04.06.2014: Wechselbäder in Lucca

Aus gegebenem Anlaß ein Wort über unser Selbstverständnis als Spieler und Kritiker.

Wir spielen ausschließlich zum Vergnügen. Als private Freizeitbeschäftigung. Wir tragen keine Verantwortung dafür, dass Nicht-Spieler ans Spielen herangeführt werden oder dass „die Stellung des Spiels als Kulturgut in der Gesellschaft“ gestärkt wird (sinngemäß vom „Verein Spiel des Jahres“). Wir sind keine Missionare.

Wir achten nicht darauf, ob ein simples Spiel auch von einem einfachen Gemüt noch verstanden werden kann, oder ob ein komplexes Spiel an Spielefreaks genügend Herausforderungen stellt. Wir spielen Spiele – zugegebenermaßen möglichst viele – um des Spielen und des Kennenlernen willens.

Unsere Kritiken sind keine juristischen Gutachten. Sie stellen subjektive Eindrücke von uns subjektiven Spielern dar. Auch wenn wir uns dabei bemühen, sachlich haltbare Tatsachen vorzubringen. Sachlich im Sinne von formulierbaren Qualitätsmaßstäben. Wer uns kennt, wer über unsere Spielberichte unsere Spielcharaktere kennengelernt hat, der kann unsere Aussagen einschätzen und sie als Wegweiser benutzen. Wegweiser zu UNSEREN Wegen, denen man folgen oder denen man ausweichen kann.

Wie andere spielen, ist uns nicht gleichgültig. Und wenn sie eine ähnliche Spielauffassung haben wie wir, freut uns das. Dabei ist es völlig egal, ob wir dann gemeinsam eine Mehrheit oder Minderheit sind. Möge jeder auf seine Weise glücklich werden.

"Lucca" in "Splendor" - kleine und grosse Schachteln
“Lucca” in “Splendor” – kleine und grosse Schachteln
1. “Splendor”

Aaron und Walter bemühten sich mit vereinten Kräften, Günther die Regeln beizubringen (siehe Spielbericht von letzte Woche). Doch wie sagt schon das Sprichwort: zwei Köche verderben den Brei. Wo einer ein Detail für höchst relevant hält, findet der andere das ganz nebensächlich. Und umgekehrt. Natürlich wollte Günther alles ganz genau wissen, z.B. die Verteilung der Farben, Preise und Prämien auf allen drei Karten-Ebenen. Das kann schließlich alles einen entscheidenen Einfluß auf die Gewinnstrategie haben. Wenn die schnurzige Antwort „Alles ist gleichverteilt!“ sachlich falsch ist, wird ein scharfer Dominion-Analyist gleich auf eine falsche Fährte geführt. Jedenfalls dauerte Günthers Einführung länger als 20 Minuten und es blieb immer noch ein vager Eindruck von Ungenügen in der Luft. Dabei schreibt Hachen Darkpact im Internet: „Die Regel ist kurz und schnell begriffen. Und sie ist auch so einfach, das sogar mein 7-jähriger problemlos mitspielen kann, wenn er auch noch nicht die besten Entscheidungen triff.“

Was sind schon richtige Entscheidungen? Eine einzige Farbe sammeln oder viele? Viele Chips horten oder immer voll investiert sein? Ist Wertkarten zu reservieren ein guter Zug oder verschenkt man damit grundsätzlich Tempo? Die Aussage von Tric-Trac „Wichtig ist das Reservieren: Ich kann mir eine Karte nehmen und bekomme dafür obendrein noch Gold“ halte ich schlichtwegs für eine Fehlinformation: Statt drei Chips, erhalte ich beim Reservieren nämlich nur einen Chip. Das kann nur in seltenen Fällen gut sein.
Ich wage mich jetzt auch mal selber an Spieltips und bin bereit, dafür öffentlich Prügel einzustreichen:

  • Nehme dir immer drei Chips, wenn du das darfst, d.h. wenn drei verschiedene Farben angeboten werden.
  • Nehme immer die Karte, für die du am wenigsten zahlen musst. Bei Preisgleichheit nimm’ die Karten mit dem größten Rabatt.

Das gilt zumindest für die erste Hälfte des Spiels. Und das läßt sich sogar theoretisch begründen. (Hier jetzt nicht!)

In der zweiten Spielhälfte geht es natürlich darum, die dicksten Siegpunkte einzufahren. Besonders auch über die kostenlosen Adeligen. Deswegen sollte man nach der halben Wegstrecke mal kurz innehalten, eine Bilanz ziehen und das eigene – ungerichtet erstandene – Besitztum mit dem der Mitspieler vergleichen, um entsprechend die finalen Ambitionen abzustecken. Jetzt kann es sogar noch einmal spannend werden. Die positive Spielstimmung von Das-SpielEn.de, wenn sie hier einen „Sog erleben, der durch das Kartensammeln und die Suche nach dem richtigen Zeitpunkt zum Umschwenken auf die Siegpunkte entsteht“, klingt durchaus glaubwürdig.

Aber „Strategien“ sind das nicht, was man bei „Splendor“ anwendet. Es gibt keine langfristigen, grundsätzlichen Erwägungen, in welche Richtung man sein Spiel gestalten sollte. Alles nützt für irgendwas. Hier akzeptiere ich eher Tric-Trac’s Aussage: „Das Zauberwort ist Flexibilität“, auf gut Deutsch: Man soll halt das tun, was sich im Augenblick gerade als günstig anbietet. Lebenswichtig ist aber kein einziger Zug, alles funktioniert eher vor sich pritschelnd. Und wenn das Glück richtig pritschelt, bekommt man mehr „Günstiges“ angeboten als die Mitspieler, und man gewinnt.

Das geht meistens recht knapp aus. „Oft gab es mehrere Spieler, die gleichzeitig die Grenze von 15 Siegpunkten überschritten“ schreibt die Pöppelkiste. Bei uns war das auch so. Das ergibt natürlich ein spannendes Finish. Und ein Unterlegener mag sein Glück erneut versuchen wollen und eine Revanche fordern. Wenn ihm danach ist. Uns war eher nicht danach. „Würdest Du jetzt mit Spaß noch eine Runde spielen?“ wurde Günther gefragt. „Nein, es ist ja noch nicht halb zwei in der Nacht!“

WPG-Wertung: Günther reihte sich mit seinen 5 Punkten im oberen Bereich der WPG-Noten ein (man kann drauf los spielen, ein bißchen in Richtung auf ein gezieltes Abräumen der höherwertigen Karten. Auf andere zu achten und gegen sie zu spielen: das kann man vergessen), Aaron unterstrich seine bisherige Wertung: „Auf keinen Fall mehr als 5 Punkte!“

„Wo ist hier der Pfiff für die Platzierung auf der Auswahlliste zum Spiel das Jahres?“ – „Da mußt Du bloß mal ’Camel up’ kennenlernen!“ – Oh Gott, was kommt da wieder auf uns zu?!

2. “Lucca the city of games”
Eines kleines Kartenspiel in einer hübschen, kleinen, dem Spielmaterial angemessenen Blechdose. Vor 9 Jahren wurde seine Mutter unter dem Namen “Lucca Città” geboren. Sie lag schon bei uns auf dem Tisch und wurde mit gebremtem Entzücken aufgenommen. Letztes Jahre erschien sein Ableger mit verschiedenen kleinen Wucherungen, den uns Günther heute servierte. Unsere größten Erwartungen gingen in die Richtung, ob sich unser 9-Jahre-älter-geworden-Sein in unserer Spieleinschätzung bemerkbar machen würde.

Das Spielprinzip in „Lucca“ ist gleichgeblieben. 110 Karten zeigen Gebäudeteile mit Fenstern, Wappen und Hausnummern in sechs verschiedenen Farben. Auf dem Tisch liegen davon jeweils zufällig gemischte 3er Kartensets in einer offenen Auslagen. Reihum nimmt jeder Spieler ein Set davon und sortiert die Karten nach Farben bei sich ein. Sobald fünf Karten einer Farbe beisammen sind, ist ein „Haus“ fertig gebaut und der Erbauer bekommt Siegpunkte. Je mehr Fenster, desto mehr Punkte. Je mehr Wappen, desto Startspieler.

In der nächsten Runde muss ein fertiges Haus auch noch „geöffnet“ werden. Dann bekommt man Siegpunkte für jede ausliegende Karte bei den Mitspielern. Kann ganz schön ertragreich sein. Allerdings nicht unbedingt kalkulierbar.

In der Spielerweiterung muss man nicht jede Karte für den Hausbau verwenden, man kann damit auch eine „Stadtmauer“ errichten und bekommt dafür am Ende Prämien für alle fertig gestellen eigenen Häuser. Oder war das früher auch schon so?

Neu sind vor allem Joker-Karten, die man für jede beliebige Hausfarbe verwenden kann. Und neu sind vielleicht auch die Festungen, die ebenfalls additive Siegpunkte in der Schlußwertung bringen. Doch wie sagte schon der alte Lateiner: „Im Süden nichts Neues!“ Oder stammt das von weisen Salomon?

WPG-Wertung: Keine Änderung, alle blieben bei ihren mäßigen 5 Punkten.

Wo würden wir jetzt lieber baden, im Glanz oder in Lucca? Aaron war für das nasse Angebot, Walter für das luftige. Aber nur, wenn es sein muß. Günther mußte nicht.

3. “Nobiles”

Aaron ließ mal wieder die aktuelle Fassung seiner neuesten Spielentwicklung testen. Wir sind immer noch bei den Ostfriesen und versuchen mit vereinten Kräften, die Naturkatastrophen abzuwehren. Der Häuptling hat davon den größten Nutzen, weshalb es für jeden Spieler zwei Ziele gibt: Entweder Häuptling werden und die Natur meistern, oder die Natur die Meisterschaft lassen und den Häuptling stürzen.

Bei einem sehr guten Spiel müssen die Anstrengungen, Häuptling zu werden und es bleiben können, korreliert sein mit dem Gewinn, den man daraus erzielen kann. Und die Mitspieler müssen die Chance haben, den König zu stürzen, gegebenenfalls mit erheblichen Verlusten. Einsatz und Gewinn, Besitztumswahrung und Verlust, Hoffnungen und Risiken müssen in eine optimale und zugleich spielerische Balance gebracht werden. Noch gibt es an den Nobiles etwas zu feilen.

Politische Weisheit: „In Ostfriesland trifft es halt alle, nicht nur den Häuptling! – In Bayern würde es den Häuptling niemals treffen!“

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.

