28.12.2016: Weihnachten in Sankt Petersburg

Zwischen den Jahren durften Familienväter und Opas mit Kind und Kegel, d.h. alles was spielen kann (Milo) oder was an Spielern interessiert ist (Valentina), am Westpark antreten.

Familiäre Runde im Sankt Petersburg

Moritz brachte St. Petersburg mit allen Schikanen mit. Freiwillig verzichteten wir auf die Erweiterungen „Aufträge“ und „Ereigniskarten“, aber sonst nahmen wir alles Gebotene mit, obwohl Sabina erst in das Gesamtsystem eingearbeitet werden musste. Aber mit ein bisschen Hilfestellung in den ersten Runden kann eine kompetente Spielerin auch in dieses recht komplexe Spiel mit Freude und Genuss einsteigen.

Die Erweiterungen, insbesondere die Hürden, zwingen zu einer Diversifizierung des Engagements, was dem bereits in der Basis-Version sehr gelungenen Spiel noch zugute kommt. Moritz wusste, dass der Markt die Kohle bringt, war hier unangefochten Herr im Haus und ging damit auch in der Punktewertung schnell in Führung. Aber Milo blieb ihm mit Bauwerken und ihrer reichlichen Siegpunkte-Ausschüttung immer dicht auf den Versen. Walter war ohne rechte Strategie ins Spiel gegangen, war auf einmal von einer erklecklichen Anzahl Adeligen umgeben und konnte mit Sternwarte und Schwarzem Markt problemlos seine Ahnengalerie vervollständigen. Leider war in der allerletzten Upgrader-Auslage kein einziger Adeliger dabei, so dass er mit nur 9 verschiedenen Adeligen abschließen musste. (War das nun ein Designfehler des Spiels oder nur ein normales Adelsrisiko? [Keine ernsthafte Frage!]) Mit all den nachgeholten Prämien in der Schlusswertung konnte er aber immerhin noch mit Moritz gleichziehen, der allein durch 2 Dollar Barvermögen mehr das Tie-Break für sich entscheiden konnte.

WPG-Wertung: Aaron: 8 (bleibt, zu fünft allerdings nur eine knappe 6), Günther: 9 (wurde nicht gefragt), Horst: 7 (wurde auch nicht gefragt), Milo 7 (die Karten in der unteren Bietauslage sollten keine Plätze belegen), Moritz: 8 (bleibt), , Sabina: 8 (“beim ersten Mal spielen ist die Vergabe und der Einsatz von Geld und Punkten noch recht undurchsichtig, ab der Mitte wusste ich, wohin der Hase läuft”), Walter: 8 (bleibt, mit Tendenz zu 9).

Drei Stunden haben wir mit weihnachtlichem Non-Druck und Non-Tempo “St. Petersburg” genossen. Dann blieb noch eine Stunde übrig für unseren Standard-Absacker “Bluff”, das zweimal Sabina als Siegerin sah.

Wir wünschen unseren Freunden und Lesern, und darunter vor allem allen Mit-Freude-Spielern, ein glückliches Neues Jahr.

21.12.2016: Kreuze und Kringel in Salem

Die USA sind, was die Verfolgung und Hinrichtung von „Hexen“ betrifft, keinesfalls so unschuldig, wie die alten Europäer dies auf den ersten Blick vermuten. Im Jahre 1692 kam es in dem kleinen Dorf Salem an der Ostküste schlagartige zu extensiven Hexenverfolgungen, bei der innerhalb eines Jahres 20 Beschuldigte hingerichtet, 55 Menschen unter Folter zu Falschaussagen gebracht, 150 Verdächtigte inhaftiert und weitere 200 Menschen der Hexerei beschuldigt wurden.

1957, also vor nur ca. 60 Jahren, wurde die als Hexe gehängte Ann Pudeator für unschuldig erklärt. Am 5. November 2001 unterzeichnete die Gouverneurin von Massachusetts die Unschuldserklärung für die fünf letzten Frauen. Der HErr sei ihnen und ihren Mördern gnädig.

1. “Salem”

„Salem“: Lösungsmatrix eines ungenannt bleiben wollenden Hexenjägers

Diese Salemer Hexenprozesse hat der Spieleautor Joshua Balvin als Thema für sein Spiel gewählt. Da ich grundsätzlich sowohl gegen Spiele mit Atombomben und Metatoten, also auch gegen Spiele zum Thema Hexenverfolgung bin, weil in Letzteren die Hexenmorde der christlichen Kirchen verharmlost und die verbrecherischen Verleumdungen einen harmlosen, spielerischen Hintergrund bilden sollen, werde ich mich jetzt von der Salem-Terminologie trennen und das Spiel so abstrakt darstellen, wie es sich in Wirklichkeit auch spielt.

Innerhalb einer verdeckten 7 mal 7 Matrix gibt es in jeder Reihe und in jeder Spalte genau je 3 Kringel und 4 Kreuze. Sie sind nach einem reinen Zufallsverfahren darauf verteilt worden, und die Aufgabe der Spieler ist es, für jedes Feld der Matrix herauszufinden, ob es ein Kreuz oder einen Kringel enthält.

Welches Rüstzeug, welche Techniken gibt es dazu? Wir habe die Regeln nicht genau verstanden und nicht genau eingehalten; selbst der geniale Regelerklärer Moritz war außerstande, die zehn dick-bedruckten Seiten englischer Regelanweisungen aus dem Stregreif fehlerfrei vorzutragen, zu übersetzen und gleichzeitig zu interpretieren. Glücklicherweise ist Detailtreue auch nicht lebensnotwendig, um einen Eindruck von diesem Deduktionsspiel zu bekommen, das zu einem Drittel aus statistisch gestützten Vermutungen und zu zwei Dritteln aus konsequent erarbeiteten Schlussfolgerungen besteht.

Jeder Spieler bekommt gleich zu Beginn die Verteilung von Kreuzen und Kringeln auf einer kompletten Zeile offengelegt. Jeder Spieler natürlich die von einer anderen Zeile. Die Felder der nicht-offengelegten Zeilen werden reihum den Mitspielern zugewiesen, bis mehr oder weniger alle verteilt sind. Die Spieler dürfen bei den “adoptierten” Feldern aber nicht nachschauen, ob diese Kreuze oder Kringel enthalten.

Reihum darf jetzt jeder Spieler auf ein beliebiges Feld der Matrix deuten und den zugehörigen Feldbesitzer fragen, welche Informationen er dazu preisgeben will. Der Besitzer hat drei Antwortmöglichkeiten, die er wrap-around verwenden muss:

  1. Er deutet auf ein beliebiges, frei zu bestimmendes Feld und sagt: “Hier ist das gleiche Symbol wie auf dem abgefragten Feld.”
  2.  Er deutet auf ein beliebiges, frei zu bestimmendes Feld und sagt: “Hier ist ein ungleiches Symbol wie auf dem abgefragten Feld.”
  3.  Er deutet auf zwei weitere beliebige, frei zu bestimmende Felder und sagt: “Insgesamt gibt es auf diesen drei Feldern 0 [, 1, 2 oder 3] Kreuze.”

