvollen und hoffnungslosen Spiele-Autoren das Rüstzeug, in ihren wild wuchernden Ideen möglicherweise genießbare Früchte zu erkennen und sie durch fachmännisches Beschneiden in bekömmliche Bahnen zu lenken.

Am Ende gab Lother Hemme von den „Ravensburgern“ noch einen Einblick in das quirlige Leben, das sich bei renommierten Spielverlagen am Eingangstor für Autoren abspielt. 1500 Spiele-Ideen werden jedes Jahr bei den Ravensburgern eingereicht. Ein Großteil davon sind (leider nur) Varianten von Mensch-ärgere-Dich-nicht, Monopoly und Kniffel. Solche werden a priori aussortiert. Etwa 500 Spiele schaffen es durch das Eingangsfilter. Die anschließenden Testprozeduren in ausgewählten Spielerkreisen benötigen nochmals bis zu einem ganzen Jahr. Solange muss der Autor warten, bis er erfährt, ob sein Spiel angenommen wird oder nicht. Nur etwa 20 der ursprünglich 1500 eingereichten Spiele schaffen die Reifeprüfung und werden produziert. Bei den Ravensburgern im Durchschnitt in einer Auflage von immerhin 65.000 Stück. Mit einem Honorar von 3 bis 6% des Händler-Einkaufspreises ist der Autor dann dabei.

21 Teilnehmer waren zur Fortbildung angetreten. Jeder hatte mindestens ein eigenes Spiel in der Tasche. Manchmal nur das Material, manchmal nur die Idee, meist aber auch beides. Aaron war mit seinem „Yunnan“ angetreten. Die Resonanz war positiv. Es gibt sogar schon einen Verlag, der dafür sein Eingangstor aufgemacht hat. Ausreichend Gründe, die Effekte der neuesten Beschneidungsmaßnahmen mal wieder unter die Lupe zu nehmen.

1. “Yunnan”
So nebenbei hatte Aaron auf dem Seminar gelernt, wie man richtige Spielschachteln bastelt. Flugs hatte er sein Wissen umgesetzt: aus einer perfekten Box mit gefälligem Design und professionellen Aufschriften für Spieleranzahl, Spiedauer und Schwierigkeitsgrad brachte er seine Pöppel, Scheiben, Klötzchen, Spielplan, und Kurzanleitungen hervor. (Siehe Bild!)Yunnan box & contents
Wir managen Händler, Schlägerbanden, Pferde, Kontore und Bergstraßen. Wir ersteigern die Steigerung der Potenz oder wir gehen zur Bank und kassieren Teile des öffentlichen Potenzsteigerungserlöses. Wir machen Gewinne, die wir in Siegpunkte umwandeln oder uns für unsere nächsten Investitionen in Bargeld ausschütten lassen.

Aarons letzte Änderungen gingen im Wesentlichen gegen die Übermächtigkeit der Bank: Wer sich auf den Entwicklungsleisten engagiert hat, darf jetzt nicht mehr in die Bank gehen, und wer in die Bank gegangen ist, darf sich nicht mehr entwickeln. Zudem zahlt die Bank nur noch einen Bruchteil des dort eingesammelten Geldes. Die Kontore wurden lukrativer gemacht und ein zu einseitiges Vorpreschen der Händler wurde erschwert. Moritz grummelte: „Komisch, dass Du immer die Regeln gegen die Strategien änderst, mit denen ich jeweils gewonnen habe!“

Aber Moritz wäre nicht Moritz, wenn er nicht sofort eine neue aussichtsreiche Strategie ausfindig machen würde. Er behielt immer nur genau soviel Geld zurück, wie er für den nächsten genau anvisierten Entwicklungsschritt benötigte und legte den Rest unverzüglich in Siegpunkten an. Damit kam er vom Start weg auf der Siegpunktleiste voran und drohte, vorzeitig die Sieg-Ende-Bedingung zu erfüllen. Sofort machte sich auch Walter diese Strategie zu eigen, und zwar so erfolgreich, dass er nach wenigen Runden weit vor Moritz, Aaron und Günther (sic!) die Ziellinie überschritt.
Vergeblich versuchte Günther zu argumentieren, dass diese offensichtliche Siegstrategie eigentlich keine Strategie sei, dass es mathematisch gesehen absolut unerheblich sei, zu welchem Zeitpunkt man sein Geld in Siegpunkte verwandelt, wenn man es nur rechtzeitig vor Schluss täte. Er drang damit nicht durch. Wer hört schon auf den Letzten! The winner takes it all!

Neue Regeln, neue Erfahrungen. Aaron schlug gleich eine zweite Runde mit ein paar bereits vorbereiteten Erweiterungen vor. Frohgemut wurde der Vorschlag angenommen. Lust und Frust in der Seidenstraße waren weiterhin ungebrochen.