“AbluXXen” is our Game of the Month

AbluXXen TitelThis little card game by the Kramer/Kiesling team offers a thrilling battle for the highest and thickest card multi-tuple. On each turn, even those of your fellow gamers, everyone is involved. This interactivity is highly complex and the goddess of fortune is also given a nice spot. But according to the law of large numbers, the influence of luck is balanced out sooner or later.

You have options; you actually have a lot of options. And throughout the game you can hope to have made the right choices in each of your turns. Well, what more can you expect from a card game?

“AbluXXen” ist unser Spiel des Monats

AbluXXen TitelDieses kleine Kartenspiel des Autorenduos Kramer/Kiesling bietet einen spannenden Kampf um die höchsten und dicksten Karten-Multitupel. Bei jedem Zug, auch dem der Mitspieler, ist man involviert. Dabei ist diese Interaktivität höchst komplex und der Glücksgöttin ist ebenfalls ein hübsches Plätzchen eingeräumt. Aber nach dem Gesetz der großen Zahl gleicht sich der Glückseinfluss früher oder später wieder aus.

Man kann etwas tun, man kann sogar viel tun. Und man kann das ganze Spiel über hoffen, mit jedem Zug das Richtige getan zu haben. Was kann man von einem Kartenspiel eigentlich mehr erwarten?

28.05.2014: Friedrich glänzt

“Der Geist des Kartenspiels hat einen demoralisierenden Einfluss, weil man auf alle Weise, durch jeden Streich und jeden Schlich dem anderen das Seinige abgewinnen will. Die Gewohnheit wurzelt ein, greift über ins praktische Leben, und man kommt allmählich dahin, in den Angelegenheiten des Mein und Dein es ebenso zu machen.” (Arthur Schopenhauer)

Ganz ehrlich: Der Typ hat eine Menge Scheiß geschrieben. Warum ist er eigentlich ein Philosoph?

LauterFriedrichs1. “Friedrich”
Schon als sich für heute eine Dreierrunde abzeichnete, schlug Walter den alten Fritz als abendfüllendes Programm vor. Es gab keine Widerrede. Ganz im Gegenteil: Moritz meldete sich von einer Konzertreise mit: „Neid! Da wäre ich gerne dabei!“

Sechs Mal lag „Friedrich“ bei uns bereits auf dem Tisch. Das letzte Mal vor ziemlich genau sechs Jahren. Peter las sich zur Vorbereitung in die Reports ein und bekam erhebliches nostalgisches Herzweh, als er sich das damalige muntere Leben und Lieben von Hans und Loredana nochmals vor Augen führen konnte.

„Friedrich“ ist ein großes Spiel. Das Thema stimmt. Die für Freund und Feind faszinierende Figur von Friedrich, dem Großen, ist phantastisch umgesetzt. Welche Rolle auch immer wir spielen, Preussen, Russen, Österreicher oder Franzosen: der vielseitige Kampf gegeneinander spiegelt die historischen Gegebenheiten. So wie sie waren oder wie sie hätten sein können.

Dabei ist „Friedrich“ trotz aller Generäle und Armeen kein eigentliches Kriegsspiel, bei dem es um globales Morden geht. Viel mehr stehen im Vordergrund die absolut lokalen Spielziele, das kleine (und leichte) Erobern einiger weniger auserwählter Städte. Und dagegen steht Preussens Aufgabe, in jeder Ecke seines Territoriums wenigstens eine Stadt zu halten. Solange Colberg in preussischer Hand ist, können weder die Russen noch die Schweden gewinnen. Solange Magdeburg gegenüber den Franzosen verteidigt wird, können auch diese ihr SPIELziel nicht erreichen. Österreich und Preussen haben in Sachsen und Schlesien lange gemeinsame Frontlinien, in denen sie sich gegenseitig wehtun können und müssen. Es ist aber trotzdem kein vernichtendes Zuschlagen, sondern ein intelligentes taktisches Lavieren um lang- und kurzfristige Vorteile.

Wie man laviert, worauf jede Partei aufpassen muss, was man früher und was man später tun sollte: über die vielen hunderte vernünftigen und auch wichtigen Zugmöglichkeiten, und über die wunderbaren Mechanismen, mit denen Richard Sivél Balance und spielerische Momente in sein Werk eingebracht hat, will ich hier nichts mehr schreiben. In den acht Friedrich-Artikeln auf unserer Internetseite ist doch schon eine ganze Menge dazu gesagt. Ansonsten ist „Friedrich“ unerschöpflich wie das Meer.

Friedlich und konstruktiv verlief Peters Auffrischung der Spielregeln. Friedlich verteilten wir die Rollen: Walter bekam Preussen und Hannover, Aaron Österreich und die Reichsarmee, und Peter die Randstaaten Russland, Schweden und Frankreich. Die Russen machten sich unverzüglich auf zu ihrem Eroberungszug nach Ostpreussen und Pommern. Mit etwas Glück konnte aber Generalfeldmarschall Lehwald Königsberg entsetzen und einen voreiligen russischen Endsieg verhindern. Mit der ersten Schicksalskarte starb dann auch schon die Zarin Elisabeth und ihre Nachfolgerin Katharina die Große zog aus Sympathie zu Friedrich die russischen Truppen von den Vielvölkerschlachten zurück.

In Schlesien wurde heute zwischen Österreichern und Preussen lediglich ein recht unbeweglicher Stellungskrieg geführt. Kein Wunder, dass Aaron hinterher von seiner Rolle etwas enttäuscht war. Auch seine Reichsarmee konnte ihm nicht viel Freude machen. Statt aus Kruppstahl ist sie eher nur ein Espenlaub und gerät schon ins Zittern, wenn Preussen nur ein bißchen Säbelrasseln hören läßt.

Die Schweden wurden wie schon öfters stark überschätzt. Mit der Fliegenklatsche könnte man sie in Schach halten, wenn man keine Angst vor ihren Moskitostichen hat. Preussen ließ sich durch diese Angst viel zu viel Material aus seinem Arsenal binden.

Die Hannoverschen Generäle Ferdinand von Braunschweig und Cumberland hoppelten etwas hilflos über Heide und Kraut. Mit einem Winke-Winke aus der Ferne wollten sie sich bei den Franzosen Lieb-Kind machen. Doch davon ließ sich Madame de Pompadour nicht beeindrucken. Langsam aber zielstrebig rückten ihre Armeen die Fulda und Leine entlang nach Norden. Nirgends trafen sie auf nennenswerten Widerstand. Selbst Magdeburg und Halberstadt waren ihnen mehr oder weniger schutzlos ausgesetzt, weil Preussen in der Verteidigung gegen Russland zu viele Herzkarten gelassen hatte. Fast friedlich konnte Frankreich diese beiden Städte einnehmen und hatte damit gewonnen.

Zwei Stunden friedlicher Kampf. Mindestens genauso lange hätten wir hinterher noch über unsere Strategien und Taktiken, über unsere Herausforderungen und Versäumnisse diskutieren können. Als Teil des Spiels, als Teil der Freude am Spiel. Preussen steht im Mittelpunkt aller Kritik. Diesmal vielleicht besonders, weil es von Walter geführt wurde. Vielleicht hat hier doch der Moritz gefehlt, der Peters militärischem Genie als gleichwertiges Pendant hätte Paroli bieten können.

Keine neue WPG-Wertung für ein 8,3 Punkte Spiel.

2. “Splendor”
Das Spiel liegt noch im Jackpot für das „Spiel des Jahres 2014“. Vielleicht können sein (bei uns) noch unbekannter Autor Mark André (falls es nicht der in Wikipedia ausgewiesene „deutsch-französische Komponist im Bereich der Neuen Musik“ ist) und der noch unbekannte Spieleverlag Space Cowboys in wenigen Wochen damit Millionen scheffeln …

Munter ziehen wir farbige Wertmarken von offen ausliegenden Stapeln und sammeln sie vor uns auf. Fünf der Regenbogenfarben und eine Jokerfarbe werden angeboten. Drei Stück auf einmal dürfen wir uns davon nehmen. Mit den Wertmarken tauschen wir Wertkarten die a) Siegpunkte bringen und b) wie Wertmarken für das weitere Eintauschen genutzt werden können. Haben wir das lange genug getan, ist einer von uns Sieger geworden – der mit den ersten 15 Siegpunkten auf seinem Konto.

Warum ist man Sieger geworden? Schwer zu sagen. Es gibt keine guten und kaum schlechte Züge: Was man tun kann, ist alles ziemlich gleich gut. Nur blinde Dyskalkulisten finden hier und dort einen Ausreißer. Vielleicht gewinnt der Startspieler! Wer kann es ihm verwehren?

Zehn Jahre alt soll man sein, bevor man mit „Splendor“ anfängt. Kann das sein? Wer seinen Kindern schon im Vorschulalter das Zählen im Zahlenraum bis 10 beigebracht hat – und welche normalen Eltern haben das nicht getan!? – kann sich schon vier Jahre vorher mit ihnen zu einem schnellen Glanz zusammensetzen. Eine halbe Stunde Spielzeit – zu meiner Zeit war das gerade das Richtige für ein entspannendes Betthupferl-Spiel. Das ist „Spendor“ allemal. Mehr nicht.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (wohlwollend; einschließlich 1 Punkt für die viele Luft! „Warum muss ein Spiel, das gerade mal aus 90 Spielkarten und ein paar farbigen Wertmarken besteht, eine so große Schachtel haben und noch dazu 30 Euro kosten!? Es fehlt jegliche Herausforderung; tragisch, dass es nicht einmal dödelig ist), Peter: 4 (wohlwollend; einschließlich ein Punkt für die Graphik, obwohl er sich dabei durchaus auch etwas Schärferes hätte vorstellen können), Walter: 5 (triviales, solitäres, abstraktes Aufbauspiel)

21.05.2014: Der abgelutsche Sonnengott

Nach Aarons sakrisch geilem Rezept ein Pistazieneis zubereitet. 250 g Pistazien (geröstet, ungesalzen, leider auch ungeschält) geschält und enthäutet. (Eine Haut haben die Pistazien ja auch noch!). Eine Stunde lang, immerhin bei Nachmittagssonne auf der Terrasse. 80% des Ergebnisses gemahlen (OK, das macht die Küchenmaschine), in 100 ml Milch aufgekocht und 30 Minuten ziehen lassen. Dann durch ein Tuch abgeseiht. (Entweder kommt da gar nix durch oder es bleibt fast kein Rückstand; das hätte man sich also auch sparen können!) Die übrigen Pistazien manuell gehakt. Und gesiebt, damit auch die Korngröße stimmt. (Aaron und Peter stellten später fest, dass nicht die durchgefallenen, sondern die im Sieb zurückgebliebenen Pistazienbrocken in das Eis gehört hätten.) Dann in der Pfanne mit Zucker karamellisiert, auf Backpapier abkühlen lassen und nochmals zerhackt. Da geht ebenfalls eine Stunde darauf. Der Rest ist schnell erledigt. Sahne geschlagen, Gelbei untergerührt, ach ja, Zucker brauchen wir auch, und eine Prise Salz. Alles verrühren und ab in die Eismachine. Eine Super-Eis-Maschine, die in knapp 20 Minuten ihre Arbeit erledigt hat. Den Rest macht das Gefrierfach im Kühlschrank.