Da der Besitzer von adoptieren Feldern evtl. noch nicht weiß, welches Symbol auf dem fraglichen Feld abgebildet ist, darf er es sich zu diesem Zwecke anschauen.

Bei 7 Abfragen muss aus jeder Zeile genau ein Feld abgefragt werden. Danach geben alle Spieler eine informatorisch leicht verschmierte Summenauskunft darüber, wieviele Kringel auf den 7 abgefragten Feldern abgebildet sind. Anschließend muss jeder Spieler zu einem jedem der abgefragten Felder die verdeckte Aussage machen, ob es einen Kringel enthält oder nicht. Richtige Aussagen liefern Pluspunkte, falsche Aussagen Minuspunkte.

Die Aussagen werden allerdings nicht sofort verifiziert, sondern insgesamt vier mal müssen solche 7er Abfragen getätigt und die Kringel-Aussagen getroffen werden, bis die gesamte Matrix aufgedeckt, die Richtigkeit erkannt und die Siegpunkte verteilt werden.

Nach der ersten 7er Abfrage ist das Ganze noch eine ziemliche Raterei; nach der zweiten 7er Abfrage hat jeder Spieler aber schon soviel Querbeziehungen in seine Lösungsmatrix eintragen können, dass seine Aussagen schon mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit richtig sind. Danach wird alles praktisch richtig gewußt.

Walter jubilierte als erster über die vollständigen Sicherheiten, die er in seiner Lösungsmatrix entdeckt hatte. Aaron folgte in geringem Abstand. Nur Moritz tat sich da noch schwer. Walter war allerdings auch der Erste, der erkennen musste, dass einige seiner Schlussfolgerungen falsch gewesen sein mussten, und dass damit seine gesamte Lösungmatrix obsolet war. Was jetzt tun? Dafür gibt es im Prinzip nur die Sudoku-Rettung, wenn man dort die erste Inkonsistenz entdeckt: Alles ausradieren und von vorne anfangen.

In Salem gibt es allerdings kein Ausradieren. Es gibt auch keine praktikable Möglichkeit, die Fragen und Antworten sowie die zugehörigen Schlussfolgerungen zurückzuverfolgen und/oder wieder vorwärts zu drehen. Das wäre erst ganz am Ende des Spiels möglich. Bis dahin muss man wie ein bescheuerter Sudoku-Spieler ein Feld nach dem anderen taxieren, die Inkonsistenz der bisherigen Eintragungen bedauernd zur Kenntnis nehmen und hilflos aber hoffnungsvoll weiterraten.

Der am langsamsten und am sichersten schlussfolgernde Moritz besaß am Ende die wenigsten Inkonsistenzen in seiner Lösungsmatrix und hatte dementsprechend gewonnen. Glückwunsch zu seiner Logik und seiner Statistik!

WPG-Wertung: Aaron: 3 (nach zuerst 5, Riesenbrimborium für ein reinrassiges Deduktionsspiel, möchte es nicht noch einmal spielen, nichts hat ihn daran gereizt, für die eingebauten Zufallseffekte ist es viel zu lang), Moritz: 6 (es funktioniert, ist vom Design her in Ordnung, besitzt aber keine Steigerung. Ich habe Zweifel, ob ich das dringend tausendmal spielen müsste. [AbN: Die habe ich auch!]), Walter: 4 (eigentlich akzeptabel, aber wer sich einmal vertan hat, muss bis zum Ende des Spiels auf seinen Fehlern herumreiten, eine Aufdeckung der Fehlschlüsse oder der Fehlinformation der Mitspieler ist leider nicht möglich, das ist für mich das größte Manko).

Aaron fand bei BGG einen Kommentar zu einer 1-Punkte-Wertung, die er uns nicht vorenthalten wollte:
„This is a 7 player fragile deduction activity (I don’t see the game here) where in the first two rounds players start guessing 50/50 odds to earn points. In the 3rd and 4th round, enough information has been revealed that all players simultaneously have everything they need to guess correctly (barring math mistakes) to earn points. There is little to no player choice in this game. Assuming players are of equal logic skill, you could have the same experience guessing the result of a coin flip twice and then calling it a day.
The components are awful. Brown and orange are similar, the tokens are teeny and the pencils don’t have erasers.”

Dem schließt er sich vollinhaltlich an. Ich auch.

2. “Via Nebula”

Der FCB hatte Red Bull bereits mit 3:0 in die Schranken verwiesen, als wir nach dem Salem-Abenteuer anfangen konnten, uns über den Rest des Spielabends zu orientieren. Martin Wallace bekam mit seinem “Via Nebula” nochmals die Ehre.

WPG-Wertung: Moritz reihte sich unisono in die 7-Punkte vom Westpark ein (eines der liebevollsten Spiele von MW. Zur Spielidee hat er bei seinem eigenen “Age of Steam” Anleihen genommen. Es gibt ein paar taktische Überlegungen, die im Prinzip aber banal sind. Ein echtes Familienspiel, wenig Konkurrenz, wenig Miesnickeligkeit; die Spezialeffekte der Aufträge bringen einen gewissen Pepp hinein. [AbN: der Pepp reichte, um Moritz zum Sieger zu küren.])

3. “Tiefseeabenteuer”

Ebenfalls ein Spiel, das bereits letzte Woche am Westpark gefallen hatte. Heutige Erkenntnis: “In einer 3er Runde darf man tiefer tauchen als in einer 4er Runde.” Banal oder trivial?

Das Spiel ist schnell (+), stimmig (+), enthält ein eingebautes, kalkulierbares Würfelrisiko (+) und ist höchst interaktiv (++).

WPG-Wertung: Moritz vergab mit 7 Punkten einen Punkt weniger als die Unisono-Runde von letzter Woche (fast 8 Punkte, aber dafür fehlt ein bisschen Originalität).

14.12.2016: Via Nebula zu den Elements in der Tiefsee

Interaktion ist für uns ein wichtiges Qualitätsmerkmal für ein gutes Spiel. Dabei kommt es häufiger zu kontroverser Einschätzung, ob eine konkrete Spieleigenschaft jetzt „Interaktion“ oder nur „Mitspielerchaos“ ist. Letzteres ist keinesfalls positiv, bestenfalls als indifferent einzustufen. Was ist der Unterschied?