Nun kamen zufallsgestreute Ereigniskarten ins Spiel, die auf das Händlergetümmel in der Seidenstraße einwirkten: in jeder Region wird die Anzahl der Händler begrenzt. Von den überzähligen Händlern werden diejenigen mit den schwächsten Schlägerbanden entfernt. Diese Neuerung erwischte heute immer wieder Moritz. Entweder hatte er die schwächsten Fäuste aufzuweisen oder er war gemäß Zugreihenfolge der Betroffene: ein, zwei, ja sogar drei seiner Händler mussten zurück in die Heimatfront befördert werden. Diese Schlüsselzuweisung ging ihm gewaltig auf den Keks. „Dann höre ich sofort auf!“ tönte er aufgebracht, als er mal wieder zwei Händler verlieren sollte. Er wollte die Belastung auf mehrere Köpfe verteilt sehen. Nur mit vereinten Engelszungen ließ er sich doch noch umstimmen, die Original-Spielregel des Autors unverändert zu akzeptieren. Doch er ließ zu Protokoll geben: „Ich finde diese Regel Scheiße!“ Wie kann man eine kreative Künstlernatur auch dazu zwingen, lebenswichtige Spielzüge unerbittlich genau dann zu tun, wenn sie notwendig sind!

Sein Spieleifer war gebrochen, nur noch „aus Höflichkeit“ spielte er bis zum Ende weiter. „Man wird gespielt! Es werden zu wenig Zugmöglichkeiten geboten, und über die muss man auch noch lange nachdenken!“ Ach Gott, wie lange würde ein Spiel am Westpark dauern, wenn es zu viele Zugmöglichkeiten gäbe, über die man auch noch lange nachdenken könnte!

Die unstreitig eingeschränkte Zugauswahl lag heute auch daran, dass kein einziger Spieler in die Bank ging. Die paar Kröten, die es dort gab, waren den Verzicht auf jeglichen Entwicklungsfortschritt nicht wert. Diese Restriktion mußte gelockert werden. Auf zum dritten Versuch. Immer noch mit Begeisterung. Ohne Gegenstimme. Mit freiem Zutritt zur Bank!

Beim dritten Spiel durfte man wieder gleichzeitig entwickeln und banken. Günther ging als Startspieler schnurstracks in die Bank. Da gerade in der Startphase für die Entwicklung keine Kosten gescheut werden, wurde er hier auch bei dem geringeren Bruchteil an Geld-Ausschüttung so reichlich mit Finanzmitteln eingedeckt, dass er die spätere Materialschlacht um Händler, Pferde und Kontore mit großem Vorsprung gewinnen konnte. Die Flügel der Banken müssen wieder beschnitten werden. Aaron weiß schon, wie.

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entwicklungsphase.

“PS: Schachtel”
Bei MS-WORD habe ich ein Synonym für das Wort „Schachtel“ gesucht. Was glaubt Ihr wohl, was dort alles angeboten wird?! Von „Dose“ und „Behälter“ gelangt man über „Beleidigung“ bis hin zur „Frau“! – Ach, meine schmutzige Phantasie will die Synomye jetzt nicht weiter hinterfragen …

05.09.2012: Luminaria eruditio praecox

Kickstarter” ist eine Internetplattform zur Finanzierung von Projekten über das Sammeln von Geldern aus einer breitgetreuten Öffentlichkeit (“crowdfunding”). Die Kapitalsucher, vor allem Künstler und Erfinder, geben eine Mindestsumme vor, die erreicht werden muss, damit ihr Projekt realisiert wird. Ist die Summe beisammen und wird das Produkt – eine Symphonie, ein Film, ein Spiel – hergestellt, so erhalten die Kapitelgeber ein Exemplar davon. (Eine Garantie für die Lieferung der versprochenen Leistungen oder für die zweckgerechte Verwendung des zugesagten Geldes gibt es allerdings nicht.)

Aaron, Günther und Moritz haben sich an Crowdfunding-Projekten für Spiele beteiligt. Moritz war jetzt der erste Glückliche, dessen Projekt verwirklicht wurde. Mit nur minimalen Schwierigkeiten beim Münchener Zoll und mit nicht ganz so minimalen Aufschlägen für Porto und Verpackung konnte er sein subskribiertes „Road to Enlightenment“ in Empfang nehmen. Dazu später.

1. “Bullenparty”
Vorab zum Warming-Up das Hornochsenspiel von letzter Woche. Wir ersteigern Hornochsenkarten, um sie sauber aufsteigend geordnet auf unserem einen Siegpunktstapel abzulegen oder weniger geordnet auf ein bis viele Strafpunktstapel zu verteilen.

Horst als Neuling versuchte sich mit der natürlichen kleckerigen Vorgehenweise, jeweils wenige aber passende Karten zu ersteigern, um möglichst ohne Strafpunkte auszukommen. Die anderen drei hatten schon Günther klotzige Raffstrategie verinnerlicht und nahmen alles mit, was sich anbot, Hauptsache viel. Für eine großen Geist sind die Strafstapel keine Abschreckung.

Günther war trotz der beiden gleichfalls allesfressenden Konkurrenten der weitaus erfolgreichste Bulle. Irgendwie schaffte er es, nicht nur viele, sondern vor allem auch dicke Hornochsen auf seinem Haben-Konto zu verbuchen. Das eigentlich ganz einfache Kartenspiel enthält doch mehr Facetten taktischer Feinheiten als der gesunde Menschenverstand es anfangs vermuten läßt.

Moritz war trotzdem nicht zufrieden: „Das Spiel gefällt mir immer weniger. Man muß einfach dumpf alle Karten nehmen! Das Spiel ist nicht direkt spannend.“ Dass es mit dem dumpfen Kartennehmen allein nicht getan ist, zeigte Güthers deutlicher Sieg. Man braucht auch ein geschicktes Strafkartenstapelmanagement. Für mehr Moritzsche Spannung schlug Günther vor, bei der nächste Auflage Orcs anstatt Hornochsen aufzudrucken. Damit ist allerdings dessen Bedürfnis nach eleganten Kampfwürfeln noch nicht befriedigt.

