20.02.2013: Der Westpark im Asyl

Unser Malermeister Stefan werkelt wieder am Westpark. Jetzt werden die Treppen geschliffen und gestrichen. Dank modernster Staubsauger hält sich der anfallende Staub in Grenzen, doch als Spiellokalität kann die Baustelle nicht benutzt werden. Peter und Loredana sprangen als Gastgeber ein und luden in ihre wunderschöne Wohnung nach Schwabing ein. Nach zwölf Jahren gemeinsamen Westparkgamerns war Walter erstmals dort zu Gast.

1. “Yunnan”

Yunnan - Tee- und Pferderoute
Yunnan – Tee- und Pferderoute

Argentum hat Aarons Eigenentwicklung fest in den Griff genommen, um es dieses Jahr in Essen herauszubringen. Es kommt nochmals ein ganz neuer Wind hinein, wenn ein Profi-Verlag den letzten Schliff an einer Spieleentwicklung übernimmt. Das Neudesign des Spielbretts mit seinen spieltechnischen Merkhilfen hat auch in unseren Augen eine ganze Stufe neuer Qualität hinzugewonnen. Die verschiedenen Stärken und Schwächen der Mitspieler-Entwicklung sind jetzt auf einen Blick für jedermann erkennbar. Ein Teil der unvermeidlichen Rechenarbeit (Additionen und Multiplikationen im unteren Zahlenraum) wird von Tabellen übernommen.

Eine ganze Reihe Testgruppen von Gelegenheits- bis zu Vielspielern durften bei Argentum ihren Senf abgeben. Nach Ansicht des Verlags „verlief jede Partie anders“. Was zweifellos als Qualitätsmerkmal anzusehen ist. Zu groß ist das Angebot alternativer Gewinnstrategien, von denen sich jede einzelne innerhalb eines bestimmten Mitspielerchaos’ (= im positiven Gewurl der verschiedenen Mitspieler-Ambitionen) als überaus erfolgreich erweisen kann, und mit der man zum Sieg schießt. Das Schießen liegt aber nicht an einer ausufernden Balance, sondern an der Vielzahl aussichtsreicher Zug-Optionen. Aaron hast die verschiedenen Möglichkeiten nicht ausgebremst, um die Mitspieler auf einen goldenen Mittelweg zu zwingen, sondern er hat sie gefördert, so dass jede einzelne für sich die Chance auf einen Gesamtsieg bietet. Und für das nächste Spiel Überlegungen herausfordert, diesen Siegespfad entweder selber zu nutzen oder den anderen zu verbauen.

Auf dem Aktionen-Tableau, wo die einzelnen Spieler um ihre Entwicklungsfortschritte an Masse und Beweglichkeit, an Stärke und Resourcen bieten, findet ein regsamer Verdrängungswettbewerb statt. Ein sicheres Indiz für eine wohlporportionierte Bilanz von Angebot, daraus resultierenden Vorteilen und vorhandener Geldmasse. Und wenn zu viele Mitspieler sich hier einmal ambitioniert verausgaben, dann lohnt sich ein einmaliger, schneller Gang zur Bank, um für die nächsten paar Runden alle Geldsorgen loszuwerden.

Nach einer knappen Stunde Spielzeit ist die Schlacht geschlagen. Neuling (und Hausherr) Peter gewann. Vor Günther. Entweder ein Zeichen für seine überragende Intelligenz und Spielplanung, oder ein Zeichen für die vielen netten Überraschungen, die Yunnan bereithält. Alle Verlierer wußten oder ahnten, dass sie etwas falsch gemacht hatten. Nur Aaron hatte alles richtig gemacht. Er war der Non-playing-Protokollführer und sammelte Erfahrungspunkte für neue Detailgespräche mit dem Argentum Verlag.

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entwicklung.