Nach Wikipedia bezeichnet Interaktion „aufeinander bezogenes Handeln zweier oder mehrerer Personen“. Eine gewisse Ordnung muss also innerhalb der „Wechselbeziehung zwischen Handlungspartnern“ stecken. Dahingegen ist Chaos ist „ein Zustand vollständiger Unordnung oder Verwirrung“.

Beispiele: Die Moleküle in einem Gas befinden sich in einem Chaos-Zustand. Ihre Bewegungsfreiheit ist durch die Existenz der Mit-Moleküle zwar eingeschränkt und ihre tatsächliche Bewegung wird davon auch beeinflusst, aber ein logisch erstrebtes bzw. erstrebenswertes Ziel lässt sich nicht ausmachen. Dahingegen ist das Verhalten verschiedener Tierarten an einer Wasserquelle von einem Höchstmaß an Interaktion bestimmt. Die Gefährlichen und die Stärkeren dürfen zuerst ran, die Schwächeren müssen ihren Durst in eine Relation zum Wasservorrat und zur Nähe und dem Hunger der Fressfeinde bringen, bevor sie ran dürfen oder sich ran drängeln. Sie könnten sich aber zusammentun …

Bleibt noch die Frage offen, ob die Bewegung der Samenzellen in Richtung Eizelle besser mit Mitspielerchaos oder mit Interaktion zu bezeichnen wäre.

1. “Via Nebula”

Szenerie in “Via Nebula”

Ein großes Spielbrett mit Hexagon-Einteilung liegt auf dem Tisch. Einige Felder sind unbegehbare Felsen, einige sind Rohstoffquellen für verschiedene Rohstoffe, und etwa die Hälfte sind weiße Nebelfelder, die wir in unseren Zügen nach und nach „erkunden“, d.h. in grüne Wiesenlandschaft umwandeln dürfen. Dazwischen liegen ein paar Bauplätze, auf denen wir unsere Häuser errichten sollen. Die Bauplätze sind allen zugänglich und können auch aus der Luft betreten werden. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Wer zuerst fünf Häuser errichtet hat, leitet damit das Spielende ein.

Zum Bau eines Hauses müssen wir eine wohldefinierte Kombination von Rohstoffen zu unserem Bauplatz tragen. Die Entfernung von Quelle zu Bauplatz spielt keine Rolle. Der Transport einer Rohstoffeinheit kostet immer genau eine Aktion.

Der Weg dieses Rohstoff-Transportes muss über freie Wiesenflächen gehen, wir müssen uns u.U. erst einen Hexagon-Wiesenweg von den Quellen zu unseren Bauplätzen bauen. Diese Wege sind für jedermann nutzbar. Es spart natürlich Züge, die Wege der Mitspieler mitzubenutzen, doch legen diese uns nicht freiwillig grüne Wiesen auf unseren Weg. Früher oder später muss immer irgendwo einer – meist zum Allgemeinwohl – damit beginnen.

Von den Rohstoffquellen sprudelt zu Spielbeginn nur ein geringer Teil. Die überwiegende Zahl von ihnen müssen wir erst erschließen, indem wir als eine Aktion einen unserer Arbeiter hinschicken. Dafür gibt es sogar Siegpunkte. Unser Arbeiter muss aber solange auf seiner Quellen sitzen bleiben, bis alle darauf entdeckten Rohstoffe abtransportiert sind, von uns oder von den Mitspielern.

So besteht die Herausforderung des Spiels darin,

  • die bestgelegensten Bauplätze ausfindig zu machen und für uns zu reservieren,
  • die bestgelegensten Rohstoffquellen zu erschließen, und zwar sind das diejenigen, mit Rohstoffen, die wir selber brauchen und zugleich diejenigen, wo möglichst schnell viele Mitspieler für ihre eigenen Bauzwecke zugreifen, so dass unser Arbeiter für neue Erschließungen wieder frei wird,
  • nur die unbedingt notwendigsten Transportwege bauen, für den Rest aber uns von den Mitspielern bedienen lassen.

Alles ist gut, alles ist konstruktiv, alles liefert Siegpunkte, alles nützt allen, manche nützen halt alles noch ein bisschen mehr, schneller oder günstiger.

Ein schönes, sauberes, braves Brettspiel aus der begabten Feder des Spiele-Routiniers Martin Wallace. Ein hübsches Weihnachtsgeschenk für die gesamte spielende Familie, einschließlich aller schulpflichtigen Kinder. Offiziell sollten sie 12 Jahre alt sein, aber diese Messlatte stimmt wie gewöhnlich auch hier nicht. Stabiles Material, klares Design, frohe Farben. Frohes Fest.

WPG-Wertung: Aaron: 8 (ruhiges Design, schnell erklärt, schnell und locker runtergespielt), Günther: 6 (für alle ein separates Grübeln und am Ende haben wir alle ähnlich viele Siegpunkte; lockeres Runterspielen macht des Spiel eher zu einem Würfelspiel), Helmut: 6 (interessantes Design, gut ausbalanciert, aber zu kleinteilig: viele kleine Informationen, die man alle berücksichtigen muss, wenn man das Spiel perfekt spielen will, und wenn man das auch tatsächlich tut, dauert das unakzeptabel lang, jedoch entspricht das Abbrechen von Überlegungen nicht meinem Charakter), Walter: 7 (konstruktiv, besonders für Aus-dem-Bauch-heraus-Spieler geeignet).

Dank Helmuts cogitus interruptus und Günthers alea iacta volutaria haben wir den Nebligen Weg ruhig und locker in der angegebenen einen Stund Spielzeit bewältigt.

2. “Tiefsee-Abenteuer”

Zwei bis sechs Spiele würfeln jeweils ihren Pöppel über einen gemeinsamen wohldefinierten Tauchgang in die Tiefe. Auf jedem Feld, das sie sich erwürfeln, liegt ein Schatz – sofern ihn nicht bereits ein Mitspieler an sich genommen hat. Diesen Schatz dürfen sie mitnehmen oder liegen lassen, ganz nach Belieben. Je mehr Schätze ein Pöppel transportiert, desto langsamer kommt er vorwärts. Zugleich verbraucht er auch mehr Sauerstoff, je mehr Schätze er mit sich trägt. Schätze abwerfen gilt nicht: aufgehoben heißt mitführen, bis dass der Tod euch scheidet.

Jetzt kommt nämlich die Crux des Ganzen: Es gibt nur einen einzigen gemeinsamen Sauerstoffvorrat für alle. Und dieser ist knapp, vor allem dann, wenn jeder Spieler schon einige Schätze mit sich führt, sich dementsprechend nur noch langsam bewegt, zuweilen sogar stehenbleiben muss, und bei jedem Schritt einen erklecklichen Anteil Sauerstoff verbraucht. Z.B. wäre bei vier Mitspielern, wenn jeder drei Schätze transportiert, bereits nach je zwei Schritten der gesamte Sauerstoffvorrat verbraucht. Und schnell kommt man mit drei Schätzen unterm Arm auch nicht mehr vorwärts: durchschnittlich nur ein einziges Feld pro Zug!