Aber soweit kommt es gar nicht. Bevor die Menge im Kühlschrank verschwindet, greift die bester aller Ehefrauen zu und erspart Platz (wer hat schon im Gefrierfach Platz?) und Strom. Nur mit Mühe kann der Eis-Konditor Kostproben für die Westpark-Gamers retten.

Die Gattin frißt oft in Minuten
hinein die Sachen, die guten,
für die sich in Stunden
der Hausmann geschunden
das Herz möchte manchmal ihm bluten!
(Eugen Rot)

Helios
Helios
1. “Helios”
Vor genau einem Monat bei uns zum ersten Mal gespielt. Nur Peter war heute Neuling. Die Stimmung war auf orale Unterhaltung eingestellt, und so wurden in Günthers zielstrebige Einführung am laufenden Band Anekdoten und Wissenswertes aus Geschichte und Kultur eingeflochten. Z.B. über Brit Mila als natürlicher, leider nur volatil nutzbarer Erektometer. Heutzutage wird zur Erfassung dieses nächtlichen Phänomens eine Rolle Briefmarken als Null-Eins-Indikator empfohlen. (Für weitere Informationen zu dieser Messtechnik wendet euch bitte vertrauensvoll an unserem Webmaster.)

Nach 1 ½ Stunden (!) war Günther mit seiner Regelerklärung fertig und nach einer weiteren Stunde wir alle mit dem Sonnengott. Locker, rund und konstruktiv (siehe Session-Report vom 23. April dieses Jahres). In der individuellen Ausbaustrategie allerdings auch ziemlich solitär. Die Zugriffe der Mitspieler auf die Aktions- und Landschaftsplätten schränkten zwar die Restauswahl ein, doch so richtig kann man damit keinem an den Wagen pinkeln. Im Satz vom damalien Report „bei der Auswahl der farbigen Landschaftsplättchen herrscht große Konkurrenz“ würde ich heute zumindest das “groß“ streichen.

Wie schon beim ersten Mal wurde das Spielelement „Personen erwerben“ heftig kritisiert. Im Besitz von zwei oder drei der erwerbbaren Personen kann man bei Spielende mit Siegpunkten förmlich überschüttet werden; es winken 24, 28 oder noch mehr Punkte . Die anderen Personen sind dagegen mit 12 oder 15 Punkten hart limitiert. Hier kommt es wirklich darauf an, als Erster zugreifen zu dürfen. Nach der Spielregel ist das der Spieler mit dem meisten „Mana“. Dann geht es im Uhrzeigersinn weiter.

Peter pochte darauf, als Änderung hier die „Peter-Regel“ zu protokollieren: Auch die weiteren Zugriffe sollten über den Mana-Besitz geregelt sein, und nicht nach der Uhrzeiger-Regel. Günther fürchtete, dass „Helios“ damit den Charakter eines „Familienspiels“ verliert; doch dann gestand auch er zu, dass „Helios“ diesen Charakter auch ohne dieses Detail niemals bessen habe. Es ist ohne jeden Zweifel ein „Kennerspiel“ und reif für die „Auswahl des Jahres“: Überschaubare Regeln, große Handlungsfreiheit, ganz verschiedene zielführende Strategien, und trotz der vielen Überlegungs-Möglichkieten ist es sogar noch schnell.

WPG-Wertung: Peter vergab 7 Punkte, wie alle anderen bisher auch (solides Spiel, hat einen gewissen Spielreiz, spielt sich schön).

Noch eine Information für die Statistiker: Die heute erzielten Siepunkte lagen zwischen 83 und 133.

2. “Abluxxen”
Dreimal hat es „Abluxxen“ bereits bei uns auf den Tisch gebracht. Als Vorabsacker ist es nach wie vor noch nicht ausgereizt.

Kann man gut und schlecht spielen, oder ist jeder total abhängig vom heiligen Distributor? (Das ist der Schutzheilige im Spielehimmel, der auf Erden die Joker verteilt?)

Wollen wir diese Fragestellung nicht allzu scharf unter die Lupe nehmen! Man kann etwas tun, man kann sogar viel tun. Und man kann das ganze Spiel über hoffen, mit jedem Zug das Richtige getan zu haben. Was kann man von einem Kartenspiel eigentlich mehr erwarten?

Alte Erkenntnis vom letzten Mal: Fremde Ablagen nicht zerstören, sondern nach Möglichkeit auf die Hand nehmen, besondern wenn dadurch die Anzahl der verschiedenen Karten in der Hand nicht steigt. Neue Erkenntnis von heute: Bei der Kartenpflege muss man nicht unbedingt die niedrigsten Einzelkarten oder Pärchen zuerst abwerfen. Hierzu findet man viel häufiger Nachschub im Nachziehstapel als von hohen Karten. Außerdem: Wenn man gegnerische Karten abluxxt, sind es in der Regel kleinere Karten. Die kann man dann problemlos in die eigene Kartenhand einreihen, ohne die ungewünschte Vielfalt zu erhöhen. Höchst komplexe Interaktivität!

Jeden Tag ein neuer Tip! Das zeigt die Größe des kleinen Spiels!

Keine neue WPG-Wertung für ein 7 Punkte-Spiel.

3. “Bluff”
Im Endspiel kämpfte David-Peter mit einem Würfel gegen drei von Goliath-Walter. „Zweimal die Fünf“ war sein erster Schachzug. Walter hatte eine Drei, eine Fünf und einen Stern unter dem Becher. Was konnte er anderes tun als auf dreimal die Fünf zu heben. Peter hatte geblufft und Walter war einen Würfel los.

„Einmal die Fünf“ war Peters zweiter Schachzug. Wie konnte Walter mit einer Drei und einer Fünf unter dem Becher reagieren? Die Fünf herausnehmen, auf zweimal die Fünf heben und nachwürfeln! Hat Erfolgsaussichten von 33% Erfolg, besser als nix. Heute aber nix. Es stand jetzt ausgeglichen 1:1.

Weiter will ich nicht erzählen. Die Geschichte hat bereits jetzt einen Haken.

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

14.05.2014: Seide und Wolf

Was bedeutet der Begriff „all in“ beim „Bluff“-Spiel?

„Bluff“-Runde in einem Kreis mit fünf Poker-Freaks. Den Vorteil der Augenzahl 5, beim Würfeln, Setzen oder Bluffen, hatten alle weidlich ausgekostet. Die Vorgaben steigerten sich zügig von 8 mal die Fünf („Unter Durchschnitt ist geblufft.“) bis auf 14 mal die Fünf. Dann bekam der Erste kalte Füße und zweifelte an! 19 Fünfen fanden sich unter den vereinigten Bechern. Unisono ein auffordernder Kommentar aus – jetzt nur noch – vier Poker-Kehlen: „all in“! Bedeutung: alle Würfel abgeben, wie üblich in die Mitte, auf das Zählbrett.

1. “24/7 The Game”
Peter schwimmt noch mitten in unserer Klassiker-Nostalgie-Welle und hat ein Spiel mitgebracht, dem er und Loredana von acht Jahren euphorische 9 bzw. 10 Punkte vergeben haben. (Die Resonanz der anderen Westparker hatte sich damals schon in Grenzen gehalten.)

Reihum legen wir quadratische Plättchen mit Ziffern zwischen 1 und 10 auf ein 6 mal 6 Felder großes Spielbrett. Wir erhalten Prämien, wenn unser neu gelegtes Plättchen mit den bereits ausliegenden Nachbarplättchen eine Kombination gleicher Ziffern bildet oder bestimmte Zahlensummen erreicht. Z.B. bringen zwei benachbarte Plättchen mit der Summe 7 bescheidene 20 Siegpunkte, vier gleiche Ziffern nebeneinander immerhin schon 40, und das Maximum von 6 nebeneinander liegenden Plättchen mit der Summer 24 gleich stolze 110 Punkte. – Ganz ähnlich wie die Wort-Kombinationen beim „Scrabble“. Scrabbler mit Defiziten in den Sprachkenntnissen ihres jeweiligen Gastlandes, aber mit einem guten Gefühl für Kombinatorik in kleinen Zahlen sind die Zielgruppe dieses Spiels.

Auch für kommunikative Strickrunden (ja genau, die Tätigkeit mit Nadel und Garn) ist „24/7“ bestens geeignet. Man unterhält sich frei und ungezwungen, und ab und zu legt jemand ein Zahlen-Plättchen. Fast nebensächlich. Für die gehetzten Spieler auf der anderen Seite der Spieler-Temperament-Skala – für uns Westparker – bräuchte man für ein befriedigendes „24/7“-Spielen eine Multiplayer-Uhr wie den DGT-Cube, so dass bei Spielende die Summe der erreichten Punkte auch noch durch die Summe der dafür benötigten Zeit geteilt wird! Diese Uhr hatten wir heute leider nicht. Wir ließen uns dadurch aber die positive Einschwing-Stimmung auf den heutigen Spieleabend nicht vermiesen.

Peter sieht noch einen weiteren Anwenderkreis für „24/7“ : Verliebte Mathematiker-Pärchen zum Warming-Up.

WPG-Wertung: Aaron: reduzierte seine bisherigen 7 Punkte auf 6, Peter seine 9 Punkte auf ebenfalls 6 ! [Hi, Peter, wirst selbst Du älter!?] Günther und Walter blieben bei ihren Bewertungen, die schon vor 8 Jahren in dieser Größenordnung lagen.

Seidenstraße bei Tageslicht
Seidenstraße bei Tageslicht

2. “Kashgar”
„Kashgar – Händler der Seidenstraße“. Aaron konnte schon fast fürchten, dass ihm jemand auf seiner „Yunnan – Teestrasse“ in die Quere kommen würde. Ist aber nicht. In „Kashgar“ bewegen sich keine Händler durch den fernen Osten, sondern lediglich die Marker für Besitzstände an Gewürzen, Gold und Maultieren auf lokalen Spielertableaus auf und ab.

