01.06.2016: German Railroads

Die Schleuder ist besser als das Ziel (Lettisch)
Das Halsband ist besser als der Hund. (Persisch)
Das Futter ist teurer als das Kleid (Türkisch)
Die Braut ist die Kosten der Hochzeit nicht wert. (Neugriechisch)
Die Brühe ist mehr wert als der Fisch. (Sardisch)
The play won’t pay the candles. (Englisch)

1. ” German Railroads”

Unser Freund Helmut Ohley (und Leonhard Orgler) als Autor, Hans im Glück als Verlag, Eisenbahnen, eine Erweiterung der „Russian Railroads“, die 2014 den deutschen Spielepreis gewonnen hat, bei diesen Tatsachen können wir doch nicht abseits stehen. Schon zu den letzten drei Spielabenden brachte Günther dieses Spiel mit, heute wurde es endlich ausgepackt.

Was ist anders gegenüber der „Russian Railroads“ (siehe Session-Report vom 21.11.2013)? Fragen wir lieber: Was ist gleichgeblieben? Geblieben ist die gewaltige Worker-Placement-Szenerie, in der wir unsere sechs (sieben oder acht) Arbeiter in Konkurrenz zueinander an 25 bis 30 verschiedenen Arbeitsplätzen unterbringen, um mit dem Ertrag ihrer Arbeit hinterher doch nur unser eigenes Süppchen zu kochen. Statt von Moskau nach Wladiwostok, Kiew oder Sankt Petersburg fahren wir von Nürnberg nach Fürth, München oder Dresden. Im Gegensatz zu den 18xx-Spielen geht es nicht darum, über ein großes Streckennetz möglichst viele lukrative Städte zu verbinden. Auch Geld spielt hier nur eine kleine Nebenrolle. Es geht darum, relativ kurze Strecken mit immer höherwertigeren Schienen auszupäppeln und allein für den Schienenluxus Siegpunkte zu erhalten. Von der „Russian“ ist auch übernommen, dass man auf den Gleisbau total verzichten kann und sich auf eine Industrielinie konzentriert.

RussianRailroadsAlles funktioniert, alles ist rund und schön. Es gibt viele verschiedene Entwicklungslinien, nach denen eine Spieler seine Siegpunktquellen erschließen kann. Vielleicht ist es sogar möglich, Gemischt-Strategien zu fahren und im Laufe der Spieles von einer Strategie auf die andere umzuschalten. Vielleicht. Wohl besser aber nicht.

Die Erträge verdoppeln sich mehr oder weniger von Runde zu Runde. Man könnte damit meinen, auch als Nachzüglicher am Ende noch einen gewaltigen Satz nach vorne machen zu können. Doch das trügt. Nach vorne kommt man wohl, aber die Führenden kommen noch weiter nach vorne. Die ersten Früchte sind nicht madig, sie füllen den Siegpunktmagen von Runde zu Runde mit wachsenden Genüssen.

Günther nahm sich aus Erfahrung und zu seiner Herausforderung wieder der Industrie an. In einer Dreierrunde bekam er dabei fast keine Konkurrenz. Sehr schnell zog er davon. Jetzt legte er seinen ganzen Ehrgeiz darein, seine Mitspieler (mehrfach!) zu überrunden. Für ihn war es spannend, die Mitspieler sahen es eher mit stoischer Gelassenheit. Sie freuten sich über ihre eigene Entwicklung, ohne mit viel Emotion auf die Kunststücke des Meisters zu schielen.

Es ist für die Mitspieler nur etwas lästig, zuzuschauen, wie sich ein Industrieller mit einem einzigen Zug weitere Züge freischaufelt und damit einen ganze Kette von Einzelzügen hintereinander ausführen darf. In der „German“ ist diese Technik noch ausgebaut. Das hätte es alles nicht gebraucht. Es verlangsamt nur den Spielfluss (für die Zuschauer) und es erhöht das autistische Element.

Das ist ja einer der Ansatzpunkte für Kritik an den „Railroads“, an den russischen wie an den deutschen: Jeder spielt viel zu viel für sich alleine. Man kann dem Führenden in seiner Privat-Schiene kaum an den Wagen pinkeln. Es gibt für ihn auch keine Herausforderung wie z.B. die Einführung der Dieselloks bei „1830“, bei denen der Monopolist gewaltig aufpassen muss, damit er trotz oder gerade wegen seines großen Imperiums nicht pleite macht. In den Railroads geht alles unaufhörlich nach oben. Schön, dabei zu sein, aber mit gebremster Spannung.

Natürlich sind es unbestritten große Werke. Großartige Werke. Im Verhältnis zueinander sind die „Russians“ so etwas wie der Dom zu Speyer und die „Germans“ der Dom zu Köln. Laienhaft ausgedrückt: an jeder größeren ebenen Fläche noch ein Häubchen draufgesetzt. Dabei kommen wir in unseren schnörkellosen Reihenhäuschen des 20. Jahrhunderts schon bei kleineren Sakralbauten nicht aus dem Staunen heraus.

Ein Schmankerl der „German Railroads“ muss aber unbedingt noch erwähnt werden. Es gibt eine Solo-Version. Ein Einzelspieler bekommt einen (primitiven) Gegenspieler zu Seite gesetzt, der seine Arbeiter nach einer einfachen Zufallsauswahl auf den verschiedenen Arbeitsplätzen einsetzt und so dem Einzelspieler ab und zu mal Steine in seinen Idealweg legt. Offensichtlich gibt es heutzutage genügend Spielefreaks, deren Herz und Sinn nach der Auseinandersetzung mit solchen hübschen Brettspielkomplexen steht, die aber keine Mitspieler finden. Ja, die heutige Jugend, sie spielt lieber Poker oder schaut sich den Fussball vom FC Bayern bis zu Fortuna Düsseldorf an!

WPG-Wertung: Aaron: 7 (das Spielgefühl ist absolut das gleiche wie bei „Russian Railroads“; ich stimme der „Spielbox“ voll zu, die geschrieben hat: „das Spiel ist für Spieler, die Russian Railroads bereits einhundertmal gespielt haben, und hier mal wieder eine Variation aufgetischt bekommen möchten“), Günther: 9 (HiG minded, Railroad Freak), Walter: 7 (eine Super-Konstruktion, ohne Haken und Ösen; für mich reicht es aber, das Spiel kennenzulernen; für eine weitere Auseinandersetzung mit den tausend Rädchen fehlt mir einfach der Ehrgeiz)

2. “Diggers”

Nach dem ausgiebigen Schwelgen auf der Schwäbschen Eisenbahne legte Aaron nochmals seine Digger-Legende auf. In Zusammenarbeit mit dem Verlag wurde nur noch ein wenig an einzelnen Rädchen gedreht. Dreh- und Angelpunkt für den Sieg ist ja – vom Spieldesign her gewollt – der Zufall bei der Wertigkeit der Schätze, die ein jeder Spieler bei seinen Aktivitäten an Land zieht. Viele Schätze sind natürlich besser als wenige Schätze, doch ist hier die Klasse der Masse haushoch überlegen. Wertvolle Schätze sind leider alle „fluchbeladen“ und bei Spielende überhaupt nichts wert, wenn sie nicht durch aufwändige Zwischenzüge “entflucht” wurden. An der Balance innerhalb der Siegpunkte für die einzelnen Schätze, an der Anzahl von Flüchen, mit denen sie beladen sind, und an den Möglichkeiten, diese Flüche zu beseitigen, wird noch gearbeitet. Die Grundsubstanz des Spiels steht aber. Festgemauert in der Erden. Und er sah, dass es gut war.

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entwicklungsphase.