Also darf man nur wenige Schätze an sich nehmen, möglichst gar keine auf dem Weg nach unten, wo die wertvolleren Schätze liegen, und dann heißt es ruck-zuck wieder nach oben. Doch die bösen Mitspieler können einem auch einen Strick durch diese einfache Rechnung machen, in dem sie mehr oder weniger Selbstmord begehen, d.h. den Sauerstoffverbrauch durch ungebremstes Zuladen von Schätzen auf ein Maximum und die Bewegung auf ein Minimum bringen. Bei uns gab es nur wenige erfolgreiche Tauchgänge. Aber alle waren voller Lust und Risikofreude. Gerade darum waren sie ja nicht erfolgreich.

Das Spiel ist kurz und kurzweilig, Spannung und Spielspaß sind überraschend groß. Nach der ersten Runde über drei Durchgänge schlossen wir sofort mit Lust und Laune eine zweite Runde an.

Der gemeinsame Sauerstoffvorrat ist die gewaltige Interaktion des Spiels. Wenn der nicht wäre, so wäre der Rest eine autistische Can’t-Stop-Würfelei.

WPG-Wertung: Aaron: 8 (macht Laune, viel Interaktion), Günther: 8 (Gaudispiel mit erheblichem Schadenfreudepotential), Helmut: 8 (toll [nachgefragt: diese Bewertung war nicht als Verarschung gemeint!]), Walter: 8 (als Absacker sehr gut, zum Warming-Up sogar noch besser geeignet).

3. “First Class”

Helmut Ohleys neuestes Eisenbahnspiel ohne Gleise und Verbindungen, stand zum zweiten Mal auf dem Programm.

Günther kannte sich aus und hatte auch einen Peil. Es besorgte sich gleich im ersten Durchgang hinreichend Geldmittel um den Ofen seiner Dampflok nicht kalt werden zu lassen. Damit konnte er sehr flexibel seinen gesamten weiteren Aufbau bestreiten, kam nie in Engpässe und übertraf tatsächlich die 200 Siegpunkten, die hier als Grenzwert für gutes Spielen gelten.

Aaron wollte zuerst ebenfalls den Dampflok-Weg gehen. Er war aber Letzter in der Startreihenfolge, eine für dieses Vorhaben unglückliche Position, die er auch nie durchbrechen wollte, und so waren ihm die Lok-Felle von Anfang an davon geschwommen. Er verlegte seinen Schwerpunkt auf Waggonketten und landete dicht hinter Günther auf dem zweiten Platz.

Helmut als „First Class“-Neuling hatte einen überraschend guten Start. Schon in der ersten Runde besaß er einen 12er Waggon mit Siegpunkt-Verdoppler. Doch in den weiteren Runden schwächelte er. Warum wohl? Wahrscheinlich hatte er das Spiel verstanden und jegliche Lust an weiterer Excel-Programmierung über Mittel, Quellen, Ketten und Klassen verloren.

Walter als Zweiter in der Startreihenfolge wollte sich diesmal ebenfalls in Günthers bewährter Lok-Strategie tummeln. Doch es reicht nicht, sich möglichst viele Lok-Karten anzueignen, sie müssen auch die richtigen Effekte besitzen. Seine Lok-Karten waren überwiegend Lok-Beweger; damit hätte er seine Dampflok wohl bis nach Wladiwostok schieben können. Da ihm aber in seinen – am Ende vier (!) – Sonderaufträgen gerade die Standard-Lok-Bewegungskarten honoriert wurden, und er demnach auch auf diese Aktionskarten aus sein musste, stand seine Lok jeweils schon am Ende ihres Streckenausbaus, bevor die Lok-Effekte zum Einsatz hätten kommen können. Sie verpufften ohne jeden Nutzen. Dumm gelaufen.

Wie immer lange und kontroverse Diskussion über den Anteil an Interaktion in diesem Spiel. Ein bisschen konkurrierendes Zugreifen bei den Aktionskarten ist alles. Kein rationiertes Trinken an der einzigen Wasserquelle im Nationalpark, sondern ein Vollsaufenlassen, solange der Vorrat reicht. Für Günther absolut ausreichend, für den Rest der Welt deutlich zu wenig.

Die langen Kettenzüge, von denen jeder Spieler dreimal pro Spiel einen planen und durchführen kann, lösten ebenfalls unterschiedliches Ge-/Missfallen aus. Nicht alle finden es in einem Mehrspieler-Szenario angemessen, minutenlang nur zuzuschauen, wie ein Mitspieler die Effekte der Effekte von den Effekten seiner Effekt-Planung nutzt, um seinen solitären Spielaufbau explodieren zu lassen. Eine Beschneidung der nutzbaren Effektebenen würde den spielerischen Charakter gewiss fördern. Aber Günther fand auch für diese Design-Zumutung eine Lösung: man muss die Genialität der Kettenzüge seiner Mitspieler konsequent verfolgen und so bewundern, als wären es die eigenen, dann wird es dabei nie langweilig. Diese Möglichkeit hatten wir in den zwanzig Jahren Spielen am Westpark bisher offensichtlich total übersehen.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (bleibt, aber der Spieleindruck wurde gefälliger) , Günther: 8 (bleibt), Walter: 7 (bleibt, aber der gefällige Spieleindruck nimmt ab), Helmut: 4 (wohlwollend, nicht mein Spiel, Null-Interaktion, Null-Dramatik).

4. “Elements”

Helmut war schon auf dem Weg zur U-Bahn, als Günther noch ein kleines 2-Personenspiel aus seiner Tasche zog. Abwechselnd setzte jeweils ein Spieler aus und die beiden anderen spielten eine Partie gegeneinander.

Eigentlich besteht das Spielmaterial aus lediglich 16 Karten, jeweils zwei mit den Zahlen von 1 bis 5 und mit sechsen der Zahl 6. Könnte leicht durch ausgewählt Karten aus einem Skatblatt bereitgestellt werden. Die weiterhin der Schachtel beigefügten hölzernen Sterne als „Siegpunktmarker“ hätte man sich glatt sparen können, eine Strichliste oder Streichhölzer bzw. Pfennige aus Omas Schublade hätten es auch getan.