WPG-Wertung: Horst bliebt mit seinen 6 Punkten weitestgehend im WPG-Durchschnitt.

2. “Road to Enlightenment”
Moritz hatte sich letzte Woche auf dieses sein Kickstarter-Spiel vorbereitet. Für heute hatte er leider schon wieder alles vergessen. Etwas mühselig und beladen schleppten wir uns durch die 11 eng bedruckten Seiten höchst anspruchsvoller Spielanleitung.Road to Enlightenment card

Der Spielplan zeigt Europa nach dem 30-jährigen Krieg. Das malträtierte Deutschland ist zersplittert von Oslo bis Neapel. Kompakt präsentieren sich darum herum die stolzen Nationen wie England, Frankreich, Österreich, Polen, Schweden, und ein bisschen abseits Russland und Spanien. Diese Nationen warten nur darauf, sich das eine oder andere Stück vom Nachbarland unter den Nagel zu reißen. Ganz von der Ferne könnte hier das phantastische „Friedrich“ Inspirationswellen ausgesendet haben.

Der Motor des Spiels sind 134 verschiedene, höchst elegante Kampfkarten, mit Persönlichkeiten aus den Gebieten Militär, Politik, Wissenschaft, Kunst und Religion. Daraus sucht sich jeder frei Hand (aber verdeckt) ein zehnköpfiges Ensemble zusammen, mit dem er in den Ring steigt. Bei jedem Zug darf ein Spieler all seine Kampfkarten ausspielen, entweder in einem oder zwei Angriffen, für Gelderwerb (der Krieg ist teuer und ernährt sich keinesfalls selber) oder für Erfolge in seiner Aufklärung. Ein Spieler darf auch ein paar Karten zurückhalten, um sie später zur Verteidigung einzusetzen, wenn er selber einmal angegriffen werden sollte.

Bei einem Angriff werden die Stärkepunkte jeder gespielten Karte (Werte zwischen 0 und 5) zusammengezählt, dazu noch das Angriffspotential einer Nation (Werte zwischen 4 und 10) und ggf. ein Angriffsbonus seines Maximo Leader (0 bis 2). Für jeden hier aufaddierten Punkt darf man einen eleganten Kampfwürfel in die Hand nehmen und damit um den Sieg würfeln. Schafft man es, mit allen Kampfwürfeln zusammen insgesamt vier Sechsen zu würfeln, so ist die Schlacht gewonnen und die gegnerische Stadt eingenommen. Der Theorie nach sollte man das im Durchschnitt mit vierundzwanzig Würfeln schaffen, wir brauchten heute in der Praxis deutlich mehr und so mancher hoffnungsvolle Angriff versandete in läppischen Zweien und Dreiern.

Road to Enlightenment boardWalters massiver Angriff auf das katholische Schlesien wurde hingegen schon im Entstehen von Moritz mit einer einzigen Kampfkarte abgewürgt: Papst Innozenz XI luchste ihm mittels seiner Finanzkraft mehr als die Hälfte aller Kampfwürfel ab. Das brachte den schwedischen König Karl XII natürlich gewaltig in Harnisch. Sein Wunschtraum, eine Nacht in der Münchener Residenz verbringen zu können, war zerstoben. Am liebsten hätte er das bereits zwei Stunden lang dahindümpelnde Spiel unverzüglich abgebrochen. Doch er fand dafür bei seinen Mitkönigen keine Unterstützung.

„Road to Enlightenment“ ist ja auch kein Kriegsspiel. Moritz betonte es immer wieder und verfolgte in seinem Vorgehen auch eine ganz andere, vielversprechendere Strategie. Er brach keinen einzigen Krieg vom Zaun, dagegen arbeitete er hartnäckig, konsequent und ununterbrochen an seiner Aufklärung. In Wissenschaft und Kunst war er bald auf unerreichten Höhen, und schlußendlich konnte er die Waagschale auch noch zugunsten des Katholizismus kippen lassen. Das brachte ihm den Sieg.

Doch das Spiel funktioniert nicht. Hier nur ein Ausschnitt aus der Mängelliste:

  • Kein Spannungsbogen, von Anfang bis Ende der gleiche, zäh Ablaufmechanismus
  • Für den gleichförmigen Spielverlauf sind drei Stunden Spielzeit – bei nur vier von sieben Mitspielern! – viel zu lange
  • Die militärischen Aktionen sind viel zu aufwendig und viel zu wenig honoriert. Davon sollte man die Finger lassen. Damit aber sind 90% des Spielbretts überflüssig und der ganze Kampf reduziert sich auf ein Herumgeschiebe auf den drei Entwicklungsachsen Religion, Wissenschaft und Kunst.
  • Kein einziges Mal wurde gegen Mitspieler gekämpft. (Alles brotarme Erobern ging gegen das beklagenswerte Deuschland.) Warum sollte man auch zuerst eine teure Diplomatiekarte ausspielen um dann in einen riskanten Mitspielerkrieg zu ziehen, wo man gegen das neutrale Deutschland doch alles viel billiger und sicherer bekommt?
  • Polen focht keinen einzigen Seekampf. Dazu ist seine Hausmacht auch viel zu klein. Warum wird diese Alternative dann aber überhaupt angeboten? England focht ausschließlich Seekämpfe. Notgedrungen. Warum hat es dann aber überhaupt eine (mickrige) Landstreitkraft?
  • Die 134 verschiedenen Kampfkarten sind unnötig kompliziert, mühsam zu händeln und auszurechnen, und doch – außer bei einigen chaotischen Sonderwirkungen – ist ihr Effekt zu monton. Weniger wäre mehr.
  • Der Geldetat der verschienden Nationen ist absolut funktionslos. Bei dem wenigen Krieg, den man sinnvollerweise führen sollte und kann, ist die Kriegskasse immer voll. Man braucht keinerlei Anstrengung auf den Gelderwerb zu verwenden.

