Archiv der Kategorie: Spieleabende

09.04.2014: Denken, Husten und Stechen

Bridge ist ein Stichkartenspiel wie viele andere. Ein wesentlicher Unterschied zu allen anderen Stichkartenspielen besteht darin, dass man den ganzen Abend mit einem festen Partner zusammenspielt. Die Stiche zählen nur gemeinsam und entsprechend reizt man nicht ausschließlich sein eigenes Blatt reizt, sondern man muss partnerorientiert vorgehen, um den Kontrakt zu finden, der zur unbekannten Kartenhand des Partners am besten passt.

Natürlich wäre es hilfreich, durch Grimassen oder Gesten a la „Watten“ dem Partner Hinweise über die Besonderheiten in der eigenen Kartenhand zu geben. Doch das ist strengstens verboten. Und damit sich auch betrügerische Naturen unter den Spielern an dieses Gesetz halten müssen, werden bei bedeutenderen Turnieren Sichtschirme quer über die Spieltische aufgestellt, so dass die jeweiligen Partner auf getrennten Seiten sitzen, sich nicht sehen und dementsprechend keine versteckten Signale austauschen können.

Jetzt wurden zwei Bridgespieler, „the German Doctors“ Elinescu und Wladow, Senioren-Weltmeister des Jahres 2013, vom Welt-Bridge-Verband überführt, sich über die Sichtschirme hinweg geheime Informationen zu den Kartenverteilungen übermittelt zu haben: durch HUSTEN! Einmal Husten bedeutet eine Kürze in Kreuz, zweimal Husten eine Kürze in Karo usw. … Offensichtlich reichte dieser geringe zusätzliche Informationsaustausch dafür aus, Weltmeister zu werden.

Ein Entsetzensschrei geht durch die Bridge-Welt. Man kann es noch gar nicht fassen! Ist der Husten-Code – mittels Video-Aufzeichnungen bei mehr als 20 Austeilungen dokumentiert – zweifelsfrei nachgewiesen oder doch nur Zufall? Der Welt-Bridge-Verband ist sich sicher. Letzte Woche wurden die beiden in erster Instanz für internationale Turniere lebenslänglich gesperrt. http://neapolitanclub.altervista.org/wp-content/uploads/2014/03/Hearing21-22March2014.pdf. Der Deutsche Bridge Verband ist aufgerufen, dieses Urteil unverzüglich für den nationalen Bereich zu übernehmen.

Wie schrieben wir noch ganz naiv vor vier Wochen in unseren Session-Report: „Bevor ich so bin wie Du, bin ich lieber zweiter Sieger!“

1. “UGO!”

Ein Stichkartenspiel. Fünf Kartenfarben mit Zahlen zwischen 0 und 8. Man muss bedienen. Die höchste Zahl bekommt den Stich. So weit so gut.

Jeder Spieler sortiert die pro Stich gemachten Karten und legt sie offen auf (maximal) fünf Farbstapeln („Königreiche“ genannt) vor sich aus. Die Karten der nachfolgenden Stiche können zwar in sich beliebig geordnet werden, doch sie müssen immer oben auf die bereits ausliegenden gleichfarbigen Königreiche draufgelegt werden. Z.B. müsste eine in einem späteren Stich gewonnene rote Null auf eine vorher gewonnene rote Acht gelegt werden. Warum ist das von Bedeutung? Weil am Ende ausschließlich die obersten Zahlen in jedem Königreich als Siegpunkte gewertet werden.

Die ersten beiden Königreiche zählen hierbei grundsätzlich positiv, die weiteren drei Königreiche liefern zunächst mal Minuspunkte, falls dort eine gewonnene Karte liegt: sogar gleich ganze 10, 15 bzw 20 Stück davon! Erst durch das Platzierung einer Anzahl von Bauern in den negativen Königreichen bringen hier liegende Karten Pluspunkte ein. Dementsprechend muss man im Laufe eines Spieles unbedingt zwei, fünf oder mehr „Bauern“ gewinnen, um die hohen Minuspunkt-Zuteilungen zu verhindern.

Und wie gewinnt man Bauern? Das ist die eigentliche geniale Idee des Spieles. Wer einen Stich mit einer Drei oder Vier gewinnt, bekommt zwei Bauern. Wer einen Stich mit der fünf, sechs oder sieben gewinnt, bekommt einen Bauern. Wer eine Eins oder Zwei ausspielt und ein andere Spieler bekommt den Stich (was bei diesen Zahlenwerten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Fall sein dürfte), bekommt keinen, einen oder zwei Bauern, je nachdem ob der Stich mit der gleichen Farbe gewonnen wurde oder mit einer anderen.

Durch diese Technik erhält jede der Zahlenkarten 0 bis 8 eine eigene, und durchaus spannende Bedeutung: Mit hohen Karten kann (manchmal auch „muss“) man Stiche machen. Sie bringen in den positiven Königreichen auch entsprechend viele Siegpunkte. Die niedrigen Karten sind Laviermasse. Wenn man sie nicht zwangsweise zum „falschen“ Stich zugeben muss, bringen sie garantierte Bauern. Zudem können sie einem Mitspieler ein hochgerüstetes Königreich versauen. Die mittleren Karten sind Hoffnungsträger. Sie können Bauern einbringen, aber nur mit etwas Glück: Glück in der gesamten Kartenausteilung und Glück in der Reihenfolge, wie zu den einzelnen Stichen ausgespielt wird.

In jedem Fall eine neue, hübsche Spielidee.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (extrem glückslastig durch die Quantensprünge in der Punktwertung), Günther: 6, Moritz: 5 (man trifft keine spannenden Entscheidungen), Walter: 6 (lockeres Glücksspiel mit erträumbarer Planbarkeit).

Bau-Szenerie von "Trains" - wer sieht die Gleise liegen?
Bau-Szenerie von “Trains” – wer sieht die Gleise liegen?

2. “Trains”
„Dominion für Eisenbahnfreunde“ kündete Günther das Spiel an.

Jeder Spieler bekommt ein Kartendeck, von dem er pro Zug jeweils fünf Karten – zufällig und wrap-around gezogen – nutzen kann.

Es gibt „Baukarten“ (Gleisbau, Brückenbau, Bahnhofsbau), die eine entsprechende Bau-Aktion erlauben, Geld-Karten (die hier seltsamerweise „Zug“-Karten heißen: Regionalzug, Fernzug, etc.), mit denen man seine Bau-Aktionen bezahlen muss, oder mit denen man Karten aus einer offenen Auslage zur Erweiterung seines Kartendeckes kaufen kann – bessere Züge, Sonderkarten für Siegpunkte und Kartenpflege und ähnliches – und die nachgekauften Sonderkarten, z B. eine Mülldeponie, mit der man Nieten aus seinem Kartendeck entfernen kann.

Wie kommen die „Nieten“ auf die Hand? Jede Bau-Aktion erzeugt unausweichlich Müll, den man in Form von Müll-Karten in sein Kartendeck aufnehmen muss. Eine lobenswerte ökologische Einsicht. Müllkarten haben keinerlei Nutzeffekt, weder plus noch minus. Wenn man bei der zufälligen Auswahl seiner fünf Karten für einen Spielzug lauter Müllkarten gezogen hat, kann man gar nichts tun, den Spielzug vergessen und auf den nächsten Spielzug warten. Der glücklicherweise relativ schnell kommt, denn allen Spielern steht mit ihren gezogenen Spielzug-Karten nur eine recht begrenzte Auswahl an Zugmöglichkeiten zur Verfügung.

  • Mal dürfte man bauen, hat aber kein Geld.
  • Mal hat man Geld, darf aber nicht bauen.
  • Mal hat man Mülldeponien, aber keinen Müll.
  • Meist hat man Müll aber keine Mülldeponien.
  • Mal kann man mit dem gezogenen Geld gerade eine einzige der ausliegenden Sonderkarten kaufen.
  • Und was dergleichen unglücklicher Fügungen mehr sind.

Eine geile Kartenkombination ist Glücksache. Oder natürlich Resultat von außergewöhnlicher Genialität beim Zukaufen der Sonderkarten. Moritz verfolgte hier konsequent einen ausgeklügelten Deck-Building-Plan. Vor allem konnte er mit seiner „Schutthalde“ auf Teufel-komm-raus bauen, ohne neue Müllkarten aufnehmen zu müssen. Mit 26 Siegpunkten wurde er unangefochten Erster. Walter hatte keinerlei Peil und fühlte sich bis zum Spielende gespielt. Mit 23 Punkten landete er weit abgeschlagen am Ende. Dazwischen verloren sich Günther und Aaron.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (1 Punkte mehr als „Dominion“. – für die Bau-Szenerie. Bei allen Deck-Building-Spielen müsste man zuerst alle Karten studieren; das ist bei Spielbeginn leider zu zeitaufwendig; und wenn man das ausgiebig getan hat, ist das Spiel hinterher trivial), Günther: 7 (Dominion-Freak; war ständig am Verteidigen des Spielprinzips gegenüber Walters Meckereien über die 0-Freiheiten-Situationen. Wird vielleicht eine Analyse der Karten durchführen und publizieren. Oder auch nicht), Moritz: 9 (ich hatte einen Plan; mir hat es Spaß gemacht; das einzige Eisenbahnspiel, das mit gefällt), Walter: 4 (hätte lieber unten im Wohnzimmer gesessen und sich im Fernsehen den Sieg vom FC Bayern angeschaut, anstatt Runde für Runde seine 0-Freiheiten-Züge abwickeln zu müssen).

3. “Schokoly”

Jeder bekommt vier quadratische 2-mal-2 Plättchen in die Hand, bei denen jedes Teilquadrat in einer von drei Farben eingefärbt ist. (Da wir mit Schokolade spielen, sind die Farben schokoladig passend: Vollmilch, Zartbitter und Hell.) Jeder Spieler wählt eine Farbe als seine Siegpunktfarbe aus.

Reihum legt nun jeder Spieler jeweils ein Plättchen zu einer gemeinsamen großen Fläche auf den Tisch. Dadurch entsteht ein Mosaikmuster mit mehr oder weniger großen zusammenhängenden Farbformationen. Wessen Siegpunktfarbe die größte zusammenhängende Fläche bildet, der hat gewonnen.

Damit das ganze aber seine topologische Planbarkeit (a la „Go“ oder „Twixt“) verliert, darf man Plättchen auch in einer zweiten Ebene über die bereits gebaute Fläche drüberbauen. Damit kann man jedes vorhandene Muster zerstören und der Konkurrenz den schönsten Kontinent in lauter kleine Inseln zerfallen lassen.
Soll man wirklich bei jedem Zug überlegen,

  • mit welchem seiner vier Plättchen an welchem Platz man kurz-, mittel- und langfristig die größte Flächenwirklung erzielen kann?

oder

  • mit welchem der ungezählten Plättchen die Gegner unsere wohlgeplante und wohlgebaute Fläche zum Zerfallen bringen können?

Jeder einzelne Zug könnte Jahre dauern! Da lassen wir doch lieber das Denken sein, und legen mit Hoffnung und Gefühl unsere Plättchen, eines nach dem anderen, auf den Tisch! Doch wer von uns kann schon das Denken sein lassen? Und ist das überhaupt im Sinne der Erfinder von „Schokoly“? Wohl kaum.

Wir nutzten sogar noch die „Chili“-Erweiterung: Jeder Spieler bekommt zu Beginn ein Chili-Plättchen, mit dem er noch mehr Unfug auf der ausgelegten Fläche anstellen kann: Plättchen drehen, vertauschen oder wegnehmen. Überflüssig wie ein Kropf. Oder noch mehr Unberechenbarkeit in ein von Grundprinzip her als Planspiel angelegtes Spiel. Offensichtlich gibt es unter den Brettspielern doch weitaus mehr Chaoten als Strategen.

WPG-Wertung: Aaron: 4 (für die 4-Personen-Variante), Günther: 6 (davon 1 Punkt für die Schololade), Moritz: 3 (für jeden Mitspieler einen Punkt) , Walter: 3 (es könnte ein schönes, kontemplatives Topologie-Spiel sein, wenn nicht durch die zweite Legeebene dem totalen Chaos Tür und Tor geöffnet worden wäre).