An jeden der beiden Kontrahenten werden sechs Handkarten ausgeteilt. Reihum agiert nun jeder gemäß folgenden Möglichkeiten:

  • Er wirft eine Karte mit dem Zahlenwert 6 aus der Hand ab. Weg damit.
  • Er legt eine seiner Handkarten offen auf den öffentlichen Stapel.
  • Er nimmt die oberste Karten des offenen Stapel an sich und legt sie zu seinem Privat-Stapel. Dort bleibt sie bis zum Spielende liegen. Der Zahlenwert dieser (und aller weiterer) Karten, die er vor sich liegen hat, zählt zur Summe für seine Handkarten.
  • Er “klopft”, d.h. er löst eine Wertung aus: Wenn die Summe der Zahlen auf seinen Handkarten plus derjenigen in seinem Privatstapel gleich oder niedriger ist als die Summe der Zahlen im öffentlichen Stapel hat er gewonnen. Aber nur unter der Bedingung, dass die entsprechende Summe der Karten seines Kontrahenten entweder kleiner ist als seine eigene Summe, oder größer als die Summe im öffentlichen Stapel.

Es geht also darum, die Summe seiner Handkarten zunächst mal ausreichend zu drücken, dann aber, wenn man an das Limit herankommt, nicht zuviel gedrückt zu haben, sondern noch mehr „Augen“ in der Hand zu haben als der Kontrahent. Eine hübsche antagonistische Herausforderung. Schon vom Ablegen der ersten Karte an ein Maximum an Interaktion.

In insgesamt 12 Zweikämpfen, mit jeweils anschließendem Undo für die letzten entscheidenden Züge und einer gemeinschaftlichen Analyse über besseres Spiel mit offenen Karten haben wir die Geheimnisse von „Elements“ noch nicht annähernd entschlüsseln können. Aber es gibt welche, und genau darin liegt der Charme dieses kleinen, einfachen Spiels.

WPG-Wertung: Aaron: 7 , Günther: 7, Walter: 7 (mit Tendenz zu 8)

DinxCon 2016

dinxVom 25.-27. November fand auch dieses Jahr wieder die DinxCon in Brixen (Südtirol) statt, ein vom Spieleverein Dinx aus Bozen organisiertes „laaaanges Spielewochenende“. Ich durfte zum ersten Mal dabei sein.

48 Stunden Spielen waren angesagt, nur kurz unterbrochen von ein paar Stunden Schlaf und Essenspausen (meine Netto-Spielzeit betrug rund 30 Stunden). Der Spieleverein hatte dieses Jahr insbesondere für Vielspieler vorgesorgt und eine bemerkenswerte Auswahl guter Spiele zusammengestellt.

Hier eine kurze Übersicht der von mir gespielten Spiele inklusive einer ersten Bewertung:

1. Azuchi Castle (Sungwoo Hyun, Baccum)

Schon bei den Westpark Gamers gespielt, wo es gar nicht gut ankam. Ein weiterer Versuch mit einer anderen Spielergruppe sollte zeigen, ob nicht doch etwas in diesem angeblichen Geheimtipp aus Essen 2016 steckt. Kurz gesagt: nein. Zu glückslastig, zu eindimensional und mit einer sehr gekünstelten Endebedingung. Es bleibt bei meinen 4 von 10 Punkten.

2. Via Nebula (Martin Wallace, Space Cowboys)

Anders als Martins Treefrog-Spiele ist Via Nebula eingängiger und fast schon familientauglich. Angetan bin ich von der eleganten Konstruktion aus Konkurrenz und (aufgenötigter) Zusammenarbeit. Solide 8 von 10 Punkte.

3. Tiefe Taschen (Fabian Zimmermann, Fobs Games)

Hier zeigte sich, dass die Zusammensetzung der Gruppe entscheidend für den Spielspaß ist. Bei den Westpark Gamers durchgefallen, kam es in Brixen deutlich besser an. Ich bleibe bei meinen 6 von 10 Punkten.

4. Weltausstellung 1893 (J. Alex Kevern, dlp games)

Dieses Spiel kommt daher wie ein einfaches Familienspiel, hat es aber in sich. Die Kartenauslage will gut studiert sein und die Zugmöglichkeiten auf ihre Auswirkungen abgeprüft werden. Schnell hat man den optimalen Zug übersehen oder das Spiel beschleunigt. Eigentlich nicht schlecht, wenn keine Grübler am Tisch sitzen, aber die positiven Elemente werden durch die Unplanbarkeit der chaotischen Auslageänderungen viel zu sehr überlagert. 6 von 10 Punkten.

5. Terraforming Mars (Jacob Fryxelius, Schwerkraft-Verlag)

In Essen dieses Jahr blitzschnell ausverkauft, war meine Erwartungshaltung entsprechend groß. Wir haben es mit einem Aufbauspiel zu tun, das streckenweise an Race for the Galaxy erinnert. Auch hier gilt es, zumindest eine grobe Ahnung davon zu haben, welche Ausbaukarten überhaupt im Spiel sind. Ansonsten spielt es sich ähnlich zahm; jeder scheffelt Siegpunkte und am Ende hat einer irgendwie gewonnen. Meine hohen Erwartungen wurden nicht erfüllt: 6/10.

6. Flamme Rouge (Asger Harding Granerud, Lautapelit.fi)

Vor genau 30 Jahren erschien „6-Tage Rennen“ von Werner Toncar als Werbespiel bei Holtmann. Mit wenigen Elementen wurde hier die Radrenn-Situation sehr schön simuliert und ein spannendes Spielgefühl erzeugt. Und dieses Jahr erschien bei Lautapelit ein mehr als würdiger Nachfolger. Jetzt haben wir es zusätzlich zur Planung der eigenen Sprints noch mit Steigungen und Schussfahrten zu tun und wer den Anschluss zum Peloton verloren hat muss extra stark in die Pedale treten, um wieder im Windschatten mitfahren zu können. Sehr schön. 8 von 10 Punkten.

7. Oben und Unten (Ryan Laukat, Schwerkraft-Verlag)

Wie so oft hat auch hier Ryan Laukat sein Spiel ausgesprochen stimmig illustriert. Was anfangs nach einem normalen Worker-Placement-Spiel aussieht, ist zusätzlich angereichert mit kleinen Abenteuern, die man erlebt, sobald man seine Arbeiter in den Untergrund schickt. Hier ist noch einmal viel Arbeit in die mehr als 200(?) Szenenbeschreibungen eingeflossen, die einerseits für ein wenig mystische Stimmung sorgen, andererseits aber durch deren zufällige Auswahl und sehr unterschiedlichen Effekte auch mal frustrieren können. Aber solide 7 von 10 Punkten bekommt es schon.

8. First Class (Helmut Ohley, Hans im Glück)

Ursprünglich als Russian Railroads Kartenspiel geplant, bietet First Class doch seinen ganz eigenen Reiz, obwohl die Nähe zu RR nicht zu übersehen ist. Leider verwendeten wir versehentlich statt des 2. Kartensatzes den 3. und erst danach den 2., was zu merkwürdigen Effekten führte. Das Spiel verzeiht diesen Spielfehler offenbar nicht, denn ein Spieler hatte auf eine reine Bahnlinien-Ausbaustrategie gesetzt und gewann damit haushoch. Klar, wenn die wertvollen Bahnstrecken des 3. Satzes zu früh ins Spiel kommen. Vielleicht nicht ganz fair, aber ich bleibe bei meinen nur 6 von 10 Punkten.