Wodurch? – Durch Aktionskarten, die jeder Spieler in drei Stapeln vor sich liegen hat und wrap-around (rundummadumm) nutzt: der „Quacksalber“ kostet eine Einheit Gewürznelken und bringt dafür 4 Geldeinheiten, der „Schmied“ kostet nix und bringt eine Maultier-, zwei Gold- und eine bliebige Gewürzeinheit, und mit dem „Bootsmann“ gewinnt man entweder fünf Pfeffereinheiten oder man zahlt vier Pfeffereinheiten und darf dafür ein beliebiges Gewürz auf 9 setzen. Man sieht schon, Berufe und Waren sind Schall und Rauch, es geht lediglich darum, die verschiedenfarbigen Zählmarker rauf und runter zu schieben. Einhundert solcher Aktionskarten gibt es. Natürlich nicht alles verschieden, bei dem einheitlichen Wirkungsprinzip wäre das für Lernschwächlinge aber auch kein Unglück gewesen.

Welche Aktionskarten hat jeder Spieler? – Am Anfang in jedem Stapel einen „Patriarchen“ und einen weiteren, zufällig zugeteilten Seidenstraßler. Mit dem Patriarchen darf (kann / muss) man zwei Karten von einem verdeckten Aktionskartenstapel ziehen, sich eine davon aussuchen und einem seiner Zieh-Stapel zufügen. Die Stapel werden immer länger und schwerfälliger. Falls man eine besonders gelungene Aktionskarte in seinem Stapel hat, dauert es immer länger, bis sie wieder nach oben durch den Stapel gewandert ist und genutzt werden kann.

Wofür das ganze? – Manche Aktionskarten sind direkt ein paar Siegpunkte wert. Schön, wenn man sie gezogen hat. Andere Aktionskarten erlauben es, einen „Auftrag zu erfüllen“. Endlich kann man dann die bis zum Geht-nicht-Mehr angehäuften Resourcen ausgeben und gegen eine der offen ausliegenden Auftragskarten eintauschen. Auch das bringt ein paar Siegpunkte ein. Wer Glück hat, konnte auch einen „Bauern“ in seine Stapel einreihen. Wenn der Bauer dann am Zug ist, darf man zwei Auftragskarten vom verdeckten Auftragsstapel ziehen und hoffen, dass zufällig ein „Getreideauftrag“ darunter ist; den bekommt man dann ohne weitere Bezahlung mit den entsprechenden Siegpunkten zugeschustert. – Doch vielleicht lohnt sich bei so viel Glücksabhängigkeit ein Bäuerchen gar nicht ….

Alles ist ziemlich solitär. Absolut solitär! Jeder spielt periodisch seine Patriarchen, zieht irgendwelche zufälligen Aktionskarten, reiht die „bessere“ davon in einem seiner Aktionstapel ein, und bekommt nach und nach auch ein paar Siegpunkte. Bei 27 Siegpunkten ist Schluss.

Aber der Autor hatte auch Interaktion im Sinn gehabt, zumindest ein gegenseitiges Knüppel-zwischen-die-Beine Werfen: mittels optionaler Erweiterungskarten. Z.B. erleichtert der „Bettler“ jeden Mitspieler um zwei Geldeinheiten, die „Taschenspielerin“ kostet zwei Siegpunkte und wird im Uhrzeigersinn von Mitspieler zu Mitspieler weitergereicht, der „Hirte“ zwingt die Mitspieler, die oberste Karte aller ihrer Aktionsstapel zu entfernen. Und ähnliches. Halt die üblichen Ärgerkarten für gemeine Spaßgemüter. Natürlich müssen auch diese Zusatzkarten erst ihren Rundummadumm-Weg durch einen Aktionsstapel gemacht haben, bevor sie ihre Wirkung entfalten können. Vor den Preis haben die Götter den Schweiß gesetzt.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (1 Punkt mehr als „Dominion“, leichter Frusteffekt: man weiß, was man will, kann es aber nicht tun), Günther: 7 (mag solche Spiele vom Prinzip her), Peter: 6 (mag solche Spiele vom Prinzip her nicht; immerhin ist das Spiel schnell, würde es u.U. nochmals spielen), Walter: 5 (Blindflug um das Suchen von Aufträgen und den notwendigen Resourcenmmarker-Verschiebe-Karten, ein kastriertes Spielgefühl beim Wollen und nicht Können).

3. “Wooolf!!”
Ein Deduktionsspiel für bis zu acht (!) Mitspieler. Jeder Spieler bekommt einen Charakter zugeteilt (Schaf, Hund, Jäger, Hirte oder Wolf) und muss herausfinden, welchen Charakter die Mitspieler bekommen haben. Zum Herausfinden darf man sich

  • die Charakterkarte eines Mitspielers ansehen (und muß hinterher das Ergebnis öffentlich verkünden).
  • einen Mitspieler fragen, ob er einen bestimmten Charakter darstellt oder zu einer Gruppe von Charakteren gehört. (Das Ergebnis ist ebenfalls öffentlich.)

Aber ganz so trivial, wie hier verkürzt dargestellt ist, ist der Deduktionsvorgang dann doch nicht, sondern ganz schön aufgemischt.

  • Jeder Spieler bekommt zwei Charakterkarten zugeteilt, von denen aber nur eine – die höherrangige – seinen wahren Charakter angibt. Beim Anschauen und Verkünden einer Charakterkarte kennt man also nur die halbe Wahrheit. Oder gar keine!
  • Manche Charaktere haben eine mehrdeutige Erscheinung. Wer sich eine solche Charakterkarte angesehen hat, braucht seinen Mitspieler nicht öffentlich kundtun, was er gesehen hat.
  • Manche veröffentlichte Informationen über die Charaktere der Mitspieler sind schlichtwegs falsch. So sieht der Hirte hinter jedem Mitspieler immer nur einen Wolf.
  • Jeder Charakter muss eine andere Charakterkombination herausfinden: z.B: muss das Schaf einen Hund und einen Jäger herausfinden, der Hirte muss den Wolf und ein Schaf herausfinden und der Wolf braucht bloß ein Schaf zu finden – oder zu erkennen, dass überhaupt kein Schaf-Charakter anwesend ist.

Jede Frage und jede Antwort der Mitspieler ist für die eigene Aufgabe relevant. Man ist immer am Ball, und man muss höllisch (na ja) aufpassen, denn blitzschnell haben zwei Mitspieler ihre Deduktionsaufgabe erfüllt und ein Spiel ist zu Ende.
In der zweiter Runde platze es etwas voreilig aus Aaron herau: „Ich weiß alles!“ Das war verräterisch. Es war noch keinerlei Information über den Wolf sichtbar. Daher musste er der Wolf sein. So war es denn auch! In einer Deduktionsaufgabe muss man auch aus peripheren, ja unerlaubten Beobachtungen seine Schlussfolgerungen ziehen.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (Pluspunkte für die deutliche Dödelkomponente, verteidigte den schwierigen Zugang zum Spiel mit unseren ersten Erfahrungen mit „Bluff“ – da waren wir auch alle überrascht, dass so ein läppisches Produkt „Spiel des Jahres“ werden konnte), Günther: 7 (lustig, locker, nicht so trivial, wie es auf den ersten Blick aussieht, man ist immer involviert), Peter: 2 ([Mehr aus Nibelungen-Sturheit denn aus Überzeugung: als er seine ersten zwei Siegpunkte kassierte, sagt er nämlich: „Das Spiel gab mir 2 Punkte, ich gebe dem Spiel 2 Punkte!], „das Spiel mit Bluff zu vergleichen, ist ein Sakrileg“), Walter: 6 (mag keine Deduktionsspiele, aber die Dödelkomponente und die schnellen Runden geben dem Spiel eine spielerische Ausrichtung).

4. “Abluxxen”
Taktisches „Kampf-Rommee“ als Absacker. Lag im April schon zweimal bei uns auf dem Tisch und hat auf Anhieb überzeugt.

Zum Gewinnen braucht man gute Karten. Wie beim Skat. Aber vielleicht kann man auf Dauer doch durch gutes Kartenmanagement, durch Merken der Karten im Spiel (und nicht-im-Spiel), sowie durch Beobachten des Mitspielerverhaltens seine Erfolgschancen erhöhen. Fast wie beim Skat. Vielleicht.

Doch in jedem Fall ist das Spiel schnell, einfach, lustig, interaktiv, spannend und bietet jedem Spieler eine gerade richtig große Handlungsfreiheit. Ansätze über eine erfolgreiche Gewinnstrategie, insbesondere bei der Aufnahme fremder Karten, sind noch lange nicht in Sicht. Und das ist auch gut so!

WPG-Wertung: Trotz Aarons „Fühlte mich heute stark gespielt“ und Peters „Halte es heute nicht mehr für so steuerbar“ keine Änderung der bisherigen guten WPG-Noten.

07.05.2014: Klassiker

In seinem zweiten Hobby ist Horst ein DJ. Er besitzt eine riesige Plattensammlung und legt auch gerne auf. Dabei weiß er genau, wie man das Publikum zum Tanzen bringt: ABBA und Bee Gees. Ach, was waren die 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts doch für goldene Zeiten! In der musikalischen Entwicklung ab es förmlich eine Explosion! Viele der damals geschaffenen Produkte sind echte Klassiker geworden. Und wie sieht es heute aus, mit House und Mouse und Rapp und Bumm-bumm? …

Genauso wie auf dem Spielesektor gibt es auch in der Unterhaltungsmusik ein Lamento über das Ausbleiben neuer Impulse. Oder klagen hier wie dort nur die gleichen älteren Semester? Also die über 30-Jährigen?

Viele Grüße an den ABBA-Fan Birgit! Wachsen und Gedeihen für Maximilian als Vertreter der allerjüngsten Generation.

1. “San Juan”
Ein echter Klassiker! Schon im März 2004 wurde es zu unserem dritten Titelträger von „Spiel des Monats“ gekürt. Ein paar (keineswegs unübersichtlich viele) verschiedene „Schienen“ gibt es, auf denen man sein Glück versuchen kann: Produzieren und Handeln, Privilegien an Land ziehen oder zielstrebig auf die siegpunktträchtigen Gebäude losgehen. Alles ist in jeder Richtung ausblanciert: die Effekte der wählbaren Aktionen, ihre unterschiedlichen Auswirkungen innerhalb der Mitspieler und die Progressionen im Zuge der allgemeinen Weiterentwicklung.
In zehn Minuten ist alles erklärt, in weiteren fünf Minuten auch verinnerlicht, und schon kann man auf vertrauten Pfaden seine Spiellust ausleben. Ein echtes KartenSPIEL! Und während man sich noch über die hübsche Konstruktion freut (und ggf. räsoniert, warum heute alles um so viel komplexer und freudloser geworden ist, ist ein Spiel auch schon wieder vorbei. Die Kinder können ins Bett gehen und die Erwachsenen zur vorletzten U-Bahn.

