Archiv der Kategorie: Spieleabende

17.06.2015: Häuptlinge und andere Haie

Männer ohne Spiel leiden an den gleichen Entzugserscheinungen wie Männer ohne Frau. Was sich vor allem in verbalen Kraftmeiereien ausdrückt. Oder lag es diesmal an den hautnahen Begegnungen mit Transvestiten, Transgendern und Transplantationen, dass das verbale Vorgeplänkel aus dem halbseidenen Rülpsen nicht mehr herauskam? Der Verstand war jedenfalls noch eingeschaltet, denn jeder zweite Satz hieß: „Diese Äußerung bitte ja nicht ins Protokoll übernehmen!“ Beim Abschied distanzierten sich alle Mitspieler nochmals ausdrücklich vom noch ungeschriebenen Session-Protokoll. Hier ist es.

1. “Nobiles”

Aarons Neuentwicklung brachte uns zunächst wieder auf die spielorientierte Schiene zurück. Er hat sein Spiel in den letzten beiden Monaten nochmals wieder gründlich überarbeitet, nachdem im Laufe eines forcierten Reifeprozesses zu Beginn dieses Jahres sich viel Wildwuchs eingestellt hatte. Zurück zu den Quellen war seine Devise. Vor allem sollten die beiden Spannungsfelder des Spiels, das arbeitsame Engagement bei der gemeinsamen Problembewältigung und das siegpunktträchtige Einsteigen in Herrschaft und Politik, besser miteinander verzahnt werden. Einige sehr geniale Umgestaltungen brachten das Spiel jetzt Riesenschritte vorwärts. Peter erkannte es nicht wieder.

„Viel Lob, großes Lob!“ vergab er mit der größten Überzeugung. „Ein super Spiel; es besitzt keine eingefahrene Strategie, sondern ist höchst flexibel“ kommentierte Moritz. Aus bescheidenen Startbedingungen heraus und mit zunächst in verschiedenen Richtungen abtastenden Spielzügen hatte er sich im Mittelspiel noch eine Vorgehensweise zurechtlegen können, mit der er haushoch gewann. Die Mitspieler mussten das aber keineswegs bedröppelt über sich ergehen lassen. Erstens kommt das Ende sehr schnell und schmerzlos herbei, und zweitens erkannten sie – post mortem – sogleich die Fehler in ihren eigenen Zügen, die sie beim nächsten Mal vermeiden wollen. Genau das sind Voraussetzungen für ein großes, strategisches Spiel.

WPG-Wertung: Noch keine Wertung für ein Spiel in der Entwicklungsphase.

2. “Island Fortress”

Valentina plus Zwei! Schön öfters hat sie unseren Spielabend “geschmissen“!
Valentina plus Zwei! Schon öfters hat sie unseren Spielabend “geschmissen“!

Seefahrer, stolzes “Archeron”, Schiffbruch, Jademinen, Gouverneur, Fort Aldenford, Gesindel und Kontrolle sind die Schlagwörter im Regenheft, die für Stimmung und Spiellust sorgen sollen. Vorweg genommen, bei uns kamen sie nicht an.

Drei Rechtecke mit je fünf mal vier internen Quadraten sind das Gelände, auf dem jeder Spieler durch Legen von Bauplättchen individuell vorgegebene tetris-artige Muster herstellen muss. Jedes fertig gestellte Muster liefert Siegpunkte. Die Spieler bauen in Konkurrenz zueinander: wenn ein Spieler gerade seine vorgegebene Tetris-Raute fertiggestellt hat, und ein böser Mitspieler eines der zugehörigen, vorgeschriebenen Bauplätten überbaut, dann sind die Siegpunkte erst einmal aufs Eis gelegt.

Zu Bauen braucht man Arbeiter, Bauplättchen und Geld, die man sich mit Hilfe seiner Aktionskarten, Anwerber, Planer und Schatzmeister geheißen, peut-a-peut besorgen kann. Der Aufseher bestimmt dann noch, in welcher der drei Gelände-Rechtecke man bauen darf, der Baumeister tut es und rechnet die Fertigstellung ab.

Es gibt noch ein paar mehr Schnörksel, die das Spielgeschehen etwas bunter machen sollen, uns kam es heute aber ziemlich grau vor. Noch dazu ist die Übersetzung der deutschen Regeln und die Druckqualität des deutschen Spielmaterials eine echte Zumutung. „Schrott“ war heute der etwas überspitzt dafür gebrauchte Ausdruck. Vielleicht lag das auch an der mitgebrachten Stimmung, den oben erwähnten Entzugserscheinungen und den hohen Erwartungen nach Aarons „Nobiles“.

Nach anderthalb Runden fragte sich Peter, wieviel Lust er am Weitergang des Spiels noch hatte. Nach einer weiteren halben Runde fragte er das uns. Zwei waren für einen lustlosen Abbruch, nur Moritz hätte noch gerne ein paar Feinheiten des Spiels kennengelernt. Dabei „war ich gerade dabei zu gewinnen“. Dieses Siegergefühl gönnten wir ihm noch eine Spielrunde, dann brachen wir ab. Zu diesem Zeitpunkt stand der Abbrecher Peter mit großem Abstand an der Spitze.

WPG-Wertung: Aaron: 4, Peter: 3 („Das sind Spiele, die jemand erfindet, der in seiner Nachtschicht genervt ist und nicht einschlafen kann.“ – Genau diese Erfindermotivation hat der Autor Bryan Johnson in seinen Designer Notes bekanntgegeben), Walter: 4 (abstrakt, langweilig, repetitiv, mit erheblichen Kingmaker-Effekten), Moritz: 7 („ich habe mich nicht gelangweilt, ich finde es echt nicht schlimm, es hätte sich noch vieles tun können“).

Kritische Leser mögen hier vorwurfsvoll anmerken, dann man nach einer Kostprobe von gerade mal zwanzig Prozent einer einzigen Durchführung ein Spiel noch nicht aburteilen kann / darf / soll. Alte Erwiderung: Ein Weinkenner kann nach einem einzigen Schluck ebenfalls schon feststellen, ob ihm der Wein zusagt. „Island Fortress” hat uns nicht zugesagt, zumindest 75 Prozent der Spieler unser heutigen Runde nicht. Das Spiel mag trotzdem gut sein. Andersgeschmackliche können sich in jedem Fall auf Moritz berufen.

Zum Schluss bekannte Aaron noch: „Ihr ahnt es sicherlich, dass es ein Kickstarter Spiel ist …“

3. “Stimmvieh”

Mein Gott, diesmal sind wir Wahlkampfmanagerinnen und setzten unsere Politikerinnen, Hinterbänklerinnen oder Spitzenkandidatinnen ein, um möglichst viel Geldinnen und/oder Stimminnen zusammen zu bekommen. Ein Spiel für 3-4 Spielerinnen von Andrea Meyer. Vier teils knackige, teils ausgeknackte Spielermännchen setzen sich an den Tisch, um Autorin Andrea auf den Zahn zu fühlen. Wohin den sonst …

Und womit? Jeder Spieler bekommt neun Karten mit Zahlen von 1 bis 9, die er reihum einzeln ausspielt, um damit aus einer offenen Auslage von insgesamt vier Geld- bzw. Stimm Karten sich eine davon anzueignen. Je höher die ausgespielte Karte, desto höher der erlaubte Wert der eingehandelten Karte.

Klar ist, dass jeder Spieler mit seiner gespielten Karte den zulässigen Höchstwert aus der Auslage nimmt, und klar ist, dass jeder Spieler eine solche Karte spielt, zu der in der Auslage eine genau passende Karte vorhanden ist. Solange die Auslage das bietet. Am Ende, wenn man nur noch wenige Karten in der Hand hat, kann die Diskrepanz zwischen dem Wert der gespielten Karte und dem Wert der bekommenen Karte ganz erheblich sein.

Die Zuordnung der Kartenwerte ist gerecht und einfältig, z.B. bekommt man für eine 1 immer 50 Tausend Euros, für eine 8 immer (maximal) 150 Tausend und für eine 9 immer (maximal) 200 Tausend. Die anderen Werte liegen nicht-linear aber proportional dazwischen. Ob ich jetzt eine 1 verfallen lassen muss, weil keine 1er Wertkarte mehr in der Auslage liegt, oder ob ich mit meiner 9 mangels Angebot nur eine 8er Wertkarte bekomme: das ist gehupft wie gesprungen, ich „verliere“ 50 Tausend Euros. So ist das ganze Spiel lediglich ein kurzes Gehupt-wie-Gesprungen, immerhin erfreulich schnell, und am Ende hat einer die Nase vorne. Bei uns war das zweimal Aaron! (Zweimal! Richtig, richtig, liebe Schnellmerker, nach dem ersten Durchgang haben wir sofort einen zweiten drangehängt. Wir waren einfach noch nicht schlüssig, ob unsere Politikerinnen wirklich so einfältig waren oder ob wir sie nur falsch behandelt haben.)

Halt, einen wichtigen Aspekt habe ich vergessen. Statt der Geld-Karten kann man ja auch Stimm-Karten aus der Auslage nehmen. Mit welchem Effekt? Wer am Ende die meisten oder zweitmeisten Stimmen einkassiert hat, darf in der Abrechnung den Wert seiner geldwerten Karten verdoppeln. Alle anderen Stimmkarten sind für die Katz.

Und die „Vorwahl“ ist ebenfalls noch erwähnenswert: Jeder Spieler muss aus seinen neun Handkarten vier Karten auswählen, die nach dem Spielen eine neue Stimmkarten in die Auslage bringen; die anderen fünf Handkarten bringen nach dem Spielen eine neue Geldkarte in die Auslage. Die jeweils nachzuziehende Karte liegt offen auf, so dass jeder ermessen kann, welche steile Vorlage er seinem Nachfolger in die Auslage legt. Gehupt oder gesprungen. Vielleicht nicht ganz so trivial, wie es der erste Durchgang suggeriert, aber immerhin noch reichlich …

Schon gar nicht trivial ist die Spielregel. Vier erfahrene Spielermännchen bissen sich fast die dritten Zähne daran aus, bis sie den trivialen Spielaufbau, die triviale Vorwahl und den trivialen Spielablauf verstanden hatten. Selbst unser knusprigster Geistes-Überflieger bekannte „Ich kapier’s nicht!“

WPG-Wertung: Aaron: 5 (möchte es nicht zu oft spielen), Moritz: 5 (sehr leichtes, sehr schnelles Kartenspiel, durchaus OK, aber mit beschissener Spielanleitung), Peter: 3 (1 Pluspunkt für die weibliche Spielanleitung. [Ob der Pluspunkt jetzt schon dabei gezählt wurde, verrate ich nicht]), Walter: 4 (kein großer Wiederspielreiz).

Auf den ersten Blick kommt das Spiel von der Aufmachung daher wie eine Kartenversion vom Polit-Seminar „Die Macher“ (ein super-geiles Spiel!), doch vom Ablauf ist es eher ein lockeres Kinderspiel, wenn das Kind erst einmal den Zahlenraum von 1 bis 9 beherrscht, und später 150 und 200 addieren kann.

4. “Bluff”

Peter gewann das 3:2 Endspiel gegen Walter in zwei Zügen.

Im letzten Zug fing er mit 1 mal die Eins an. Mit dem Rücken an der Wand hob Walter auf 3 mal die Vier. Welche Augenzahlen zeigten Peters drei Würfel und was setzte er, um Walter endgültig den Hals umzudrehen?

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

Als Absacker erzählte uns Peter noch etwas über die Fortpflanzung von Haien. Der männliche Hai habe zwei Penisse und zeuge damit recht eindringlich seinen Nachwuchs. Jetzt kann ich ihn mittels Wikipedia bei der ersten Übertreibung seines Lebens überführen: „Nur bei knapp 70% der zur Zeit lebenden Haien werden die Eier im oberen Eileiterteil des Weibchens befruchtet.“

10.06.2015: Malen und Zahlen

Unser Host Walter weilt immer noch in Südfrankreich, um sich an der Schönheit der Landschaft und der (weiblichen) Bevölkerung zu erfreuen und so ganz nebenbei auch seiner Gattin beim Malen zuzuschauen. Als freiwilliger Ersatz-Host stellte sich unser Komponist aus dem Drei-Mühlenviertel spontan zur Verfügung. In kleiner Besetzung lagen diesmal ausschließlich Kartenspiele auf dem Tisch.

1. The Game

Nachdem beim letzten Spieleabend The Game so gar keinen Funken hat überspringen lassen, wollten wir dem Spiel noch eine Chance geben. Immerhin ist es für den Spiel-des-Jahres-Preis nominiert! Irgendetwas müssen wir doch übersehen haben.

Da wir es mit einem kooperativen Spiel zu tun haben, stellt sich die Frage, auf welche Art soll und darf hier kooperiert werden. Die Spielregel spricht ein klares Verbot aus: Keine Nennung konkreter Zahlenwerte in irgendeiner Form. Erlaubt sind aber Hinweise der Art „Auf diesen Stapel bitte nichts mehr legen!“. Im Forum der Spielbox gibt es dazu einen interessanten Thread, in dem die Zulässigkeit bestimmter Hinweise diskutiert wird. Mit urdeutscher Regelaffinität werden dort Hinweise, die konkrete Zahlenwerte bedeuten könnten oder sogar sämtliche codierte Information angeprangert und verboten. Wird nicht in einer Gruppe jeder noch so allgemeine Hinweis über die Zeit zu einem Code für eine bestimmte Spielsituation? Geht es nicht darum, dass das Spiel Spaß machen soll?

Nun ist The Game vom Ansatz her nichts anderes als ein Solitär-Puzzle, das man aber nicht nur alleine, sondern auch mit bis zu sechs Spielern spielen kann. Spiele ich alleine, habe ich die Auswahl aus 8 Karten, bei mehr Spielern entsprechend weniger. Diesen Nachteil gilt es durch eine sinnvolle Kommunikation der Spieler untereinander auszugleichen.