Die Ungereimtheiten des Spiels ernteten aber bald kein mißbilligendes Nasenrümpfen mehr, sie wurden eher mit einem schallenden Gelächter quittiert. Moritz fiel dazu eine Situation aus dem englischen Fernsehen ein, die ebenfalls schallendes Gelächter auslöste. Der erste Teil der Pointe war: „Wie kann man sich nur über etwas so Winziges derart freuen!“

Auf der Positiv-Seite sei vermerkt, dass das Spielmaterial höchst professionell hergestellt ist: bester Karton, Hochglanz-Karten, saubere Gulden und griffige Klötzchen in einer stabilen Schachtel. So wird das Material wohl auch in die ewigen Jagdgründe eingehen.

WPG-Wertung: Günther: 2 (der Autor hätte die jahrelange Arbeit, 134 verschiedene Persönlichkeiten zu skalieren, besser in funktionierende Spielmechanismen investiert), Horst 3 (es ist ein Wargame ohne War), Moritz: 4 (für den Entwicklungsaufwand des Autors. Viele hübsche Ideen sind angedacht, doch das Spiel hat Probleme), Walter: 3 (Fleißarbeit in Geographie und Geschichte macht noch kein spielbares Spiel).

Aaron und Günther fiebern schon ihren eigenen Crowdfunding-Spielen entgegen. Jetzt mit noch erhöhter Zitterfrequenz. Moritz freut sich schon darauf, die Kickstarter-Variation für „1830“ in die Pfanne zu hauen.

3. “Trans Europa”
Die Diskussion, ob man beim Bau des Schienennetzes zuerst in seiner eigenen Schwerpunktecke, oder eher im gemeinsamen Zentrum anfangen soll, hat nach wie vor keinen klärenden Abschluß gefunden. Wie sollte man das auch entscheiden?

Walter versuchte es mit folgender Aufgabenstellung: Jeder bekam die gleichen Städte London, Warschau, Riga, St. Petersburg und Sofia zugeteilt und sollte geheim aufschreiben, an welcher Stelle er anfangen würde. Zwei Fraktionen schälten sich heraus: Die „Berliner“ fingen im Zentrum an, die „Warschauer“ auf ihrerer eigenen Seite. Doch welche Fraktion wäre besser aufgestellt gewesen? Kann da jemand Entscheidungshilfe beisteuern?

Kein neue WPG-Wertung.

4. “Bluff”
Keine besonderen Vorkommnisse. Horst konnte die Absackerpartie mit 5:0 für sich entscheiden.

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

“PS”
1. Nicht Horst’s Nachbar ist abgebrannt, nur dessen Hecke. Es war aber ein beeindruckendes Schauspiel.
2. Hallo Aaron, hast Du die ägyptischen Korallen-Nixen alle selber flicken können und hast Du dazu die Hilfe von Basti in Anspruch nehmen müssen?

29.08.2012: Gruß aus Singapur

Meng Tuck, genannt Mingde, ein Student aus Singapur, war vor zehn Jahren regelmäßiger Gast am Westpark. Bei Drachengold, Acquire, Junta, Emmerlaüs, Carcassonne, Dune, Gangland und Origins of World War II war er mit wachsender Begeisterung dabei. Beim ersten Besuch mußte ihm Peter noch verklickern, dass wir nicht um hohe Geldbeträge zocken, sondern die Freude am Spiel das einzige Motiv unserer Spielabende war.

Als er in seine Heimat zurückkehrte, nahm er den festen Vorsatz mit, auch in Südostasien das gesellschaftliche Brettspielen zu praktizieren. Offensichtlich mit Erfolg. Er betätigte sich sogar als Spieleerfinder und gründete mit „Cardboard Island Games“ einen Spieleverlag. Damit war er letztes Jahr auf der „Spiel 2011“ in Essen mit einem eigenen Stand vertreten. In der Hauptsache aus Marketinggründen; das Material seiner Spieleerfindungen lag nur als Prototyp vor. Abhängig von der Nachfrage sollte entschieden werden, ob das Spiel in die Produktion gehen sollte oder nicht.
Die Würfel sind gefallen, Mingde war zufrieden. Heuer in Essen werden seine Spiele erstmal zum Verkauf angeboten. Wir erhielten zum Spielen und Testen eine Vorabversion.

1. “Dash”
„Dash“ ist nicht nur ein kurzer waagrechter Strich, das englische Wort bedeutet auch so viel wie flitzen oder lospreschen. In „Dash“ geht es um ein Wettrennen. Im das Stadtgebiet von Singapur müssen wir zwei Vorlaufrennen und ein Finale bestreiten.