WPG-Wertung: Horst hatte das Spiel heute zum ersten Mal gespiel; er vergab 9 Punkte, einen Punkt mehr als unser ohnehin guter Median (schnelle Erklärung, stimmig, locker, konstruktiv, akzeptabler Glücksanteil.

DJ Horst als Craftsman
DJ Horst als Craftsman

2. “Craftsmen”
Günther kündigte beim Auspacken des Spieles schon prophylaktisch an: „Jetzt müssen wir wieder eine Stunde lang erklären“. Und so war es denn auch. Mindestens! Eine Menge Material, Szenerie, Effekte und Randbedinungen gilt es zu erläutern.

Lassen wir das Königreich, in dem wir agieren, mal beiseite, ebenso das versprochende Denkmal und den ewigen Ruhm, die dem Sieger winken, all das trägt zum Verständnis das Spielablaufs nichts bei. In einem „Gehilfenplacementspiel“ dürfen wir in zwölf Runden je fünf Aktionen ausführen, in denen wir

  • Geld abholen – es liegt kostenlos in der Bank herum
  • ein bis zwei Werkstätten bauen, in denen wir später Rohstoffe, Halbfertiges oder Ganzfertiges produzieren können
  • uns eine neue Werkstatt aussuchen – die wir leider aber frühestens erst in der nächsten Runde bauen können
  • in unseren Werkstätten produzieren, die Produkte veredeln, auf den Markt bringen und vielleicht sogar auch noch verschiffen
  • handeln, um Zubehörteile für unsere Fertigprodukte zu erwerben, die wir selber nicht herstellen

Acht verschiedene Produktionsketten gibt es, die früher, aber eher später von Holz, Erz, Vieh und Ähnlichem über Papier, Eisen, Leder und Ähnlichem zu Bier, Waffen, Kleidung und Ähnlichem führen. Zuerst tröpfeln unsere einsamen Trauben nur spärlich in die Tröge, und wir sind froh, wenn wir auf dem Markt noch genügend Platz zum Unterbringen finden. Später können wir ihre Öchslegrade mit Bienenhonig anreichern, und sie nach ihrem Reifeprozess in selbstgemachten Bierfässern zum Export rollen.

Bau- und Produktionsengpässe gibt es eigentlich nicht. Wir sind von Haus aus mit genügend Geld ausgestattet, um uns die nächstbesten Produktionsstätten leisten zu können. Falls im späteren Spielaufbau mal ein Glied zu einer vollständigen Produktionskette fehlt, können wir es durch Nachkäufe aus Markt oder Speicher problemlos, d.h. mit geringem zusätzlichem Gehilfenaufwand zukaufen.

Eigentlich läuft alles ziemlich solitär ab. Beim Placieren der Gehilfen auf den – für mehrfach Belegung zugelassenen – Aktionsplätzen genießt der Erstplacierte zwar bestimmte Privilegien, doch die Unterprivilegierten können sich diesen Vorteil durch verbriefte Urkunden, die an mehreren Stellen des Spielbretts recht wohlfeil angeboten werden, babyleicht in gleichem Maße zunutze machen. Entsprechend kann jeder unabhängig vom anderen planen und agieren.

Die Konkurrenz beim Verschiffen ist marginal. Da Fertigprodukte sowieso nur sporadisch erzeugt werden, und es weder freudvoll noch angemessen ist, auch noch bei allen Mitspielern nachzurechnen, wann ihr Brot und Wein zur Verschiffung anstehen wird, darf man es mehr oder weniger dem Zufall überlassen, wann welcher Spieler hier die Prämien für Präsenz und Dominanz bekommt.

Eine absolut neue Erfindung ist die Mehrfachwertung des Geldes. Die Geldkarten kommen in Stückelungen zu einer, zwei oder drei Einheiten vor, jede Einheit dann auch noch in vier verschiedenen Farben. Zwei Geldkarten der gleichen Farbe, unabhängig von der Stückelung, sind 5 Einheiten wert, drei gleichfarbige Geldkarten 10 Einheiten, usw. in einer arithmetischen Reihe. Das Geld kann man außerdem, wenn man Geldkarten von allen vier Farben besitzt, in einer bestimmten Phase des Spiels direkt in Siegpunkte umwandeln.

Soweit so gut. Das Spiel ist rund und schön, das Spielmaterial von erlesener Qualität, die Regeln klar, die möglichen Spielzüge durch Bilder und Symbole auf Karten und Spielbrett mnemotechnisch verständlich dargestellt. Die verschiedenen Effekte in sich sind gut ausbalanciert, es gibt keine Mangelerscheinungen und keine Sackgassen. Nur: die Spieldauer ist viel zu lang! In drei Stunden Spieldauer – ohne Erklärung – haben wir nur knapp zwei von drei Runden zu Ende gebracht. Dann musste Horst glücklicherweise zur U-Bahn und wir konnten ohne Affront abbrechen.

Eine ganze Latte von Regelchen bringen Umständlichkeit ins Spiel, ohne dass damit ein spielerischer Mehrwert gewonnen wird. Die Behandlung der Geldkarten ist an sich schon kompliziert. Dazu muss man für bestimmte Kaufgeschäfte auch noch Geldscheine einer bestimmten Farbe hinblättern. Zu diesen unnötigen „Regelchen“ gehört auch, dass man darf nur farbgleiche Gebäude nebeneinander bauen darf, eine Erschwernis, die man mit trival zu bekommenden Privilegien auch schon wieder unterlaufen kann.

Mehrere Karten ziehen (Geldkarten von der Bank, Werkstattkarten von drei verschiedenen Stapeln), sich davon die besten heraussuchen und den Rest wieder abzugeben, erfordert Auswahlzeit, die eigentlich nur Tempo kostet. Wir waren glücklicherweise nur zu dritt. Wie wäre die Wartezeit für die Mitspieler erst geworden, wenn wir das Spiel zu fünft gespielt hätten?! Länger als zwei ausgewachsene „1830“-Sessions hätte ein Spiel gedauert!

Trotz Aufbau und verkürzten Wegen bei der Produktion besitzt das Spiel keine wirkliche Dynamik. Alles geht gemächlich seinen Weg. Wir warten auch nicht in Spannung, ob uns gleich ein besonders geiler Zug gelingen wird. Es gelingt immer alles. Dazu sind viel zu viele Sicherungen eingebaut, die ein Mißlingen verhindern. Außerdem gibt es ohnehin keine „besonders geilen“ Züge: niemand kann einem Mitspieler etwas wegnehmen oder verbauen, und umgekehrt können wir das auch nicht. Jederzeit wird jedermann eine erschöpfende Palette ähnlichwertiger Züge angeboten. Früher oder später muss das doch recht einförmig wirken.

Mehr Kritik möchte ich zum Erstlingswerk (?) von Krzysztof Matusik nicht äußern. Wenn eine Gruppe von Freak-Spielern gerne zusammenkommt, um sich fünf bis sechs Stunden lang beim konstruktiv Aufbau einer blühender Craftsmen-Gemeinschaft miteinander zu messen, dann können sie sich mit „Craftsmen“ ausgiebig verlustifizieren. Uns dreien war das heute etwas zu lang und zu langatmig.

WPG-Wertung: Günther: 6 (das Spiel funktioniert, ist übersichtlicher als ein „Rosenberg“, enthält aber trotzdem noch viele unnötige Verkomplizierungen), Horst: 5 (eigentlich ganz sympathisch, aber zu lange Spieldauer und zu langes Warten), Walter: 5 (langer Aufbau ohne wirkliche Dynamik, kein Spannungsbogen).

30.04.2014: Nostalgie?

NostalgieIn der letzten Woche eines Monats findet bei uns die Wahl des „Spiel des Monats“ statt. Um genau zu sein: des Spiel des Vormonats. Noch vor zehn Jahren hatten die gewählten Spiele in der Regel eine durchschnittliche Bewertung im oberen 7er- oder sogar im 8er-Bereich. Und genau das macht die Auswahl des März-Spiels dieses Mal so schwierig: die Kandidaten “Amerigo”, “Concordia” und “Nations” haben alle Durchschnittswertungen im 6er-Bereich, mit einen leichten Vorsprung für “Nations”.

1. „Nations“

Nachdem Peter und Günther “Nations” noch nicht kannten, lag es nahe, unsere Entscheidung von dem Verdikt der beiden abhängig zu machen und deshalb lag es diesmal als erstes auf dem Tisch.

Die Regeln waren schnell erklärt und nach einer kleinen Diskussion, ob Aaron als Kenner des Spiels ein Entwicklungs-Handicap erhalten sollte (was dieser wegen nur einem einzigen vorausgegangenen Spiel vehement ablehnte), konnte es los gehen.

Peter verfolgte von Anfang an eine Bücher-Strategie und erwarb konsequent alle Fortschritte, die ihm einen Bucherzuwachs erbrachten. Günther wollte sich noch nicht festlegen, sondern versuchte sich an einen gleichmäßigen Erwerb aller Ressourcen. Aaron hatte sich vorgenommen, wenn möglich eine Weltwunder-Strategie zu verfolgen. Wie erfolgreich die sein kann, hatte Moritz vor vier Wochen bewiesen.

Leider waren diesmal die Wunder schlecht verteilt und im ersten Zeitalter waren gerade einmal zwei Weltwunder aufgedeckt worden. Damit war es unwahrscheinlich, mit einer Wunder-Strategie einen Sieg einfahren zu können. Insbesondere, nachdem Peters Bücher-Strategie aufzugehen schien. Aarons Umschwenken auf eine Militärstrategie kam aber zu spät und dazu noch zeitgleich mit Günthers Plan, ebenfalls seine Militärstärke auszubauen.

Nach der ersten Runde des zweiten Zeitalters machte sich eine allgemeine Lustlosigkeit breit und es kam der Vorschlag, am Ende des zweiten Zeitalters abzubrechen. Peter untersuchte geschwind die Entwicklungskarten des dritten und vierten Zeitalters und konstatierte, dass es keine wesentlichen Veränderungen mehr geben werde. Einstimmige Entscheidung: Abbruch nach vier Runden und 2 Stunden Spielzeit, wie schon beim ersten Spiel vor 4 Wochen. Der Siegpunkt-Endstand war ebenfalls in der gleichen Größenordnung: 24, 23, 14.

“Nations” schafft es einfach nicht, uns so zu fesseln, dass wir eine Gesamtspiellänge von 8 Runden (in vermutlich 4 Stunden) durchhalten wollen. In der Analyse der Ursachen fielen die Begriffe „Finnland“, „Asperger“ und „Rosenberg“, die aber – und schon gar nicht in dieser Kombination – zur Klärung beitrugen konnten.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (1 Punkt weniger als beim ersten Spiel, da er diesmal jegliche Dynamik, und damit Spannung, vermisste), Günther: 5 (mit Tendenz zur 6, weil es so dahinplätschert, aber nicht wirklich schlecht ist), Peter: 5 (weil es einfach öde ist).