4. “Scharfe Schoten”
Das 5-Punkte-Spiel “Scharfe-Schoten” von letzter Woche setzte sich heute gegen das 7-Punkte „Abluxxen“ durch! Zumindest Walter kann sich zu dieser Entscheidung bekennen, da er von Moritzens mitgebrachtem Single Malt und vom Zittersieg des FCB schon ziemlich abgeschlafft war, und ihm jetzt der Sinn eher auf einem No-Brainer stand. Man sieht, selbst – von uns – abqualifizierte Spiele können hin und wieder deutliche Positionsvorteile gegenüber – von uns – qualifizierten Spielen aufweisen.

WPG-Wertung: Moritz: 4 (mit einem „gefällt mir nicht“ schwang er sich auf sein Fahrrad und verschwand)

5. “Skat”

Ja richtig, ein stinknormales Skat bildete den Absacker. Es ging darum, zu demonstrieren, ob ein durchschnittliches Skat-Spiel – einschließlich Mischen und simultanem Palavern – in drei Minuten absolviert werden kann.

Im ersten Spiel bekam Günther einen Null. Seine einzige Schwäche war Kreuz B 10 9 8. Aaron spielte Pik-8 aus und Günther warf den Kreuz-Buben ab. Offensichtlich hatte er zwei Piks gedrückt. Zum zweiten Stich spielte Walter Kreuz 7 von A und 7 aus. Aaron musste die Dame legen, und Günther hatte gewonnen.

Vielleicht hätte es hier noch eine Möglichkeit gegeben, dass Aaron eine seiner beiden Kreuz-Karten abwerfen kann, Walter dann zuerst das Kreuz As spielt und anschließend Günther mit der 7 zu Fall bringt. Doch soviel Zeit für die Post-Mortem-Analyse leisteten wir uns nicht. 2 Minuten 45 Sekunden.

Im zweiten Spiel bekam Günther einen Grand mit Dreien. Super Hand, lediglich zwei Herz-Luschen im Blatt. Beidesmal konnte Walter hierauf eine Zehnen schmieren – Schneider frei, immerhin. Nach dem vierten Stich claimte Günther. Zeitsumme: 6 Minuten.

Im dritten Spiel bekam Walter ein ziemlich dünnes 5-Trumpf-Herz-Spiel ohne Zwei. Seine Nebenfarben waren gut, die Trümpfe standen 3:3 und und die Karo-Schwäche blieb bis zur Trumpf-Elimination unentdeckt. Zeitsumme: 9 Minuten 40 Sekunden.

Fazit: 3 Minuten pro Spiel sind nicht unrealistisch. Allerdings darf hier keiner ständig lästig nachfragen „Wer muß geben / Wer muß reizen / Wer spielt aus?“. Vom unendlichen Nachdenken über zwei-drei Spiel- und Ausspiel-Alternativen ganz zu schweigen.

Offen blieb die Frage: Wieviel Punkte würden wir für „Skat“ vergeben, wenn wir es heute zum ersten Mal kennenlernen würden. Eine Menge „neuer“ Spielelement gegenüber ALLEN anderen Stichspielen hat es auf jeden Fall. Man spielt auch ausschließlich gegen die Raffinessen des Mitspieler und nicht gegen die Fallstricke in den Regeln. Zudem ist es ein ständiger Quell von Freude und Schadenfreude. Warum sollte es nicht 10 Punkte wert sein?

Keine WPG-Wertung.

02.04.2014: Stichspiele resp. Scharfe Schoten ablutschen

„Könnten wir nicht vielleicht ausgeglichenere, ausgefülltere, glücklichere Menschen sein, weniger gehetzt, weniger überarbeitet, weniger gestresst, weniger infarktgefährdet, weniger neurotisch, weniger zu Depressionen und innerer Einsamkeit neigend, wenn wir auf etwas Geld, etwas Wohlstand, etwas Karriere, etwas Macht und Einfluss, etwas gesellschaftliches Prestige verzichten und zum Beispiel mehr spielen würden?“
(aus Warwitz / Rudolf : „Vom Sinn des Spielens“)
Und warum spielen wir? Dazu geben Warwitz / Rudolf auch gleich eine Antwort:

  • weil wir viel Lebensenergie und Dynamik in uns verspüren
  • weil wir nach harter Arbeit nach Entspannung und Erholung verlangen
  • weil wir uns mit neuen Geräten, Menschen und Techniken spielerisch vertraut machen wollen
  • weil wir uns von latenten Ängsten befreien wollen
  • weil wir einer unbefriedigenden Lebensrealtität entfliehen wollen
  • weil wir einen angeborenen Spieltrieb haben

Also auf, Ihr dynamischen, schwer malochenden, unerfahrenen, verängstigten Trieb-Träumer, auf zum Spiel!

1. “Skull King”
„Schädel-König“ nennt sich dieses „piratenstarke Stichspiel“, aber es bekennt gleich in der Einleitung, dass es sich hier nicht um Mord und Totschlag auf den Weltmeeren, sondern um harmlose Stiche auf dem Spieltisch handelt. Wie beim „Tarock“ oder „Wizard“ und einigen anderen gleichgelagerten Spielen geht es darum, vorherzusehen und vorherzusagen, wieviele Stiche man bei einer bestimmten Kartenausteilung bekommt.

Gespielt wird mit Zahlenkarten in vier Farben. Eine Farbe davon ist Trumpf. Reihum spielt jeder Mitspieler zu einem Stich aus. Farben muss man bedienen; wenn man nicht bedienen kann; darf man jede andere beliebige Karte zugeben. Wie man das von einem normalen Stichkartenspiel erwartet, bekommt derjenige den Stich, der von der ausgespielten Farbe die höchste zugibt; ist eine Trumpfkarte dabei, dann bekommt der höchste Trumpf den Stich.

Gewürzt wird das ganze durch ein paar Sonderkarten, die das vorhersehbare Stichpotential etwas aufmischen, und die man unter Umgehung des Bediengebotes jederzeit spielen darf:

  • Die „Escape“-Karten sind die niedrigste Karten, mit der macht man nie einen Stich. (Außer alle Spieler spielen ausschließlich „Escape“-Karten zu einem Stich).
  • Die “Mermaid”-Karten sind die zwei-höchsten Karten, höher als jede Farbkarte; sie werden aber noch von den „Piraten“-Karten überboten.
  • Eine „Scary Mary“-Karte kann entweder als „Escape“ oder als „Pirat“ eingesetzt werden. (Nun ja, das macht das Kraut auch nicht mehr fett.)
  • Der „Skull-King“ sticht die Piraten und bringt in diesem Fall auch noch Sonderpunkte ein. Um das Versteckspiel noch etwas zu intensivieren, stehen die „Mermaid“-Karten über ihm: also King vor Piraten vor Mermaid vor King ….

Die Sonderkarten bringen etwas verschlungene Würze in die lineare Stich-Logik. Wir haben deutlich mehr Freiheiten beim Abspielen unserer Kartenhand. Kalkulieren ist gut, gegenläufige Ambitionen sind schlecht, und der Zufall lacht dazu. Der lockere Charakter des Spiel zeigt sich schon in der ersten Runde, wo nur eine Karte je Spieler ausgeteilt wird. Hier die höchste Karte zu haben und das auch noch richtig zu erraten, ist reine Glückssache. Als lockeres Glücksspiel sollte man den Schädel-König ansehen, selbst wenn der Anteil an individueller Spieltaktik für eine erfolgreiche Stich-Vorhersage bei steigender Kartenzahl deutlich zunimmt.
Schadenfreude spielt eine große Rolle, weil man oft genug einem Mitspieler seine Stich-Vorhersage willentlich vermaseln kann. Und das ist doch auch schon was.

WPG-Wertung: Aaron: 4 (2 Punkte weniger als „Wizard“), Günther: 6 (ein Wizard-Clone, nicht besser, nicht schlechter), Peter: 6 (weil es lustig ist), Walter: 7 (eigentlich weniger Punkte, weil die Idee nicht neu ist, doch die Balance zwischen Planen-Können und Zufalls-Entscheidung ist gut gelungen.)

Scharfe Schotten zwischen Wein und Gummibärchen
Scharfe Schotten zwischen Wein und Gummibärchen

2. “Scharfe Schoten”
Wir spielen mit einem ganz gewöhnlichen Romme-Canasta-Bridge-Spiel. Jeder Spieler gibt rundum eine Karte zu einem Stich zu; man muss bedienen; die höchste Karte gewinnt. Wie beim Bridge gilt: Pik sticht Herz sticht Karo sticht Kreuz. Die Asse aller Farben sind die höchsten Karten.

Jeder Spieler muss vorhersagen, von welchen Farben er am Ende die meisten und die wenigsten Karten in der Summe seiner Stiche hat. Richtiges Raten bringt Siegpunkte. Eine große Differenz zwischen den meisten und den wenigsten der richtig geratenen Kartenfarben ebenfalls. Soweit so gut

Doch „Scharfe Schoten“ wird nicht mit einem ganz gewöhnlichen Romme-Canasta-Bridge-Spiel gespielt. Die Karten haben die abstrakten Farben rot, grün, gelb und blau. Die Farbreihenfolge wird bei jedem Spiel neu ermittelt. Zufällig. Außerdem sind nicht die Asse die höchsten Karten, sondern von jeder Farbe ein eigener, ebenfalls pro Runde neu ermittelter zufälliger Kartenwert. So muss man bei jedem Spiel – für nix und wieder nix – umdenken, und kämpft mit der jeweilig neuen Rangfolge anstatt mit der eigenen und den fremden Kartenhänden.

Schadenfreude kommt selten auf. Schließlich kann man ja nicht wissen, welchen Wert ein Stich für einen Mitspieler am Ende bedeutet. Meist muss man zu einem Stich zugeben und hat ohnehin keine Wahl für Taktik und Kartenpflege. Und welche Farben die bösen Mitspieler uns zu einer hochwertigen Karte, zu einem stichbringenden As dazugeben, das haben wir auch nicht in der Hand. Reiner Zeitvertreib. Als Hinweis, was man mit einem ganz gewöhnlichen Romme-Canasta-Bridge-Spiel auch noch anfangen kann, wäre es ein marginaler Dienst an der spielenden Menschheit gewesen. So ist es – böse formuliert – lediglich ein überflüssiger Beitrag auf dem globalen Markt für Spielmaterialien!

Aaron hatte schon in der Testphase des Spiels mitgewirkt. Damals hieß es noch „Alles Kacke“ und auf den „Scharfen-Schoten“-Plättchen waren lauter entsprechende Häufchen abgebildet. Vielleicht war die „Kacke“ aber bereits patentiert und man hat in der Terminologie von der zweiten auf die dritte Phase der Menschwerdung umgeschaltet. Zumindest Peter sah in den Schoten von Karotten, Meerrettich und Paprika lauter Phalloi. Vielleicht ist dies der Mehrwert von Autor und Verlag.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (nach zuerst 7 [sieben] Punkten! [Alle fragten sofort mehr oder weniger aggressiv nach: „Warum 7 Punkte?“. Peter argwöhnte: „Weil du Tester gewesen bist?“; Entrüstetes Zurückweisen. Eine verbale Begründung für sein Wohlwollen wollte Aaron nachliefern, doch bis zum Ende des Spielabends haben ihm dazu die Worte gefehlt; vielleicht reicht er sie als Kommentar nach]), Günther: 5 (bringt etwas Neues, das aber leider nur chaotisch ist), Peter: 5 (das Spiel läuft sehr mechanistisch ab, möchte es nicht noch einmal spielen), Walter: 4 (noch mehr denken, noch mehr Abhängigkeit vom zufälligen Geschehen bei den Schotten)

3. “Abluxxen”
Wie heute bereits zweimal gehabt besteht das Spiel aus Karten mit den Zahlen 1 bis 13. Von jeder Zahl gibt es acht Stück. Dazu noch 5 Joker.

Jeder Spieler bekommt 13 Karten auf die Hand; sechs weiter kommen in eine offene Auslage, die restlichen Karten bilden den verdeckten Nachziehstapel. Jeder legt reihum eine Kartenkombination aus seiner Hand vor sich aus. Erlaubt sind einzelne Karten und jedes beliebige Vielfache der gleichen Zahl. Fast wie bei Romme. Am Ende zählt jede ausgelegte Karte als ein Spiegpunkt, jede noch in der Hand behaltene Karte als Minuspunkt. Ebenfalls fast wie bei Romme.