Unseren ersten Durchgang haben wir strickt nach Spielregel gespielt. Die Kommunikation beschränkte sich darauf, die anderen Spieler (mehr oder weniger erfolgreich) zu bitten, auf bestimmt Stapel nichts mehr zu legen. Den anderen in der Regel als Beispiel gegebenen Hinweis „Bitte auf diesem Stapel nur einen ganz kleinen Sprung machen“ haben wir nicht benötigt, denn der gilt wohl immer.

Am Ende war bei verbliebenen 12 Handkarten Schluss. Gut? Schlecht? Keine Ahnung. Also gleich noch eine Wiederholung. Allerdings diesmal entgegen der Spielregel mit maximaler Kommunikation untereinander, realisiert dadurch, dass wir mit offenen Karten spielen. Geht jetzt ein Aufschrei durch die Spielergemeinde, weil die Westpark Gamers ein Spiel kaputt machen, indem sie nicht nach den korrekten Regeln spielen? Egal, ist ja nur ein Experiment.

Dieser zweite Durchgang war insoweit interessant, als es jetzt deutlich mehr Kommunikation gab als vorher. Alle Spieler waren permanent beteiligt, um sicherzustellen, dass niemand eine geniale Zugfolge übersieht. Hier beweist das Spiel seine klaren Solitär-Qualitäten. Überraschenderweise endete das Spiel mit 19 verbliebenen Handkarten, was zumindest beweist, dass auch dieses Maximum an Kooperation nicht dazu führt, dass man besser spielt als mit minimaler Kommunikation. Uns hat übrigens der zweite Durchgang mit vollständiger Information nicht weniger Spaß gemacht als der erste.

Was sagt uns das jetzt über das Spiel? Wer Solitärspiele mag, für den ist The Game als Solospiel durchaus ein netter Zeitvertreib. Mit mehr Spielern macht eine Kommunikation  der Spieler untereinander das Spiel nicht kaputt sondern ändert nur dessen Charakter hin zu einem Gemeinschafts-Puzzle. Ohne Kommunikation ist es mit mehreren Spielern ein dumpfes Glücksspiel ohne Pfiff. Und mit der nach Spielregel erlaubten Kommunikation wird es zwar etwas weniger glückslastig, birgt aber das Problem, dass sich beim Spielen in der gleichen Gruppe selbst die erlaubten Hinweise über kurz oder lang als Codes für bestimmte Situationen etablieren und damit eigentlich wieder verboten sind. Erbsenzähler hätten damit dann ein Problem.

The Game lässt uns weiterhin etwas ratlos zurück.

WPG-Wertung: keine neue Wertung

2. Res Publica

Der Knizia-Klassiker von 1991, damals erschienen bei Hexagames, wurde von Queen Games  inzwischen in der 3. Auflage herausgebracht. Wir haben die Version der 2. Auflage gespielt. Gegenüber dem Original hat man dankenswerterweise die Völkerkarten so geändert, dass jetzt 5 Völker mit unterschiedlichen Anfangsbuchstaben in den Kartenecken gewählt wurden. Das erleichtert die Übersicht in der aufgefächerten Kartenhand. Außerdem gibt es zwei kleine aber wichtige Änderungen in den Regeln. So erhält man auch schon beim Ablegen von 5 Völkerkarten eine Siegpunktkarte (Wert 3). Zusätzlich wurde eine kleine Ungerechtigkeit behoben: Jetzt dürfen alle Spieler in der letzten Runde noch einmal 5er-Sets ablegen.

Vor mehr als 10 Jahren gab es bei uns unterschiedliche Meinungen  über die Qualitäten von Res Publica. Wer Verhandlungsspiele mag, dem gefällt es. Wer nicht gut verhandeln kann oder sich über schreiende Ungerechtigkeiten und Kingmakereien ärgert, dem eher nicht. Wir kamen diesmal zu dem Schluss, dass wir deutlich mehr Spaß an Res Publica hatten als an The Game.

WPG-Wertung: keine neue Wertung

3. Machi Koro

Ein weiterer Spiel-des-Jahres-Kandidat. Bei uns war das Spiel bereits durchgefallen, aber aufgrund der Nominierung kam es gestern dann doch noch einmal auf den Tisch. Vielleicht würde es uns diesmal besser gefallen?

Kurz gesagt, nein, es hat auch diesmal keinen besseren Eindruck hinterlassen. Diese Mischung aus viel Würfelglück, Aufbauspiel und Ärgerelementen ist offenbar nicht so unser Ding.

Erst beim Abräumen fiel unser Blick auf die empfohlene Variante, in der nicht alle Ausbaukarten von Beginn an offen ausliegen. Also wurde noch ein zweiter Durchgang gestartet. Gefühlt war man jetzt noch etwas abhängiger vom Glück, weil man auch noch der Option der Planung seiner Aufbaustrategie beraubt wurde. Aber unser Mathematiker Günther erklärte, dass diese Variante durch die Erhöhung der Zufallseffekte eher ausgleichend wirkt. Wie auch immer, nur er fand das Spiel mit dieser Variante etwas besser.

WPG-Wertung: keine neue Wertung

4. Das stärkste TierSpiel

Ohne Wale ohne Ziel
Ohne Wale ohne Ziel

Moritz als Spielesammler hütet so einige Schätze in seinem Spielzimmer, viele davon 20, 30 Jahre alt oder älter. Als absolute Rarität legte er Das stärkste TierSpiel auf den Tisch. Die kleine, nach heutigen Maßstäben nicht besonders professionell gemachte Schachtel enthält ebenso unprofessionell wirkende Spielkarten in einem eher unhandlichen Langformat. Jede Karte zeigt eine Zeichnung eines Tiers und trägt in kleiner Schrift die „Rangfolge“ und dessen Namen am oberen Rand. Die Tierbilder sind mit schwarzem Filzstift willkürlich übermalt und Günther nahm zuerst an, dass sich Moritz‘ Nachwuchs das Spiel bereits vorgeknöpft hatte. Dem war aber nicht so, denn die Bemalung ist Teil des künstlerischen Gesamtprojekts, wenn auch spielerisch völlig belanglos.

Nun muss man wissen, dass der Autor des Spiels, Alexeij Sagerer, Theaterregisseur, Schauspieler und Medienkünstler ist. Als er 1986 das Spiel in einer Auflage von 1000 Stück „unter Mithilfe des Walfischs und des Schnabeltiers“ im Rahmen seiner Theaterproduktion „proT“ veröffentlichte, teilte er auf der Schachtel mit: „Rettet die Tiere!!! Die Einnahmen aus dem Verkauf fließen unmittelbar in den Tieger von Äschnapur Unendlich“. Ein Geheimnis ist, was uns der Autor mit diesem Text und seinen Schreibfehlern vermitteln möchte. Wie auch immer, das Spiel sollte also seine Theater-Produktionsreihe „Der Tiger von Äschnapur“ unterstützen.

Mit den 72 Tierbilderkarten, die alle verteilt werden, spielen wir ein einfaches Stichspiel: Eine ausgespielte Karte muss gestochen werden, wenn man kann, ansonsten darf man eine beliebige Karte abwerfen. Tiere mit niedrigerem Rang stechen Tiere mit höherem. Wer einen Stich gewinnt, spielt wieder an. Wer am Ende die meisten Stiche gemacht hat, gewinnt das Spiel. Das war’s. Ach nein, den Clou hätte ich beinahe vergessen: es gibt das stärkste Tier, den Elefanten, gleich dreimal, alle anderen nur einmal. Und wer zuerst einen Elefanten spielt, gewinnt den Stich.

Ziemlich ratlos spielten wir unsere Karten von oben nach unten runter und jedes Mal gewann der zuletzt Ausspielende den Stich. Gab es eine Möglichkeit, diese Abfolge zu durchbrechen? Wir haben keine gesehen. Bei den letzten beiden Stichen entschied dann wie erwartet das Kartenglück und es gab tatsächlich noch einen Sieger.

Sollten wir irgendeine geniale Taktik übersehen haben? Oder handelt es sich bei Das stärkste TierSpiel um ein reines Kunstprojekt? Die Tatsache, dass Turnierregeln mitgeliefert werden, lässt vermuten, es ist ein ernst gemeintes Spiel. Das Beiblatt, in dem aufwändig über die Charaktere der Tiere geschrieben wird („der Damhirsch ist das damischste Tier“) lässt doch eher auf ein Kunstprojekt schließen.

WPG-Wertung: Aaron: 27 (echte Kunst), Günther, Moritz: unbewertbar

5. Diamondback

Und weil’s so schön war, legte uns Moritz gleich noch ein weiteres Schätzchen auf den Tisch: Diamandback aus dem Jahr 1978. Dieses Kartenspiel stammt ebenfalls von einem Künstler: Dave Sim, der zwischen 1977 und 1981 die 25-bändige Comic-Buchreihe „Cerebus“ veröffentlichte.

Das Spiel ist eine Poker-Variante, die je nach Spielerzahl mit 15 (2 Spieler) bis 43 (4 Spieler) Karten gespielt wird. Leider besitzt Moritz nur die 2-Spieler-Version. Dort gibt es 5 verschiedene Kartentypen (1x Magier, 2x Prinzessinnen, 3x Könige, etc.). Jeder Spieler erhält 2 Karten und der Dealer legt eine seiner Karten offen aus und macht das erste Gebot. Es wird solange geboten, bis der Dealer die Bietrunde beendet. Dann werden alle Karten offengelegt und der Spieler mit dem höchsten Paar gewinnt den Pott.

Gewöhnungsbedürftig sind die Paarwerte, die man sich irgendwie merken muss, da jede Karte in Kombination mit einer anderen Karte einen andern Wert hat.

Uns erschien das nicht prickelnd genug, um zu später Stunde noch ein Spiel zu beginnen, insbesondere da nur zwei von uns hätten spielen können. Ein kurzer Blick bei Boardgamegeek zeigte dann auch, dass es sich hier wohl eher um ein Sammlerprodukt für echte „Cerebus“-Fans handelt.

WPG-Wertung: keine Wertung, da nicht gespielt.

27.05.2015: Wer kehrt, oder Who Cares?

Manchmal bringen Urlaube, Krankheiten und Enkelbesuche unsere Spieleabende ganz schön durcheinander. Seit dem letzten Spielbericht sind jetzt vier Wochen vergangen und wir haben in dieser Zeit gerade einmal zwei Abende gespielt. Sei’s drum, hiermit wird der Spielbericht vom 29.4. nachgeholt und der von gestern pünktlich geliefert, auch wenn unser Lieblings-Host ihn diesmal nicht schreiben kann, weil er heute bereits in den Urlaub fährt.

1. Indoor Curling

Als in Bayern Lebende kennen wir uns natürlich mit der britischen Variante des Eisstockschießens bestens aus. Grobmotoriker und Menschen mit schlechter Hand-Auge-Koordination sind da bekanntermaßen chancenlos.

Kosmos hat versucht, die Curling-Bahn und die Steine so nachzubilden, dass damit unter Anwendung der Originalregeln so etwas ein Curling-Gefühl auf dem Spieltisch entstehen könnte. Die Bahn besteht aus einer rutschigen Kunststofffolie und die Steine aus kleinen Kunststoffteilen, die den echten Steinen in ihrer Form nachgebildet sind. Damit die dann auch möglichst widerstandslos über die Folie gleiten, besitzen sie im Innern eine Stahlkugel, die aber letztendlich über die Bahn rollt. Da ist dann auch schon der Bruch mit der Curling-Realität: Die Kunststoffsteine rollen statt zu gleiten und damit ist das wesentliches Element des Steindrehens (Curling!) nicht mehr abbildbar. Und ebenso dienen die beigelegten Schwämme nicht dazu, der Bahn unterschiedlichen Widerstand zu verleihen, sondern sind ausschließlich dafür gedacht, Fettfinger-Tatzer auf der Folie zu entfernen.

Das Gefühl, hier so etwas wie Curling zu spielen, kann also nicht wirklich aufkommen. Es bleibt beim eher munteren Losrollen der eigenen Steine Richtung Haus und der Hoffnung, die gegnerischen dabei irgendwie weg zu kicken, wobei einem die nicht immer präzise laufenden Steine dabei oft genug einen Strich durch die Rechnung machen.

Die Schwächen in der Umsetzung (oder vielleicht unsere zu hohe Erwartungshaltung) dämpften den Spielspaß dann doch erheblich. Vielleicht hätten wir vorher mehr von Moritz‘ exzellentem Whisky trinken sollen…

WPG-Wertungen: Moritz 3 (kein Spielspaß), Günther 7 (funktioniert als Dödelspiel), Aaron 5 (funktioniert halbwegs, keinerlei Innovation und fehlende Anpassung an die Tischsituation)

2. Witches

Das 2013 erschienene „HeartSwitch“ wurde von Amigo im letzten Jahr als „Witches“ herausgebracht mit einem Thema, das zum ebenfalls dort vor vielen Jahren erschienenen „Wizard“ passt. Wie bei „Wizard“ haben wir auch hier ein Stichspiel vor uns. Allerdings versuchen wir nicht, die Anzahl der Stiche vorherzusagen, sondern möglichst wenige „Feuerpunkte“ zu erhalten, wenn wir einen Stich nehmen müssen, oder, als Alternative mit entsprechendem Risiko, alle Karten mit Feuerpunkten abzustauben.

Zu Beginn eines Durchgangs werden alle Spielkarten (im Wert von 1 bis 14 in 4 Farben plus 4 Zauberer ohne Farbe und Wert 0) an die Spieler verteilt. Ähnlich wie bei „Flaschenteufel“ betreiben die Spieler vor jedem Durchgang ein bisschen Kartenhandpflege, indem sie Karten an ihren Tischnachbarn weitergeben. Gespielt wird dann nach klassischen Stichspiel-Regeln: die angespielte Farbe muss bedient werden, es sei denn, man spielt einen Zauberer. Die höchste Karte der angespielten Farbe gewinnt den Stich und wird neuer Ausspieler.