2. „Big Deal“

Dieses 2011 als „Cover Your A$$ets“ erschienene Kartenspiel von Brent „Skull King“ Beck wurde jetzt als “Big Deal” von Schmidt Spiele auf den deutschen Markt gebracht. Beim Lesen der Spielregeln gab es ein kleines Déjà-vu, denn hier geht es um das Abluchsen von ausliegenden Spielkarten der anderen Spieler. Das hatten wir doch neulich erst…

Aber anders als bei „Abluxxen“ vom Duo Kramer/Kieslich haben die Spieler immer 5 Karten auf der Hand, von denen sie entweder ein Pärchen vor sich ausspielen, eine Karte abwerfen oder mit einer(!) Karte das gleichfarbige Pärchen eines anderen Spielers angreifen können. Der angegriffene Spieler darf mit einer gleichfarbigen Karte parieren. Dies geschieht solange, bis ein Spieler aufgibt. Der Gewinner des Abluchs-Kampfs erhält dann die ausgespielten Kampfkarten und das gewonnene Pärchen und legt alle zusammen wieder aus. Jetzt lohnt sich das Abluchsen erst so richtig, denn mit – im besten Fall – nur einer Karte, gewinnt man nun viel mehr Karten als nur ein Pärchen.

Ach ja, da gibt es noch zwei Jokerfarben. Die sind genau das, nämlich Joker, die beliebig anstelle anderer Kartenfarben eingesetzt werden können; nur Joker-Pärchen sind verboten. Allerdings habe die Joker in der Endabrechnung gleichzeitig die höchsten Werte (10-mal höher als die niederwertigste Kartenfarbe), dafür gibt es sie aber nur halb so häufig wie die anderen (neun) Farben.

Und hier wird deutlich: „Big Deal“ hat einen extremen Glücksfaktor gepaart mit nahezu Null Entscheidungsfreiheit. Eine Kartenhandpflege ist fast unmöglich, da man nur fünf Handkarten haben darf und grundsätzlich blind nachzieht. Ein erfolgreiches Abluchsen ist in der ersten Hälfte des Spiels pures Glück, da es zu viele Kartenfarben gibt (bei zu geringer Handkartenzahl) und ein oder zwei glücklich gezogene Joker durchzubringen bedeutet wegen deren hoher Werte fast schon den Spielsieg.

Fazit: „Big Deal“ lässt bei ähnlichem Grundmechanismus leider alles vermissen, was „Abluxxen“ zu einen kleinen, leichten aber spannendem Spiel macht.

WPG-Wertung: Aaron: 3 (keinerlei Pfiff, witzloses Kartenziehen und –abwerfen), Günther: 4 (es funktioniert), Peter: 3 (es funktioniert nicht).

3. „Verräter“

Vor nun schon 16 Jahren erschien dieses kleine Kartenspiel bei Adlung und schaffte es damals auf die Empfehlungsliste der Spiel des Jahres Jury. Auch wir waren damals begeistert von diesem Spiel. Und in Anbetracht unser Diskussion über die immer niedriger werdenden Westpark Gamer Wertungen, hatte Peter genau dieses Spiel mitgebracht, um zu prüfen, ob es uns immer noch gefällt.

„Ein höchst vergnügliches Spiel. Klein aber OHO! Ein Phänomen! Komplex, spannend und begeisternd!“ schrieben wir damals und siehe da, auch dieses Mal machte es wieder richtig Spaß. Es ist faszinieren, wie mit so wenigen Karten und den wenigen, schnell erklärten Mechanismen ein so spannendes Spiel mit taktischen Tiefen und Finessen geschaffen wurde, das die Qualitäten eine Brettspiels hat.

Bereits während des Spiels fiel ein nostalgisches “Warum machen die heute nicht mehr solche Spiele?” und in der nachfolgenden Diskussion wurde bewundert, mit wie wenigen Mechanismen und Elementen es möglich ist, ein vollwertiges, intelligentes Spiel zu erfinden (immerhin hat „Nations“ als nur eines von vielen Spielelementen bereits mehr Spielkarten als „Verräter“). Der heutige Trend, mit vielen Ausbaustufen/Optionen/Siegpunktquellen das Spielgeschehen auszustatten, mag zwar den Puzzler unter den Spielern begeistern, wir empfinden sie aber zu häufig als „Nebelkerzen“. Offen bleibt weiterhin, ob das an unserem fortschreitenden Alter liegt…

Keine neue Wertung für ein tolles Spiel.

23.04.2014: Sonnengott und Glasperlenspiel

Walter hat von seinem Sohn eine Eismaschine geerbt und probiert jeden Tag eine neue Rezeptur aus. Heute gab es „Walnussparfait“ nach einem Vorschlag von www.chefkoch.de. Es wurde auch gleich zur Einstimmung am Westpark serviert.

Doch Aaron kann man mit lucullischen Erzeugnissen nicht überraschen. Er kennt einfach alles. Seine feine Zunge verriet ihm auch sofort, dass die Walnüssen mit Hasennüssen verlängert worden waren. Und dass vorher ein Krokant daraus gekocht worden war.

Natürlich besitzt auch er eine Eismaschine. Und sein Lieblingseis ist Pistazieneis. Nach einer Kostprobe in Frankreich selbst nach-er-empfunden: u.a. Pistazien kleinhacken, in Milch auskochen, absieben – und das Abgesiebte dann wegwerfen! Die teuren Pistazien! Ja, was ein richtiger Gourmet-Koch ist, der wirft unheimlich viel weg. Eine tüchtige Hausfrau könnte davon noch eine zehnköpfige Familie ernähren …

Günther kämpft sich durch das Material der Glasstraße
Günther kämpft sich durch das Material der Glasstraße
1. “Die Glasstraße”
Günther hatte das Spiel schon letzte Woche angedroht. Zwar der übliche Rosenberg-Schinken (= „tausenderlei Materialien zum Umwandeln und Hochrüsten“), aber ein Kennenlernen sind diese gigantischen Konstruktionen allemal wert. Noch dazu wo „die Glasstraße“ bei BGG als Neuzugang praktisch aus dem Nichts heraus in höchste Wertungsebenen emporgestoßen ist. Einführungstrost für alle: „Die Glasstraße“ ist ein „minimalistischer (+) Rosenberg (-)“, d.h. die relative Zurückhaltung in der gewohnt üppigen Ausstattung macht das Spiel auch für uns noch genießbar.

Jeder Spieler bekommt ein Landschaftstableau mit sehr viel Urwald und ein bißchen Nutzfläche in Form von Sandgruben, Tümpeln und Büschen. Der Wald muss gerodet und ebenfalls in Nutzfläche umgewandelt werden. Die Nutzfläche liefert Erträge, als da sind: Lehm, Holz, Kohle, Wasser und Nahrung. Wenn genügend davon beisammen ist, muss man daraus Glas herstellen oder Ziegel brennen. Mit diesen Materialen errichtet man schließlich Gebäude, die sich am Ende in Siegpunkte auszahlen.

Unsere Aktionen wählen wir in Form von Berufskarten aus einem für alle Spieler identischen Handset aus. Z.B. gewinnt der „Brandroder“ aus dem Urwald Holz und Nahrung, und der „Muldenarbeiter“ wandelt ein gerodetes freies Feld in eine Sandgrube um und gewinnt aus jeder bereits vorhandenen Sandgrube wahlweise Sand oder Lehm. Aus fünfzehn Berufen besteht das Handset. Fünf Berufskarten davon dürfen wir pro Runde vorauswählen, von diesen aber nur drei nutzen. Die anderen vorausgewählten Berufe treten nur dann in Aktion, wenn ein Mitspieler zufällig den gleiche Beruf ausgewählt hat und ausspielt. Dann partitionieren (!) wir an seinem Zug und schmälern gleichzeitig den Nutzeffekt des Mitspielers. Ein gewollter Zufallseinfluß! Gut oder schlecht, das ist hier die Frage! Ohne diesen Mechanismus wäre die „Glasstraße“ ein dröges Optimierungsspiel. Mit diesem Mechanismus ist es ein unberechenbares Optimierungsspiel. Verschlimmbesserung?

Sehr geistreich sind die Resourcen-Rondells konstruiert, nach denen man Primär-Rohstoffe in die veredelten Rohstoffe Ziegel und Glas verwandeln kann (oder muss!). Die Rohstoffe liegen innerhalb zweier ziffernblattartiger Kreise. Je zwei Zeiger teilen jedes Ziffernblatt in zwei Sektoren. In dem einem Sektor befinden sind sich die Zählmarker für die Rohstoffe, im anderen die für die Edelstoffe. Kommt eine Rohstoffeinheit hinzu, so wird der entsprechende Zählmarker im Uhrzeigersinn vorwärts geschoben; wird eine Rohstoffeinheit verbraucht, wird rückwärts gezogen. Sobald vom geringsten Rohstoff wenigstens eine Einheit vorhanden ist, muss der Sektorenzeiger weitergedreht werden. Dabei wird von jedem Rohstoff automatisch eine Einheit abgezogen, und vom Edelstoff kommt automatisch eine Einheit hinzu. Eine hübsche Idee. Schon allein sie ist für die Freaks unter den Spielern eine Anschaffung des Spiels wert.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (fast 8, die Spiellänge stimmt; etwas zu solitär, das Thema ist rein abstrakt; er konnte sich für die Zufälle bei der Berufszufall nicht erwärmen. [A.b.N: Wären es sonst wohl 10 Punkte geworden?]), Günther: 6 (fand das Glückselement eher lustig), Walter: 6 (sammeln und bauen, hoffen und leiden. Ein Nochmals-Spielen wäre rein zum Zeitvertreib).

Aaron gewann mit 21 Siegpunkten. Das zeigt, dass man hier mit jedem Punkt geizen muss. Frage an die erfahrenen Glasstraßer: Ist das jetzt normal“ oder haben wir in unseren vier Runden ungewöhnlich wenig Siegpunkte eingefahren?

2. “Helios”
Wir sind „Hohepriester“ in einer „entfernten Welt“ und suchen „Ruhm“ für einen „Eintrag in die Geschichtsbücher“. Na, wenn das kein konkretes Thema ist!