Um im Rennen vorwärts ziehen zu dürfen, müssen wir einen Rennkarten-Kampf a la Poker gewinnen. Wer die höchste Einer-Karte, das höchste Pärchen oder das höchste Trio (Street, Flash oder Drilling) ausspielt, hat die Runde gewonnen und zieht 2, 5 oder gar 8 Felder vorwärts, alle anderen kommen auch ein Stück vorwärts, aber signifikant weniger weit. Der Startspieler einer Bietrunde entscheidet, ob mit 1, 2 oder 3 Rennkarten gekämpft wird. Der Gewinner einer Runde ist der nächste Startspieler.

Dash – Endspurt im dritten Rennen

In einer Runde darf ein Spieler beliebig oft eine weitere Kartenkombination ausspielen. Jede Kombination muß – im Poker-Sinne – höherwertig sein als der Vorgänger. Zwischen zwei Kartenkombinationen darf ein Spieler zusätzlich noch „Powerkarten“ ausspielen: diese gewähren ihm Vorteile wie additive Vorwärtsschritte oder ein Auffüllen der Kartenhand; leider sind darunter auch ein paar chaotische Ärgerkarten, z.B. einen beliebigen Spieler um einige Felder zurückzusetzen oder – via Sonder-Powerkarten – ihm einige Karten aus seiner Kartenhand zu entfernen. Offensichtlich geht es in der Welt nicht ohne solche destruktiven Elemente.

Als Kartenreservoir besitzt jeder Spieler das gleiche Set von 70 Rennkarten. Davon darf er maximal 11 Karten auf der Hand halten. Ein Kartenset muss für alle drei Rennen ausreichen. Die Karten sind knapp kalkuliert. Wer sich zu früh verausgabt, bleibt früher oder später auf der Strecke. Dabei kann man es sich allerdings leisten, in den ersten beiden Rennen das Ziel in weiter Ferne zu lassen. Nur das letzte Rennen entscheidet über Sieg oder Niederlage.

Warum überhaupt die Vorlaufrennen? Der Sieger erhält eine Anzahl Sonder-Powerkarten, die er sich für das letzte und entscheidende Rennen aufsparen sollte. Mit den Vorlaufrennen kann und sollte man natürlich auch Kartenpflege betreiben: kleine, schwache Einzelkarten zielbewußt und emotionslos abwerfen, um später mit einer geballten Hand von hochkarätigen Drillingen das Finale zu bestreiten.
Leider ist der Bonus durch die Sonder-Powerkarten erstens zufallsgesteuert und zweitens nicht übermäßig mächtig. Wer z.B. drei gleiche Trap-Karten zieht, mit denen er seinen Mitspielern Steine (Durian = Stinkfrucht genannt) in den Weg legen dürfte, dem Rennverlauf aber gerade Letzter ist und diese Stink-Steine nur hinter sich selbst, nicht aber vor die Füße der Gegner legen darf, der hat gar nichts davon.

Moritz fand hier sofort eine vorzügliche Verbesserung: Die Sonder-Powerkarten, die für den Sieg in einem Vorlauf zu gewinnen sind, sollten offen ausliegen, und der Sieger sollte sich seine Prämie daraus frei auswählen dürfen. Damit bekämen die Vorläufe eine deutlich höhere Bedeutung, und man würde sie nicht nur als lästige Pflichtaufgabe absolvieren, um sich erst im Finale ins Zeug zu legen.

Insgesamt eine hübsche Kombinatiion aus Stichspiel und Wettrennen. Eine ganze Reihe verschiedener Spielelemente ist harmonisch zu einem recht interaktiven Spiel vereinigt. Das Spielmaterial ist höchst gediegen, das Regelheft übersichtlich und klar. Für ein Erstlingswerk eine sehr ansprechende Leistung.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (aus seiner Erinnerung von Essen 2011), Günther: 6 (durch Tuning könnte man daraus sogar ein 8er-Spiel machen, Moritz: 7 (neuartige gefällige Grafik, auch für Gelegenheitsspieler geeignet), Walter: 7 (plus Mingde-Bonus minus Ärger-Karten).

2. “Dominant Species – The Card Game”
Das Kartenspiel um das evolutionäre Gerangel (siehe Session-Report vom 22.08.2012) hat bei uns Freunde und Gegner: zweimal die Note 8 und zweimal die Note 3! Günther, der von seinen Spielvorlieben her eher eine Affinität zur 3-Punkte-Franktion hat, stand Moritz’s Spielvorschlag zunächst skeptisch gegenüber. Als ehrlicher Makler sollte er dann aber eine abschließende Entscheidung fällen.
Gleich bei der Kartenausteilung zeigte sich ein – in meinen Augen entscheidender – Nachteil zu „Dash“: Die Mitspieler bekommen unterschiedlich wertige Karten aus einem für alle gemeinsamen Kartenset zufällig zugeteilt. Wer Glück hat, schwelgt in hochwertigen Würmern und Vögeln, wer Pech hat dümpelt mit minderwertigen Spinnen und Affen durch die Natur.

Moritz’ ursprüngliche Kartenhand bestand aus fünf Sonderkarten und nur zwei Tierkarten. Damit mußte er sich nolens volens zurückhalten und paßte die ersten drei Runden. Günthers Hand strotzte vor mickrigen 2er und 3er Tieren, mit denen er ebenfalls keinen Pappenstil gewinnen konnte. (Entweder aus Prinzip oder weil er das Spiel noch nicht kannte, verfiel er deswegen aber nicht in ein berühmt-berüchtigtes Karten-Beklage-Gejammer.) Walter konnte sein Glück vor lauter 8er Tieren gar nicht fassen.