9. Krazy Wordz (Dirk Baumann, Thomas Odenhoven, Matthias Schmitt, fishtank)

Okay, ich hatte ja schon die Erfahrung gemacht, dass dieses Spiel nicht in allen Runden zündet. Diesmal hatte ich das Glück in einer lustigen 6er-Runde zu spielen und entsprechend ausgelassen ging es zu. Trotzdem gab es eine neue Erkenntnis für mich: Man hat schlechte Chancen, wenn man als einziger in der Runde aus einem anderen Sprachraum kommt und sei es nur, wenn sich um den Unterschied zwischen Hochdeutsch und südtiroler Dialekt handelt. Die Wortassoziationen sind bemerkenswerter Weise sehr unterschiedlich. Obwohl ich haushoch verloren habe, bleibt es bei meinen 8 von 10 Punkten.

10. Tlastfreidayhe Last Friday (Antonio Ferrara, Sebastiano Fiorillo, Heidelberger Spieleverlag)

Ein Spiel, das kurzzeitig für heftige Diskussionen innerhalb der Spiele-Autoren-Zunft sorgte. Darf ein Spiel thematisch und vom Cover her eine Nähe zu einem realen Anschlag (Utøya, 2011) haben? Muss man hier eine Triggerwarnung mitliefern? Ich war mir da selber nicht so sicher und daher froh, das Spiel spielen zu können. Vordergründig handelt es sich um eine „Scotland Yard“-Variante mit dem Unterschied, dass 4 Runden gespielt werden und in Runde 1 und 3 ein Wahnsinniger die übrigen Spieler jagt und in den Runden 2 und 4 sind die Rollen getauscht: jetzt jagen die Gejagten den Wahnsinnigen. Die Runden 2 und 4 sollen Pepp in die Sache bringen aber so richtig zünden wollte das Spiel bei uns nicht. 6 von 10 Punkten.

11. Escape Room: The Game (n/a, Noris Spiele)

Im Unterschied zu den ebenfalls dieses Jahr in Essen erschienen Exit-Spielen muss hier kein Spielmaterial zerstört werden. Trotzdem kann man auch hier jedes Szenario nur einmal spielen, denn sobald man die Lösung kennt, war’s das. Hier bekommen wir aber einen „Decoder“ mit dem Spiel geliefert, in den zur Lösung eines Rätsels 4 von 16 Schlüsseln in der richtigen Reihenfolge und der richtigen Orientierung eingesteckt werden müssen, um der Lösung einen Schritt weiterzukommen. Die Szenarien selbst bestehen aus Umschlägen in denen diverse Papierunterlagen stecken, die es zu analysieren gilt. Und hier durfte ich mich gleich beim 1. Szenario ausklinken: Normalerweise kann ich ohne Lesebrille auch kleinere Schrift noch lesen aber hier waren die Informationen so klein wiedergegeben, dass ich keinerlei Chance hatte, mitzurätseln. Trotzdem war das Szenario nach 40 Minuten geknackt (der Decoder zählt nach dem Start die Zeit runter und die Spieler haben 60 Minuten Zeit, das Rätsel zu lösen). Gefällt mir besser als die Exit-Spiele: 6 von 10 Punkten.

12. Cottage Garden (Uwe Rosenberg, Edition Spielwiese)

Dieses Spiel stellt so etwas dar wie die Mehrspieler-Version von Uwes „Patchwork“. Die Mechanismen sind sehr ähnlich, alles ist schnell erklärt und geht flott von der Hand. Leider gibt es eine Falle für Erstspieler verursacht durch die Freiheiten bei der Bewegung der 6 Siegpunktmarker, die jeder Spieler besitzt. Hier verschenkt man leicht mal 1/3 seiner möglichen Siegpunkte, wenn man nicht aufpasst. 6 von 10 Punkten.

13. Die vergessene Welt (Ryan Laukat, Schwerkraft-Verlag)

Noch ein Laukat-Spiel kam kurz vor Ende der Con auf den Tisch. Da ich dieses Arbeiter- und Kämpfer-Einsetzspiel schon kannte, wollte ich sehen, ob es möglich ist, auch ohne jeglichen Kampf nur durch den Ausbau eigener Provinzen zu gewinnen. Kurz und knapp: kann man nicht. Die zufällige Auswahl an Provinz- und Staatskarten bringt nicht genug Flaggen, um mit denjenigen Spielern, die regelmäßig Titanen besiegen, mithalten zu können. Weiterhin solide 6 von 10 Punkten.

14. Tragedy Looper (BakaFire, Z-Man Games)

Schon vor Monaten hatte mir Peter begeistert von diesem Deduktionsspiel erzählt, das so anders sei, als alles was er bisher gespielt habe. Jetzt ergab sich die Möglichkeit, quasi als krönenden Abschluss der Con für mich, dieses Spiel auch einmal auszuprobieren. Schon der Einstieg war ungewöhnlich: Wir Spieler wurden vom Mastermind mit einer Situation an vier Orten konfrontiert und bekamen die Aufgabe, 5 Tage zu überleben ohne die (uns nicht bekannten) weiteren Endebedingungen auszulösen. Jeder der 3 Spieler bekam einen Satz Aktionskarten und eine 1-seitige Beschreibung, welche Szenarien und welche Rollen es gibt. Außerdem erfuhren wir, dass am 1, 3 und 5 Tag jeweils ein „Incident“ geschehen würde. Mit diesen dürftigen Informationen legten wir los. Ich glaube nach dem 3. Tag teilte uns das Mastermind mit, dass wir gescheitert seien und nun der nächste von insgesamt 3 „Loops“ begänne. Also alles wieder zurück auf Anfang. Dieses Mal hatten wir schon eine gewisse Ahnung, was da eigentlich auf dem Spielplan geschieht und welche Personen welche Rolle innehaben könnten. Trotzdem scheiterten wir auch diesmal. Beim 3. und letzten Loop waren wir uns aber schon relativ sicher, was eigentlich gespielt wird und konnten vor allen Dingen das Blatt mit der Beschreibung der Szenarien richtig lesen. Und siehe da, am 5. und letzten Tag lebten wir immer noch und hatten auch die Endebedingung nicht getriggert und damit gewonnen. Ein Spiel anders als alles, was ich bisher gespielt habe und in der richtigen Gruppe ein Super-Spaß. 8 von 10 Punkten.