Wie in der „Glasstraße“ bekommt jeder Spieler ein Landschaftstableau, das er sukzessive mit Landschaftsplättchen ausbaut. Diemal sind die Plättchen aber nicht rechteckig sondern hexagonal. Die Erträge bestehen auch nicht aus Lehm, Holz oder Wasser, sondern aus grauen, grünen, blauen, braunen oder schwarzen Holzklötzchen. (Ehrlich gesagt, die abstrakten Farben gefallen mir hier mindestens genauso gut wie irgendwelche zusammengefaselten konkreten Begriffe.)

Mit den geernteten Holzklötzchen dürfen wir in einer Tempelstadt Tempel errichten, die unseren weiteren Landschaftsbau fördern, uns Mana (in Form von roten Plastik-Knöpfen) spenden, Siegpunkte einfahren und unseren Sonnenwagen auf Touren bringen.

Mit der Mana kaufen wir Personenkärtchen, die uns – nach Aktivierung über entsprechende Rohstoffzahlung – weitere Siegpunktquellen eröffnen. Beispielsweise bringt uns die „Prophetin“ am Ende für jedes Hexagon in unserem Landschaft zwei zusätzliche Siegpunkte ein. Eine wahre Feldsche Siegpunkt-Suppe im Kallenborn & Prinzschen Pelzmantel.

Und der Sonnenwagen? Das ist überhaupt die geilste Idee in „Helios“. Jeder Spieler hat einen Sonnenwagen (gelber Knopf), mit dem er um seinen Landschaftsgarten herumfahren kann. Jedes Landschaftsplättchen, das er dabei berührt, trägt Früchte. (Rohstoffe in den bereits genannten Farben). Hat der Sonnenwagen die Landschaft einmal umkreist – das geht natürlich schneller a) je größer seine Geschwindigkeit und b) je kleiner unser Garten ist -, gibt es ebenfalls Siegpunkte.

Die Aktionen der Spieler – Landschaftsbau, Tempelbau und Helios-Bewegung – sind nicht frei wählbar. Pro Runde wird von jeder Aktion eine begrenzte Anzahl freigegeben. Die Spieler greifen reihum zu. Und wenn eine bestimmte Aktion vergriffen ist, muss man sich – in dieser Runde – mit einer anderen begnügen. Das kann u.U. sehr peinlich werden, besonders wenn man seinen Sonnenwagen nicht mehr bewegen kann, so dass in dieser Runde keine Rohstoffe mehr nachwachsen.

Auch bei der Auswahl der farbigen Landschaftsplättchen herrscht große Konkurrenz. Jeder Farbe ist nur einmal vorhanden. Und da man für den Tempelbau bestimmte Farben vordringlich braucht, gibt es immer eine große Nachfrage nach den besonders einträglichen Farben. Dieses deutliche Interaktionselement ist aber eher defensiv als aggressiv: Es geht nicht darum, einem Mitspieler eine Aktion oder eine Farbe wegzuschnappen, man schielt nicht nach fremden Plänen, um sie zu durchkreuzen. Die Spielzüge haben eher zum Ziel, sich selber die unbedingt notwendige Aktionen für die eigene Weiterentwicklung abzusichern. Absolut familientauglich. Auch wenn das Spiel erst ab zehn Jahre empfohlen wird.

Walter suchte sein Glück als Speedy mit dem Sonnenwagen und ganz kleiner Landwirtschaft. Doch ohne ein Mindesteinkommen an Brot und Wein läßt sich nicht gut beten. Weit abgeschlagen wurde er Letzter. Günther ging sofort auf das Mana los, riß sich – mit Mana-Priorität – die besten Personenkarten unter den Nagel, und machte sich dann konsequent an den Ausbau seiner Latifundien. So wurde er mit 122 Siegpunkten Sieger vor Aaron mit 108 Punkten.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (einfaches rundes Spielchen, mit leider hunderttausend Siegpunktquellen und leider entsprechend umfangreichem Regelwerk), Günther: 7 (deutlich mehr Konkurrenz und Interaktion als beim Rosenberg), Walter: 7 (das Spiel ist schnell und funktioniert).

Frage am Rande: Warum heißt in „Helios“ der Sonnengott AHAU? Wäre MaKaMaPri (nach dem Autoren-Duo) nicht ein viel sinnigerer Name gewesen?

3. “Abluxxen”
Unsere Wahl zum „Spiel des Monats“ steht vor der Tür, und wir haben erst wenige Kandidaten zur Auswahl. Da sollten wir uns mit „Abluxxen“ (Spielbericht vom 1. April) doch noch mal einen der beiden Titelanwärter unter die Lupe nehmen.

Im ersten Spiel gab es eine üppige offene Auslage und keiner gönnte dem anderen das Nachziehen. Fast unbehelligt brachte jeder peut-a-peut seine Kartenhand im eigenen Auslage-Stapel unter. Aaron machte fertig und bekam 13 Siegpunkte; Günther und Walter hatten noch eine bzw. zwei Karten auf der Hand und bekamen entsprechend weniger.

Dann wurde uns allen bewußt, dass man nur dann gut punkten kann, wenn man die Anzahl seiner Handkarten systemmatisch erhöht. Und das geht nur durch Abluxxen: ein spannender Kampf um die höchsten und dicksten Kartenmultitupel begann. Höchstmaß an Interaktion. Bei jedem Zug, auch dem der Mitspieler, ist man involviert. Und der Glücksgöttin ist auch ein hübsches Plätzchen eingeräumt. Aber nach dem Gesetz der großen Zahl gleicht sich der Glückseinfluß früher oder später wieder aus. Wie beim Skat.

Aaron: „Das Spiel hat etwas von der Qualität von „6 nimmt“. Immerhin eines unsere beliebtesten Absacker-Spiele.

WPG-Wertung: Aaron, Günther und Walter erhöhten unisono ihre Wertungsnoten um einen Punkt auf je 8. Das nächste Spiel des Monats scheint gesichert.

Es lohnt sich offenbar doch, ein funktionierendes Spiel noch ein zweites Mal auf den Tisch zu bringen. Man kann dabei gelungene Details entdeckten, die einem beim ersten Mal schlichtwegs entgangen sind.

“El día de la bestia”

Ein Spiel von heute. Aber nicht auf dem Spieltisch am Westpark. “La Marca“ schrieb dazu im Internet:«Otra vez ellos, los alemanes. Otra vez él, Josep Guardiola. Otra vez el Bayern de Múnich, actual rey de Europa. »

Horst war deswegen extra zuhause geblieben, um am Fernseher die Bestie zubeißen zu sehen. Irgendwie war sie dann doch ziemlich zahnlos. Schaun wir mal, was am kommenden Dienstag passiert. Auch die Bayern tienen cojones. Hoffentlich.

17.04.2014: Frieden mit Robinson Caruso

Unsere Wertungsnoten für Spiele sind von Jahr zu Jahr schlechter geworden. Die beigefügte Graphik suggeriert zwar ein buntes Auf und Ab, aber die mathematische Umsetzung zeigt unisono eine abfallende Trend-Linie. Eine Ausnahme hier bildet lediglich Peter, aber der hat umständehalber zwei Jahre lang nahezu total pausiert.

WPG-WertungstrendSind unsere Noten schlechter geworden, weil wir älter geworden sind? Kritischer? Weil uns viele neue Spielideen zwangsläufig als „alte Hüte“ vorkommen müssen? Oder sind die Spiele, die Jahr für Jahr herauskommen, tatsächlich von Jahr zu Jahr schlechter geworden? Oder nur die Auswahl auf unserem Tisch?

Zweifellos gibt es in jedem Jahrgang gute und sehr gute Spiele. Aber offensichtlich ist es bei den heutigen Hilfsmitteln für Erfinder leichter geworden, ein Spiel auf den Markt zu bringen, auch wenn es weniger gut gelungen ist. Notfalls im Eigenverlag. Oder als Kickstarter. – Unter denen haben wir ja überhaupt noch kein akzeptabel gutes Spiel gefunden. Günther schrieb: ”Die Qualität des Spielemarktes wird leider verwässert durch eine Unmenge von mittelmäßigen Spielen.“ Und damit hat er zweifellos recht.

Lösung: Weniger spielen? Nur Top-Spiele vorknöpfen? (Aber wie findet man die?) Häufiger mal in die Schatztruhe der Vergangenheit zurückgreifen! Unsere lange Liste von den „Spielen-des-Monats“ könnte helfen.

1. “Robinson Crusoe”

Nach der Verlagsauskunft „einer der Spielehits der SPIEL in Essen 2012.“. Doch als kooperatives Solitärspiel – man kann es schon ab 1 Spieler spielen! – besitzt es gleich zwei Eigenschaften, die am Westpark ziemlich verpönt sind. Moritz hatte das Spiel schon im Vorfeld vorgeschlagen, und gleich gingen die Mail-Wogen hoch. Dem verzweifelten User-Feedback: „Habe das Spiel zu Weihnachten bekommen und wir verzweifeln dran. Zunächst einmal ist die Anleitung super kompliziert, aber da habe ich mich durchgekämpft, doch nun schaffen wir das 1. Szenario einfach nicht“ stellte Moritz eine ganze Latte von euphorirschen BGG-Wertungen entgegen:

  • The best co-op game I’ve ever played.
  • Incredible genial game!!!… wow
  • “Dream come true” game!
  • Und noch eine längere Phrase, hier nach der Google-Übersetzung zitiert:
    Viel Variabilität im Setup. Spielbar mit 1-4 und skaliert gut. Schwierige Koop-Spiel, wie es sein sollte. Jede Entscheidung, die Sie machen, ist wichtig (sic!). Geschichte entfaltet sich organisch und versteckt die Mechanik geschickt als jede mechanische Aspekt macht Sinn kontextuell. Erstaunlich Spiel!
Robinson und Caruso auf vertauschten Sitzplätzen
Robinson und Caruso auf vertauschten Sitzplätzen

Vier Stunden hatte sich Moritz auf die heutige Spieleinführung vorbereitet. Das wollten wir ihm honorieren.

Ein Schiffbruch wirft uns an Land und wir müssen uns gemeinsam aufraffen, um unsere Überlebenschancen zu wahren oder zu verbessern. Wir können und müssen:

  • das Land um uns herum erkunden, und dabei hoffen auf etwas Essbares zu stoßen, ohne gleich von wilden Tieren selber angefressen zu werden
  • peut a peut Werkzeuge finden oder erfinden, die uns im Existenzkampf gegen natürliche Unbilden Vorteile bringen.
  • Holz sammeln, einen unabdingbaren Energiespender für jeglichen zivilisatorischen Fortschritt.
  • unser Lager in neue und bessere Gegenden versetzen, es ausbauen und verstärken, um gegen wilde Tiere, Regen und Schnee und Ähnliches geschützt zu sein.