2. “T-Rex”
Gastgeber Peter forderte nostalgischen Spielgenuß und legte eine ganze Latte alter und antiquierter Spiele aufs Parkett. „San Juan“ : das geht doch bloß zu viert! „Bluff“ : doch nicht den ganzen restlichen Abend! „Havoc“ : etwas zu pokerig, und was der Spiele und der Ablehungsslogans noch mehr sind. Schließlich landeten wir bei „T-Rex“, vor 10 Jahren gleich zweimal von Aaron und Moritz mit einem englisch-sprachigen Report bedacht.
Jeder Spieler hat das gleiche Set von Karten, von dem er aber immer nur einen zufällig ausgewählten Teil zum Spielen auf der Hand hält; die restlichen Karten liegen als verdeckte Nachziehstapel auf dem Tisch.

Reihum spielt jeder Spieler eine Karte aus und darf dann

  • ein bis drei Karten nachziehen

oder

  • eine Wertung einleiten

Ist eine Wertung eingeleitet, darf jeder Spieler noch genau eine Karte spielen (mit den gleichen Effekten wie oben). Ist eine der nachgespielten Karten wiederum Wertung-einleitend und mit zwar mit höheren Wert als die aktuelle Karte, so wird die Wertungseinleitung prolongiert, d.h. jeder Spieler darf / muss jetzt noch eine Karte spielen. Danach wird geschaut, wer die höchstwertige Karte vor sich liegen hat. Dieser Spieler bekommt ein einfarbiges Kuckucksei. Wer am Ende die meisten Eier hat, hat gewonnen. Gleichfarbige Eier bringen eine quadratische steigende Siegpunktquote.

Eine Mischung aus Glück und Mitspielerchaos führen zum Sieg. Man kann das auf zweierlei Weise angehen:
Ernsthaft: dann geht das Ganze ziemlich verkniffen über die Bühne
Locker: dann ist das ein reiner Zeitvertreib.

Wir spielten es überwiegend locker. Unsere begleitenden locker-lästerlichen Kommentare veranlaßten Peter zum leidensvollen Kommentar: „Mit Euch spiele ich das nicht mehr!“

WPG-Wertung: Aaron: reduzierte seine vor 10 Jahren vergebenen 7 Punkte auf 5, Günther: gesellte sich mit erstmal vergebenen 5 Punkten dazu, die anderen blieben bei ihrer im Schnitt 2 Punkte höhreren Wertung.

3. “Traumfabrik”
Aaron suchte mittels seines „Spielefinder“ (ein Menue-Punkt links auf unserer Internet-Seite) ein 5-Personen-Spiel, das Loredana glücklich macht. Die ehemals ausgiebig getesteten 2-Personen-Spiele mit Peter werden schon lange nicht mehr kommentiert. Wir landeten bei der „Traumfabrik“, vor 9 ½ Jahren letztmals am Westpark aufgelegt, mit 10 Punkten von Peter und 9 von Loredana höchlichst eingestuft.

Aaron kramte etwas süffisant unsere damalige Spielkritik hervor:

Dabei handelt es sich doch nur um ein simples Versteigerungsspiel. Keine großen Strategien, keine rätselhaften Abenteuer, keine tödlichen Gladiatoren-Kämpfe, lediglich trivialer Geldeinsatz zum Anwerben von Personal für die Realisierung von Filmprojekten.“ und „Jeder verfolgt seine eigene Strategie des ersten Anscheines, ohne viele Gedanken daran zu verschwenden, welcher Blumentopf dabei herausspringen könnte. Zum Glück, denn wenn alle die wahre, geprüfte und für gut befundene Strategie einschlagen, dann ist Traumfabrik nur noch ein Versteigerungsspiel. Ein simples.“

Zweifellos muss man das Prinzip loben, wie die gebotenen Summen für Regisseure, Kamera, Schauspieler, Spezialeffekte und Musik wieder unter die Leute gebracht werden. Einer guten Designidee entsprechen auch die beiden Felder, in denen die Filmrollen nicht versteigert werden, sondern von denen jeder Mitspieler genau eine Rolle kostenfrei bekommt, so dass auch ein Spieler, der sich bei einer Versteigerung gerade total verausgabt hat, nicht rundenlang nur passiv zuschauen muss.