Jetzt kommt der Kniff: Legt ein Spieler bei seinem Zug genauso viele Karten ab, wie einer oder mehrere seiner Mitspieler gerade als oberstes Päckchen in ihrer Auslage haben, und wenn die neu gelegten Karten einen höhere Zahlenwert aufweisen als die bereits auf den Tisch liegenden, so muss der Spieler diese Päckchen von allen betroffenen Spielern entweder auf seine Hand nehmen oder zerstören. Die betroffenen Mitspieler dürfen/ müssen dann aus der offenen allgemeinen Auslage oder vom verdeckten Nachziehstapel entsprechend viele Karten nachziehen. Das „dürfen“ im vorstehenden Satz gilt für den Spielanfang und bei lukrativen Karten in der Auslage: da wird das Nachziehen als positiv empfunden: mit den nachgezogenen Karten kann man gegebenenfalls hübsche Kombinationen in seiner Kartenhand aufbauen. Bei Spielende, oder wenn man gerade eine hohe Kombination gleicher Zahlen abgelegt hat, gilt für das Nachziehen nach dem „Abluchsen“ eher ein „müssen“: Man bekommt einen Haufen Einzelkarten auf die Hand. Anstatt weniger, sorgsam gesammelter gleicher Zahlenkarten, die man in seinem nächsten Zug alle auf einmal ablegen wollte um das Spiel mit 0 Minuspunkten zu beenden, hat man auf einmal eine ganze Menge lästiger Einzelkarten aufgehalst bekommen, von denen bei Spielende garantiert noch ein erheblicher Anteil als Minuspunkte auf der Hand bleiben wird.

Wir spielten mit großem Lerneffekt:
In der ersten Runde versuchten wir uns sich gegenseitig möglichst viel abzuluchsen und – unter Inkaufnahme jeglichen Chaoses – möglichst viele Karten in die eigene Auslage zu bekommen.
In der zweite Runde trat das Abluchsen deutlich in den Hintergrund. Jeder versuchte jetzt in seiner Hand einen kleinen, Bestand weniger gleichen Zahlenkarten zu sammeln, mit denen er später in ein oder zwei unangefochtenen Zügen das Rundenende herbeiführen wollte. Das Aufnehmen von dicken Päckchen aus der Nachbarablage wurde auf einmal zu einem Risiko.
Nachdem Walter hier sehr erfolgreich agieren konnte (und auch erfolgreich agiert wurde), ging es ihm in der letzten Runde nur noch darum, möglichst ungeschoren die Karten seiner Hand ablegen zu können, ohne durch Abluchsen ein hohes Minuspunkt-Konto aufgehalst zu bekommen. Ein einziger Pluspunkt in dieser Runde reichte zum unangefochtenen Sieg.

WPG-Wertung: Aaron: 7, Günther: 7 (ganz lustig), Peter: 6 (“weil ich immer Straßen hatte”), Walter: 7 (ein Romme mit Kampfcharakter).

4. “Trans Europa”
Kurz vor seinem Tod 2007 hat uns der geniale Franz-Benno Delonge – Gott habe ihn selig – noch schnell ein hübsches Spielchen beschert. Auf Europas Weiten legen wir Gleise und bauen damit ein – früher oder später – zusammenwachsendes, gemeinsames Netz zu den individuellen Pflichtstädten, die jeder Spieler verbinden muss. Ein klare hübsche neue Spielidee. Spielerisch, konstruktiv, intuitiv und mit Bluff-Elementen.

Schon 14 mal habe wir das am Westpark gespielt. Als Absacker ist es genauso geeignet wie zum Aufwärmen. Auch hübsch und erfrischend für eine Runde zwischendurch. Oder für eine spielerische Aufklärungsstunde mit den nicht-spielenden Nachbarn, sowie als Betthupferl für und mit den (hoffentlich bald 8 jährigen) Enkeln.

Keine neue WPG-Wertung für ein 8-Punkte Spiel. [Warum ist das bei uns eigentlich nie „Spiel des Monats“ geworden? Tragik der Koinzidenz!]

5. “Bluff”
Mit einer Minderheit von 4 Würfeln stand Peter im Endspiel gegen Günthers 5. Durch gutes Würfeln und taktisch richtiges Setzen konnte er 5 mal hintereinander dem (die erste Runde) Führenden je einen Würfel abluchsen. Im letzten Wurf würfelte er sogar noch zwei Sterne nach. Günther blieb einen Würfel schuldig.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

26.03.2014: Schadenfreude

“Der schlechteste Zug in der menschlichen Natur bleibt aber die Schadenfreude, da sie der Grausamkeit enge verwandt ist.” Diese Behauptung von Arthur Schopenhauer greift viel zu kurz. Der Superlativ darin ist ohnehin falsch. Auch nette Menschen kennen Schadenfreude. Dabei geht es keineswegs um Häme oder um eine „psychische Entlastung durch die Aufwertung eines Selbst gegenüber einem vermeintlichen Überflieger.“ Oft geht es einfach um die – zweifellos freudige – Tatsache, dass ein unvermeidliches Unglück nicht uns sondern einen anderen getroffen hat.

34 mal in unseren Session-Reports kommt das Wort „Schadenfreude“ vor. Meist mit einem durchaus positiven Touch. Hier eine kleine Auswahl:

Verflixxt! : Ein Garant für Freude und Schadenfreude. – Ganz offen zu sehen; alle können sich unmittelbar mitfreuen. Das Offensichtliche und die spontane Mitfreude aller Unbeteiligten, ein Mitlachen selbst bei den Beteiligten, das sind überhaupt die wesentlichsten Charakteristika für die positiven Seiten der Schadenfreude.

Via Romana: beim Gleichstand an Meilensteinen bekommt keiner was. Diese kleine Quelle reiner Schadenfreude ist für reifere Semester wohl das bemerkenswerteste Element von “Via Romana”. – Zugestanden, nicht jede Schadenfreude wird von jedem geteilt.

Sankt Petersburg: Günther lag das ganze Spiel über auf dem letzten Platz. Es erhob sich schon eine allgemeine Schadenfreude mit oder gegen den erfahrenen Entwickler der PC-Version. – OK; hier geht es eher schon in Richtung gegen einen Überflieger.

Trias : Die Herden auf dem Hexagon fallen ins Wasser und müssen von dem jeweiligen Herdenbesitzer explizit auf Nachbarhexagons gerettet werden, wenn sie nicht untergehen sollen. Reichlich Stoff für spielerische Freude und Schadenfreude. – Unbeabsichtigtes Ins-Wasser-Fallen: schon seit tausend Jahren wird dieser Gag in den Filmen der Welt mit garantiertem Lacherfolg aufgestischt.

„Bei uns Westpark-Gamers darf gelacht werden. Schadenfreude wird von Siegern und Verlieren gleichermaßen akzeptiert und getragen.“ – Nun da, da war vielleicht auch Wunsch der Vater des Gedankens.

Günther sichtet die Ernte aus dem Würfelturm
Günther sichtet die Ernte aus dem Würfelturm
1. “Amerigo”
Aus 16 Kartonteilen zu je 5 mal 5 Quadratfeldern stellen wir zu Beginn des Spiels eine variable Landschaft mit Inseln und Meeresarmen zusammen. Anschließend

  • fahren wir mit unseren zwei Schiffen durch die Gegend und gründen Häfen,
  • planen und bauen Landschaften,
  • treiben Forschung (gut für die Potenz),
  • kaufen Waren (gut für die Siegpunktwertung am Schluß),
  • laden Kanonen (gut gegen die in wachsender Zahl auftretenden Piraten),
  • rangeln ums um die Spielerreihenfolge.

Welche Aktionen wir (und unsere Mitspieler gleichfalls) tun dürfen, wird nach einem neuartigen Auswahlverfahren bestimmt, das auf einer altartigen Spiele-Erfindung basiert: einem Würfelturm. Jede der sieben möglichen Aktionen wird durch eine bestimmte Farbe vorgegeben; kleine Holzwürfelchen mit den entsprechenden Farben werden nach einer vorgegebenen Stückelung in einen Würfelturm geworfen; alle Aktionen, für die mindestens ein zugehöriges Farbwürfelchen wieder herausgefallen ist, dürfen anschließend ausgeführt werden. Mit welche Quantität, das bestimmt die höchste Anzahl an gleichfarbigen Würfeln irgend einer Farbe.

Alles ist konstruktiv. Engpässe gibt es nicht. Dass dringend gewünschte Aktionen gerade nicht zuässig sind, kommt im Prinzip nicht vor. Höchstenfalls muss man darauf einen Zug warten. Aber ohne deshalb merkliche Nachteile in Kauf nehmen zu müssen. Alles bringt uns vorwärts. Alles liefert Siegpunkte. Mal früher mal später. Mal mehr, mal weniger.

Hafengründungen bringen Brinkel, vollständig mit Landschaftsplättchen überbaute Inseln bringen Brot. Fische liefern die Rohstoff- und Warenmarker, die wir uns gezielt oder ungezielt das ganze Spiel über zugelegt haben; Butter bei die Fische resultiert aus den verschiedenen Entwicklungsfortschritten, die stufenweise immer mal wieder etwas abwerfen. Alles ist rund und macht satt.

Am Ende nehmen die Zugoptionen deutlich ab. Die Häfen sind alle entdeckt und die Schiffahrt kann eingestellt werden. In den Skalen für Entwicklungsfortschritt ist das Ende erreicht, Waren und Rohstoffe sind abgegrast. Mehr oder weniger oft muss man konstruktive Amerigonismen verfallen lassen und sich mit zwei Goldstücken Ersatz begnügen. Weniger Spielrunden hätten dieses Manko vermeiden und dazu noch Zeit sparen helfen! Wir brauchten in einem relativ flotten Spiel ca. 2 ½ Stunden für die ausgeschriebenen fünf Spielrunden.

Moritz hatte gleich zu Beginn seine nautischen Fähigkeiten entwickelt. Dann raste er mit seinen getunten Rennbooten durch die Kanäle und setzte seine Duftmarken in alle erreichbaren Hafengegenden. Punktemäßig lag er lange Zeit ziemlich zurück, doch er hatte mit seinem Vorgehen das größte Landgebiet unter seine Kontrolle gebracht. Schlußendlich konnte er hierauf die ertragreichsten Plantagen errichten und die sprudelnsten Siegpunktquellen erschließen, während die Konkurrenz sich schon längst mit den Ersatzgoldstücken hatte zufriedengeben müssen.

WPG-Wertung: Günther: 7 (verteidigte, dass die Piraten heute etwa zu luschig waren), Moritz: 8 (Origineller Aktions-Auswahl-Mechanismus, es gibt viele verschiedene Strategien und alle haben Erfolgschancen. Bei Spielende landen alle Spieler – problemlos – oben auf den verschiedenen Entwicklungsskalen. [Das wird jetzt als Schwäche gewertet.]), Peter: 6 (tolle, unterschiedliche Spielelemente, am Ende öde), Walter: 6 (mal wieder die nackte Ingenieursleistung honoriert; kein Spannungsbogen; für ein Wiederholungsspiel fehlt der Anreiz des „to have a plan“.)

Bei “Russian Railroads” kritisierte Christoph meine Kritik der „zu vielen Optionen“. Kennst Du eigentlich den Unterschied zwischen „viele“ und „zu viele“? Die gleiche Kritik möchte ich nämlich auch in „Amerigo“ anmelden. Es gibt zu viele einträgliche Zugoptionen. Für ein zeitvertreibliches Drauflosspielen und Schwelgen im Übermaß von Zugoptionen mag das angehen. Ein ein wohlstrukturiertes Vorgehen in einem überschaubaren Entwicklungsraum, in dem auch der aktuelle Besitzstand der Mitspieler jederzeit klar überschaubar ist, erfordert Beschränkungen. In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister. Beim Machen und beim Nachmachen!

PS: in „Amerigo“ gibt es keine Schadenfreude. Überhaupt keine. Das ist leider ein Manko.

2. “Poison”
Dieses kleine Kartenspiel setzte sich heute als Vorabsacker gegen den Würfelsacker „Quixx“ durch. Schon im August 2009 hatte es zum ersten Mal bei uns auf dem Tisch gelegen und wurde damals auch gleich zu unserem „Spiel des Monats“ gekürt.

Wie kam man doch mit kleinen Sachen, Spielern eine Freude machen. Karten – nichts Neues unter der Sonne. Karten auf gemeinsame Stapel auslegen und ab einem gewissen Stapel-Limit dafür Plus- oder Minuspunkte bekommen – auch das ist nicht keine Erfindung von Reiner Knizia. Aber mit wenigen bekannten oder unbekannten Spielelementen so hübsch zu jonglieren, dass ein schnelles, unkompliziertes Spielchen mit einen hohen Grad an Interaktion herauskommt, das ist allemal ein hohes Lob wert.