Moritzens Erste-3-Runden-Passen wurde als Taktik angesehen: Kartenpflege für die lukrativen Runden am Ende. Schließlich werden allein in den letzten beiden Runden (= 20% des Spiels) vierzig Punkte (= fast 50% der Gesamt-Punkte) vergeben. Günther und Walter konterten mit einer Absprache: Bei geringsten Geboten an Zahlen und Symbolen beendeten sie jeweils mit Gleichstand die Bietrunde; beide strichen jeweils die vollen Siegprämien ein.

Auch Moritz reihte sich später in die Kooperationsstrategie ein, sobald ein Spieler schwächelte. Die Kartenhände wuchsen ins Unermessliche (na ja). Auch dieser Effekt scheint uns mit dem festen Kartenlimit bei „Dash“ besser gelöst. Alles spitzte sich auf eine Materialschlacht in den letzten Runden zu.

Jetzt mußte man seine Kartenhand natürlich frühzeitig leerspielen. Weil in jeder Runde jeder ja nur maximal soviel Karten spielen darf, wie der schwächste im Bunde, konnte man mit einer Minimalhand seine Gegner unter Druck setzen. Am Ende entschied Günther mit mächtigen Powerkarten die zehnte Runde für sich. In der Gesamtwertung reichte es aber nicht, seine Durststrecke im Mittelteil wettzumachen. Auch Moritz konnte seinen unfreiwilligen Spar-Rückstand aus den Anfangsrunden nicht wieder aufholen.

WPG-Wertung: Günther: 6 (locker), Moritz: 8 (besser als „Schnuff“ – spielt er das etwa schon mit seinem Sohn Milo?), Walter: 5 (hat sich an die Ärgerkarten gewöhnt).

3. “Bullenparty”
Die Familie der Hornochsen aus der Gattung „6 nimmt“ hat wieder Nachwuchs bekommen. Diesmal hat aber der Hausfreund seine Hände (oder was auch immer) im Spiel (oder wo auch immer) gehabt: Die Karten mit den Zahlen von 1 bis 100 und einer unterschiedlichen Anzahl von Hornochsensymbolen sind geblieben. Charakter und Spieltechnik sind hingegen total anders.

Auf dem Tisch liegt – a la „6 nimmt“ – eine Anzahl von Kartenreihen. Jeder hat 5 Zahlenkarten und einen Null-Ochsen in der Hand und spielt davon verdeckt eine Karte aus. Wer den Null-Ochsen spielt, nimmt diese Karte wieder auf die Hand und geht in die nächste Runde. Wer eine Zahlenkarte spielt, muß diese Karte abgeben und nimmt sich dafür einen der ausliegenden Stapel auf die Hand. Die niedrigste Karte darf zuerst wählen.

Jetzt muß er bis auf 5 alle Zahlenkarten seiner Hand ablegen: wohlgeordnet aufsteigend auf offen vor sich ausliegende Kartenstapel. Die Hornochsen in einem dieser Stapel sind am Ende seine Siegpunkte, die Hornochseln in allen anderen Stapeln sind Minuspunkte.

Vor den Minuspunkten braucht man keine Angst zu haben. Früher oder später sind sie unvermeidlich. Man kann beliebig viele 1-ochsige Strafpunkt-Stapel anlegen und hat doch erst eine Handvoll Minuspunkte auf seinem Konto. Schafft man es aber, die hochzähligen Hornochsenkarten alle auf seinem einen Siegpunkt-Stapel – wohlgemerkt wohlgeordnet – unterzubringen, und kassiert auch noch die Ochsenprämie für aufgenommende Stapel der Länge 5, so ist einem der Sieg nicht mehr zu nehmen. Günther verfolgte diese Divertimento-Politik. Mit fünf schlanken Strafstapeln und einem dickbäuchigen Siegesstapel kam er auf über 50 Siegpunkte. Walter gelang das Kunststück, alle seine Karten auf einem einzigen (Gewinn-)Stapel abzulegen. Er kam dabei aber nur auf 33 Siegpunkte.

Fazit: Jeder Strafstapel sollte zur Zahl der enthaltenen Hornochsen auch mit konstanten 5 Minuspunkte bestraft werden. Oder mit der geometischen Reihe von 1, 3, 6, 10 … Minuspunkten. Damit würde der intelligente Gourmet und nicht der stumpfsinnige Gourmand belohnt.

WPG-Wertung: Günther: 6 (man muß mehr überlegen als bei „6-nimmt“. Walters Frage: auch bei der Gourmand-Strategie?), Moritz: 6 (gut durchdacht, Kramer ist immer noch besser als Knitzia), Walter: 7 (neuartige Hornochsen-Herausforderung)

3. Feuer in Nachbars Garten
Horst mußte zwei Stunden vor Beginn kurzfristig den Spielabend absagen. Das Haus seines Nachbarn brannte! Die Asche regnete schon in seinen Garten herüber.

Hallo Horst, ich hoffe, dass der Brand inzwischen gelöscht ist, und Du nicht wie die armen Opfer der Schwabinger Bombensprengung ins Obdachlosenasyl umziehen mußt.

22.08.2012: Die Evolution der Meilensteine

Ein großes Regengebiet kam von Augsburg her in Richtung München gezogen. Die Warnsignale standen schon alle auf rot. Doch dann löste es sich ganz friedlich auf, und der Niederschlagsradar ließ bis weit in die Nacht hinein auf eitel Sonnenschein schließen.