Die Würze des Spiels sind Sondereigenschaften der Hexen-Karten (Wert 11, in der Farbe Grün auch die 12). Drei Hexenkarten bringen zusätzliche Feuerpunkte, zwei verringern oder negieren gesammelte Feuerpunkte. Falls ein Spieler alle Feuerkarten gesammelt hat, bestimmen seine Hexenkarten die Anzahl Minuspunkte, die die anderen Spieler kassieren.

„Witches“ spielt sich schnell und relativ locker und ist ein typisches Absackerspiel, das man gerne mehrmals hintereinander spielt.

WPG-Wertung: Andrea 7 (flottes Partyspiel), Günther 6 (einfach, schnell, hoher Glücksfaktor)
Moritz 7 ( mehr Feinheiten als auf den ersten Blick erkennbar), Aaron 7 (locker)

3. The Game

Kooperative Spiele sind bei uns bisher noch nie gut angekommen. Deshalb haben wir uns aus einem „6 nimmt!“ den für „The Game“ notwendigen Kartensatz selbst gebastelt, um dieses für das Spiel des Jahres nominierten Spiel einmal gespielt zu haben. Es könnte ja sein, das diesmal der Funke überspringt. Umso mehr, als das bei „The Game“ der Anführereffekt („Mach jetzt mal das!“) wegen der verdeckten Kartenhand nicht besonders stark ausgeprägt ist.

Worum geht es? Auf insgesamt 4 Kartenstapel müssen die Spieler gemeinsam versuchen, alle 98 Karten (von 2 bis 99) abzulegen, auf zwei Stapel absteigend bis zur 2, auf den beiden anderen aufsteigend bis zur 99. Es wird reihum gespielt und jeder Spieler muss mindestens 2 Karten auf beliebige Stapel ausspielen und danach seine Kartenhand wieder auffüllen. Sobald der Nachziehstapel aufgebraucht ist, dürfen die Spieler auch nur eine Karte ausspielen.

Das Ganze wäre ziemlich unmöglich, gäbe es nicht die Zusatzregel, die es erlaubt, auf den aufsteigenden Stapeln auch eine Karte zu spielen, die exakt 10 niedriger ist als die oberste dort Liegende bzw. exakt 10 höher auf den absteigenden zwei Stapeln. Es gibt also einen kleinen „Rücksetzefffekt“.

Das Spiel endet, sobald ein Spieler keine Karte mehr ausspielen kann. So wie die Spielregel formuliert ist, träte das Spielende auch ein, wenn ein Spieler keine Handkarten mehr besitzt und dann wieder an der Reihe ist. Wir haben dies als Regelunschärfe definiert und so gespielt, dass dieser Spieler dann einfach übergangen wird und das Spiel weiterläuft.

Es ist laut Regeln explizit verboten, anderen Spielern Hinweise mit der Nennung konkreter Zahlenwerte zu geben. Erlaubt sind aber Hinweise darauf, auf welche Stapel die anderen Spieler möglichst keine Karte ablegen mögen (um dann z.B. ein Rücksetzen ausführen zu können, wenn man an der Reihe ist). Unser Mensa-Mitglied „Ich weiß eh alles (besser)“ mit Anführereffektneigung  nutzte diese Regel dann auch oft genug, um gleich zwei Stapel zu blockieren. Bei 5 Spielern nicht unbedingt die beste Vorgehensweise.

Unser Spiel endete, bevor alle Karten ausgespielt waren. 8 blieben übrig, wir hatten also verloren, ob nun hoch oder nicht, wissen wir nicht. Moritz hatte auch einen Vorschlag für eine geniale Gewinnstrategie: Karten mit der Endziffer 2 werden nur gespielt, wenn absolute Not am Mann ist, ansonsten aber auf der Hand gehalten, damit dann irgendwann alle Spieler in einem Super-Coup einen Stapel komplett auf die 2 zurücksetzen können. Unsere Mathematiker am Tisch bezweifelten, dass das funktioniert, was letztendlich dazu führte, dass ein zweiter Durchgang beschlossen wurde, um dies zu beweisen.

Dass dieser Durchgang nach der Hälfte von einen Spieler durch das Ausspielen aller Handkarten zwangsbeendet wurde (der nachfolgende Spieler konnte nirgendwo mehr anlegen), weil er keine Lust mehr hatte weiterzuspielen, verhinderte leider eine Verifikation der Moritzschen Gewinnstrategie. Keine hatte Lust auf eine dritte Runde.

WPG-Wertungen: Moritz 5 (mit Walter am Tisch: 2), Walter 3 (überhaupt kein Pfiff und keine Spannung), Peter 3 (macht keinen Spaß), Günther 3 (fällt keine Spielerrunde ein, in der ihm dieses Spiel Spaß machen würde), Aaron 4 (weiß nicht warum er dieses Spiel noch einmal spielen sollte und fragt sich, warum es nominiert wurde).

4. Broom Service

Als Nächstes lag einer der für das Kennerspiel des Jahres Nominierten auf dem Tisch. Die Nominierung ist alleine schon deshalb bemerkenswert, als dass „Broom Service“ eine Weiterentwicklung des 2008 nominierten „Wie verhext!“ desselben Autors ist. Sehen wir es mal positiv, dass die Jury durchaus auch bereit ist, einem Spiel eine zweite Chance zu geben. Bei uns war der Vorgänger mit einer Durchschnittswertung von 5,3 nicht besonders gut angekommen und wir waren gespannt, ob uns die Weiterentwicklung jetzt besser gefällt.

Broom ServiceJede der 7 Spielrunden läuft identisch ab: die Spieler wählen aus ihren 10 Charakterkarten 4 aus, die sie in dieser Runde nacheinander ausspielen. Die Charaktere besitzen unterschiedliche Eigenschaften/Aktionen wie die Generierung von Ressourcen, dem Bewegen der Spielfiguren bis hin zum Liefern von Zaubertränken an Türme für Siegpunkte. Der Clou (und Hauptmechanismus) ist die Möglichkeit, eine Charakteraktion mutig oder feige auszuführen. Spiele ich sie feige, ist die Aktion schwächer aber ich kann sie dafür sicher ausführen. Spiele ich sie mutig, ist sie stärker, aber wenn ein anderer Spieler nach mir den gleichen Charakter ebenfalls mutig ausspielt, verliere ich die komplette Aktion. Es gilt also, geschickt zwischen Risiko und Sicherheit abzuwägen.

Diese Unkalkulierbarkeit, ob man eine Aktion ausführen kann oder nicht, hatte uns schon beim Vorgänger nicht besonders gefallen. Hier ist mit der feige/mutig Entscheidung und der Bewegung auf dem Spielplan etwas mehr Berechenbarkeit ins Spiel gekommen. Leider wirkte sich das in unserer Runde nicht wirklich positiv aus. Außer Moritz war jeder der Meinung, doch zu stark von den Aktionen der Mitspieler abhängig zu sein. Diese eigentlich positiv zu wertende Interaktion wirkte auf uns eher als pures Mitspielerchaos. Vielleicht haben wir nicht lange genug über unsere Züge gegrübelt? Aber das hätte es auch nicht besser gemacht.

Für mich, der gestern eher aus dem Bauch heraus spielte, weil ich keine Lust zum Grübeln hatte, war jedenfalls nach 4 Runden der Frust dank misslungener Planungen und gefühlter völliger Abhängigkeit von den Zügen der Mitspieler das Spiel gelaufen. Die letzten 3 Runden boten ohne weiteren Spannungsaufbau nur noch „more of the same“ ohne Abwechslung.

WPG-Wertung: Moritz 8 (habe immer einen Plan gehabt), Walter 3 (Pseudoplanspiel genau wie Robo Rally), Peter 2 (reines Glücksspiel, das viel zu lange dauert), Günther 5 (Mitspielerchaos mit Planungselementen), Aaron 4 (kein Spannungsbogen und zu viele Frusteffekte)

5.Viticulture

Wieder mal eines dieser berüchtigten Kickstarter-Projekte. Nachdem in der vorliegenden 2. Auflage einige grobe Schnitzer ausgemerzt wurden und die Resonanz in Vielspielerkreisen überaus positiv ist, habe ich mir das Spiel nun doch zugelegt. Der etwas hohe Preis wird mit einer exzellenten Ausstattung belohnt: viele Holzteile in den Spielerfarben, und zwar nicht die üblichen Standardformen und Farben sondern Spezialteile abgestimmt auf das Spielthema. Das Spielbrett und die Spielertafeln sind zweiseitig bedruckt, eine mit Erläuterungen und die andere mit der reinen Illustration. Ob es das alles gebraucht hätte sei mal dahingestellt, ist aber vielleicht typisch für erfolgreiche Kickstarterprojekte mit vielen „stretch goals“. Nun stellt sich die Frage, ob hinter dem vielen Chrom auch ein ebenso feines Spiel steckt.

Jeder Spieler betreibt ein Weingut, dass in seiner Startaufstellung aus drei leeren Feldern, zwei Pinot-Reben und drei Arbeitern mit etwas Geld besteht. Die Reben gilt es zu pflanzen, weitere Reben zu erwerben und ebenfalls zu pflanzen, die Trauben zu ernten, den Wein zu keltern und letztendlich damit Aufträge zu erfüllen, um Siegpunkte zu kassieren. Das Spiel endet, sobald der erste Spieler 20 SP besitzt.

Das Thema ist mit seinen vielen Details stimmig umgesetzt. So gibt es die 4 Jahreszeiten mit den wichtigen Aktionen im Sommer und im Winter, unterschiedliche Ausbauten wie Spaliere oder Bewässerungssysteme, die erst erworben werden müssen, um einige Rebsorten anpflanzen zu können oder Saisonarbeiter bzw. –gäste, die einem Vorteile gewähren. Und über die Merkwürdigkeiten, dass Roséwein ebenso wie der Schaumwein aus roten und weißen Trauben gemischt wird, wollen wir mal im Sinne der Vereinfachung der Spielmechanismen hinwegsehen, oder wird das in den USA tatsächlich so gemacht?

Wegen der recht knappen Startausstattung beginnt das Spiel etwas schleppend und wird massiv von verdeckt gezogenen Karten beeinflusst. Das hat einerseits den Vorteil, dass sich die Aktionen der Spieler schnell in unterschiedliche Richtungen entwickeln, aber auch den Nachteil, dass es gefühlt seeehr langsam losgeht und man sich gerne vom Pech beim Kartenziehen benachteiligt fühlt. Das Rad dreht sich dann aber nach ein paar Runden immer schneller und die Zunahme an Siegpunkten pro Runde nimmt gerade für Zurückliegende eine bedrohliche Größenordnung an.

Leider konnten wir das Spiel nicht zu Ende spielen, da unser Mensa-Mitglied für das Erreichen der optimalen ÖPNV-Verbindung mit einer Einsparung von immerhin 8 Gehminuten gerne einmal alles stehen und liegen lässt. Alle hatten zu diesem Zeitpunkt ihre Weingüter soweit ausgebaut, dass sie rund liefen und das Spiel in einer, spätestens zwei Runden beendet sein würde. Schade.

WPG-Wertung: Moritz 6 (Thema stimmig umgesetzt, Karteneffekte etwas zu krass), Walter 6 (eigentlich ein 8-Punkte-Spiel aber etwas zu langatmig zu fünft, Planbarkeit durch Karteneffekte eingeschränkt), Peter 7 (im Weggehen zugerufen), Günther 6 (etwas zu kartengetrieben), Aaron 7 (zu fünft zu lang, ansonsten stimmig und interaktiv)

22.04.2015: Der Charme von Marco Polo

Charme ist besonders aufmerksame Ignoranz.
Charme ist die Erotik des Geistes.
Charme ersetzt auf Dauer keine Leistung.
Charme ist angewandte Lebenserfahrung – ohne Erfolg.
Charme reicht bis zur ersten Enttäuschung.
Charme fesselt das Auge, aber Verdienst erobert die Seele.
Charme ist oft nur ein anderer Name für geistige Biegsamkeit.
Charme ist die Gabe, den anderen vergessen zu lassen, daß er aussieht wie er aussieht.
Charme ist die Eigenschaft bei anderen, die uns zufriedener mit uns selbst macht.

Das Leben hat nur einen wirklichen Charme: Das Spiel. (Baudelaire)

1. ” Auf den Spuren von Marco Polo “

Auf den Spuren von Marco Polo
Auf den Spuren von Marco Polo

Obwohl Moritz letzte Woche gute 7 Punkte für dieses Spiel vergeben hat, leistete er heute erheblichen Widerstand gegen eine Wiederauflage. So viel zum Wiederspielreiz von hoch bewerteten Spielen! (Oder schwelgen wir in einem Spiele-Schlaraffenland, wo es nicht immer Kaviar sein muss… ?)

Marco-Polo-Neuling Walter gab den Ausschlag für die Auswahl des ersten heutigen Spiels; die Alternative „Die Staufer“ war zwar verlockend, aber bereits bekannt. Um den „Experten“ noch einen kleinen Motivations-Schub zu geben, durften sie vor den Spiel geheim schätzen, welche Note am Ende Walter wohl für „Marco Polo“ vergeben würde.

Aaron hat das Spiel und unsere Eindrücke in seinem Session-Report von letzter Woche schon ausreichend beschrieben. Würfel sind der Motor des Spiels. Fünf Runden lang darf jeder Spieler je einmal mit fünf Würfeln würfeln und aus dem Ergebnis das Beste machen, d.h. die Würfel an den verschiedenen Arbeitsplätzen einsetzen: Einzelne Würfel, Würfel-Kombinationen und nachträglich erworbene Würfel erlauben den Gewinn von Rohstoffen, das Herumreisen zwischen Venedig und Peking, und den Erwerb von Aufträgen, die über das Abliefern von Rohstoffen Siegpunkte einbringen.