Pro Runde hat jeder Spieler zwei Aktionssteine, die er beliebig auf dem großen Tableau der Aktionsmöglichkeiten einsetzen kann. Setzt er beide Aktionen für eine einzige Aktion ein, darf er diese unbedingt ausführen. Setzt er nur einen Stein (und den zweiten Stein woanders hin), dann muss er noch würfeln, ob ihm die Aktion erlaubt ist. Mit 5/6 Wahrscheinlichkeit haben wir dabei Glück, allerdings handeln wir uns dabei mit einer fast genauso großen Wahrscheinlichkeit Verletzungen ein (nach ca. 12 Verletzungen ist der Ofen aus), und wir müssen weitere Problem-Karten in das Kartendeck einreihen, die uns im Laufe des Spiels das Leben immer schwerer machen.

Im Prinzip agiert jeder für sich, doch da es nur ein gemeinsames Schicksal gibt – alle gewinnen oder alle verlieren – so entspringen die Züge einer gemeinsamen Ratio. Ratschläge über beste Züge sind notwendig und selbstverständlich.

Reicht die Nahrung nicht für alle, so müssen einige hungern. Wer das im einzelnen ist, entscheidet die Solidarstrategie. Einem Dreiviertel-Verhungerten wird eher noch ein Brosam zugeteilt als einem nur Halbverhungerten. Ohne jede Widerrede! Auch setzen wir unsere individuellen Spezialkräfte als Koch oder Zimmermann (oder als was auch immer) jederzeit dafür ein, den Schwächsten am Leben zu erhalten. So eine ausgeprägte Selbstlosigkeit jeder für jeden hat es in 15 Jahren Westpark noch nie gegeben. Ein einträchtiger spannender Kampf aller miteinander gegen die Macht des Schicksal.

Doch eigentlich sind die jeweils nächsten Schritte ziemlich prädestiniert: Es gilt, mit allen Mitteln den Mangel an Nahrung und Holz zu überwinden. Und die Möglichkeiten dazu sind äußerst begrenzt. Zudem hat überall auch noch der Zufall ein Wörtchen mitzureden.

Peter war für ein Maximum an Aktionen, alle mit dem bekannten Risiko behaftet. Er drängte uns auch dazu, unsere eigenen Aktionen nach dem gleichen Gieskannenprinzip über das Aktionentableau zu verstreuen. Aaron war zwar nicht dabei, hatte uns aber sein Würfel-Pech überlassen. So förderten die Risiko-Aktion weit häufiger als vermutet eine Kalamität nach der anderen zutage. Drei Runden brauchten wir allein dazu, das Messer zu erfinden. Und die bösen Auswirkungen der Risiko-Würfe übten im Laufe des Spiels einen immer stärker werdenden Druck auf unsere nacktes Überleben aus: Tiere fressen unsere Nahrung weg, ein Lagerbrand vernichtet das gesammelte Holz oder eine Überschwemmung zwingt uns, das schönste Lager mit dem dicksten Zaun drumherum und den weichesten Teppichen drinherin zu verlassen und in einer unwirtlichen neuen Gegend die Zivilivation von Neuem zu versuchen.

Wir haben gewonnen, wenn wir alle überlebt haben, und es bis zur zehnten Runde schaffen, ein riesiges Lagerfeuer zu entfachen (, das von vorbeifahrenden Schiffen gesehen wird, so dass es an Land kommt und uns rettet). Hoffnungsvoll hatten wir Runde für Runde Nahrung gesammelt, tapfer alle wilden Tiere besiegt, eifrig Holz für das Lagerfeuer gesammelt, und unsere Werkzeugkiste gefüllt. Eis und Frost hätte uns nichts mehr anhaben können. Mit unseren Waffen hätten wir Elefanten jagen können und der Zaun um unser Lager hätte einer ganzen Division von Leoparden widerstanden. Doch wir hatten versäumt, unserem Lager ein schützendes Dach zu verpassen. Der Monsun trieb einen gewaltigen Platzregen her, vier gewürfelte Regenwolken brachten dreien von uns den Tod. Günther überlebte als einziger, schwer verwundet. Seine fleißig gehortete Entschlossenheit konnte er in der Pfeife rauchen.

WPG-Wertung: Günther: 5 (Adventure-Spiele sind nicht mein Fall), Moritz: 8 (zugegeben, es gibt eigentlich nur eine einzige gemeinsame Entscheidung, aber: die thematische Umsetzung ist äußerst gelungen; die Spieldesign-Entscheidungen machen alle Sinn), Peter: 8 (hat mir sehr gut gefallen: Würde ich sofort noch einmal spielen – bis ich es einmal geschafft habe, zu gewinnen), Walter: 5 (es ist allemal wert, so ein Spiel im WPG-Kreis kennenzulernen; der Zufallseinfluß ist in die Überlebensplanungen gut integriert; die jeweils notwendigen Züge zum Überlegen sind allerdings recht einsichtig (= trivial)).

Abschließender Kommentar von Peter: „Solitätspiele haben die Eigenschaft, dass man sie nur solange spielt, bis man das Problem gelöst hat.“ Dazu drei Anmerkungen:

1) Es soll Leute geben, die eine einmal gefundene Lösung immer wieder wiederholen. Wie es die Goldhamster im Käfig vormachen!
2) „Robinson Crusoe“ ist mit unendlich vielen unterschiedlichen Szenarien üppig ausgestattet; da kann sich jeder jeden Tag einer neuen Herausforderung stellen.
3) Am Westpark werden Spiele in der Regel eh’ nur einmal gespielt, da ist es dann egal, ob man eine Lösung gefunden hat oder nicht.

2. “Pax”
Günther war in den zwei Stunden bis Mitternacht noch für ein weiteres Monster-Solitärspiel aufgelegt. Er hatte Uwe Rosenbergs „Die Glasstrasse“ auch schon aus seiner Tasche ausgepackt. Doch die allgemeine Stimmung war bereits auf Vor-Absacker eingestellt. Peter kramte „Pax“ von Bernd Eisenstein aus dem Regal hervor. Vor vier Jahren waren wir hier als Tester involviert gewesen. Am 18. Dezember 2011 lag das fertige Spiel dann zum ersten Mal bei uns auf dem Tisch. Doch für Moritz und Peter war das Spiel noch unbekannt.

Seltsamerweise scheuten sich alle „Bekannten“, die Regeln vorzutragen. Der Wust von inneren Abhängigkeiten sollte ja nicht einfach runtergelesen, sondern merkbar und verständlich dargelegt werden. Neuling Peter durfte dies dann aus dem Stegreif tun. Sein didaktisches Talent ist einfach unerreicht. Auch wenn Bernd es nicht so leicht gemacht hat, die im Prinzip einfachen Mechanismen auch einfach rüber zubringen.

Wir ziehen reihum Karten zu sieben verschiedenen Kategorien vom einem verdeckten Stapel und nehmen sie entweder auf die Hand oder legen sie offen beliebig an einen der fünf öffentlich ausliegenden Stapeln an. Auf die Hand nehmen ist immer gut. Auf die öffentlichen Stapeln legt man sie nur aus taktischen Gründen: Nach dem Karten-Ziehen darf sich der Spieler, der am Zug ist, auch noch alle Karten eines Stapels kaufen. Und je mehr Karten dort liegen, desto teurer wird das, so dass sich die nachfolgenden Spieler einen Stapel mit begehrten Karten-Kategorien bei dem grundsätzlich knappen Geld schon bald nicht leisten können.

Als letzte Aktion eines Zuges legen wir Karten aus unserer Hand nach Kategorien sortiert offen vor uns ab, jeder in seine eigene private Kartenauslage. Beliebig viele Karten. Allerdings wird das umso teurer, je mehr Karten wir auf einen Schlag ablegen. Quadratische Progression. Anschließend bekommen wir eine Rückvergütung, abhängig von der Anzahl der Karten in unserer Lieblingskategorie.

Beim Auslegen sind bestimmte Bedingungen einzuhalten: „Armeen“ und „Flotten“ dürfen nur abgelegt werden, wenn man bereits eine entsprechende Anzahl „Land“-Karten vor sich abgelegt hat. Wer einen „Senator“ legt, bekommt erhöhte Einnahmen. Wer eine „Intrige“ legt, bekommt gar nichts. Allerdings wird der Spieler mit den meisten ausliegenden Intrigenkarten Startspieler. Und er gewinnt, wenn das gemeine Rom am Ende nicht genügend eigene Kategorien-Karten ausliegen hat.

Eine ganze Reihe gegenläufiger Interessen müssen in dem sehr abstrakten Ablagemechanismus unter einen Hut gebracht werden. Karten

  • auf die Hand nehmen, oder nicht?
  • auf den öffentlichen Stapel ablegen? Auf welchen?
  • vom öffentliche Stapel kaufen? Welchen Stapel? Kosten-Nutzen-Relation.
  • von der Hand in die private Ablage legen? Welche? Wieviele?

Das A und O ist die private Ablage. Hier in der richtigen Dosierung vom Zufall begünstigt die richtigen Karten zu ziehen macht (leider) den Sieg aus. Nicht unbedingt planbar. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt. Und schnell geht das Ganze ohnehin.

Günther wollte zuerst in die Rolle des Intriganten schlüpfen und Rom gegen den Rest der Welt gewinnen lassen. Dann zog Peter in einem einzigen Schwung drei Intriganten nach und übernahm mit Wohlgefallen die Rolle des Primus Conspiratus. Doch in der schnellen Runde mit 4 Spielern hatte Rom keine Chance, die geforderte Dominanz zu erreichen. Den „normalen“ Sieg erzielte der Spieler mit der am besten bewerteten Auslage. Das war Günther. Haushoch. Warum auch immer.

WPG-Wertung: Peter: 4 (Die Sonder-Mechanismen greifen nicht; Die Vorteile der verschiedenen Karten-Kategorien können – mangels Masse – kaum genutzt werden), Moritz: 5 (ein lockeres Kartenspiel, in einer 4er Runde leider etwas zu kurz, man bräuchte doppelt so viele Karten). Günther und Walter blieben bei ihren Noten von 6 bzw. 7 Punkten. Für die außergewöhnliche Ablagetechnik. Und in memoriam der erfolgreichen 3er Runden.

3. “Bluff”

Günther stand mit 3 Würfeln im Endspiel gegen Moritz mit 2 Würfeln. Seine Vorgabe von 2 mal die Fünf war statistisch gesehen auf der sicheren Seite. Moritz hob ohne nachzuwürfeln auf 3 mal die Fünf. Dieser starke Tobak hätte selbst Günther von seinem Dreispänner geholt: beide hatten geblufft, keine einzige Fünf war unter den beiden Bechern.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.