In damit ging ein laaanges Spielewochenende zu Ende. Dank perfekter Organisation und toller Location war es wunderbar und ich freue mich schon auf die DinxCon im nächsten Jahr.

30.11.2016: Trump am Westpark

1. “Trump: the Game”

trumpthegameClaro, dass dieses 28 Jahre alte, unscheinbare Spiel nach dem spektakulären Sieg seines Namensgebers wieder überall ausgegraben werden würde. Bei Boardgamegeek überschlugen sich in diesem November die neuen Bewertungen mit 1 Punkt (Demokraten) und 10 Punkten (Republikaner). Günther war natürlich auch im Besitz der Erst-Edition dieses Spieles und grub es aus den untersten Schichten seines Archivs hervor, um es am Westpark zum Besten zu geben.

Natürlich geht es um Geld, um viel Geld. Die kleinste Einheit ist 10 Millionen Dollar. Mit 400 Millionen Barvermögen fängt jeder Spieler an. Auf den ersten Anschein wirkt das Spiel wie ein verkapptes Monopoly. Der Rand eines quadratischen Spielbretts ist in Spielfelder aufgeteilt, auf denen Immobilien liegen. Wir würfeln, ziehen entsprechend der Augenzahl mit unserem einzigen Pöppel um das Spielbrett herum und lösen Käufe, Verkäufe sowie Mieteinnahmen aus. Doch außer dem vielen Geld ist alles anders als bei Monopoly.

Die herumliegenden Immobilien gehören – wie zu erwarten – zunächst mal niemandem. Wer mit seinem Pöppel darauf landet, kann es auch nicht kaufen und muss keine Miete bezahlen. Er bewirkt lediglich, dass die BANK 10 Millionen in den Tresor dieser Immobilie hineinstecken muss. Es sind andere Felder, über die ein Immobilienhandel ausgelöst wird. Wer hier mit einem Pöppel landet, kann ein beliebiges Gebäude vom Spielbrett (u.U. sogar solche, die im Besitz eines fremden Spielers sind) aussuchen und zur allgemeinen Versteigerung anbieten.

Bei der Versteigerung macht jeder Spieler geheim ein erstes Gebot. Wenn weiters kein Spieler eine „Trump-Karte“ mit „Outside Investor“ zum Erhöhen seines Gebotes spielt, war’s das dann auch schon, und das Gebäude geht an den Meistbietenden. Spielt ein Spieler eine „Outside Investor“-Karte, kann jetzt reihum mit Geld oder weiteren Investor-Karten beliebig oft und beliebig hoch gesteigert werden. Alles ganz normal. Es gibt „Trump-Karten“ mit der Aufschrift „You’re out of the bidding“, wenn man die gegen einen Mitspieler spielt, ist er aus dem Bietprozess draußen, sein Gebot ist obsolet, er darf es wieder einpacken. Allerdings kann er seinerseits eine „Trump-Karte“ mit dem Text „I’m back in the bidding“ spielen, dann ist er wieder ganz normal dabei.

Woher stammen die „Trump-Karten“, die ein Spieler spielen kann? Richtig, außer dem Würfelzug mit seinem Pöppel darf Spieler innerhalb seines Zuges auch noch jeweils eine „Trump-Karte“ von einem verdeckten Stapel ziehen. Außer den bereits genannten Sonderkarten sind auf diesen Karten zum überwiegenden Teil Mieteinnahmen verzeichnet, die ein Spieler erhält, wenn er bestimmte Gebäude oder Gebäude-Kombinationen besitzt.

Diese Trump-Karten kann ein Spieler entweder in seiner Hand sammeln und erst am Spielende sequentiell einlösen, oder er kann sie einzeln innerhalb seines Zuges ausspielen und ihren Effekt nutzen, solange das Eisen heiß ist.

Sind alle Gebäude, acht Stück sind es insgesamt, in Spielerhand, wird das Spielende eingeleitet. Jeder Spieler spielt und nutzt reihum seine Trump-Karten, wobei jetzt nur noch diejenigen für Mieteinnahmen einen besonderen Sinn machen. Da manche Mieteinnahmen nur für einen bestimmten Kombinationsbesitz gelten, können die Spieler in dieser Phase beliebige „Deals“ machen, um diese Besitzbedingungen zu erfüllen und gemeinsam an die Prämie heranzukommen, z.B. „Leih’ mir für eine Runde dein Hotel, dann bekommst Du 50 Millionen Dollar von mir.“, oder „Verkaufe mir die Miteinnahmen-Karte für die Airlines, du bekommst dafür 20 Millionen Dollar.“ Eigentlich alles linear und rechtschaffen. Nach dem Regelheft muss man alle geschäftlichen Verabredungen auch brav einhalten.

Und was ist nun der berühmte „Trump-Effekt“? Bei uns kam er nicht vor, weil wir nicht darauf aus waren, und weil auch die richtigen Karten-Kombinationen nicht zusammenkamen. Mit der Trump-Karte „Force the sale“ kann man einen Spieler zwingen, sein eigenes Gebäude zu ver- bzw. ersteigern. Wenn ein auf diese Weise herausgeforderter Spieler eine erkleckliche Summe hingeblättert hat, um sein eigenes Gebäude zu behalten, und wenn dann der nächste Spieler nochmals eine solche Force-the-Sale-Karte gegen das gleiche, inzwischen erheblich wertvoller gewordene Gebäude spielt, könnte ein Spieler u.U. seine gesamte Liquidität allein für die Erhaltung seines Besitzes investieren müssen. Der übernächste Spieler könnte dann mit einer „You’re out of the bidding“-Karten dafür sorgen, dass der Spieler sein wohlgehütetes Besitztum doch noch für einen Appel-und-Ei verscherbeln muss. Oder man wendet die Trump-Karte „Zwangstausch“ auf ihn an und tauscht sein bestes Pferd im Stall gegen einen lahmenden Klepper. „Millions of dollars can be won or lost in seconds“ – heißt es im Regelheft, aber zutreffender ist wohl der andere Satz“ It’s not whether you win or lose but whether you win!“

WPG-Wertung: Aaron: 2 (das ist die Trump-Version vom „Spiel des Lebens“), Günther: 4 (ein Pluspunkt für die 90er Jahre, in denen das Spiel entstanden ist; komisch ist die Endphase mit der absoluten Freiheit bei der Definition von Deals), Walter: 4 (einschließlich eines Pluspunktes für die Aufmachung; es muss nicht noch einmal sein, aber es ist schon bemerkenswert, was auf der Monopoly-Seite des Atlantiks alles geboren wird.)