Was den Vor- oder Nachteil hoher Augenwürfe betrifft, möchte ich einer Aussage unseres notorisch schlechten Würflers Aaron doch gelinde widersprechen: Hohe Augenzahlen sind nicht durchwegs gute Werte; z.B. erzielt lediglich der erste Anleger bei den Ressourcen dafür kostenlos mehr Einkommen; der zweite Interessent muss schon eine seiner Augenzahl entsprechende Geldsumme blechen, um sich hier beteiligen zu dürfen; je höher die Augenzahl, desto größer die Beteiligungskosten. Das gilt gleichermaßen auch für alle anderen Arbeitsplätze. Bei den Bewegungspunkten reichen meist Augenzahlen zwischen 1 und 2 für die gewünschte und bezahlbare Mobilität, weil man für mehr Schritte auch erheblich mehr Geld bezahlen muss, was die Geldbörse schnell überfordert, da spielt eine höhere Augenzahl auch keine Rolle mehr.

Siegpunkte lauern überall; von der Menge der konstruktiven Optionen könnte man sich schier überfordert fühlen. Doch für Spiele-Freaks steckt gerade dahinter die entscheidende Herausforderung des Spiel: jeder wählt zu Spielbeginn ein individuelle Rolle mit charakteristischen Qualitäten und füllt sie – auf einem konstanten, überschaubaren Schauplatz – so aus, dass er optimal davon profitiert, jedenfalls mehr als seine Mitspieler. Es ist schon erstaunlich, wie viele total verschiedene Fähigkeiten hier sehr gut ausbalanciert angeboten werden.

Günther wurde studienhalber die Rolle des „Wilhelm von Rubruk“ aufgedrückt, in der er möglichst weit reisen und möglichst viele Handelsposten errichten sollte. Ihm stellte sich Moritz als „Johannes Caprini“ gegenüber, der mit seiner Sonderfähigkeit einer springenden Fortbewegung ebenfalls viel unterwegs sein wollte. Zu diesen beiden Reisenden gesellte sich Walter als Polo-Gebrüder und peilte die hohe Prämien für die doppelt erfüllten Reiseaufgaben an. Alle konkurrierten um das beschränkte bzw. um das immer teurer werdende Reisepotential, was ihre Siegeschancen erheblich beeinträchtigte. So konnte sich Peter als „Raschid ad-Din Sinan“, der seine Würfel jeweils auf beliebige Augenzahlen drehen durfte, als unbewegter Erfüller viele Aufträge schnell an die Spitze des Feldes setzen und einem unangefochtenen Sieg entgegengehen.

WPG-Wertung: Günther: 8 (bleibt), Moritz: 6 (ein Punkt weniger als letzte Woche, „blödes Maximierspiel, das Spiel hat keine Magie, es fehlt der Charme“), Peter: 7 (es ist ein gutes Spiel, aber eines der schwächeren HiG-Spiele), Walter: 7 (ausgewogenes Spieldesign gekonnt umgesetzt, längerfristige Herausforderung für Freaks, auch wenn gewisse autistische Züge nicht zu übersehen sind).

Peter hat Walters Wertungsnote “7” exakt geschätzt, Günther lag mit der Einschätzung „6“ knapp, Moritz mit „5“ schon deutlich daneben.

2. “AbluXXen”

In den letzten 12 Monaten schon 8 mal am Westpark gespielt, hat das schnelle, pfiffige Kartenspiel noch nichts von seinem Charme verloren. Jeder bastelt an seinem Glück, freut sich über sein Können, dass ihm den Sieg beschert, und lacht mit dem Zufall, der ihm und den anderen den Sieg verwehrt.

Dass in einer Vierer-Runde ein Spieler einen Durchgang gewinnt, ist absolut sicher. Dass der gleiche Spieler auch noch den zweiten Durchgang gewinnt, dafür ist die Wahrscheinlichkeit statistisch gesehen nur noch 25%. Dass er auch noch das dritte Spiel gewinnt, kommt nur in 6,25 % aller Fälle vor. Moritz brachte heute dieses Kunststück fertig – eine Mischung aus Können und Zufall, wobei jeder Mitspieler den Anteil der Grundstoffe hier unterschiedlich einschätzen wird.

Keine neue WPG-Wertung für ein glattes 8 Punkte-Spiel.

3. “Bluff”

Peter ging mit zwei Würfeln in das Endspiel gegen Moritz mit einem Würfel und legte stramm „einmal die Fünf“ vor. Moritz hatte nur eine Drei unter dem Becher, kniff den Schwanz ein und zweifelte an. Das war natürlich sein Ende.

Peter hatte nicht nur eine Fünf, sondern sogar eine Fünf und einen Stern unter dem Becher. Ein schnell geblufftes „zwei mal die Fünf“ von Moritz hätte ihn nicht nur aus der Bahn werfen können, sondern es hier tatsächlich auch getan.

In der Post-Mortem-Analyse kamen Günther und Walter beide zu dem Schluss, dass Moritz’ Anzweifeln „schlecht“ war, dass Peters Vorgabe aber noch schlechter gewesen war. Mit der trivialen Vorgabe „zweimal die Fünf“ hätte er schon mit (ungefähr) zwei Drittel Wahrscheinlichkeit den Sieg auf seiner Seite gehabt. So hat er mit der erheblich risikobehafteten Ein-Drittel-Wahrscheinlichkeit spekuliert, dass Moritz eine Fünf oder einen Stern unter dem Becher hat.

Tip1 (erste Näherung): Stehst Du mit einem Würfel in Endkampf gegen einen Gegner mit zwei Würfeln, der mit „einmal die Fünf“ anfängt, so hebe grundsätzlich auf „zweimal die Fünf“.
Tip2 (zweite Näherung) für die gegebene Situation: Hebe nicht grundsätzlich auf „zweimal die Fünf“, sondern ziehe einen Zufallsgenerator für die Entscheidung heran, ob Du hebst auf

  • zweimal die Fünf
  • zweimal die Zahl, die Du selber unter dem Becher hast
  • dreimal die Fünf, wenn Du eine Fünf unter dem Becher hast
  • einmal den Stern, egal, was Du unter dem Becher hast
  • … und es gibt noch mehr, keineswegs ganz aussichtslose Hebungen

Man sieht mal wieder, dass das so einfach aussehende “Bluff” doch eine verblüffend hohe Anzahl von sinnvollen Entscheidungsfreiheiten hat. Als es 1993 zum “Spiel des Jahres” gekürt wurde, waren wir über diese Auszeichnung bass erstaunt. Heute überhaupt nicht mehr.

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

15.04.2015: Frustrationstoleranz

Seit ein paar Tagen diskutieren wir darüber, warum unsere Spielewertungen in den letzten Jahren immer schlechter geworden sind. Liegt es an den Spielen, liegt es an uns oder liegt es an etwas ganz anderem?

wpgwertungenjgDie Grafik zeigt die Tendenz der Wertungs-Mittelwerte aller Westpark Gamer der Spielejahrgänge 2003 bis 2014. Bemerkenswert ist der Peak der Wertungen im Jahr 2007, und dass danach die Wertungen, mit einem Ausreißer im Jahr 2010, stetig schlechter geworden sind.

Während es beim Jahrgang 2007 kein einziges Spiel mit einer Durchschnittswertung schlechter als 4 gab, waren es im darauf folgenden Jahr bereits vier (Senji, Rice Wars, Krakow 1325AD, Monopoly Deal) und im Jahr 2009 gab es die ersten Spiele mit Wertungen im 2er-Bereich (Die Insel der steinernen Wächter, Sector 41, 7 ate 9, Chairman of the Board). Auf der positiven Seite gab es 2007 noch vier Spiele mit einem Mittelwert 8 oder größer (1848, Steam over Holland, Wikinger, Brass), zwei Jahre später beim Jahrgang 2009 nur noch eins (Small World).

Wie schaut es nun beim Jahrgang 2014 aus? Dort gibt es immerhin drei Spiele mit Durchschnittwertungen im 8er-Bereich (Sankt Petersburg 2. Ausgabe, Istanbul, AbluXXen), dafür aber zehn(!) Spiele mit Durchschnittswerten im 4er-Bereich oder schlechter. Ähnliches gilt für die beiden Jahre davor.

Die Anzahl der von uns gut bis sehr gut bewerteten Spiele eines Jahrgangs hat sich also über die Jahre nicht stark verändert. Umgekehrt ist aber die Anzahl der von uns als schlecht bis sehr schlecht bewerteten Spiele gestiegen. Die Auswahl von Spielen, die uns gut gefallen, passt also weiterhin. Eine sinkende Tendenz durch eine generell kritischere Bewertung ist nicht zu erkennen. Aber die Anzahl der Gurken in unserem Einkaufskorb hat zugenommen und hier fehlt uns noch eine Erklärung.

Mögliche Gründe könnten sein:

  • Die größere Anzahl an Spielen in den aktuellen Jahrgängen bringt auch mehr schlechte Spiele hervor und damit die höhere Wahrscheinlichkeit, eine Gurke zu erwischen.
  • Die gegenüber vor 10 Jahren vielen Berichte und Rezensionen im Netz, die bei manchen Spielen einen Hype verursachen können, uns zum Kauf veranlassen, dann aber bei uns durchfallen.
  • Die Bereitschaft, einem Spiel, das uns nicht gefällt, auch einmal richtig schlechte Wertungen zu geben ist gestiegen, seitdem wir keine Rezensionsexemplare mehr anfordern.
  • Eine Übersättigung ist bei uns eingetreten. Das erste Worker Placement Spiel (Caylus) war noch toll, das hundertste ist vielleicht genauso gut, landet aber durch die Gewöhnung nur noch im Mittelfeld.
  • Unsere Wertungsskala hat sich verschoben: mittelmäßige Spiele bekommen jetzt auch mittelmäßige Wertungen (also 4, 5 und 6).
  • Es gibt einfach mehr schlechte Spiele als vor 10 Jahren.
  • Wir bewerten ganz andere Dinge gut oder schlecht als noch vor Jahren.

Vermutlich treffen viele, wenn nicht gar alle Gründe und noch weitere zu. Eines ist aber sicher: wir sind, was unseren Spielegeschmack angeht, keine homogene Gruppe, denn zu oft klaffen die Bewertungen für ein und dasselbe Spiel weit auseinander (s.u.). Das sollte man berücksichtigen, wenn man unsere Wertungen liest und bedenken, dass alleine deshalb ein Mittelwert aller Wertungen problematisch ist. Und genau deshalb veröffentlichen wir auch die Einzelwertungen mit einer Kurzbegründung.

1. Auf den Spuren von Marco Polo

Das Auffälligste geschieht gleich beim Spielaufbau: jeder Spieler bekommt eine Personenkarte mit einer Sondereigenschaft zugeteilt (in der Basisversion), die er im Spiels dauerhaft nutzen kann. Das klingt jetzt nicht besonders aufregend, schaut man sich allerdings die Sondereigenschaften an, staunt man doch über die relativ krassen Unterschiede und Effekte und fragt sich, wie ausbalanciert das wirklich ist. Günther, der das Spiel bereits zweimal gespielt hat, erklärte, dass diese Asymmetrie gewollt ist und man mit jeder Personenkarte das Spiel gewinnen könne. Nun denn…

Das Spiel geht über sechs Runden in denen wir auf 10 Feldern unsere 5 Arbeiter einsetzen, um 4 verschiedene Ressourcen sowie Geld, Aufträge, Siegpunkte oder Bewegungspunkte für unsere Reise zu erhalten. Weitere Arbeiter können wir für die laufende Runde erwerben, wenn wir die passende Ressource (Kamele) dafür abgeben. Weitere 8 Arbeiter-Einsetzfelder können wir für uns im Laufe des Spiels durch unsere Reise freischalten, wenn wir die zugehörigen Städte erreicht haben. Welche Städte wir ansteuern sollten, ergibt sich aus den bei Spielbeginn ausgelegten Stadteigenschaften sowie zwei jedem Spieler zugeteilte Karten mit einem Reiseauftrag, der bei (Teil-) Erfüllung zusätzliche Siegpunkte bringt.

Damit sich AdSvMP von den 1000 anderen Worker Placement Spielen unterscheidet, sind unsere Worker nicht einfache Pöppel sondern normale 6-seitige Würfel. Und man ahnt es schon: zu Beginn einer Runde würfeln alle Spiele mit ihren Arbeiterwürfeln. Dabei gilt: hohe Werte sind gute Werte, denn mit hohen Werten erhält man mehr Ressourcen, mehr Bewegungspunkte und hat eine größere Auswahl an Aufträgen. Kleine Würfelwürfe sind schlecht, zumindest meistens. In weiser Voraussicht hat Hans im Glück einen kleinen Ausgleich für besonders schlechte Würfe eingebaut: wer mit seinen fünf Würfeln weniger als 15 Punkte erwürfelt, darf sich die Differenz in Geld oder Kamelen aus dem Vorrat nehmen. Aha, kleine Würfe sind also wirklich schlecht.

Da wundern wir uns schon, wenn die Personenkarte des Startspielers der ersten Runde die Sondereigenschaft besitzt: „Du brauchst nicht würfeln sondern drehst, wenn du Würfel einsetzen willst, diese auf den gewünschten Wert.“ Ist das jetzt nicht superstark? Wir werden sehen.

Zu den anderen Sondereigenschaft. Der 2. Spieler bekommt zu Beginn jeder Runde einen weiteren Arbeiterwürfel und einen kostenlosen Auftrag. Der 3. muss nie Geld bezahlen, wenn er ein bereits besetztes Aktionsfeld ebenfalls besetzen möchte und der 4. Spieler bekommt jedes Mal, wenn ein anderer Spieler auf einem der 4 Marktfelder Ressourcen erwirbt, eine Ressource dieses Typs kostenlos. Bemerkenswert asymmetrisch.

Die sechs Runden laufen nach dem gleichen Schema mehr oder weniger interaktionslos dafür mit umso mehr Grübelei ab. Es gilt aus seinem Würfelwurf das Optimum herauszuholen, da jeder eingesetzte Würfel extrem wichtig ist. Völlig frustfrei geht es dabei nicht zu, denn oft passt der Würfelwurf nicht zu dem, was man eigentlich machen wollte und man ist gezwungen, den nächstbesten Zug zu wählen. Also nochmal von vorne überlegen. Und sich darüber ärgern, dass ein Spieler völlig unabhängig vom Würfelglück alles legen kann, was er mag. Das muss man mögen.