Niederschlagsradar München
Zum ersten Mal in diesem Jahr spielten wir am Westpark wieder im Freien auf der Terrasse. Zum ersten Mal wurde der sonst übliche Rotwein durch einen Weißwein ersetzt. Mit oder ohne Sprudel. Mit oder ohne Aperol. Prost.

1. “Dominant Species – The Card Game”
Zu dem aufwändigen (gefälligen und offensichtlich auch geschäftlich erfolgreichen) Brettspiel hat GMT Games unter dem gleichen Namen jetzt ein Kartenspiel herausgebracht, um auf der Spezies-Welle noch ein bißchen herumzureiten. Doch außer dem Titelbild hat das Kartenspiel mit dem Brettspiel nichts gemein.

Jeder bekommt sechs Spezies-Karten in die Hand. Darauf sind verschiedene Tierklassen (Insekten, Spinnen – keine Insekten!, Reptilien, Vögel und Affenartige) abgebildet. Da das Spiel einen rein abstrakten Spielcharakter besitzt, hätte man hier auch einfach, und sogar für mehr Übersichtlichkeit, die simplen Farben rot, grün, gelb oder blau etc. draufmalen können. Daneben besitzt jede Karte zwei Stärkeeigenschaften: einen absoluten „Nahrungsketten“-Wert, und einen relativen Nahrungs-Wert, der sich auf eine bestimmte Nahrung (Würmer, Wasser, Licht, Luft und Sonne) bezieht.
Reihum spielen die Spieler jeweils eine Karte aus. Insgesamt beliebig viele. Wer keine Karte mehr spielen will, paßt; die anderen können ihren Kartenvorrat bis zur bitteren Neige verausgaben. Am Ende zieht jeder zwei neue Karten nach. Offensichtlich: Wer sein Kartenpotential in der ersten Runde vollständig verspielt, muß in allen folgenden Runden von den zwei nachgezogenen Karten leben. Wer hingegen neun Runden lang paßt, dem stehen in der letzten Runde 24 (= 6 + 9 * 2) Karten zur Verfügung. Die richtige Dosis im Kleckern und Klotzen bei der Kartenzugabe ist die Herausforderung des Spiels.

Die Karten spielt man aus, um damit ein offen ausliegendes „Biome“ zu ersteigern. Nach LEO ist das ein Organismenkollektiv, bei „Dominat Spezies“ versteht darunter eine Nahrungskombination, bestehend aus Würmern, Wasser … . Sind auf dem Biome z.B. Würmer abgebildet, so erhält der Spieler, der in dieser Runde auf seinen ausgespielten Spezieskarten die meisten Würmer hat, 1 – 3 Siegpunkte. Zusätzlich erhält der Spieler, dessen ausgespielte Spezies-Karten in der Summe den höchsten Nahrungsketten-Wert aufweist, eine von Runde zu Runde wachsende Anzahl von Siegpunkten, und er steigt auf dem Überlebenspfad (ebenfalls ein Siegpunkt-trächtiges Spielelement) eine Stufe höher.

Soweit ist das Ganze ja noch übersichtlich und linear. Jeder Spieler kann beim Zugeben von Karten kalkulieren, ob er in dieser Runde noch berechtigte Hoffnung hat, von allen Mitspielern z.B. die meisten Würmer auf den Tisch legen zu können, oder ob er seine Würmerkarten besser für spätere Runden aufheben soll. Doch etwa die Hälfte aller Spezieskarten beinhalten einen zusätzlichen negativen Effekt auf Karten der Mitspieler: sie machen gesunde Tiere krank, so dass sie nur noch die Hälfte ihrer Stärke besitzen, und sie machen kranke Tiere tot, mit einer entsprechend noch drastischeren Auswirkung auf ihre Potenz. Wie es sich für ein ordentlich-chaotisches Spiel gehört, ist der betroffene Mitspieler und seine ausliegende Spezies-Karte frei wählbar. Ein bewährtes Mittel, sich Feinde zu schaffen.

Damit das Ganze noch ein bißchen witziger wird, sind unter die Spezies-Karten auch noch Sonder-Karten eingestreut, die zum Teil den Wert der eigenen Auslage fördern, zum größten Teil aber die Auslage der Mitspieler gravierend beeinträchtigen, wie z.B.

  • Eliminiere alle ausliegenden Karten einer von dir frei wählbaren Tieart
  • Eliminiere alle kranken Tiere
  • Mache zwei beliebige fremde Tiere krank oder ein gesundes Tier ganz tot

Zur Kleckern- oder Klotzen-Herausforderung des Spiels kommt demnach noch die Lösung folgender drei Aufgaben

  • Spiele deine Karten so in der Reihenfolge, dass du möglichst wenig geschädigt werden kannst: die billigen Karten also zuerst (= nobrainer)
  • Spiele deine Karten so in der Reihenfolge, dass du deine Mitspieler möglichst viel schädigst: die mächtigsten Karten also zuletzt (= nobrainer)
  • Spiele deine Karten so, dass du dir möglichst wenig Feinde machst, damit sie hinterher nicht geballt alle auf dich losgehen. (Das entspricht eher schon der Quadratur des Kreises)

Aaron fand, das Spiel sei „ein Stochern im Nebel“. Von Walter darauf aufmerksam gemacht, dass „Stochern“ so etwas wie ein Ziel voraussetzen würde, verbesserte er auf „ein Torkeln im Nebel“. Auch stöhnte er dazwischen: „Diese Karte ist so ein Scheiß, aber ich spiele sie schon mal.“ Damit hatte er die Empfindungen von der Hälfte der heutigen Teilnehmer auf den Punkt gebracht. Die andere Hälfte war eher euphorisch.