Welch eine gelungene Schadenfreude, wenn der Nachfolger unweigerlich einen der drei vergifteten 13-Punkte-Stapel an sich nehmen muss. Und hierbei erkennt man eine psychologisch verständliche und soziologisch durchaus akzeptierte Motivation der Schadenfreude: Wir stehen alle unter der ständigen Spannung, dass so eine Misere auch uns treffen kann. Und gerade dadurch, dass es einen anderen getroffen hat, sind wir davongekommen. Wenn das kein Grund zur Freude ist.

Keine neue WPG-Wertung für ein 7,17 Punkte Spiel.

3. “Bluff”
Walter war schon nach dem zweiten Spiel herausgekickt worden und sein verabschiedender Verlust von 4 Würfel wurde mit großem (schadenfreudigem!) Hallo quittiert. Moritz musste im Endspiel mit einem Würfel gegen zwei Würfel von Günther und Peter antreten. Nicht mit zaghaftem Den-Schwanz-Einziehen, nur mit frisch-frech-fröhlichem Kämpferherz kann man Lady Fortuna beeindrucken. 3 mal die Vier war seine mutige Vorgabe. Zuversichtlich zweifelte Günther mit zwei gewürfelten Luschen an. Doch sein Strahlen wandelte sich unmittelbar darauf in ein vierfaches schallendes Gelächter (reine Freude und Selbst-Schaden-Freude bei Beteiligten und Unbeteiligten), als Peter zwei Vieren aufdeckte. Mit 1:1:1 ging es also in das endgültige Endspiel.

Moritz begann mit 1 mal die Fünf. Günther hob auf 1 mal den Stern. Peter ging auf 2 mal die Eins, was Moritz auf 2 mal die Fünf steigerte. … Endergebnis: Nochmals schallendes Gelächter am Westpark.

Fragen (ohne Wein-Prämie): Wer hat gewonnen? Wer hatte welche Augenzahl unter dem Becher? Wer hatte bei dieser Konstellation (einschließlich Moritz’ erster Vorgabe) – eigentlich – die besten Chancen auf den Sieg?

Weitere Post-Mortem-Frage an Peter: Wo war bei Deiner Vorgabe von „2 mal die Eins“ eigentlich Dein Witz und Dein Spielwitz?

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

19.03.2014: Hysterie of the World

Seit dem Friedensdiktat von Versailles jammern wir Deutsche dem uns vorenthaltenen Selbstbestimmungsrecht der Völker hinterher. Wie konnten wir nur den honigtriefenden 14-Punkten von Wilsons Friedens-Programm auf den Leim gehen! Insbesondere dem Punkt 5 der bei allen territorialen Ansprüchen der Herrschaften die Interessen der betreffenden Bevölkerungen („the interests of the populations concerned“) gleichberechtigt berücksichtigt haben möchte.

Jetzt ist Vladimir Putin hingegangen und hat in der seit Urdenken (zumindest soweit meine Ahnentafel zurückreicht) russischen Krim abstimmen lassen, ob sie sich von einer feindlich gesinnten Zentral-Regierung oder lieber von den Brüdern und Schwestern in Moskau regieren lassen möchte. Und der gesamte Westen, alle unsere Massen-Medien ziehen darüber her, als ob Putin der Mephisto und Vitali Klitschko das Gretchen wäre.

Ja wenn das ganze nur ein großes Derblecken wäre! Da könnte man vielleicht noch darüber lachen und auf einen Deus ex Angela hoffen. Doch die Schreiberlinge und Kommentatoren meinen ihre Hetze ernst. Systematisch werden wir mental auf den nächsten Krieg eingestimmt. Verdammte Politik!

Freundschaftliche Stimmung beim Rätsel-Romme
Freundschaftliche Stimmung beim Rätsel-Romme
1. “Mystery Rummy”
Nach dem Regelheft wird uns hiermit „ein absolut neues Spiel-Konzept“ geboten, das „die Machenschaften eines klassischen Detektivspiels“ mit den „traditionellen Strategie-Elementen eines Romme“ verbindet.

Wie von dorther gewohnt werden die Karten werden gemischt und jeder Spieler erhält neun Karten auf die Hand. Wie beim stinknormalen Romme ziehen wir – sofern wir nichts Besseres zu tun haben – jeweils eine Karte vom verdeckten Nachziehstapel auf die Hand und legen eine Karte aus der Hand auf den offenen Ablagelagestapel ab.

Wie beim stinknormalen Romme können wir zusätzlich drei oder mehr passende Karten vor uns ablegen. Der Einfachheit gelten beim „Mystery Rummy“ alle Zahlenkarten einer Kartenfarbe als passend, z.B. bilden also auch die Karten Zwei, Sieben und Zehn ein ablegbares Trio.

Wer Zahlenkarten einer Kartenfarbe auf den Hand hat, von der ein Mitspieler bereits ein Trio vor sich liegen hat, darf diese Karten in beliebiger Stückelung ebenfalls ablegen. Im Gegensatz zum Original-Romme aber nicht an das Trio des Mitspielers, sondern als Einzelkarten vor sich selbst.

Asse, Könige und Damen etc. heißen „Verdacht“, „Opfer“, „Tatort“, „Indiz“ und „Alibi“. Sie erschweren mit diesen Kriminal-Namen aber nur einem biederen Bridgespieler das Verständnis über die trivialen Abläufe und Funktionalitäten. Bilden wir die Karten und ihre Effekte doch besser auf die ganz normalen Romme-Karten ab!

Alle Damen , Buben und Könige können einzeln abgelegt werden. Wer einen Buben ablegt, kann sich die zugehörige Dame, falls sie schon irgendwo auf dem Tisch liegt, angeln und daneben legen. Oder umgekehrt, die Dame angelt den Buben.

Wer ein As ablegt, darf sich aus dem Ablagestapel eine beliebige Karte aussuchen und auf die Hand nehmen.

Sobald ein Spieler alle Karten seiner Hand ablegen konnte, ist wie beim stinknormalen Romme ein Spiel zu Ende. Alle abgelegten Karten geben Siegpunkte, alle noch in der Hand verbliebenen Karten liefern Minuspunkte. Die Kartenfarbe, die am häufigsten auf dem Tisch liegt, zählt doppelt; außer wenn von dieser Kartenfarbe auch der König auf dem Tisch abgelegt wurde.

WPG-Wertung: Es wurde vergessen, die Wertungen abzufragen. Peter hat eine 6 nachgereicht, Moritz grübelt noch, von Walter gibt es eine 5 (für eine funktionierende Romme-Variante).

2. “A Brief History of the World”
Fünf Jahre alt ist dieses schnelle Spiel um den ganz normalen Wahnsinn der Geschichte unserer Menschheit. Über drei Jahrtausende hinweg entstehen Völker in allen Enden und Ecken der Erde, breiten sich aus, schlagen ihre Nachbarn tot, bauen Festungen (um von der nächsten Generation nicht allzu leicht selbst erschlagen zu werden) und errichten Monumente (um über deren Glanz und Gloria wir ein paar Siegpunkte mehr abstauben zu können).

Strategische Herausforderung ist sechsmal die richtige Auswahl 1 aus n (n = Spielerzahl) zu treffen, d.h. aus dem jeweiligen Angebot das schlagkräftigste Volk zu wählen, mit der man möglichst viele Nachbarn totschlagen und möglichst viele Regionen unter die eigene Fuchtel bringen kann. Strategisch ist ebenfalls, die richtigen Nachbarn totzuschlagen. Denn dazu muss man würfeln. Und wenn man in die falsche Richtung würfelt, klappt das mit dem Totschlagen nicht so ratz-fatz, wie man sich das vorgestellt hat.

Intellektuell ist das Wissen um die friedlicheren Teile der Welt. Wer z.B. rechtzeitig in Südamerika ein singuläres Inkareich gründen konnte, das die Spanier auch noch blind links liegen lassen, kann damit eine ganze Weile ganz unbehelligt sein Siegpunktsüppchen kochen. Mit etwas Glück bis in die neueste Neuzeit hinein. Wer weiß, dass Australien nicht im Schwerpunkt der asiatischen Völkerwanderungen liegt, kann auch dort ein paar Langzeit-Homos ansiedeln, die sich zwar nicht vermehren, aber doch regelmäßig Siegpunkte zeugen können.

„Das Spiel ist super! Man wird seine Alltags- und Zukunftssorgen los!“ Diesen Aspekt nehmen wir Westparker leider viel zu selten bis gar nicht in Augenschein. Zweifellos verdient diese unsere Ignoranz ein „Schuldig“ in Namen der großen, weltweiten Spielergemeinde.

WPG-Wertung: Peter gesellte sich mit 8 Punkten („ich mag das“) ganz nahe an Moritz ungebrochene 10 Top-Punkte. Walter erhöhte seine Note aus dem unteren Bereich nochmals um einen Punkt auf jetzt 5 (erstens für die 3er Runde und zweitens eine Honorierung der Fleißarbeit der Autoren über die sachlich richtige Lokalität und Reihenfolge vom Entstehen und Vergehen menschlicher Zivilisationen sowie deren Umsetzung in ein erduldbares Totschlage-Spiel).

3. “Bluff”
Walter war als erster ausgeschieden und konnte das 1:1-Endspiel Moritz gegen Peter beobachten. Peter begann mit 1 mal die Eins, und Moritz hob vorsichtig auf 1 mal die Zwei. Jetzt sprang Peter absolut überraschend auf 2 mal die Vier! Was war das? Hatte er einen Stern unter seinem Becher und versuchte die Flucht nach vorne?

Und Moritz zweifelte nicht an, sondern hob auf 2 mal die Fünf! Hatte er etwa auch einen Stern gewürfelt? Wäre dann nicht 2 mal „Stern“ eine bessere Steigerung gewesen?

Walter kam das alles höchst mysteriös vor. Unerklärlich! Dabei gibt es dafür eine ganz einfache Lösung! Es wird mal wieder eine Flasche Wein für die erste richtige Lösung dieser rätselhaften Setz-Sequenz ausgesetzt! Achtung: Die Lösung liegt weniger auf der logischen, als vielmehr auf einer obskuren Ebene!

Im zweiten Durchgang standen wieder Moritz und Peter im 1:1-Endspiel. Moritz überlegte sehr lange, ehe er 1 mal die Fünf vorgab. Er hatte tatsächlich eine Fünf unter dem Becher und wurde Sieger. Peter wunderte sich: „Warum hast Du so lange überlegt?“ Mit einer gewürfelten Fünf sollte man doch immer mit 1 mal die Fünf anfangen!

Doch nach Günthers ausführlichen spieltheoretischen Rechnereien ist das falsch. Hallo Günther, kannst Du mit ganz simplen Worten einem Laienspieler klarmachen, warum man bei „Bluff“ mit einer Fünf unter dem Becher im 1:1-Endspiel als bester Stratege NICHT IMMER mit 1 mal die Fünf anfängt?
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

13.03.2014: Enkel und Großväter

Es erben sich Gesetz’ und Rechte
Wie eine ew’ge Krankheit fort;
Sie schleppen von Geschlecht sich zum Geschlechte,
Und rücken sacht von Ort zu Ort.
Vernunft wird Unsinn, Wohltat Plage;
Weh dir, daß du ein Enkel bist!

Nach Wikipedia will der alte Goethe darin ein zweifaches Bedauern ausdrücken: Die von den Vorgängern angehäuften Kulturschöpfungen seien eine Bürde, weil sie in solche Menge vorhanden sind, dass a) ihre Bewältigung unsere Energie überfordert und dass b) die darin enthaltenen Großtaten schon nicht mehr zu übertreffen seien.

Diese Interpretation ist schlichtweg falsch. Genauso falsch wie meine unwillkürliche Gedankenverknüpfung an diesen mephistophelischen Leitspruch, wenn wir neu herausgebrachte Spiele spielen, deren Elemente uns vor Jahren einmal hübsch und innovativ vorkamen, die heutzutage für uns aber nur noch ausgelutscht und lästig sind. Richtig müsste es heißen:

Es erben sich Spielbrett und Karten
wie eine geile Neuheit fort;
dabei sind’s stets die gleichen Arten
das wird uns langsam schon zum Tort.
Idee wird Abklatch, Glanz wird trübe;
Weh’ dir, dass du ein Opa bist.