Überhaupt, es gibt viele Fehlermöglichkeiten bei AdSvMP und man braucht sicherlich ein paar Spiele, um die schlimmsten zu vermeiden und die richtig sprudelnden Siegpunktquellen anzuzapfen (Peter machte mit nur zwei Würfeln  40 seiner 60 Siegpunkten bei Spielende!).

WPG-Wertungen: Aaron: 4 (funktioniert, aber langweilig), Günther: 8 (man kann optimieren und der Würfelmechanismus ist gut), Moritz: 7 (man kann dem Spiel nichts vorwerfen, ich muss es aber nicht öfter spielen), Peter: 7 (funktioniert gut, zündet aber nicht; nicht elegant).

2. Kraftwagen

Peter fühlt sich wegen einiger problematischer Phalanx-Spiele immer noch Blennemann-geschädigt und war nicht erbaut, als er hörte, dass das neue Spiel von Matthias Cramer von besagtem Redakteur realisiert wurde. Aaron, der das Spiel als Prototyp bereits gespielt hatte, konnte dann aber doch genug Überzeugungskraft aufbringen, um „Kraftwagen“ an diesem Abend eine Chance zu geben.

Wir sind Autobauer. In unserer Fertigung stellen wir aus Karosserie und Motor bestehende Kraftwagen her, die wir zu von uns festgelegten Preisen auf den Markt bringen. Parallel beteiligen wir uns an Grand Prix Rennen und versuchen, dort mit den besten Motoren möglichst jedes Rennen für uns zu entscheiden.

Die Forschung ist der Dreh- und Angelpunkt in der Autokonstruktion. Wer hier am besten investiert, kann Autos mit den besten Karosserien oder den besten Motoren auf den Markt werfen. Aber es gibt auch Käufer, die am Prestige einer Marke interessiert sind oder solche, die nur das günstigste Auto kaufen. Welche Käufer überhaupt an Autos in einer Runde interessiert sind, entscheiden die Spieler ebenfalls über ihre Aktionen.

Und damit sind wir beim zentralen Motor des Spiels: dem schon aus „Glen More“ bekannten Aktionsrondell mit variabler Zugweite. Jedem Spieler stehen grundsätzlich alle Aktionen zur Verfügung. Das Dilemma ist, dass nicht unbedingt die besten Aktionen die in unmittelbarer Nähe sind. Wer aber auf dem Rondell weit nach vorne zu seiner Lieblingsaktion zieht, muss eventuell lange warten bis er wieder an der Reihe ist. Wer diesen Mechanismus schon bei „Glen More“ mochte, der wird ihn auch hier gut und stimmig finden. Andere mögen sich über die Ungerechtigkeit und Unbestimmtheit dieser Art der Aktionsauswahl ärgern („Hier wird man ja gespielt.“).

Neben den Aktionen für die Forschung an Karosserie und Motor gibt es noch die für die Käuferauswahl, die Grand Prix Bewegung sowie den Erwerb von Motoren, Karosserien und Arbeitern. Eine Spielrunde (von dreien) endet, sobald entweder 6 Autos zum Verkauf stehen oder nachdem siebenmal die Käuferauswahl-Aktion gewählt wurde.

Das Timing innerhalb einer Runde kann ziemlich trickreich sein. Einerseits versucht man einen Kraftwagen in seiner Werkstatt herzustellen, der in einer der vier von den Käufern gewünschten Kategorien besser ist als die der Mitspieler, andererseits muss man dafür sorgen, dass mindestens ein Käufer dieses Typs auch wirklich im Spiel ist. Und da jeder Käufer bei gleichwertigen Fahrzeugen immer den billigsten kauft, lohnt es sich, so lange wie möglich zu warten, bis man seine Fahrzeuge auf den Markt bringt, um die Preissituation besser abschätzen zu können. Ganz dumm gelaufen ist es dann, wenn man das beste Auto auf den Markt geworfen hat, aber man es nicht mehr schafft, den passenden Käufer dazu zu rekrutieren.

„Kraftwagen“ schafft es, mit wenigen Spielmechanismen dauernd viele kleine Dilemmata zu erzeugen, die für stetige Spannung im Spiel sorgt. Und anders als das erste Spiel des Abends bringt es dazu noch das Thema des Spiels gut rüber.

Einen kleinen Wermutstropfen gibt es allerdings. Braucht das Spiel wirklich die zusätzlichen Sonder-Siegpunktplättchen und die Ingenieure? Erstere bringen kaum zusätzliche taktische Optionen und Letztere erhöhen den nicht unbeträchtlichen Glücksfaktor der Forschungskartenauswahl zusätzlich. Dem 75-Minutenspiel hätte ein wenig weniger Glück bei den Forschungskarten ebenso gut getan wie eine Verkürzung der Erklärzeit bei fehlenden Ingenieuren.

WPG-Wertungen: Aaron: 8 (locker, mit wenigen Elementen viel Spielspaß und Spannung), Günther: 5 (wenn man es locker spielt, ist es okay;  die Forschungskarten bringen zu viel Zufall ins Spiel), Moritz: 8 (spannend und unterhaltend), Peter: 4 (man wird gespielt, zu viele Regeln).

08.04.2015: Götter, Gäfer und Ganoven

Sind Spieleautoren fröhliche Menschen? Man sollte es wohl annehmen. Wenn „homo ludens“ einen Typus beschreibt, „der im zweckfreien Spiel über Zufälle und Möglichkeiten Sinn findet“, dann sollte ein Spielautor diesen Typus doch noch im Quadrat repräsentieren. Bei unserem Aaron ist das gewiß der Fall, ebenso bei den renommierten Spielautoren, mit denen wir Westparker kommunizieren. (Viele Grüße an Bernd und Rüdiger) Das ist aber nicht durchgehend so. Es gibt sogar Spieleautoren, die unter dem Burnout-Syndrom leiden! Keine strapazierten Manager oder frustrierte Lehrerinnen, die sich ins Spiel geflüchtet haben, sondern hauptamtliche Spieleautoren, die vom Spiele-Erfinden leben! Das soll ein homo ludens mal verstehen!

Liegt das Problem vielleicht darin, vom Erfinden leben zu müssen? Von den kärglichen 20 Cent pro verkauftem Spiel mit einer Auflage von 5000 Stück, bei einer Entwicklungsdauer von ein bis zwei Jahren? Da werden sie wohl nicht mehr lange burnen müssen (oder können). Kein Kommentar!

1. “Deus”

Günther führt in „Deus“ ein
Günther führt in „Deus“ ein

Herzstück des Ganzen sind „Gebäudekarten“. Fünf Stück davon bekommt jeder Spieler als Startausstattung in die Hand. Reihum wählt jeder eine davon aus, baut sie Karte für Karte in sein wachsendes Gebäude-Ensemble ein, und darf anschließend ihren Effekt nutzen:

  • Siegpunkte für Gebäudebesitz
  • Siegpunkte für Grundstückbesitz (das kriegen wir später)
  • Rohstoffe oder Geld aus Grundstücken
  • Siegpunkte aus Rohstoffen
  • Ermäßigte Preise für Rohstoffe
  • Geld aus dem Portemonnaie der Mitspieler
  • Siegpunkte aus benachbarten Zigeunerdörfen
  • Erlaubnis zum Bewegen der eigenen Truppen
  • und ähnliches

Für jede Gebäudekarte muss man Baukosten in Form von Geld und/oder Rohstoffen bezahlen, und man muß einen zugehörigen „Bewohner“ besitzen. Der Bewohner wird dann auf eine in der Mitte des Spieltisches ausliegende Fläche von Grundstücken (jetzt haben wir’s!) gesetzt. Welches Grundstück wir besetzen, hat zunächst keine besondere Bedeutung. Im Zusammenhang mit später gespielten Gebäudekarten bestimmt der Boden, welche Rohstoffen daraus erwachsen, und die Nachbarschaft zu Mitspielern oder Zigeunern bestimmt, welche Siegpunkte wir klauen dürfen oder geklaut bekommen.

Das wichtiges Designmerkmal von „Deus“ ist, dass die Gebäude-Effekte kumulativ wirken. Gebäudekarten gibt es in insgesamt fünf verschiedenen Farben (plus lila für die Tempel), und wenn ich z.B. ein rotes Gebäude baue, darf ich zusätzlich die Effekte aller roten Gebäude nutzen, die ich bereits ausliegen habe. Die verschiedenen Farben haben ebenfalls Querwirkungen auf anderen Farben, und die Herausforderung des Spieles besteht darin, sich aus dem Gebäuden eine optimale Produktionsmaschine zu bauen, aus der Geld, Rohstoffe und schließlich Siegpunkte gerade nur so heraussprudeln. Günther (wer sonst?) schaffte es, in einem einzigen Zug zwölf Siegpunkte zu machen, ein Viertel aller seiner Siegpunkte und die Hälfte von Peters.

Natürlich hat ihm dabei die „richtige“ Gebäudekarte geholfen, und das „richtig“ hierbei ist doch recht zufällig. Erstens ist die Kartenausstattung zu Beginn zufällig und zweitens sind die zukünftig nachzuziehenden Karten a) unbekannt und b) ebenfalls absolut zufällig. Wir haben es lediglich in der Hand, einen schnelleren Kartenumschlag zu bewerkstelligen, indem wir in unserem Zug nicht eine einzelnen Gebäudekarte spielen, sondern alle auf einmal „den Göttern opfern“. Dafür dürfen wir uns gewisse Belohnungen in Form von Geld, Rohstoffen oder Siegpunkten aneignen, vor allem aber bis zu fünf neue Karten vom verdeckten Stapel nachziehen.

Damit können wir erneut unser Glück versuchen. Jeder für sich. Als autistische Tüftler. Bis auf die marginalen nachbarschaftlichen Einflüsse auf dem Geländeareal, bastelt oder wurstelt jeder an seiner eigenen Maschine. Ein 1 ½ Stunden Spiel, das sich anfühlt, wie ein 2 ½ Stunden Spiel. Günther tröstete: „Da habt ihr doch alle eine Stunde Lebenszeit gewonnen!“

WPG-Wertung: Aaron: 4 (mag diese Art von Produktionsmaschinen-Aufbau-Spielen nicht, möchte es im ganzen Leben nicht noch einmal spielen. Interaktion gleich Null, downtime zu groß), Günther: 6 (interessantes Aufbauspiel), Peter: 5 (Maschinenentdeckungsspiel, ein paar Punkte wenigstens für das Design), Walter: 5 (zu autistisch, es gibt aber wahrlich schlechtere Spiele.)

Leider ist die Farbgebung des Spieles so unglücklich (es gibt noch nicht einmal die Spielfarbe Rot) und so inkonsistent (z.B. ist der Rohstoffe Holz in Grün abgebildet und in Braun realisiert), dass man dafür noch einen Punkt Abzug anbringen könnte. (Oder war der jetzt schon implizit dabei?)

2. “Kakerlaken Poker Royal”

Alle 56 Karten des Spiels werden an die Mitspieler verteilt. Darauf sind sieben verschiedenen Tierarten abgebildet: Fliegen, Skorpione, Wanzen, Kakerlaken, Frösche, Ratten und Fledermäuse. Ohne Beschränkung der Allgemeinheit hätte man dafür auch ganz abstrakt sieben verschiedene Farbtöne verwenden können. Oder Zahlen.
Ein Spieler wählt eine beliebige Karte aus seiner Hand, legt sie verdeckt vor einen beliebigen Mitspieler hin und sagt: „Das ist eine Fliege.“ Oder ein Skorpion, oder, oder … Der ausgewählte Mitspieler hat drei Reaktionsmöglichkeiten:

  1. Er sagt: “Ich glaube das nicht”, und deckt die Karte auf. Ist es dann eine Fliege (oder ein Skorpion, oder, oder), dann muss er diese Karte als Strafkarte vor sich auslegen.
  2. Er sagt: “Ich glaube das”, und deckt die Karte auf. Ist es dann eine Fliege (oder ein Skorpion, oder, oder), dann muss der Geber diese Karte als Strafkarte vor sich auslegen.
  3. Er sagt: “Ist mir egal”, schaut die Karte an und legt sie mit der gleichen oder eine anderen Aussage “Das ist eine Fliege (Skorpion, oder, oder)” vor einen anderen Mitspieler.

Wer eine Strafkarte kassiert hat, ist als nächster am Zug. Er wählt eine beliebige Karte aus seiner Hand, legt sie verdeckt vor einen beliebigen Mitspieler… Das geht so lange, bis ein Spieler vier Strafkarten der gleichen Tierart vor sich liegen hat. Er hat dann verloren, alle anderen haben gewonnen. (Der Verlierer unterliegt keiner weiteren Strafe. Dieses humane Prinzip erinnerte Peter an Mau-Mau, „das schlimmste Spiel, das ich je kannte“. Damals bekam der Verlierer für jede Karte, die noch in seiner Hand war, einen Stockhieb auf die Finger, oder er musste ein Tasse Salzwasser austrinken …)

Die ersten Strafkarten werden leicht und locker einkassiert. Unversehens hat man zwei oder gar drei Karten der gleichen Tierart vor sich liegen. Dann gerät man damit unter Dauerbeschuss. Ununterbrochen bieten einem die Mitspieler Karten an, und man ist ständig gefordert, zwischen glauben und nicht-glauben zu unterscheiden. Das „Ist-mir-egal“ schafft nur eine scheinbare Entlastung, denn beim Weitergeben muss man sich ja ebenfalls irgendeine Tierart aus den Fingern saugen, und die Mitspieler haben aus dem Kontext heraus schon schon ein feines Gespür dafür, was die ursprüngliche Karte wohl war. Damit landet die Karte unweigerlich beim Geber, das heißt in diesem Fall bei dem ursprünglich Beschossenen!