Moritz als Erster auf dem Überlebenspfad bekam in der Schlußwertung dafür sogar noch weitere 5 Siegpunkte; Walter als Letztem wurden 5 Siegpunkte abgezogen. Reine Tautologie. Die Ungarn sagen dazu: „A kutya is oda szarik, ahol már van.“ Die Deutschen haben ein ähnliches Sprichwort mit dem Teufel statt des Hundes.

WPG-Wertung: Aaron: 3 (verständliche Regeln), Horst: 8 (würde ich jederzeit wieder spielen), Moritz: 7 (locker), Walter: 3 (das Spiel funktioniert, doch es macht mir kein Vergnügen, mir von anderen in die Suppe spucken zu lassen. Das Umgekehrte übrigens auch nicht.)

Moritz 7 Punkte verhinderten, dass „Dominat Spezies“ ein Kandidat für unseren Preis „Horst des Monats“ wird. Wobei ich mich manchmal frage, ob hinter Horsts Wertungsnoten nicht ein gutes Stück Verarschung steckt. (Entschuldigung)

2. “Milestones”
Auf Deutsch heißt das wohl „Meilenstein“. Moritz kannte noch eine andere Bedeutung des englischen Wortes, er verriet sie aber nicht. Der Themenkreis war aber eindeutig. Es wird wohl so etwas wie ein „Joystick“ sein. Die Wortspiele um die herrlichsten Dinge der Welt ließen heute die Arbeit an den Meilensteinen der Welt von Stefan Dorra und Ralf zur Linde munter fortfließen.

Auf einem hübschen Parcours, läßt jeder seinen Pöppel um fünf Stationen kreisen:

  • seine Arbeiter auf den seinen Feldern arbeiten zu lassen, um Rohstoffe (Stein, Sand, Holz) sowie Getreide und Münzen zu gewinnen
  • im Handelshaus mit Münzen neue Felder resp. Arbeiter einzukaufen.
  • via Bauamt aus Rohstoffen öffentliche Straßen, Häuser und Märkte zu bauen und dafür Siegpunkte zu kassieren
  • in der Mühle das Getreide zu Mehl zu mahlen und damit die Märkte versorgen. Auch dabei springen Siegpunkte heraus.
  • in der Burg seine überzähligen Vorräte abgeben und eine Ruhepause einlegen

Jeder kann den Parcours so schnell wie er will zurücklegen und dabei beliebig viele Stationen auslassen. Nur in der Burg muß er eine Pause einlegen und verliert auch einen Arbeiter. Ansonsten ist es ein ewiger – und leider auch ziemlich gleichförmiger – Kreislauf um den Erwerb und die Nutzung von Rohstoffen.

Interaktion ist Mangelware. Es ist eher ein simultanes Solitärspiel für 2 bis 4 Mitspieler. Die gebauten Straßen, Häuser und Märkte werden an den verschiedenen Stellen des Spielplans unterschiedlich honoriert und jeder möchte natürlich an die besten Bauplätze herankommen. Doch bei der Unberechenbarkeit des gemeinsam gebauten Wegenetzes ist dieser Konkurrenzeffekt eher vernachlässigbar. Keiner von uns hat auch nur einmal zwei Züge vorausgeplant, um später an der besten erreichbaren Stelle den größten Profit einzuheimsen; jeder hat seine Arbeiter auf Anschaffe geschickt und dann mehr oder weniger opportunistisch von der Hand in den Mund geschaut, was er dafür bekommt.

WPG-Wertung: Aaron: 4 (unübersichtliche Punktezählerei für 1-2 Zusatzeinheiten), Horst: 4 (unspannend, wenig planbar, hält Ludoversums Einschätzung: „nach Village der nächste Kracher auf dem Markt“ für eine Frechheit, Moritz: 4 (ein paar nette Ideen, insbesondere der Parcours, ansonsten passiert zu wenig), Walter: 4 (nach 2-3 Runden hat sich das Spiel eingeschwungen, dann läuft alles im gleichen Trott).

3. “6-nimmt”
Der alte Klassiker ließ gleich wieder unsere Diskussion aufflammen, ob es sich hier um ein taktisch-strategisches Spiel oder um ein Glückspiel handelt. Vor Jahren war unser Thomas schon mal mit dem Glücksspiel-Beweis gescheitert, als er alle seine auszuspielenden Karten nach einem blinden Zufallsverfahren auswählte. Er landete damals weit unter Durchschnitt.

Auf der anderen Seite verficht Walter lautstark den taktischen Charakter. Heute geriet er mit seinen kritischen Post-Mortem-Kommentaren, wann und wo Moritz seine „104“ hätte einsetzten sollen, leicht in den Geruch von Klugscheißerei. Dann ließen sich die beiden auf ein Experiment ein: Moritz durfte ihm eine beliebige Kartenhand vorgeben (es waren die Karten 1 bis 6 und 101 bis 104), mit der er gegen die regulär ausgeteilten Karten der drei Mitspieler antreten sollte. Experiment geglückt: Walter landete mit 13 Minuspunkten deutlich über Durchschnitt.