Concordia – Eintracht, trotz ungewohnter Sitzordnung
Concordia – Eintracht, trotz ungewohnter Sitzordnung
1. “Concordia”
Auf einer sechs-seitigen Beilage macht uns der Verlag zunächst mit den römischen Göttern, den antiken Provinzen und der Geschichte des römischen Reiches bekannt. Auf den ersten Blick kein Plagiat aus den sattsam bekannten Quellen im Internet. (Einen zweiten Blick haben wir uns erspart.) Zur Erklärung von Spielmaterial und Spielregeln braucht es dann nur noch vier Seiten. Ausreichend und erschöpfend. Angesichts dieser Art von Aufbauspielen sogar höchst erfreulich. Allerdings ist alles schon einmal dagewesen, keine einzige neue Spielidee wird uns präsentiert.

  • Aus wieviel Spielen kennen wir nicht die antike Mittelmeer-Szenerie zwischen Spanien und Kleinasien? Lieber nicht nachzählen, das Leben ist kurz!
  • Aktionskarten, von denen jeder das gleiche Anfangsset hat, und die wir zur Auswahl unserer Züge sequentiell ausspielen … Das soll vorkommen. Es kommt sogar vor, dass man eine dieser Karten ausspielen muss, um alle bisher gespielten Aktionskarten wieder auf die Hand zu nehmen. „Nichts neues unter der Sonne“ hätte auch schon der Prediger Salomo gesagt, wenn er den „Diplomaten“ von “Concordia” entdeckt hätte, mit der man die letzte Aktion eines beliebigen Mitspielers wiederholen darf.
  • Schiffe und Pöppel, die wir auf festgelegten Routen durch Länder und Provinzen bewegen … OK, irgend eine Bewegung sollte in einem Entwicklungsspiel ja wohl erlaubt sein.
  • Häuser bauen, um unsere Präsenz zu beweisen und in unseren Vorgärten angebautes Getreide und Wein ernten zu können … Auch Steinzeitmenschen haben das schon so gehalten.
  • Handel treiben und unsere Waren in Geld einzutauschen oder umgekehrt Geld in Waren … Schön, wenigstens gibt es keinen Engpass an einer bestimmten benötigte Waren, wenn wir sie in unseren eigenen Vorgärten nicht selber produzieren können.
  • Neue Aktionskarten erwerben … Keine neue Aktionsqualität und unwesentliche Verbesserung der Aktionsquantität. Die Musik hierin steckt lediglich in der daraus resultierenden Vervielfältigung unserer Siegpunkt-Einzelposten. Immerhin.

Immerhin ist das Spielmaterial hübsch und solide. Die Aktionskarten sind großzügigerweise sogar in zwei verschiedenen Sprachausgaben beigelegt, so dass wir mit einer einzigen Ausstattung gleich zwei getrennte Fünferrunden in Eintracht versammeln können.

Ein Spieltipp: Baut Häuser und legt euch, falls angeboten, die Jupiter-Aktionskarten zu. Rein theoretisch winken Euch damit 120 Siegpunkte; mehr als Peter heute zum Sieg gereicht haben. Oder besiedelt verschiedene Provinzen und haltet Euch an Saturn. Im Extremfall warten dann 84 Siegpunkte auf euch. Und wenn ihr alle Euere Kolonisten aufs Spielbrett gebracht und alle Mars-Aktionskarten an Land gezogen habt – eine der leichteren Übungen – dann wird das mit 60 Siegpunkten belohnt.

Günther ging das Spiel ungewohnt locker an. Er propagierte sogar mehrfach die Lockerheit zur ersten (für ihn zweiten) Kennenlernpartie. Das war sein Fehler. Ganz locker hatte er alle Kolonisten aktiviert, aber ebenso locker den Mars komplett an sich vorüberziehen lassen. Zwei winzig kleine Mars-Karten hätten ihm zum Sieg genügt.

WPG-Wertung: Günther: 7 (man kann es locker spielen [WS: wenn man nicht unbedingt gewinnen will]) , Moritz: 6 (das Spiel sieht interessanter aus, als es ist. Letzlich ist es vollkommen wurscht, was man tut. Es fehlt ein Rondell!), Peter: 6 (genau! Es fehlt ein Bordell!) Walter: 6 (rund und schön und ausgelutscht).

2. “Verflixxt!”
Ein simples Würfelspiel. Es funktioniert fast wie das bald tausendjährige „Mensch-ärgere-Dich-nicht!“ Wir würfeln unsere drei Pöppel vom Start zum Ziel. Dabei können wir uns nicht gegenseitig rauswerfen und nicht der erste hat gewonnen, sondern wer unterwegs die meisten, besten Spielfelder abgeräumt hat. Das ganz normale (und im Sinne einer lockeren Spielerei auch wünschenswerte)) Würfelglück ist gepaart mit einer gerade richtig großen Handlungsfreiheit für taktische Rechnereien. Freude bei kleinen Zwischenerfolgen gemischt mit Schadenfreude beim Vermaseln solcher Erfolge bei der Konkurrenz addieren sich, ohne auf der Gegenseite Frust auf kommen zu lassen.

Keine neue WPG-Wertung für ein 7,5 Punkte Spiel. (Wenn Peter wüsste, dass er vor 9 Jahren nur 6 Punkte vergeben hat, würde er das schleunigst ändern.)

3. “Bluff”
Moritz fiel auf: „Irgendwann landen wir immer bei Fünf.“ Walter: „Schade, dass wir mit Bluff nicht bei Sex landen können.“ Peter: „Ich möchte zu Protokoll geben: Günther begann frivol zu stöhnen!“

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

05.03.2014: Nations und Nauschions

“Bevor ich so bin wie Du, bin ich lieber zweiter Sieger!” (Sportfreunde Stiller)

1. “Nations”
Michael Andersch hatte das Spiel schon letzte Woche bei seinem – am Ende gescheiterten – Besuch am Westpark mitbringen wollen. Die Erwartungen waren reserviert. „Kannst es ja mal mitbringen, wenn wir uns nicht gerade auf ein 3+ Stunden Card Drafting Spiel einlassen müssen …“. Michael konnte in bezug auf die zeitlichen Anforderungen beschwichtigen: „Zu viert haben wir es immer in so ca. 1:45 Stunden geschafft“. Aaron traf dann am Wochenende auf der Spieleerfinder-Messe in Haar ein paar Leute, die “Nations” in 15 Minuten erklären und es zu viert selbst beim ersten Mal in nur 2 Stunden spielen konnten. Deshalb heute also grünes Licht für ein großes Werk, was „Nations“ zweifellos ist.

Jeder Spieler erhält ein Tableau, das er im Laufe des Spieles mit Fortschrittskarten füllt und damit sein Potential zum Gewinnen von Stabilität, militiärischer Macht, Bildung, Geld, Nahrung und Kohle erhöht.

Die Fortschrittskarten liegen öffentlich aus und kosten je nach der Ebene, in der sie zufällig aufgedeckt wurden, ein, zwei oder drei Geldeinheiten. Zusätzlich hat jeder Spieler noch Arbeitskräfte, die er auf diesen Karten platzieren muss, um ihre Segnungen zu erhalten. Das Plazieren kostet Kohle, das Dort-Behalten nichts. Eigentlich könnte man seine Arbeiter ingesamt nur einmal zu Spielbeginn aussenden und dann in bewährter kapitalistischer Manier Runde für Runde ihren Mehrwert einstreichen. Doch mit immer den gleichen Monopol-Erzeugnissen kommt man in „Nations“ nicht zu Potte. Wir brauchen immer mal wieder Kohle UND Geld, Macht UND Stabilität, um effizient zu bestehen. Schon allein um ertragreiche Kolonie-Fortschrittskarten erwerben zu dürfen, müssen wir unsere militärische Stärke erheblich entwickelt haben.

Außerdem kann (und wird) der militärisch stärkste Spieler regelmäßig Kriegs-Fortschrittskarten aktivieren und damit jeden zögerlichen Pazifisten zwangsweise zur Kasse bitten: Geld, Nahrung oder auch Bildung werden dann geschröpft. Glücklicherweise sind diese Verluste aber tragbar. Wer sich in friedlichen Kategorien entsprechend hoch entwickelt hat, kann auch die Kriegsschäden einigermaßen glimpflich überstehen. Schließlich hat der Militarist für seine Aufrüstung ebenfalls erhebliche Investitionen tätigen und dabei seine zivile Entwicklung vernachlässigen müssen.

„Nations“ ist ein schwedisches Produkt. „Und das sind Gutmenschen!“ sagten Horst und Moritz beinahe unisono. So darf ein Spieler, der sich in seinem spielerischen Intellekt für stärker hält, als die anderen, freiwillig ein Handicap auf sich nehmen: Pro Runde erhält er dann weniger Standard-Einkommen als die anderen. In welchem Spiel der Neuzeit wurde je so etwas geboten? Welch’ ein Glauben an den bezwingbaren Siegeswillen eines jeden Brettspielers!

Fazit. Eine saubere Konstruktion. Vielfalt und Ausgewogenheit innerhalb der zahlreichen Fortschrittskarten. Umsteigmöglichkeiten (und Notwendigkeit dazu) innerhalb der verschiedenen Entwicklungsschienen. Das Spiel kommt grundsolide daher. Die Autoren zeigen deutliches Verständnis für die Schwierigkeiten von Einsteigern. „Um Spieler einzuführen, die mit längeren und komplexeren Spielen noch nicht vertraut sind”, kann ein Spiel auf zwei (statt vier) Runden begrenzt werden.

Wir sind in solchen Spielen zweifellos nicht unbewandert, doch dieser verständnisvolle Hinweis stand von vorneherin über unserm Einstieg bei „Nations“. Und ebenso über unserem Ausstieg. Nur Moritz, der sich von Beginn an konsequent und erfolgreich mit Wundern eingedeckt hatte, war nach den zwei Spielrunden noch voll dabei und hätte gerne zwei Stunden weitergespielt. Die anderen wunderten sich, dass sie nach der Hälfte des Spieles in bezug auf Einnahmen, Kohle, Geld, Nahrung und Siegpunkten gegenüber dem Anfangsbestand noch kaum etwas zugenommen hatten.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (für mehr Punkte ein Zeitalter zuviel), Horst: 7, Moritz: 8 (deutlich, logisch, einsichtig, ohne grundsätzliche Desaster, man kann seine Strategien umbauen, man kann alle Mankos irgendwie ausgleichen), Walter: 6 (Dynamik fehlt, vermißt Durchsichtigkeit im diffizilen Fortschrittskarten-Optimierungs-Labyrinth.)

2. “Nauticus”

Nauticus – Wer hat da seine Hand im Spiel?
Nauticus – Wer hat da seine Hand im Spiel?

Eine Spielidee von Wolfgang Kramer und Michael Kiesling ist genauso krisenfest wie eine Gewürz-Boutique von Alfons Schubeck. Unbestritten ist ihre Designer-Begabung, reichhaltig ihr Repertoire an Spiel-Elementen und erfolgreich ihre Findigkeit, auch fremde Ideen zu adaptieren. Bei „Nauticus“ haben sie (in meinen Augen) zweifellos Anleihen bei „Die Werft“ von Czech Games Edition gemacht. Doch vielleicht liegt das Thema Schiffe-Bauen und damit Handel-Treiben quasi in der Brettspiel-Luft. Schließlich tummelt sich Aarons „Trawler“ ja auch in diesen Gefilden.

In „Nauticus“ bauen wir aus Heck-, Bug- und Mittelteilen unsere Schiffe zusammen, bestücken sie mit Masten, hängen Segel daran, laden Fracht auf, verkaufen sie im nächsten Hafen und bekommen am Spielende aus der Stattlichkeit unserer Flotte und aus Menge und Struktur unserer verkauften Waren Siegpunkte. Bekannt, bewährt, gut. Trivial!

Hübsch ist die Auswahl der Spieleraktionen mit dem Aktions-Rondell. Aus acht Segmenten, in denen die Aktionen Rumpfteile, Masten und Segel kaufen, Waren laden und transportieren, sowie Lager, Bank und Kronzeugung angeboten werden, wählt der Startspieler eines aus. Alle Spieler müssen dann die gleiche Aktion ausführen. Eine geglückte zeitliche Abstimmung der einzelnen eigenen und fremden Aktionen trägt wesentlich zur Effizienz bei. Was hilft eine Warenlade-Aktion, wenn die eigenen Schiffe gerade alle voll sind? Oder was hilft die Möglichkeit zum Mastkaufen, wenn man keinen passenden Schiffsrumpf dazu hat? Immerhin kann man bei jeder Aktion auch passen und bekommt dafür als Trostpreis immerhin ein paar Siegpunkte.