Eine Runde mit Staunen über die Mechanismen und mit Sich-Wundern und darüber Lachen, was die Mitspieler daraus machen, war im Nu verflogen. Was ist da jetzt abgelaufen? Welche Möglichkeiten, das Schicksal zu beeinflussen, hat jeder Spieler in der Hand? Wie kann man das Ende mit dem Dauerbeschuss überstehen? Funktioniert das Spiel? Lauter Fragen, auf die noch keiner eine schlüssige Antwort hatte. Peter schlug eine sofortige Wiederholung vor. Gesagt, getan. Jetzt hatte er blitzschnell, fast in Sekundenschnelle – fast ganz alleine – Günther abgeschossen. Eine königliche Kakerlake war das Ende. Günther musste sie als Ungläubiger zu seinen bereits ausliegenden zwei Straf-Kakerlaken dazulegen, und dazu noch eine vom Stapel.

Warum „königlich“, warum „Royal“? Weil einige der Tierchen eine Krone aufhaben. Und wer ein solches Tierchen als Strafkarte bekommt, muss von einem offenen Stapel eine weitere Strafkarte dazulegen. Könige sind schon eine rechte Strafe. Peter hat’s begriffen!

WPG-Wertung: Aaron: 6 (Dödelspiel, lustig, aber …), Günther: 5 ([WS: er vermisst offensichtlich den Aufbau!]), Peter: 5 (das Spiel ist unfair, und das Denken ist überbewertet, er würde es u.U. aber noch einmal spielen), Walter: 5.

3. “Downtown”

(Nicht das von Bernhard Weber oder das von Faidutti, oder wie sie alle heißen mögen, sondern das Allerneueste von Florian Racky, erschienen im Eigenverlag.)

Wir sind Bosse von Gangsterbanden und müssen, um zu siegen, als Erste 100.000 Eier erbeutet und gewaschen haben. Was müssen wir dafür tun? Es gibt insgesamt sechs Lokalitäten, wo wir entsprechend dem Lokalkalorit agieren dürfen:

  • in “Downtown” neue Bandenmitglieder anheuern
  • an der “West Side” Informationen über Einbruchsmöglichkeiten anzapfen
  • in der “East Side” die Beute bei Hehlern abliefen und dafür gewaschenes Geld kassieren
  • im “Ghetto” oder in der “Bank” Nutznießer von der Aktionen der Mitspieler sein oder in “Massivos Villa” alle Gangsteraktionen mit mehr Sicherheit planen und durchführen

Jeder Spieler hat zwei Pöppel, die er zu Spielbeginn beliebig auf den angebotenen Lokalitäten untergebringt, wo er, sofern er am Zug ist, dann die entsprechende Aktion ausführen darf. Die Pöppel darf man beliebig innerhalb der Lokalitäten bewegen. Ist eine Lokalität unbesetzt, so kostet das nichts, steht dort schon ein Mitspieler, muß man ihm eine variable Summe Geldes überreichen.

In welcher Reihenfolge ziehen die Spieler? Das ist die Crux des Spiels. Wer zuletzt im Gefängnis war, fängt an. (Bei uns war das Peter; als Jurastudent hatte er vor einigen Jahren Stadelheim besichtigt.) Jeder Spieler bietet eine Summe, um als nächster Spieler ziehen zu dürfen. Der Spieler am Zug wählt willkürlich – oder nach dem besten Gebot – aus, wer nach ihm daran kommt. Probleme:

  1. Wer aus persönlichem Pech irgendwie nicht mehr genügend Stoff hat, um mitbieten zu können, wird NIE MEHR als Nachfolgespieler gewählt. An ihm geht das Spiel total vorbei.
  2. Wenn sich zwei Spieler absprechen und nur noch sich gegenseitig alternierend als Nachfolger einsetzen, kommt kein weiterer Mitspieler mehr dran. An ihnen allen geht das Spiel total vorbei.

Soll man in einem Gangsterspiel zwangsweise Mitleid oder Gerechtigkeitssinn zeigen müssen, damit das Spiel funktioniert, und jeder ab und zu einmal einen gnädig zugestandenen Zug tun darf? Das kann doch nicht wahr sein! Auch wenn der jeweils Führende simpel und sinnig ignoriert werden kann, bis alle anderen aufgeholt haben, bewirkt das eine langweilige, spieltechnisch unbefriedigende Gleichförmigkeit! Sobald wir dies erkannt hatten, und bevor wir alle in (Un-)Barmherzigkeit zerflossen, brachen wir ab. Einvernehmlich.

WPG-Wertung: Aaron, Günther: nach dem Spielabbruch keine Wertung, Peter: 2 (Originelle Ideen, aber es klappt hinten und vorne nicht), Walter: 3.

Bei BGG hat das Spiel immerhin schon 20 ratings mit einem Durchschnitt von 6,6. Zur besten Wertung mit 8 Punkten gibt es den Kommentar: „Crazy! [Das sagen wir auch!] Hard to stay at head [Wie im Chaos üblich].“ Zur schlechtesten Wertung mit 4 Punkte heißt es: „Not my kind of game.“ [Genau!]

4. “Bluff”

Während Walter sich zum Elfmeterschießen zwischen dem FC Bayern und Wie-hieß-doch-noch-mal-der-Gegner zurückzog, kämpfte die restliche Dreierrunde mit den Würfeln. Mit einem Würfel im Endspiel gegen zwei von Günther und vier von Aaron zweifelte Peter die Vorgabe 6 mal die Fünf an. Das war sein Tod. Alle 7 Würfel waren Fünfer (bzw. Sterne).

Günther verkürzte erst seinen 4:2 Rückstand auf Aaron nur noch auf einen Würfel, dann fing er an mit 1 mal die Fünf. Aaron hob auf 2 mal die Fünf. Jetzt ging es blitzschnell Schlag auf Schlag ohne nachzuwürfeln: Günther: 2 mal Stern, Aaron 3 mal Stern, Günther 4 mal Stern! – Anzweifeln, vier Sterne, Ausgleich 2:2

Damit hatte Günther allerdings sein Pulver verschossen. Mit zwei kurzen rechts-links Immer-5-Haken schlug ihn Aaron KO.

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

01.04.2015: Altes, Neues und Ungeborenes

Warum hieß der gestrige Sturm eigentlich „Niklas“?

Dass die Tief- und Hochdruckgebiete Namen haben, wurde erst 1990 in der Bevölkerung so richtig wahrgenommen, als der Orkan „Wiebke“ über Deutschland wütete, und die Medien sich groß und breit darüber ausließen. Seit 1954 werden diese Namen in Deutschland vom Meteorologischen Institut der Freien Universität Berlin vergeben.

Zu Wibkes Zeiten hatten alle Tiefs noch weibliche Vornamen. Ab 1998 wurde diese Namensvergabe als eine Frauendiskriminierung betrachtet und ein jährlicher Wechsel von weiblichen und männlichen Vornamen beschlossen.

2015 waren mal wieder die Männer an der Reihe und für den vierzehnten Sturm des Jahres wurde „Niklas“ festgelegt. Und der war jetzt gestern am Ruder. Wer will, kann für € 379,61 eine Namenspatenschaft übernehmen. Bei Niklas war das ein Herr Niklas Meyer aus Lübeck. Die Paternschaft für das einundzwanzigste Tief dieses Jahres , das mit dem Buchstaben „U“ beginnt, wird per Ebay versteigert! (Das ist kein Aprilscherz!)

Stürme im nördlichen Atlantischen Ozean (nicht zu verwechseln mit deutschen Tiefs) werden durch das National Hurricane Center der Vereinigten Staaten benannt. Dafür wurden sechs verschiedene Namenslisten zusammengestellt, in denen sich männliche und weibliche Vornamen streng abwechseln. Die Listen werden wrap-aroung verwendet, 2015 war wieder die Liste 1 dran, und der Name des vierzehnten Sturm darin heißt „Nicholas“. (Namen von Stürmen, die aufgrund ihrer Sachschäden oder Opferzahlen sehr schwerwiegend waren, können durch die World Meteorological Organization aus den ewigen Listen gestrichen werden.)

Dass der vierzehnte Berliner mit „Niklas“ und der vierzehnte Amerikaner mit „Nicholas“ den nahezu gleichen Namen tragen, ist mehr oder weniger zufällig, schließlich wechseln die Berliner ja nur jährlich zwischen Männlein und Weiblein, die Amerikaner aber von Sturm zu Sturm. Der nächste Deutsche wird Oskar heißen, die nächste Amerikanerin Odette.

Das sechszehnte Tief und der sechzehnte Sturm heißen nach beiden Tabellen wieder gleich: Peter! Hallo Peter, blase schon mal Deine Backen auf, damit Du uns und der Welt lange genug in Erinnerung bleiben wirst. Du musst Deine allergrößten Kräfte ja nicht unbedingt in München rauslassen!

1. “Medici”

Seit 1998 auf dem Markt, vier Jahre später zum ersten Male am Westpark gespielt und im Jahresabstand noch zwei weitere Male. Nach Luding ist die aktuelle Auflage aus dem Jahre 2007 immer noch käuflich.

Ein ausgereiftes Auktionsspiel mit abstrakten Karten. Die Karten zeigen einfache Zahlen von 1 bis 5 in fünf verschiedenen Farben. Die Spieler ersteigern die Karten in Paketen, bis jeder pro Durchgang genau fünf Stück davon hat. Dann werden die Siegpunkte verteilt. Für jede Karte einer Farbe steigt ein Spieler in der entsprechenden Farb-Kategorie um eine Stufe nach oben. Wer in einer Farbe am höchsten steht, bekommt 10 Siegpunkte, der Zweite bekommt 5. Der Dritte und alle weiteren gehen leer aus. Hier kommt es also darauf an, bei wenigen Farben an der Spitze zu stehen und nicht überall ein bisschen beteiligt zu sein.

Zusätzlich wird gewertet, wer in der Summe die höchsten Kartenzahlen ersteigert hat. Hierfür gibt es Siegpunkte in der Staffelung 30-20-10-5. Neben der richtigen Farbwahl ist es also auch lukrativ – höchst lukrativ – , sich hohe Zahlenkarten zu ersteigern.

Doch das Spiel hat noch einen dritten Pfiff: Für die Versteigerung ist reihum jeweils ein Spieler verantwortlich, der nach beliebigen Gutdünken ein, zwei oder drei Karten vom verdeckten Stapel als Paket auf die Börse wirft. Die Mitspieler geben im Uhrzeigersinn je ein Gebot dafür ab, und am Ende entscheidet er, ob er dem meistbietenden Mitspieler die aufgedeckten Karten überlässt oder ob er sie – um einen Dollar mehr – selber ersteigert. Die Anzahl schon ersteigerter Karten ist ein Handicap beim weiteren Bieten, denn jeder darf nur maximal fünf Karten erwerben. Wer z.B. schon drei Karten in Besitz hat, kann nicht mitsteigern, wenn ein Paket von drei Karten aufgerufen ist. Kleiner Pfiff, aber immerhin.

Peter wurde Sieger und zeigte mit Stolz auf seinen dreifarbigen Kartenbesitz, wo er in zwei Farben kein einziges Geld und Gut verschwendet hatte.

WPG-Wertung: Aaron, Günther und Moritz blieben bei ihren schon vor zehn Jahren vergebenen 7 Punkten (uralt, hat sich aber nicht ausgespielt; mit wenig Mitteln viel erreicht), Peter blieb bei seinen 8 Punkten und Walter hob seine früheren 6 Punkte jetzt auch auf 7.

2. “Parade”

Parade : Anlegen und Nehmen von Karten
Parade : Anlegen und Nehmen von Karten
Ein kleines, hübsches Kartenspiel, bestehend aus je elf Zahlenkarten mit den Werten 0 bis 10 in sechs verschiedenen Farben. Jeder Spieler hat fünf Karten auf der Hand und legt legt reihum eine beliebige davon an das rechte Ende der Parade-Reihe. Anschließend muss er eine definierte Anzahl von Karten aus der Parade-Reihe nehmen und als Minus-Karten offen vor sich auslegen. Der Rest der Parade wird wieder zusammengeschoben.

Welche Karten muss man nehmen? Einfache Logik, trotzdem haben alle Mathematiker unter uns erst einige Fehltritte getan, bis sie das Prinzip verinnerlicht hatten.

  1. Links von der neu angelegten Zahlenkarte sind soviele Karten “geschützt” (d.h. sie brauchen nicht genommen zu werden), wie die Zahl auf der gelegten Karte angibt.
  2. Von den “ungeschützten” Karten müssen alle Karten der gleichen Farbe genommen werden.
  3. Von den “ungeschützten” Karten müssen alle Karten genommen werden, deren Zahl kleiner oder gleich der neu ausgelegten Karte ist.

Nach seinem Zug zieht der Spieler vom verdeckten Stapel eine Karte nach. Ist der Stapel aufgebraucht, so ist das Spiel zu Ende. Jeder Spieler legt noch zwei beliebige Karten aus seiner Hand zu seinen angesammelten Minus-Karten, dann wird gewertet. Von den Farben, in denen ein Spieler die Mehrheit hat, zählt jede Karte einen Minus-Punkt. Von den anderen Farben zählt jeder Zahlenwert entsprechend viele Minuspunkte.

Welche Freiheitsgrade hat ein Spieler bei seinen Aktionen?

  • Er kann immerhin aus 5 Karten wählen, welche er auslegt. Würde nur ein einziger Zug gespielt, so wäre es allerdings absolut trivial (wenn auch kein no-brainer) zu bestimmen, welches hier die beste Karte ist.
  • Ein Spieler kann versuchen, Kartenpflege zu betreiben, um für das dicke Ende möglichst viele, gute Optionen zu haben. Das beißt sich natürlich ein bißchen mit der obigen Einzel-Zug-Optimierung. Außerdem ist “Kartenpflege” hier wohl eher ein beschönigender Ausdruck, denn es gilt nicht, eine vollständige, bekannte Kartenhand zu optimieren, sondern eine zukünftige Kartenauswahl, deren Zusammensetzung weitgehend vom Zufall bestimmt und deshalb unbekannt ist.
  • Er kann vorausberechnen (vorausahnen, blindwütig vorauserraten – siehe oben unter “Kartenpflege”), von welcher Farbe er wohl die meisten Karten bekommen wird, und möglichst immer hier zuschlagen. Das ist aber nur eine Nebenstrategie zur Einzel-Zug-Optimierung.
  • Er kann alle Karten sichten, die irgendwo ausliegen (bei sich, in den Minus-Stapeln der Mitspieler, in der “Parade” und in seiner eigenen Hand), und er kann daraus ermitteln, welche Karten er noch nicht kennt, die dann (zum Teil!) noch nachgezogen werden; er kann die Züge der Mitspieler auswerten, um daraus zu schließen, welche Farben sie wohl favorisieren; er kann für jeder Farbe analysieren, wie groß seine Chancen sind, hier Mehrheiten zu bekommen; er kann … Aber das gilt alles nur für Genies, nicht für Normalsterbliche.

