16.01.2013: Familienplanung

„Von ihren Bräuchen ist folgender der gescheiteste [, der sich, wie ich höre, auch bei den illyrischen Enetern finden soll]. Einmal in jedem Jahr werden in jedem Dorf alle Mädchen, die in das mannbare Alter gekommen waren, zusammengeholt und auf einem Platz versammelt. Um sie im Kreis herum scharten sich die Männer. Dann ruft der Herold auf und verkaufte sie, eine nach der anderen. Zuerst die schönste von allen, dann die zweitschönste usw. … Wenn der Herold mit dem Verkauf der schönsten Mädchen zu Ende war, rief er die häßlichste auf. Er schlug sie dem zu, der sie für den geringsten Preis haben wollte. Dann die zweithäßlichste usw. .. Das Gold als Zugabe für die häßlichen wurde von dem Erlös für die schönen Jungfrauen genommen.“
(Herodot, um 450 v. Chr.)
Ist dieses Versteigerungsprinzip schon als Mechanismus in einem Spiel eingebaut worden? Hallo Maximilian, kannst Du davon nichts gebrauchen?

1. “La Familia – noch in der Planung”
Maximilian Thiel ist ein blitzschneller Baumeister bemerkenswerter Spiele. In drei Tagen hat er ein spielerisches Rom gebaut, zwei Stunden später hat er es wieder eingerissen und eine weitere halbe Stunde später ein Byzanz daraus gemacht.

Ein Teil der Familie
Ein Teil der Familie

An Weihnachten hat er mit seinem Bruder „Risiko“ gespielt. Dabei vermißte er eine strategische Komponente. Schnell hat er eine hinzugefügt (eine? Hunderte!), mit Bruder und anderen Risiko-Konsorten ausgetestet und sich jetzt am Westpark gemeldet, um es auch den dortigen strategischen Wölfen vorzuwerfen.
Als Thema könnte die Mafia untergelegt werden. Nicht die Welt wird verteilt, sondern nur der italienische Stiefel. Der Arbeitsname ist “La Familia”.
Wie ging nochmal „Risiko“? Ach ja, wir besitzen Armeen, würfeln damit die Armeen der Nachbarländer tot, kriegen neue und mehr Armeen, machen noch mehr Nachbarländer platt, bis wir schließlich die Welt erobert (Entschuldigung: befreit!) haben. Oder wenigstens als erster unsere Siegbedingung erfüllen.
Was sind jetzt Maximilians stragegische Balkone?

  • Der Startspieler wechselt reihum. Nun ja, nur bedingt strategisch. Oder gab es das auch schon bei Risiko?
  • Wir können uns nicht einfach mit Geld neue Armeen kaufen, wir müssen dazu erst Lizenzen erwerben.
  • Mit den Lizenzen dürfen wir auch nicht sofort auf den Militärmarkt gehen, wir müssen erst unser Lizenz-Nutzungs-Limit erhöhen.
  • Angriffe auf Nachbarländer erfolgen nicht reihum und direkt, sondern mit verdeckt gelegten “Befehlsmarkern”, die Angriff, Verteidigung oder Steuereinnahmen (für neue Lizenzen oder Armeen) signalisieren. Nun ja, so ganz strategisch ist diese neue Technik wohl nicht.
  • Wir bauen Städte und Hauptstädte, um Steuereinnahmen und militärische Stärke zu erhöhen.
  • Wir legen uns Kanonen und Schutzwälle zu, ebenfalls zur Förderung unserer militärischen Potenz.
  • Wir engagieren uns in der Lobby, um auch politischen Einfluß zu bekommen. Erst die Summe aus Politik und militärischer Präsenz macht am Ende den Sieg aus.

Unverändert beibehalten hat Maximilian das elegante Kampfwürfelsystem von “Risiko”. Die Anzahl der Angreifer-Armeen bestimmt die Anzahl der Würfel, mit denen wir unsere Nachbarn plattmachen. Oder auch nicht. Leider ist dieses Element bei allem Drum-Rum von Einfluß, Lizenzen, Limits, Kanonen und Schutzwällen immer noch recht dominant. Der Risiko-Freund findet sich schnell zurecht, der Stratege weiß (noch) nicht so recht, wo er dran ist. Es wird viel geplant, ausgewählt, gekauft, aufgerüstet, aufmarschiert – am Ende entscheidet doch noch im Wesentlichen der Würfel über Erfolg oder Mißerfolg jedes Vorgehens.
20 Minuten lang bauten Maximilian und Aaron das Spiel auf, eine gute Stunde lang erklärte Maximilian – häufig genug von den üblichen Westpark-Fragern unterbrochen – die Spielregeln. In 20 Minuten führten wir unsere Spielzüge für die Startaufstellung durch. Dann fing das Spiel mit der ersten von maximal sechs Spielrunden an. Eine halbe Stunde dauerte die erste Runde. Die zweite vielleicht noch länger, schließlich gab es mehr Objekte zu bedienen und mehr Konfliktsituationen zu bewältigen. Nach zwei Stunden war das Spiel eingeschwungen, ein Sieger stand noch nicht fest, aber der weitere Spielablauf ließ sich extrapolieren. Ziemlich linear. Höchste Zeit aufzuhören und Bilanz zu ziehen.
Die Steuereinnahmen müssen kräftiger sprudeln. Die Verteidigung darf – durch den Würfelbonus – nicht so leicht gemacht sein, die Angriffe müssen erfolgversprechender werden. Zivile Einrichtungen müssen effizienter, der Einfluß der Lobby muß stärker werden. Es bleibt zu befürchten, dass mit diesen Änderungen die zarten Ansätze der Dynamik-Steigerung noch nicht hoch genug fliegen; dann muss auch an diesen Schrauben noch gedreht werden.
Und der gesamte Spielverlauf muss beschleunigt werden. Mit weniger statt mit mehr. Wie auch immer. Ideen sind viele diskutiert werden. Maximilian wird’s schon richten. Morgen wird „La Familia“ schon gestuzt und/oder gewachsen sein. Dann werden vielleicht schon Paten die neuen Drahtzieher geworden sein. Und sie werden in drei statt in vier Stunden den Stiefel unter sich aufgeteilt haben.
Keine WPG-Wertung für ein Spiel im Umbruch..