Der Startspieler erhält bei der Auswahl seiner Aktion noch einen zusätzlichen Bonus in Form von Arbeitskräften, Geld, Ware, Siegpunkten oder Schiffsbaumaterial. Dieser Bonus ist den einzelnen Aktionen flexibel zugeordnet, so dass jeder Spieler bei seiner Wahl die gewünschten Aktionseffekte, sein eigenes Entwicklungsstadium und die angebotenen Sonderprämien gegeneinander abwägen muss.
Leider ist es damit auch schon getan. Fünf Runden, neuzig Minuten.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (dröge und zäh; es tut ihm weh, dass dieses Spiel bei BBG versucht, seinem Yunnan den Rang abzulaufen), Horst: 5 (unspektakulär, unspannend, öde), Moritz: 6 (ach ja), Walter: 6 (vermißt die ganz normale Aggressivität eines Geschäftslebens).

Zu unserem Bild: Wer als erster mit einer plausiblen Begründung herausfindet, wem die Hand auf dem Bild gehört, bekommt eine Flasche Frankenwein.

3. “Bluff”
Aaron stand mit einem einzigen Würfel gegen zwei von Walter im Endspiel. Er hatte einen Stern gewürfel. Ein toller Wurf! Aber eigentlich bringt er nur Probleme. Schon bei der ersten Vorgabe?
Immer-4 oder Immer-5, das ist hier die Frage! Beider nur beschränkt zielführend! Bei jeder Reaktion des Gegenüber steht man vor neuen Problemen: nach der Antwort 2 mal die Vier bzw. 2 mal die Fünf ist man wohl verloren. Nach 2 mal die Eins, Zwei oder Drei könnte man sein Glück noch mit 3 mal Eins, Zwei oder Drei versuchen. Doch nichts ist sicher, das Spiel heißt ja „Bluff“.

Aaron versuchte als Startvorgabe ein 2 mal die Eins. Sein Gegenüber hatte keine Eins unter dem Becher und konnte leicht anzweifeln. Wie groß war Aaron’s Chance, mit dieser Vorgabe einen Würfel zu gewinnen? Wäre die Startvorgabe 2 mal die Fünf theoretisch (und praktisch) nicht besser gewesen?

Und wie steht es mit 1 mal die Eins?
Behauptung: Wer mit 1 mal die Eins anfängt und nach einer 1 mal die Zwei, Drei oder Vier-Antwort seines Gegenüber auf 1 mal die Fünf erhöht, hat einen Stern unter dem Becher!
(Der Beweis bleibt den Lesern überlassen.)

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

26.02.2014: Cuba mon amour

„Wenn ich Freude daran hätte, mit Nüßchen und Kreiseln zu spielen, warum nicht? Das Vergnügen kennt keinen Ehrgeiz. Es dünkt sich aus sich selbst reich genug und begehrt nicht zusätzlich Ruhm und Ehre.“ (Michel de Montaigne)

1. “Cuba Libre”
Kuba fasziniert immer (noch). Zuckerrohr, Rum, Samba-Rhythmen und heiße Tänze werden auch heute noch zu einem bewegenden Buena Vista gebündelt. Und selbst Kubas Politik läßt uns schon seit mehr als 50 Jahren staunen, bewundern, fürchten und beten.

Cuba libre - die Roten warten auf ihren Einsatz
Cuba libre – die Roten warten auf ihren Einsatz

In „Cuba libre“ wird die Politik von aller Hintergrundlastigkeit befreit und wir können in vier verschiedenen Parteiungen der Reinkultur der demokratischen Korruption, des Casino-Kapitalismus, des revolutionären Terrors und des studentischen Protests frönen.

Jede Partei darf eigene Operationen ausführen: neue Mitglieder, Polizei, Armee oder Guerillas ins Spiel bringen, Stützpunkte bzw. Casios bauen oder zerstören, sich gegenseitig enttarnen, abspenstig machen oder abmurksen, Terroranschläge inszenieren und damit die öffentliche Unterstützung für die Roten oder Blauen auf die eine oder andere Seite kippen lassen.

Bemerkenswert ist die Auswahl der jeweiligen Operationen. Im eingeschwungenen Zustand agieren pro Runde jeweils zwei Spieler, die anderen beiden erholen von ihrem gerade getätigten Zug. Es wird jeweils eine „Ereigniskarte“ aufgedeckt, die individuelle konstruktive oder destruktive Aktionen erlaubt. Zusätzlich definiert diese Ereigniskarte, in welcher Reihenfolge die Spieler handeln dürfen. Der Erstziehende darf wählen, ob er die spontane Ereignis-Aktion ausführt oder eine seiner Standard-Operationen, die er auch noch mit Spezial-Aktivitäten verstärken kann. Der Zweitziehende ist im Aktionsradius eingeschränkt und muss sich auch noch mit dem halben Effekt begnügen.

Man kann als aktiver Spieler auch passen und verzichtet damit in der aktuellen Runde auf seinen Zug. Dafür ist man dadurch nicht abgeschlafft, sondern ist kann sich im Vollbesitz seiner luderischen Kräfte auf die Abhandlung der nächsten Ereigniskarte stürzen. Dort darf man dann ggf. mit Priorität einen besonders wirksamen Schlag gegen Regierung oder Castraner ausführen.

Jede Partei hat ein eigenes Spielziel. Die Regierung muss alle Städt kontrollieren und ein bestimmtes Zustimmungsniveau erreichen. Castros Bewegung des 26. Juli muss im gesamten Land ein bestimmtes Oppositionspotential überschreiten. Das Syndiakat muss 8 Casinos eröffnet haben und damit eine bestimmte Gewinnsumme erzielen. Das Direktorium muss einen vorgegebenen Einfluss innerhalb der Bevölkerung erworben haben.

In einer guten halben Stunde hatte Moritz die Regeleinführung hinter sich gebracht und jeder wußte, welche Züge er machen konnte. Doch welche davon die aktuell wirksamsten waren, dazu brauchten wir noch eine Hilfestellung. Moritz spielte die Regierung, gab aber bereitwillig auch Castro und dem studentischen Protest uneigennützigste Ratschläge.

Er hätte jedem Spieler auch den Wegweiser in die Hand drücken können, wie die entsprechende Partei agieren soll, falls sie von keinem Spieler geführt wird. Solche Anleitungen sind dem Spiel nämlich beigelegt, so dass man in einer Solo-Variante auch ganz alleine seine Verdienste um die Befreiung Kubas erwerben kann. Klar, dass die Regierung, die über reichlich Geldmittel verfügt, ständig Truppen requirieren muss, um damit Städte und Wirtschaftszentren zu schützen. Klar, dass Castro’s wichtigsten Aktionen die Terroranschläge sind. Das Direktorium zieht mit Aufklärung durch das Land, und das Syndikat baut und schützt Casinos und seine Einnahmen.

Man kann mit vollster Leidenschaft seine Partei führen und entsprechend lustvoll auf die gegnerischen Gruppierungen draufschlangen. Man kann das Ganze aber auch wie eine Filmfiktion von Alain Resnai („Hiroshima mon amour“) und Steven Spielberg („Catch Me If You Can“) an sich vorbeilaufen lassen und darüber staunen, mit welcher Virtuosität Moritz die Regierung, das Kapital, die Revolution und die Aufklärung gegeneinander ausspielt. (Der Life-Ticker mit den Szenen zwischen Real Madrid und Schalke war nicht einmal halb so befriedigend!)

WPG-Wertung: Aaron: keine Note (die rein abstrakten Mechanismen funktionieren, besitzen aber keinerlei Thema; [Moritz:] als Herr des Syndikates war Aaron leider die langweiligste Rolle des Spiels zugefallen), Günther: 4 (kein Freund von Simulationsspielen; das Spiel lebt von den Karten, die man toll finden muss. [Oder es eben nicht tut.]), Moritz: 8 (mag dieses Genre. Fasziniert von Material und Mechanismen), Walter: 4 (es war höchst entspannend, sich von Moritz in allen kritischen Entscheidungen an der Hand führen zu lassen; wenn Castro gewonnen hätte, hätte das Spiel noch einen Punkte mehr bekommen …).

Günther’s Einsicht: „Spiele, die eine Solo-Variante beinhalten, sind mit Vorsicht zu genießen!“
Bei BGG wird „Cuba libre“ hoch gehandelt. 308 mal wurde es bewertet und kommt dabei einen Durchschnitt von 7,99 Punkten. Einer der wenigen 2-Punkte-Werter schrieb dazu: „Ich liebe das Thema, finde das Spiel aber extrem langweilig.“
Hallo Ralf, wir waschen unsere Hände in Unschuld!

2. “Blueprints”
Ein lockeres Bauspiel mit Würfeln.
Jeder Spieler bekommt einen eigenen Bauplan für ein Gebäude, das aus sechs zusammenhängenden Würfeln besteht. Aus einer Auslage von 7 Würfeln (in den Farben grün, orange, schwarz und weiß) muss er jeweils einen Würfel herauspicken und damit sein Gebäude sukzessive vervollständigen. Dabei ist lediglich darauf zu achten, dass ein Würfel, der auf einen anderen gelegt wird, mindestens die gleiche Augenzahl besitzt.

Für jeden herausgepickten Würfel wird ein neuer Würfel ins Spiel gebracht, die anderen bleiben in Farbe und Augenzahl unverändert.

Nach sechs Zügen hat jeder Spieler sein Gebäude fertiggestellt. (In seltenen Fällen, wenn zufällig für die oberen Etagen eines Gebäudes keine ausreichenden Augenzahlen ausliegen, ist eine Gebäudevorgabe auch nicht erfüllt.) Dann kommt die Wertung. Fertiggestellte Gebäude bringen Punkte ein. Dazu liefert jede Würfelfarbe noch eigene Beiträge für die Gesamtwertung: Grüne Würfel zählen, wenn besonders viele dafür verwendet wurden; bei gelben Würfeln zählt die Anzahl von Nachbarn, schwarze Würfel bringen besonders in den oberen Etagen viele Punkte, bei weißen Würfeln zählt die eingesetzte Augenzahl. Wer die höchste Gebäudewertung erzielt hat, bekommt eine Goldmedaille mit drei Siegpunkten, der zweite erhält zwei und der dritte einen Siegpunkt.

Weiterhin gibt es Sonderprämien für spezielle Topologien, z.B. lauter gleiche Augenzahlen oder lauter gleiche Würfelfarben.

Blitzschnell ist ein Durchgang zu Ende; die Siegpunkte werden notiert, neue Baupläne verteilt. Der Spieler mit der geringsten Wertungszahl wird neuer Startspieler.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (belanglos), Günther: 5 (das erfolgreiche Bauen ist zu nebensächlich, das hätte man stärker betonen sollen), Moritz: 6 (kurz und schnell; ein lockeres Familienspiel; durch das umfangreiche Bewertungssystem ist die hübsche Spielidee leider etwas überfrachtet), Walter: 6 (freut sich auf ein Spiel mit seinen Großneffen).
Moritz: Das Säckchen, woraus man die Würfel nachzieht, ist zu klein.

3. “Bluff”
Bei insgesamt 15 eingesetzten Würfeln zweifelte Günther Aarons Vorgabe von 12 mal die Fünf an. (Die Wahrscheinlichkeit dafür ist geringer als ein Promille.). Später zweifelte er bei insgesamt 8 Würfeln die Vorgabe von 6 mal den Stern an (Die Wahrscheinlichkeit dafür ist etwas größer als ein halbes Promille!) Beide Male kostete das ihn und Walter einen Würfel. Aaron erfocht einen Kantersieg.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

19.02.2014: Bruxelles vs. Arsenal

Champions-League-Spiele gehen nicht spurlos an unseren Spielabenden vorbei. Aaron grummelt über die Unruhe am Spieltisch, wenn immer mal wieder per Lifeticker der Spielstand abgefragt wird. Horst legt größten Wert auf diese Information; heute ist er sogar eigens zuhause geblieben, um sich doch lieber das 2:0 vom FC Bayern bei Arsenal reinzuziehen. Moritz möchte ebenfalls auf keine Online-Information verzichten; an Fußball-Abenden hat gewöhnlich sein Tablet vor sich liegen, auf dem die entsprechenden Szenerien angezeigt werden. (Auch sonst ist sein Handy höchst aktiv.) Peter ist beruhigt, wenn das Match nicht in der Arroganz-Arena stattfindet. Dann kann er in der Nacht nach Hause kommen, ohne von den „Fußball-Prolls“ in U-Bahn und Leopoldstraße behelligt zu werden. (Dieser Horror-Eindruck stammt noch aus den Zeiten des „Sommermärchens“.) Günther ist der einzige unbewegte Beweger. Und seine Frau freut sich, dass er außer Haus ist und ihr mit seinen dummen Sprüchen nicht den Fussballabend versaut.