Im Grunde ist alles weitgehend unberechenbar. Wenn Walter solche Eindrücke als Faktum oder sanfte Kritik äußert, hakt Günther sehr gerne ein und bringt “Bridge” als Gegenbeispiel, das doch ganz ähnlich sei, und das doch als berechenbar gilt. Entschuldige bitte, lieber Günther, hier spricht ein Blinder von der Farbe! Ich bitte alle Großen Denker unter den Freunden der Westpark-Gamers um konkrete Hinweise, wie man

  • mit hohen, mittleren oder niedrigen Karten
  • der verschiedenen Farben
  • von denen man keine, einige oder schon viele Karten
  • mit niedrigen oder hohen Zahlenwerten in seinem Minus-Besitz angesammelt hat
  • unter Berücksichtigung der Auslage der Mitspieler
  • und den – teilweise – bekannten Restkarten im Nachziehstapel

umgehen soll. Ich weiß es nicht. Ich schlage vor, bei jedem Zug lediglich mehr oder weniger nach der Einzel-Zug-Logik vorzugehen. Das ist fast noch spielerisch, und damit kann man zumindest noch Vorletzter werden. Ujj – jetzt sehe ich gerade auf der Siegerliste: wie hast Du, Peter, denn das fertig gebracht, auf dem Platz zu landen, wo Du gelandet bist … ?

WPG-Wertung: Aaron: 7 (das Spielprinzip ist ein bisschen sperrig, das Kartenhandling auf dem Tisch etwas mühsam), Günther: 6, Peter: 6 (langweiliges Überlegen, macht nicht wirklich Spaß), Walter: 6 (nicht lustig, bedingt pseudo-intellektuell)

3. “Nobiles”

In Aarons Neuentwicklung wurden einige lästige Nebenzweige im Regelwerk zurechtgeschnitten und der Rest wieder stärker auf die Grundidee des Spiels ausrichtet: auf den Kampf um Mithilfe oder Behinderung beim Lösen von gemeinsamen Aufgaben, um hinterher als politisch Engagierter am Erfolg beteiligt zu sein oder als Nicht-Engagierter den Politikern die leichten Lorbeeren aus dem Rachen zu reißen.

Kooperation wird benötigt, und dazu in jedem Fall auch – die am Westpark verpönte – Diplomatie. Es erhob sich wieder die Frage, ob Absprachen über gemeinsames Vorgehen grundsätzlich eingehalten werden müssen, oder ob man jeden mündlich vereinbarten Kuhhandel auch platzen lassen darf. In Spielen über wenige Runden ist das eine durchaus problematische Fragestellung.

Wenn einer dazu aber noch so irrational Harakiri spielt, wie heute der Gastgeber, dann wird jegliche – unabgesprochene – Planung über den Haufen geworfen. Peter schlug als Punkt in der Spielregel vor: „Walter darf nicht mitspielen.“

Aaran fragte sich: „Ich weiß nicht, was ich von dem Spiel halten soll, wenn Günther total abkackt.“ Immerhin hat Peter gewonnen, und das ist zweifellos ein positiver Hinweis auf die intellektuelle Ausrichtung und Planbarkeit des Spiels.

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.

4. “Bluff”

Frage: Wenn Du im 1:1 Endspiel einen Stern unter dem Becher hast, und Dein Kontrahent mit 1 mal die Fünf anfängt, was tust Du dann? Anzweifeln bringt nichts. Du musst auf … jawohl … 2 mal die Fünf erhöhen. Mit etwa zwei Drittel Wahrscheinlichkeit hast Du verloren.

Schlussfolgerung: Wenn Du im 1:1-Endspiel eine Eins, Zwei oder Drei gewürfelt hast, dann setze auf 1 mal die Fünf und hoffe auf einen Stern beim Gegenüber. Du hast sogar auch dann gewonnen, wenn er eine Fünf gewürfelt hat. (Oh Gott, dass ist ja Günthers Immer-5-Strategie!)

Nachdem Walter diese Schlussfolgerung aus dem Endspiel von Aaron und Peter gezogen und notierte hatte, war er mit 1:1 im Endspiel gegen Aaron und bekam eine Drei unter dem Becher. Er begann mit 1 mal die Vier, Aaron hob auf 1 mal die Fünf und das war es dann auch.

Merke:

  1. Es ist immer schwer, aus eingefahrenen Gleisen auszubrechen, besonders wenn dahinter liebgewordene Gewohnheiten und Theorien stecken (Immer-4-Strategie).
  2. Es ist leichter, eine Theorie zu notieren als sie zu befolgen.

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

25.03.2015: Kuren in Orleáns

Jeden Samstag verschickt Walter eine Einladungsmail an die Westpark-Gamers: „Wer ist am kommenden Mittwoch dabei?“ Spätestens bis zum Sonntag Abend trudeln die Antworten ein. Manche lauten lapidar: „Ich“! Zuweilen wird auch der Name genannt: „Aaron“! Andrea meldet sich meist zaghaft: „Ist zufällig noch ein Plätzchen frei, ich könnte nämlich dabei sein“, obwohl die Plätze grundsätzlich nach dem „first in“-Prinzip vergeben werden und bei einer oberflächlichen Auszählung der Antwort-Mails die freien Plätze offensichtlich sein sollten. Moritz gebraucht ebenfalls sehr gerne den Konjunktiv: „Ich würde kommen“ schreibt er, ohne dass es bei ihm einen Grund für das „würde“ gibt; ohne Wenn und Aber heißt das geradewegs: „Ich komme“.

Unser Sprachengelehrter Peter hat uns heute erklärt, dass diese – eigentlich – überflüssige „würde“ ein Modalwort ist, mit denen die deutsche Sprache reichlich gesegnet ist. Wie keine weitere Sprache der Welt (außer unserem holländischen Dialekt). Das „würde“ ist überflüssig, drückt aber ein gewisse Höflichkeit oder sogar eine Emotionalität aus. Wenn die Mutter das Kind beim Abschied fragt: „Hast Du auch nichts vergessen?“, so liegt in diesem Satz durch das „auch“ viel mehr Anteilnahme drin, als ohne es. Wie drückt man das im Englischen aus? Der seelenlose BING-Übersetzer vereinfacht die Frage zum „Did you forget anything?“ Aber da fehlt doch was!

Ich habe in meiner Sammlung von Grimms Märchen in verschiedenen Sprachen nachgeschaut, wie professionelle Übersetzer im „Tischlein deck dich“ die besorgte Frage des Vaters übersetzen: “Ziege, bist Du auch satt?“ Den Engländern fällt hier wiederum nichts anderes ein als “Goat, hast thou had enough?”. Hübsch, aber das „auch“ fehlt. Ebenso bei den Franzosen: “Chèvre, es-tu repue?”.

In einer wunderschön bebilderten, aber sprachlich eher mageren ungarischen Ausgabe lautet die Frage sogar ganz unverschämt kurz: „éhes?“ (hungrig)? Und die Antwort „rettenetesen!“ (schrecklich)! So kann „man“ mit unserem wunderschönen Verslein „Ich sprang nur über Gräbelein und fand kein einzig Blättelein“ auch umgehen. – Es lebe das schöne deutsche Modalwort!

1. “Orléans”

Rainer Stockhausen ist ein fleißiger Spieleautor. Bei Luding findet man von ihm vierzehn verschiedene Spiele, allein aus diesem Jahrtausend. Am Westpark haben wir erst zwei von ihm gespielt. Mit „Orléans“ lag diesmal das dritte, sein neuestes Werk bei uns auf.

Peter in Orléans
Peter in Orléans

Im Regelheft wird kein einziges Wort über den geschichtlichen Hintergrund verloren. Das ist auch gut so. Es ist eh alles Schmarren, was die Redakteure hier zusammenfaseln. Der Name Orléans bürgt für sich, und die drei Personen auf dem Titelbild, Mönch, Ritter und Bauernmagd, ebenfalls.

Jeder Spieler platziert die eigenen Arbeiter (in der Startaufstellung hat jeder vier, im Laufe des Spiels werden es immer mehr und immer verschiedenere) auf die unterschiedlichen Wirkstätten in seinem persönlichen Spielertableau und läßt sie werkeln:

  • Ein Schiffer und ein Handwerker erzeugen eine Bauernmagd
  • Ein Händler, ein Handwerker und eine Bauernmagd erzeugen einen Gelehrten
  • Ein Händler und ein Gelehrter erzeugen einen Mönch
  • Ein Schiffer, ein Handwerker und eine Bauernmagd erzeugen einen Schiffer, einen Handwerker oder eine Bauernmagd
  • Und was dergleichen Homo-, Hetero- oder Polygenesen mehr sind.

Mit neuen Mitarbeitern gewinnen wir nicht nur mehr Arbeitskraft, mit ihnen sind auch erkleckliche Nebenvorteile verbunden, u.a. gehört dazu ein schnelleres Recyclen unserer Arbeiter, sowie ein Fortschreiten auf der Faktor-Leiste, nach der am Ende unser Besitz an Häusern in Siegpunkte umgerechnet wird.
Die Herausforderung des Spiels besteht darin

a) mit dem richtigen Timing neue Mitarbeiter der richtigen Qualifikation zu erzeugen, um damit

b1) mehr Geld (= Siegpunkte) zu bekommen und/oder

b2) eine Effizienz-Steigerung seiner Aktionen zu erzielen und/oder

b3) sich zu bewegen und dann

c1) siegpunktwerte Rohstoffe von der Strecke aufzulesen und/oder

c2) siegpunktträchtige Häuser zu bauen.

Überall sprudeln Siegpunkt-Quellen. Als Anfänger steht man vor dem Spiel wie ein Lucullus in der Pralinenabteilung vom Dallmayr. Als Fortgeschrittener steht man immer noch da. Es gibt zu viel, und es ist nicht zu überblicken, welche Weichenstellung uns die besten Strecken eröffnet. Bemerkenswert, dass unser professioneller Orléanist Günther nur ganz knapp gewann und dass Peter, unser zweites Denkergenie, unter uns restlichen drei Anfängern der Letzte wurde.

Überall ist ein bißchen Konkurrenz verbunden. Wenn die Mitarbeiter einer Sorte aus sind, gibt es keine mehr; vor allem können dann auch keine Vorteile in den Nebenstrecken mehr erworben werden. Gerade richtiger Zufall ist ebenfalls eingebaut. Einzelne Arbeitsplätze werden für eine Runde geschlossen, für aktuelles Besitztum werden Prämien gezahlt oder Abgaben fällig oder man verliert Arbeiter oder. Günther traf es gleich am Abend zweimal hart, und er verlor seinen klügsten und tüchtigsten Nachwuchs, sonst hätte er wohl höher gewonnen.

Das Spielmaterial ist gefällig, alles funktioniert, alles ist gut abgestimmt, alles greift ineinander, alles ist konstruktiv. Alles. Ja, alles, leider! Zu konstruktiv und zu gleichförmig konstruktiv!

WPG-Wertung: Aaron: 6 („Es reißt mich nicht vom Hocker), Günther: 7 (gegenüber den Rosenbergschen Aufbauspielen ein bißchen klarer), Peter: 7 (unterhaltsam, wenn auch kein Spitzenspiel), Walter: 6 (eigentlich alles rund und schön, aber bei der Vielzahl gleichmächtiger Siegpunktquellen stellt sich keine richtige Spielspannung ein)

2. “Pandemic: The Cure”

Mal wieder ein Kooperationsspiel, diesmal mit tausenden von Würfeln. (Genauer gesagt: mit 85 Stück.) Das bemerkenswerte Aaron-6-Punkte-Karten-Brettspiel „Pandemie“ wurde mit „The Cure“ zu einem WPG-4-Punkte Würfel-Brettspiel „heruntergedampft“.

48 der 85 Würfel sind ganz normale Hexa-Würfel in vier Grundfarben stellen Krankheiten dar. Regelmäßig werden drei bis fünf Stück von ihnen ausgewürfelt und auf insgesamt sechs Regionen verteilt, die den Augenzahlen zugeordnet sind. Sobald auf einer Region von einer Farbe mehr als drei Würfel liegen, bricht eine Epidemie aus, die sich unverzüglich auf die Nachbarregionen ausbreitet, und wenn dort auch schon genügend Würfel der infizierten Farbe liegen, geht es so weiter, bis entweder die Infektionswelle gebrochen ist oder die Spieler das Spiel verloren haben.

Jeder Spieler hat fünf bis sieben individuelle Spezialwürfel, mit denen er die Krankheiten bekämpfen kann / muss. Die verschiedenen Würfelseiten erlauben ihm,

  • sich in eine beliebige der sechs Regionen zu bewegen, wo er seine weiteren Aktionen durchzuführen gedenkt
  • einen Krankheitswürfel zu kurieren (zurück in den Tausend-Würfel-Vorrat)
  • einen Krankheitswürfel in den zentralen Behandlungsraum zu transportieren
  • einen Krankheitswürfel aus dem zentralen Behandlungsraum in sein privates Forschungslabor zu bringen.

Unabhängig von unserem Würfelergebnis dürfen wir weiterhin:

  • die Krankheitswürfel aus unserem Forschungslabor an einzelne Mitspieler weiterreichen
  • mit ausreichend vielen Krankheitswürfeln in unserem Forschungslabor versuchen, ein Heilmitteln gegen die Krankheit auszuwürfeln.