Und die Querwirkungen von aktuellem Besitztum und Startspielerposition auf Bonuspunkte und Zugriffsvorteile stellen sogar eine planerische Herausforderung dar. Daneben sind Filmtitel wie „Vom Winde verweht“ und Schauspieler wie „Marilyn Monroe“ durchaus von cineastischer Attraktivität.

WPG-Wertung: Aaron reduzierte schon wieder seine vor 10 Jahren vergebenen 7 Punkte auf 5, Loredana reduzierte auf 7, die anderen wollten Peters 10-Punkte-Euphorie nicht weiter beschädigen.

4. “Bluff”
Heiße Diskussion um das regelgerechte Nachwürfeln. In der „Spielerweiterung für ultracoole Zocker“ heißt es dazu wörtlich: „Während eines Durchgangs hat jeder Spieler die Möglichkeit, neu zu würfeln.“ Gilt diese Zusatzregel auch für den Startspieler? Darf auch der Startspieler würfeln, die Würfel anschauen, einen oder mehrere Würfel offen herauslegen, eine beliebige erste Vorgabe machen und dann die restlichen Würfeln nachwürfeln? Ist dem Startspieler diese Option genommen, oder gilt das „während“ im Regelheft – in älteren Auflagen sogar noch unterstrichen – auch für dem Beginn eines Durchgangs? Günther plädierte aus Symmetriegründen heftig für das Recht des Startspielers auf eine im Prinzip unsinnige und bei uns noch nie praktizierte Zusatzaktion.

Ändert sich der Spielcharakter, wenn der Startspieler nach seinem ersten Wurf einen Würfel herauslegt und nachwürfelt? Alle hielten den Unterschied für „minimal“, nur Peter empfand ihn als „monströs“ und versuchte dies leidenschaftlich bis verzweifelnd seinen vernagelten Mitspielern klar zu machen. Endlich ging der Versammlung das Licht auf: Legt der Startspieler einen Würfel heraus und würfelt nach, so sind die Augenzahlen aller verdeckten Würfel stochastisch gleichverteilt. Selbst für einen dummen Computer wäre es ein Kinderspiel, die Wahrscheinlichkeiten für Erhöhen oder Anzweifeln zu berechnen. Das Bluff-Element ist gleich Null!

Leitet der Startspieler aber anhand lediglich seines Erstwurfes die Zocker-Sequenz ein, dann wird das Spiel seinem Namen gerecht, erst dann hat das überaus reizvolle psychologische Bluff-Element seinen würdigen Platz bekommen! Wirklich ein monströser Unterschied!

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

3 Gedanken zu „20.02.2013: Der Westpark im Asyl“

  1. Eure Diskussion bezueglich BLUFF verfolgend, habe ich mir gedacht maile ich mal Richard Borg selbst an. Fuer mich als Liars-Dice-1989-Selbst-Nachbauer auch die ueberraschende Antwort

    Hi Tom
    You may place die or dice out and re-roll any time. The First player may do this action.

    Richard Borg

    Viel Spass und Aaron viel Glueck mit seinem Prototyp

  2. Hallo Tom,

    diese Antwort überrascht mich jetzt auch. Denn, wie Peter erklärte und Walter beschrieb, wird dadurch dem Spiel solange die Bluff-Komponente genommen, bis jemand nicht mehr rauslegt, was ja irgendwie dem Spiel (-Namen) widerspricht.

    Yunnan: Habe am Samstag mit Argentum gesprochen. Wenn alles so weiterläuft wie geplant, erscheint es zur Spiel 2013.

    Aaron

  3. Ich finde diese Bluffregelung gut und hatte ja auch nichts anderes erwartet… :-)
    (jetzt müssen wir Peter nur noch davon überzeugen, dass im Endspiel mit einem Würfel der Startspieler mit ca. 48,6% Gewinnwahrscheinlichkeit leicht benachteiligt ist…)

Kommentare sind geschlossen.