1. “Bruxelles 1893”
Die belgische Hauptstadt wurde 1893 zur Wiege des Jugendstils. So steht es im Regelheft. Am Material, Design und Spielablauf ist davon allerdings nicht viel zu spüren. Kein Wunder, wenn sogar Martin Klein, ein professioneller Brüssel-Erklärer bei YouTube (http://youtu.be/PMvGUfBYq1Q) von Jugendstil-Architektur noch nie etwas gehört hat.

Bruxelles 1893 - keine Angst vor dem "Knast"
Bruxelles 1893 – keine Angst vor dem “Knast”

Wir setzen unsere Arbeiter auf – je nach Zufallsauswahl – zehn bis zwanzig Einsatzfelder und

  • besorgen Baustoffe
  • bauen daraus Häuser – angeblich im Jugendstil
  • schaffen Kunstwerke
  • verkaufen unsere geschaffenen Kunstwerke an stets kaufwillige Liebhaber
  • besorgen uns Geldmittel auf dem freien Markt (falls unsere Kunst zuwenig Geld eingebracht hat)
  • heuern Helfer an
  • nehmen die Dienste unserer Helfer in Anspruch (für Geld, Siegpunkte, neue Arbeiter, erhöhte Faktoren für die Siegpunke-Prämien u.ä.)

Alles hängt zusammen, überall sprudelt es, überall fließen uns Siegpunkte zu. Die Baupreise sind variabel, die Kunsterlöse flexibel, der Einsatz auf Geld- und Arbeitsmarkt multibel, die Prämien für unser Arbeiter auf Jugendstil- und Brüssel-Spielplan konkurrabel. Beim ersten Mal ist das Ganze nicht beherrschbar. Beim zweiten Mal ein bißchen. Beim dritten Mal kann man vielleicht schon einen Plan haben. Aber dann macht das Ganze schon keinen Spaß mehr. (Vielleicht!)

Interaktion? Ist bei der extremen Verzahnung der Spielelemente gar nicht zu vermeiden. Und immer mal wieder muss ein Spieler nolens volens (oder nativ vor sich hinspielend) seinem Nebenmann eine steile Vorgabe zuschustern. Aaron bedauerte, dass er nicht hinter Walter, sondern hinter Peter saß. Da wurden deutlich weniger Vorgaben losgetreten.

Peter heuerte zu Beginn – geplant oder zufällig – einen Helfer an, der seinen Faktor für Gebäudeprämien in den fünf Spielrunden von 3 auf den Maximalwert 10 hochhievte. Dazwischen errichtete er alle seine sechs Häuser. Allein für dieses Besitztum kassierte er in der Schlußabrechnung 60 Siegpunkte. Fast so viel wie Günther im ganzen Spiel. Von Aaron und Walter ganz zu schweigen. Das scheint in „Bruxelles 1893“ die Siegesschiene zu sein. Man kann einem Spieler dieser Zielrichtung allerdings in die Suppe spucken.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (unkalkulierbar, kurzweiliger als “Madeira”, 1 Punkt mehr), Günther: 6 (habe es heute zum dritten Mal gespielt; jedesmal ist die Note besser geworden; scheint aber jetzt am oberen Anschlag zu sein), Peter: 6 (zu viele Schräubchen; Schmetterlingseffekte – gemäß Chaos-Theorie; es hat heute Spaß gemacht, besonders, weil ich gewonnen habe. Aber noch einmal möchte ich es nicht spielen), Walter: 6 (wie bei Madeira: 4 Punkte für den Spielspaß und 8 Punkte für die reife Ingenieursleistung).

Hallo Ralf, im Prinzip hast Du recht: Weil uns „Madeira“ nur bedingt gefallen hat, hätten wir von „Bruxelles 1893“ von vornherein gleich „die Westpark-Games-Finger lassen“ können. “Auch hier sind ebenso nur diverse Spielmechanismen aufeinandergeschichtet, um daraus eine verschachtelte Optimierungsaufgabe zu machen!“ Aber Du hast natürlich ebenso unrecht, denn – wie Aaron treffend kommentiert hat – unseren Spielspaß ziehen wir aus dem Kennenlernen an sich. Das Spiel kriegt dann – vielleicht zum Leidwesen von Autor und Verlag – keine Höchstnoten, aber der Spieleabend hat sich für jeden einzelnen von uns trotzdem gelohnt. Wissen macht Spaß! Host mi?

2. “Nobiles”
Wir sind nicht in Italien und auch nicht bei Umbertos umstrittenen Polarfahrten. Aaron fünfte Eigenentwicklung spielt in Ostfriesland. Wir kämpfen gegen natürliche Unbilden wie Sturmfluten und Quallen. Wenn wir sie besiegen, bekommen wir Land, Deiche und ähnliche Besitztümer; und die Nobiles des Landes, als da sind Richter und Häuptling, bekommen dafür Siegpunkte. Wenn wir die Sturmfluten nicht besiegen, geht Land unter, und der Häuptling wird abgesetzt.

Gegensätzliche Interessen von Bürgern und Nobiles beim Besiegen der Elemente, sowie eine Semi-Kooperation und Semi-Konkurrenz innerhalb der freien Aktionen der Mitspieler sind die Leitmotive des Designs. Doch bis zur gelungenen Balance von Kosten und Nutzen, von Einsatz und Gewinn, Mangel und Überfluss, sowie von Beteiligung und Sabotage ist noch ein weiter Weg.

Noch keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.

3. “Bluff”
Peter schielte schon auf die vorletzte U-Bahn und wollte nur noch kibitzen. Günther war allerdings noch vor der U-Bahn-Abfahrt ausgeschieden. Reihum krottenschlechte Würfe aller Spieler hatten ihm das Genick gebrochen. Mit 5:5-Würfeln gingen Aaron und Walter ins Endspiel. Schlagartig wendeten sich die Würfel. Bei der Vorgabe 10 mal die Fünf (alle zehn Würfel Fünf oder Stern!) verlor Aaron seinen ersten Würfel. Der Anfang vom Ende.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

13.02.2014: Der Untergang von Madeira

Dort sitzen die Verbrecher
Dort sitzen die Verbrecher
Diese Woche hat man versucht, den Zugang zu unserer Internet-Seite zu knacken. Glücklicherweise erfolglos. Von unserem Provider erhielten wir die Mitteilung:
3 ungültige Anmeldeversuche von IP: 178.35.177.242
Letzter Anmeldeversuch erfolgte mit dem Benutzernamen: walter
IP wurde gesperrt für 20 Minuten.

Das gleiche auch noch ein paar Stunden später unter dem Benutzernamen „günther“.
Nachforschungen über www.utrace.de ergaben, dass der Betrugsversuch aus Kolumbien kam. Was wollten die Betrüger? Unsere Informationen über Spiele und Spielen zerstören? Pornos oder Schleichwerbung unterbringen? Wer weiß!

Ist das Internet tatsächlich so schutzlos Verbrechern ausgeliefert? Kann der Gesetzgeber nicht vorschreiben, dass jeder Provider eine Identifikation für alle Sender in seinem Netz bereithalten muss? Und gegebenenfalls verantwortlich ist für alles, was seine Kunden tun? Gibt es keine internationale Zusammenarbeit für die Bekämpfung solcher Machenschaften? Können die öffentlichen Behörden keine Kriminal-Zentrale einrichten, an die sich die wehrlosen Bürger wenden können, wenn sie von solchen Verbrechern geschädigt wurden?

Ich könnte solchen Leuten glatt den Hals rumdrehen. Aber vorher noch die Gesetzgebung der Scharia anwenden! Hat Mohammed nicht schon verordnet, dass Einbrecher in fremde Portale mit 100 Stockhieben auf die nackten Fußsohlen zu bestrafen sind …

1. “Madeira”
Im Vorfeld gab es schon Positionskämpfe darum, ob wir das von Moritz mündlich protegierte „Cuba Libre“ oder das von Horst schriftlich gewünschte „Madeira“ auflegen sollen. Bei einer im Internet prognostizierten Spieldauer von je 3 bis 6 (sechs) Stunden konnte heute nur eines davon aufgelegt werden. Die Schrift gewann.
Ach Gott, was soll ich jetzt über das Spiel schreiben? Ein riesiges Räderwerk von Würfeln, Pöppeln, Schiffen, Zählscheiben, Waren, Feldern, Ernten, Städten, Gilden, Charakterplättchen, Aufträgen, Belohnungen und Piraten. Alles hängt zusammen, alles wird für alles benötigt, alles bringt alles als Ertrag hervor.

  • Aus Würfel + Pöppel + Arbeiter + Felder + Ernte mache Holz, Getreide, Zuckerrohr oder Wein.
  • Aus Würfel + Pöppel + Ware mache Gilden.
  • Aus Getreide + Windmühle mache Brot zur Ernährung deiner Pöppel.
  • Aus Würfel + Pöppel + Holz + Kommandant mache Schiffe und Geld und – früher oder später – Waren und Siegpunkte.
  • Aus Aufträgen + Geld v Gilden v Schiffe v Mehrheiten mache Siegpunkte.
  • und vieles mehr

Madeira. Viel Holz vor der Hüttn. Im Hintergrund verfolgt Moritz den Untergang des HSV
Madeira. Viel Holz vor der Hüttn.
Im Hintergrund verfolgt Moritz den Untergang des HSV
Aaron hatte vorgeschlagen, die Spielanleitung nicht komplett vorzutragen, sondern nach einer kurzen Einführung in Material und Spielbrett das Spiel einfach zu beginnen. Jeder solle dann irgendeinen erlaubten Zug machen, die Querwirkungen würden wir ohnehin auf Anhieb nicht (alle) verstehen. Der Vorschlag wurde angenommen. Aber schon bein ersten Zug tauchte unweigerlich die Frage auf: Soll ich jetzt irgendeinen Scheißzug machen, oder soll mein Zug eine vernünftige Weichenstellung bewerkstelligen? Was ist mit „to have a plan“? Zurück zum Regelheft!

(Das wäre für Walter aber nicht notwendig gewesen. Er hat ohnehin die vielen Rädchen des Spiels nicht begriffen. Bis jetzt nicht. Das Spiel lief total an ihm vorbei. Der Satz im Live-Ticker der Sportschau: „Die Hamburger kommen überhaupt nicht an den Ball“ traf genau auch seine eigene mentale Situation.)

Nach knapp zwei Stunden (Madeira-)Spielzeit hatte Robben gerade das 3:0 für den FC Bayern geschossen, wir hingegen hatten erst zwei von fünf Madeira-Runden absolviert. Und es war kein Land in Sicht. Walter war zu einem Abbruch bereit, Aaron stand einem solchen neutral gegenüber, Horst hätte gerne noch die dritte Runde angehängt. Nur Moritz wollte das Spiel bis zu bitteren Neige auskosten: „Ich möchte schon wissen, wie am Ende die dicken Punkte verteilt werden!“

Wir kämpften uns noch durch eine weitere Spielrunde, dann wurde dreimal das Handtuch geworfen und Moritz fügte sich, erst noch zögerlich, später dann aber auch mit Überzeugung.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (das Spiel hat kein Thema – im Gegensatz zu Kohle & Kolonie; eine gute Balance aber kein Spielspaß, es würde 7 Punkte bekommen, wenn es jetzt – nach der dritten Runde – zu Ende wäre), Horst: 5 (noch eine Spur konstruierter als K&K, dabei kommt jeglicher Spielspaß abhanden), Moritz: 5 (der Würfel-Aussuchen-Mechanismus ist sehr gut gelungen, ansonsten fehlt eine Steigerung), Walter: 6 (4 Punkte für den Spielespaß, 8 Punkte für die Ingenieursleistung).