Gelingt es uns, gegen alle vier Krankheiten ein Heilmittel auszuwürfeln, bevor achtmal eine Epidemie ausgebrochen ist, haben wir – alle – gewonnen. Andernfalls verloren. Auf jeden Fall endet das Spiel. Gott-sei-Dank. Walters einziger teilnahmsloser Genuss war es, sich zu vorgerückter Zeit von Peter spielen zu lassen. (Hallo Peter, das war jetzt wirklich absolut positiv gemeint!)

WPG-Wertung: Aaron: 5 (mag keine Kooperationsspiele, doch wenn sie relativ kurz sind, kann er so ein Spiel tolerieren), Peter: 6 („Es ist ein gutes Spiel, weil es knapp ist“, würde es aber nicht häufiger spielen wollen), Günther: 4 (es ist nicht wirklich gut, eher öde; vielleicht als Solospiel geeignet), Walter: 3 (eindimensionaler, dröger Würfelrausch ohne jeglichen Pfiff)

3. “Bluff”

Günther war mit einem Würfel im Endspiel gegen Aaron mit deren zwei. Er hatte einen Superwurf, einen Stern unter dem Becher. Was und wie sollte er damit anfangen?

Unser Immer-5-Stratege sah nur die beiden Möglichkeiten „1 mal die Fünf“ oder „2 mal die Fünf“! Mit seiner – gar nicht so schlechten! – Immer-5-Strategie hätte diesen Durchgang sogar gewonnen. Doch er wurde übermütig. Oder wollte er nur den Stier bei den Hörnern packen? Jedenfalls war seine Vorgabe „2 mal die Fünf“ genau das, was es – diesmal nicht nur wegen Aarons magerer Zwei und Vier unter dem Becher – ist: ein frivoler Selbstmord!

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

18.03.2015: Akademie der Knappinnen

Und Gott der HErr sprach: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei; ich will ihm eine Gehilfin machen, die um ihn sei. – Man wird sie Männin heißen, darum dass sie vom Manne genommen ist.“ (1 Mose 2, 18)

Was ist bloß aus dieser einstmaligen „Männin“ geworden! Es gibt kaum einen Helfer in der Welt, der seinen Herrn und Meister so vollständig hinweggefegt und die Herrschaft an sich gerissen hat. Der Name des HErrn sei gelobt!

1. “Nobelinnen”

In der heutigen 5er Runde verzichtete Autor Aaron beim Test seines neuen 4-Personen-Spiels auf einen Startplatz und Männin Andrea konnte zum ersten Mal in die Tiefen von Ostfriesland, Island, Grönland oder Neuland eintauchen. Nach Vorschlag von Argentum wurde das Spiel um einen Durchgang verkürzt – von uns zuerst skeptisch aufgenommen, dann aber einstimmig so akzeptiert: jetzt ist es jetzt gerade richtig lang und gerade richtig taktisch.

Bekanntermaßen wird am Westpark anders gespielt als in normalen „braven“ Runden. Kein einziges Mal wurden heute die Herausforderungen erfüllt, kein einziges Mal konnte eine Mitspielerin die Häuptlings-Provision einstreichen. Dafür sorgten schon die drei männlichen Mitspieler, die je einmal die Verräterin einsetzten und damit die Erfüllungshürde in unerreichbare Höhen setzten. Nur unsere Männin verhielt sich hier konstruktiv zurückhaltend. „Jönne könne“ ist ihr als Kölnerin schon von Geburt an auf die Seele gebunden worden.

Moritz gewann mit Günthers Markt-Strategie: sich total aus der Politik raushalten, eine Geld-Generierungs-Combo aufbauen und dafür auf Teufel komm’ raus Siegpunkte kaufen. Am Ende hatte er mehr Siegpunkte als alle anderen zusammen. Die Effizienz dieser Strategie muss reduziert werden, denn politisches Lavieren gehört zur Grundidee des Spiel, ohne die man – eigentlich – nicht gewinnen können sollte. Problem erkannt und auch schon beseitigt.

Trotz des weiteren Bedarfs an Feintuning dürfen wir heute schon für Spannung, Interaktion, für die vielen Strategie- und Taktik-Möglichkeiten und die hohe Freiheitsgrade im Handlungsspielraum unsere Vorschusslorbeeren vergeben.

WPG-Wertung: Keine Wertung für ein Spiel in der Entwicklungsphase.

2. “Medieval Academy”

Kampf in der Akademie
Kampf in der Akademie

Eine Amerikanerin hat schon prognostiziert, dass dieses Spiel das „Spiel des Jahres 2015“ werden könnte. Aber wenn Amerikanerinnen ein Spiel hoch einschätzen, dann … Aaron hat es in Essen auf Anhieb gefallen und er hat es mitgebracht.

Wir sind Knappinnen und müssen uns in sieben Turnierdisziplinen bewähren. Die Disziplinen heiße offiziell Galanterie, Lanzenstechen, Turnierkampf, Gralssuche und so weiter, aber im Prinzip ist alles das gleiche: Auf jedem Turnierplatz hat jede Spielerin je eine Pöppelin stehen und muss sie über die sechs Runden des Spiels weiter vorwärts bewegen als die Konkurrenz.

Bewegen tun wir uns mittels Bewegungskarten, die mehr oder weniger zufällig ausgeteilt werden, und die uns erlauben, auf jeweils einem fest vorgegebenen Turnierplatz zwei, drei, vier oder fünf Schritte vorwärts zu gehen. Flexibilität wird uns geboten, weil wir von den fünf uns zugeteilten Bewegungskarten nur viel ausspielen; die letzte bleibt ungespielt. Theoretisch könnte jede Spielerin gleich zu Beginn einer Runde diejenige Karte auswählen, die sie nicht spielen will, und die anderen Bewegungen alle unverzüglich durchführen. Damit hätten wir wenigstens den Freiheitsgrad 4. (Falls wir – mit Glück – keine gleichen Karten auf der Hand haben.) Da aber die schlechteste Karte unserer Hand recht eindeutig bestimmt ist, ist unser praktischer Freiheitsgrad deutlich niedriger als 4. Fast in der Größenordnung von 0 (Null)! Sechs Spielzüge mit einem Freiheitsgrad zwischen 0 und 4, und das Spiel ist zu Ende! Für ein „Spiel des Jahres“ wäre das sicherlich ein Rekord!

Da wir aber andersherum vorgehen müssen und peut-a-peut die vier tatsächlichen Bewegungskarten ausspielen, dauert das Spiel länger, das, was sich auf den einzelnen Turnierplätzen abspielt, wird spannender wahrgenommen, und wir bekommen die Suggestion, das ganze sei interaktiver. Dabei nimmt unser Freiheitsgrad von Zug zu Zug nicht nur praktisch, sondern auch theoretisch ab, bis auf den Wert 1 oder 0!

Noch ein Wort zur Zufälligkeit beim Austeilen der Bewegungskarten: Hier ist tatsächlich noch ein Quäntchen Einflussmöglichkeit gegeben. A la „7 Wonders“ bekommen wir pro Runde fünf Karten ausgeteilt, dürfen davon aber nur jeweils eine behalten und müssen den Rest an unsere Nachbarin weitergeben. Viermal weiterschieben und weitergeschoben-bekommen, dann liegt unsere Kartenhand fest. Damit wird zwar der blinden Zufällin ein Riegel vorgeschoben, der einäugigen Zufällin aber keineswegs.

Günther brachte das Spielprinzip auf die Formel: „60% Zufall, der Rest ist Gaudi.“ Zweifellos für Achtjähriginnen (nach Empfehlung des Verlages).

WPG-Wertung: Aaron: 7 (schnell, unkompliziert, macht Spaß), Andrea: 7 (überdurchschnittlich kurzweilig, interaktiv), Günther: 7 (locker, mit einem bisschen [WS: positiven?] Ärgerfaktor), Moritz: 7 (locker, nicht verbissen, auch nicht wahnsinnig originell, genau in die Richtung von „Spiel des Jahres“), Walter: 5 (repetitiv, hat kein Thema, hat kaum Freiheitsgrade)

PS: Die Siegpunkt-Erträge auf jedem Turnierplatz werden per Siegpunkt-Marker an die Spielerinnen ausgegeben. Wer auf einem Platz als Letzterin oder Vorletzterin landet, bekommt dafür u.U. auch Marker für Minuspunkte.
Spieltipp für Expertinnen: Diese Minuspunkte kann man im wahrsten Sinne des Wortes leicht „unter den Tisch fallen lassen“!

3. “Bluff”

Mit seinem „besten Move“ konnte Moritz auf einen Streich alle männlichen Konkurrenten rauskicken und das 5:3-Endspiel gegen seine Männin einläuten. Es endete 3:0 für den Mann.

Im zweiten Spiel kam Andrea mit zwei Würfeln gegen Aaron mit einem Würfel ins Endspiel. Aaron ließ sich mit einer Fünf unter dem Becher zu Günthers Immer-5-Strategie verleiten. Doch Andrea konterte mit einem Doppel-Walter (sowohl unter dem Becher als auch als Ansage) und entschied so das Spiel zu ihren Gunsten.

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

PS: Liebe Andrea, bei allen In- und Innen-Formulierungen bist Du explizit NICHT gemeint!

11.03.2015 Männer darf man sehen, aber nicht hören

Immer noch fassungslos über die nicht autorisierte Änderung meines Artikels über die Spiele-Autoren-Zunft, grüble ich darüber, warum eigentlich die geschlechtsneutrale Verwendung von „Autor“ weniger politisch korrekt ist als die durch Verwendung eines „Binnen-I“ verhunzte Form „AutorInnen“. Interessant, dass sich das Bundesministerium der Justiz damit auseinandergesetzt hat und in seinen „Allgemeine Empfehlungen für das Formulieren von Rechtsvorschriften“ schreibt:  „Der Text muss so formuliert sein, dass er auch dann verständlich ist, wenn er vorgelesen wird.“ Also liebe Genderfreunde, wie genau macht man das beim Binnen-I?

1. Nobiles

Die neuste Version lag auf dem Tisch. Diesmal mit einigen wesentlichen Änderungen. So gibt es jetzt ein Aufbauelement, das neue Strategien ermöglicht und dadurch das Spiel spannender macht.

Peter, der sonst eher meine Prototypen-Tests mit einem knappen „broken“ kommentiert, verblüffte am Ende mit der Aussage: „Das war richtig spannend. Das Spiel kann so in Produktion gehen.“ Gemach, es gibt noch viel zu tun.

WPG-Wertung: keine Wertung für ein Spiel in der Entwicklung

2. The Manhattan Project

Nachdem Walter es kategorisch abgelehnt hatte, ein Spiel mit diesem Thema jemals auf seinem Spieltisch zuzulassen, nutze Günther die Gelegenheit und brachte „The Manhattan Project“ bei Peter auf den Tisch während Walter zum Enkelhüten abkommandiert war.

Mit drei Sorten Arbeitern und klassischen Worker Placement Mechanismen erschaffen wir jeder für sich eine kleine Maschine, die aus Rohstoff (Yellow Cake) und Geld angereichertes Uran und Plutonium herstellt, um damit letztendlich Atombomben zu bauen. Auf einem großen Spielplan konkurrieren wir um Geld, Rohstoffe, Arbeiter und Ausbauten. Letztere legen wir in unsere persönliche Auslage. Hier können wir weitgehend ungestört von den anderen Spielern unsere Waffenproduktion aufnehmen. Weitgehend deshalb, weil böse gesonnene Mitspieler gerne mal mit ihren Bombern unsere Fabriken plattmachen wenn wir nicht genügend Abfangjäger bevorratet haben. Das kostet den Angreifer seine Bomber und uns die Abfangjäger und Geld zur Reparatur der Fabriken. Also außer Spesen nix gewesen – für beide Seiten.

Läuft unsere Uran- und Plutonium-Produktion rund, können wir bald die erste Atombombe bauen. Je nach Größe bringt die unterschiedlich viele Siegpunkte. Wer zuerst Bomben für 60 Punkte gebaut hat, beendet das Spiel und ist Sieger.

Wie gut die Produktion läuft, steht und fällt mit den zur Verfügung stehenden Minen, Universitäten und Fabriken. Und hier offenbart sich eine große Schwachstelle des Spiels: Abgesehen von einer vorgegebenen Startaufstellung erscheinen alle weiteren Ausbauten rein zufällig und nur dann, wenn Ausbauten gekauft werden. Hatten wir hier die Karten schlecht gemischt? Jedenfalls trat schon bald der Zustand ein, dass in der Auslage der Ausbauten keine interessanten Karten mehr lagen. Dem Autor muss dies wohl bewusst gewesen sein und er hat als Gegenmittel eine „Anreicherung mit Geld“ der billigsten Karte eingebaut. Nur dauert es leider seine Zeit, bis damit eine unattraktive Karte so attraktiv wird, dass sich ein Spieler sich ihrer erbarmt (und damit den anderen Spielern eine neue, vielleicht gute Karte freigibt). Wieviel einfacher (und besser?) wäre es gewesen, wenn am Ende einer Runde die billigste Karte einfach verschwindet wenn keiner etwas aus der Auslage gekauft hat.

Letztendlich dümpelte das Spiel 2 Stunden vor sich hin bis Günther seine 60 Siegpunkte zusammen hatte und das Spiel beendete. Vielleicht spielt sich „The Manhattan Project“ in einer 4er-Runde besser, weil mehr Kartenumsatz da ist. Vielleicht haben wir auch nicht alle Facetten des Spiels erkannt, wer weiß. So jedenfalls hielt sich unsere Begeisterung in Grenzen.

Ach ja, das Thema: Ich denke mal, die verwendeten Mechanismen hätten auf jedes beliebige Produktionsthema abgebildet werden können. Autos, Joghurt oder Drogen, alles hätte funktioniert. Warum mussten es gerade Atombomben sein? Genau, damit Walter ein gerade noch mittelmäßiges Spiel erspart bleibt!

WPG-Wertung: Aaron: 5 (nix Neues, zu viel Zufall), Günther: 6 (der hat gewonnen), Peter: 4 (beliebig)