Horst versteht die Freak-Spieler nicht: je komplexer desto hyper! Das kann doch nicht das einzige Kriterium für die Güte eines Spieles sein! „Es sollten pro Spiel eine A- und eine B-Note vergeben werden, für Technik und Ausstrahlung.“ … „Wie bei Frauen!“ „Technik allein macht es nicht.“ „Aber auch Technik für sich hat eine gewisse Ausstrahlung.“ „Doch ohne Ausstahlung zählt selbst die beste Technik nicht!“ Jeder der Westparker hatte hier eine eigene Weisheit zum Besten gegeben. (Die einzelnen Sprecher werden nicht aufgeschlüsselt.)
Über unsere anschließend ausgetauschten Eindrücke von den Liebedienerinnen auf den verschiedenen Kontinenten dieser Erde schweigt des Sängers Höflichkeit.

“Cub Libre”
Moritz trauerte immer noch seinem verschmähten Spielvorschlag nach. Was wäre „Cuba Libre“ gegenüber einem „Madeira“ gewesen! Soviel wie ein Bankraub gegenüber der Gründung einer Bank. Leider kann man an einem Abend nicht beides haben.

Als Trost tischten wir uns einen „Cuba Libre“ in flüssiger Form auf. Hier das Rezept:

4 cl Cuba-Rum
Saft von einer Limette (heute taten es Zitronen)
etwas Rohrzucker (harte Männer können darauf verzichten)
Cola zum Ausfüllen (seit Weihnachten vom Schwiegerfreund noch zufällig im Haus)

Die – nicht abgefragten – WPG-Wertungsnoten lagen zwischen 8 und 10 Punkten.

2. “Panthalos”
Bernd Eisenstein hat seine Spielentwicklung “Pandora und Titania”, die er uns letztes Jahr zum Testen überlassen hatte, für Essen-2013 nicht rechtzeitig fertig gebracht. Jetzt hat er das Spiel überarbeitet und will es dieses Jahr als „Panthalos“ herausbringen. Wir durften am Beta-Test (Abnahme der Produktionsreife) teilnehmen.

Gestern hatten Aaron und Walter das Spiel in einer Zweier-Runde ausgiebig studiert. Zu aller Zufriedenheit. Heute war auch die Vierer-Runde davon sehr angetan. Nach der vorhergegangenen ermüdenden Holzhackerei waren wir nach der ersten Eingewöhnungsrunde schnell wieder auf dem Dampfer. Alle. Vielleicht lag es auch am Cuba-Rum!

Noch keine WPG-Noten, dafür aber kommentierende Wertungen: Aaron: (erfrischend; wenige, aber sehr gut funktionierende Elemente), Horst: (Klasse; es fehlt nur noch eine entsprechende Graphik; natürlich müssen auch noch die dicken Pappkärtchen des Prototypes in dünne professionelle Spielkarten umgesetzt werden, dann ist es ein hübsches Freak-Spiel), Moritz: (flott; keine Schwachstelle; das Thema ist etwas aufgesetzt), Walter: (rund und schön).

04.02.2014: Adel in der Grube

23 Kommentare hat unser letzter Spielbericht mit „Kohle & Kolonie“ als Hauptdargestelltem provoziert. Unsere Notengebung reicht von deutlicher Ablehnung (Aaron, 4 Punkte) bis zu fast uneingeschränkter Euphorie (Peter: 9 Punkte). Selten gingen unsere Meinungen derart auseinander. Wirklich selten?

Ein kleiner analytischer Blick auf unsere Rangliste bringt zutage: Unter den aktuell aufgeführten 811 Spielen gibt es 48 Spiele mit einer Differenz von 5 oder mehr Punkten zwischen der besten und der schlechtesten Wertung. Bei diesen „bescheuerten“ Wertungen liegt Moritz auf der „guten Seite“ mit 25 Einträgen an der Spitze, Walter führt die „schlechte Seite“ mit 17 Einträgen an.

Naturgemäß gibt es demnach auch die meisten Kombinationen mit Walter als schlechtestem, und Moritz als bestem Werter. Insgesamt 6 mal kommt das vor. Kein Wunder: alternder Mathematiker gegenüber himmelsstürmendem Künstler. Immerhin kommt es aber auch 5 mal vor, dass Peter die schlechteste Note abgegeben hat, wo Moritz der beste war. Obwohl beide als anerkannte Hochgeister bei herausfordernden Spielen meist auf der gleichen Seite der Waagschale zu finden sind.

Es wäre doch mal interessant – zum besseren Verständnis beider Spielerseelen – zu untersuchen, warum bei den Spielen, „Meuterer“, „Princess Ryan’s Star Marines”, “Robo Rally”, “When Darkness Comes: The Awakening” und “Cosmic Encounter” Peter jeweils die schlechteste und Moritz die beste Note vergaben. Und warum es bei „Hanabi“ gerade umgekehrt war. Vielleicht könnt Ihr beide dafür am besten eine Begründung finden …

1. “Glück auf”
Obwohl das Bergbau-Thema gerade erhebliche animositäre Wogen hat hochschlagen lassen, konnte sich „Glück Auf“ als Starter heute problemlos durchsetzen. Das Autoren-Paar Kramer-Kiesling bürgt einfach für gleichbleibend gute Qualität.

Endstand bei „Glück auf“. Günther hat nicht gewonnen. Er konnte auch nicht mit seiner Lieblingsfarbe spielen! Warum gibt es kein Gelb?
Endstand bei „Glück auf“. Günther hat nicht gewonnen. Er konnte auch nicht mit seiner Lieblingsfarbe spielen! Warum gibt es kein Gelb?

In einem Worker-Placement-Spiel schicken wir unsere Arbeiter aus, um

  • Aufträge zum Abliefern von Kohle zu erwerben
  • Loren unterschiedlicher Kapazität, vollgeladen mit gelber, brauner, grauer oder schwarzer Kohle, zu kaufen
  • Die Kohle ans Tageslicht zu fördern
  • Die Kohle auftragsgemäß abzuliefern. (Das gibt leider kein Geld, sondern nur Siegpunkte.)
  • Geld von der Bank zu holen.

Die Aktionsplätze, zu denen wir unsere Arbeiter schicken, sind kein Monopol. Alle Spieler dürfen sich hier engagieren, jeder Spieler sogar mehrfach. Allerdings steigt der Preis: Man muss jedesmal einen Arbeiter mehr investieren als der Vorgänger, um die entsprechende Aktion ausführen zu dürfen.

In drei Wertungen wird die ausgeführte Steigerei bewertet:

  • In der ersten Wertung werden nur die abgelieferten Kohlesorten belohnt. Wer am meisten von einer Sorte abgeliefert hat, bekommt zwischen 2 und 5 Siegpunkten, der zweite bekommt 1 oder 2 Siegpunkte. Alle anderen gehen leer aus.
  • In der zweiten Wertung werden die Kohlesorten genauso wie oben belohnt. Zusätzlich noch die verschiedenen Lieferungsarten. Für die meisten Handwagen, Pferdekutschen, Lastwagen oder Eisenbahnen gibt es zwischen 6 und 9 Punkten, für die zweitmeisten wiederum jeweils die Hälfte.
  • In der dritten Wertung werden zusätzlich zu den Kohlesorten und den Lieferungsarten noch die verschiedenfarbigen Loren belohnt. Für die meisten Loren einer Farbe gibt es dann zwischen 10 und 13 Siegpunkten. Hier spielt die Musik.

Alles ist konstruktiv, alles verläuft rund. Ein ausgewogener Kampf zwischen Konzentration und Diversifizierung. Bei der Konzentration auf einen einziges Element wie Kohle, Lieferung und Loren können wir Rationalisierungseffekte nützen, durch die Diversifizierung sind wir an mehreren Siegpunktquellen beteiligt. Allerdings nur dann, wenn wir dabei jeweils mindestens die zweitbeste Position erreicht haben.

Ein bißchen Zufall ist durch die Verschiedenheit der ausliegenden Lieferungsaufträge eingebaut, der Rest ist solide Mitspieler-Aktion.

Geld ist knapp. Man bekommt es in Stückelungen zwischen 3 und 6 Mark von der Bank. Eine Lore mit zwei schwarzen Kohlen kostet aber bereits 8 Mark. Da muss man schon etliche Arbeiter zur Bank geschickt haben, um diese Summe heimzuholen. Die Bank-Konkurrenz ist am schärfsten. Der Startspieler tut gut daran, seinen ersten Arbeiter gleich auf das 6-Mark-Feld zu placieren.

Weiterhin tut man gut daran, in jeder Runde der Startspieler zu sein. Dazu muss man die meisten Arbeiter in der Lorenfabrik stehen haben. Bei uns war Moritz dreimal Startspieler: das erste Mal zu Spielbeginn per Zufallsentscheidung, die beiden anderen Male durch konsequentes Agieren bei den Loren. Dadurch konnte er sich in der Schlußrunde aus einer relativ abgeschlagenen Position noch an die Spitze setzen. Allerdings lag das Feld ziemlich dicht beeinander. Nur jeweils 1 Punkt Abstand zwischen den einzelnen Spielern. Ist das vielleicht ein Manko – im Sinne von zuviel Gleichförmigkeit – im „Glück auf“?

WPG-Wertung: Aaron: 6 (Multiplayer-Solitärspiel mit ein bißchen Konkurrenz. Soll man sich alles merken, was die Mitspieler erworben haben, um hier eine eigene Prioriätenlinie fahren zu können!? Das Spiel wäre vor fünf Jahren vielleicht auf die Auswahlliste zum „Spiel des Jahres“ gekommen. Heute nicht mehr!), Günther: 6, Moritz: 6 (das Spiel ist OK, die Mechanismen erinnern etwas an „Coloretto“; es fehlt ein Spannungsbogen), Walter: 6.

PS: Der hübsche Förderturm aus gediegener Pappe hat sich leider etwas gewellt. Das wurde auch schon bei Boardgamegeek bemängelt. Dazu unsere Insider-Information: Das Spielmaterial wurde erst wenige Tage vor Essen ausgeliefert und mußte noch feucht eingetütet werden … Ein Bügeleisen kann hier noch Abhilfe schaffen.

2. “Legacy”
Wörtlich sollte man „Legacy“ wohl mit Erbe, Vermächtnis übersetzen. Im Spiel geht es um Familienpolitik innerhalb von drei Generationen.

In 9 Aktionsrunden mit je 2 bis 3 Aktionen dürfen wir heiraten, Kinder kriegen und unseren privaten Pool von Heiratskandidaten erweitern oder austauschen. Auf dem öffentlichen Markt erwerben wir Titel und Schlösser, initiieren Projekte, unternehmen „Missions“ (was immer das sein soll), oder engagieren uns in der Wohlfahrt. Alles dient der Steigerung unseres Ansehens und des zukünftigem Einkommens.

Ein paar Heiratskandidaten in „Legacy“
Ein paar Heiratskandidaten in „Legacy“

Alle Spieler können ziemlich das Gleiche tun. Die einzige Varianz kommt mit den Heiratskandidaten ins Spiel. 75 Stück gibt es davon und alle unterscheiden sich durch die Kosten, die ihre Heirat verursacht, den Zuwachs an Einkommen und Ansehen, der eine Allianz mit ihnen einbringt, und weitere vorteilhafte Sondereigenschaften. Die richtige Mischung macht’s.

Allerdings ist es – für nüchterne Spielertypen – auch ein höchst lästiges Vorgehen, sich aus dem reichlichen Angebot an Kandidaten den jeweils den besten Schwiegersohn heraussuchen zu müssen. Und genauso lästig ist es, diesen Auswahlvorgang bei den Mitspielern abwarten zu müssen. Glücklicherweise hielten sich diese siegentscheidene Prozeduren heute in Grenzen. Aber wenn man das wirklich ernst nehmen würde …

WPG-Wertung: Aaron: 5 (nette Idee, zu clumsy [= bayrisch „dodschert“], die Sonderprämien für die „Missions“ sind unausgewogen, zu viele verschiedene Personen-Eigenschaften), Günther: 5 (riecht verdächtig nach einem Solospiel; das suggeriert auch eine entsprechende Passage im Regelhelft), Moritz: 6 (dauert zu lang, verbraucht – für die Generationenablage – sehr viel Spielfläche, würde es aber nochmals spielen), Walter: 3 (möchte es nicht noch einmal spielen; hat keine Lust, in die tausenderlei Qualitäten der Jet-Set-Heiratskandidaten tiefer einzusteigen).