2. “Tragedy Looper”

Aaron hat das Spiel am Wochenende auf der DinxCon in Brixen kennengelernt, es mit Begeisterung gespielt und sich sofort ein eigenes Exemplar bestellt. Heute ist es angekommen und landete sogleich auf dem Spieltisch am Westpark. „Ein Spiel anders als alle anderen Spiele.“

Bei der Regeleinführung tat Aaron sehr geheinmnisvoll. Bei fast jeder Detailfrage kam nur eine ausweichende Antwort; wir sollten das alles wohl erst während des Spiels selber herausfinden. Offentlich geht es um eine Deduktion.

Es gibt einen „Main-Plot“ und bis zu drei „Sub-Plots“, in welcher Zusammensetzung wir damit konfrontiert werden, blieb offen. Es gibt acht „Rollen“, von der Key-Person über den Killer bis zum Friend und eine noch größere Anzahl von „Charakteren“, z.B. einen Doktor mit Patienten, einen Polizei-Offizier mit einem Informer, und was man sich noch so alles vorstellen kann. Ob sie alle auftreten, irgendeine eine Rolle oder gar welche Rolle sie spielen, das bleibt ein Geheimnis. Vielleicht ist das sogar das Geheimnis, das wir „Protagonisten“ herausfinden sollen. Ich habe die Aufgabestellung eigentlich bis zum Schluss nicht verstanden, aber ich gestehe, dass ich in aller Regel die erste Zeile eines Overview-Bogens vom Tragedy-Looper-Kaliber bereits vergessen habe, wenn ich irgendwo in der Mitte angelangt bin. Vom Ende, mit den „Incidents“ und „Effects“ ganz zu schweigen.

Ein Mastermind-Spieler versucht uns Protagonisten innerhalb der fünf Durchgänge eines „Loops“ abzumurksen, und wir versuchen das zu verhindern. Er spielt verdeckt insgesamt drei Karten mit „Intrigue“, „Paranoia“, „Goodwill“ oder „Movement“ auf einzelne Charaktere oder Örtlichkeiten. Und wir spielen ebenfalls je drei Karten mit „Goodwill“, „Forbid Intrigue“ oder „Movement“. Was dann passiert, welche Person sich wohin und wozu durch die insgesamt vier Örtlichkeiten bewegt, das steht in den Sternen. Und was die einzelnen Personen mit den angesammelten Intrigues, Goodwills und Paranoias anfangen, ebenfalls. Na ja, manches steht auch im Overview-Bogen, aber was soll so ein Bogen, wenn man weder Einblick noch Überblick noch Durchblick hat.

Es gibt ein „Player’s Handbook“, mit 44 Seiten, das man wohl gründlich gelesen haben sollte, bevor man sich in die Tragödie begibt. Und es gibt ein 40 seitiges „Mastermind’s Handbook“, mit einer großen Warnung auf dem Deckblatt: „Wer Protagonist sein will, darf dieses Buch NICHT lesen.“ Das sollte also offensichtlich nur der böse Gegenspieler lesen. Ich schaue auch jetzt beim Protokoll-Schreiben nicht hinein. Nicht, weil ich noch einmal in meinem Leben ein Protagonist sein möchte. Das bin ich glücklicherweise jeden Tag, aber nicht in der Tragedy. Gott-sei-Dank.

Nach dem ersten Durchgang des ersten Loop war die „Loss condition“ (was immer das ist, und welche das jetzt auch immer gewesen war) bereits eingetreten, offensichtlich waren wir alle tot und der Loop (oder ein Durchgang) zu Ende. Wir hätten zum zweiten Loop oder zum zweiten Durchgang antreten dürfen. Aber wir verzichteten weise auf den nächsten Loop der Reise.

Aaron musste nicht zur vorletzten U-Bahn, sondern mit dem Auto zum Bahnhof, um seine Frau abzuholen. Im Abspann konnte Günther noch mitteilen, dass er solche Knobeleien im Prinzip sehr mag, aber nicht als Spiel, wo vielleicht sogar noch ein ungeduldiger Gastgeber zum nächsten Zug (move) drängt. Er mag solcher Knobeleien in ruhigen Stunden, wo er kontemplativ über Aufgabenstellung und Lösung meditieren, und sie zur in einer harmonische Konstruktion verbinden kann.

Noch keine WPG-Wertung.

23.11.2016: Railways bis zu Morgengrauen

1. “1846 – The Race for the Midwest”

„1846“ - Upgrades bei den Großen Seen
„1846“ – Upgrades bei den Großen Seen

Schon in der Vorwoche hatte Moritz für unsere heutige Runde mal wieder ein 18xx-Spiel vorgeschlagen, das brandneue „1846“. Ausgerechnet Moritz, der für diese Spiele mit nur 7 Punkten kleckert, während alle anderen mit 10 Punkten klotzen. „Ich wollte Euch mal wieder eine Freude machen!“ Wie zuvorkommend! Alle waren sofort Feuer und Flamme dafür.

Erst die angesagte Spieldauer von fünf Stunden ließ die Müter etwas abkühlen. Aaron und Günther recherchierten im Internet, verteilen Analysen zu den Unterschieden gegenüber der „1830“, und verschickten an jeden Mitspieler das 24-seitige Regelheft mit der Verpflichtung sich darauf vorzubereiten. Schließlich wollten wir uns die mindestens eine Stunde Einführung sparen.

Es ist immer wieder erstaunlich und faszinierend, was sich die liebhaberischen Väter neuer 18xx-Kinder alles einfallen lassen, um ihr Kind nicht nur anders, sondern auch besser aussehen zu lassen als die Brüder und Schwestern. Selbstverständlich werden auch lokale historische Gegebenheiten in das veränderte Spieldesign eingewoben. Zumindest propagiert solche das Regelheft. Darauf wollen wir hier aber nicht eingehen.

Wesentliche Unterschiede der „1846“ gegenüber unserer Best-of-all-Ever „1830“ sind u.a.:

  • Auf die 10 Privatgesellschaften wird nicht mehr geboten. Stattdessen wählt sich jeder Spieler reihum aus einer jeweils eingeschränkten Auswahl eine Private aus. Das geschieht solange, bis alle Privaten genommen wurden. Erst dann decken die Spieler ihre gewählten Privaten auf und zahlen dafür. – Ein akzeptables Verfahren, aber die Freiheiten und die Taktiken der „1830“ um die richtigen Privaten und vor allem um den „Priority Deal“ sind dahin.
  •  Gesellschaften floaten schon, wenn das Director Share verkauft ist. Das gezahlte Geld geht in die Gesellschaft. Zur weiteren Finanzierung dürfen die Gesellschaften ihre Aktien an die Bank verkaufen. Das scharfe Kalkulieren der eigenen Börse, genauso wie das Feilschen um Beteiligungen entfällt.
  •  Es gibt vier statt drei Fortschritt-Phasen, in denen Züge verschrottet werden und Eigenschaften von Privaten verfallen.
  •  Zur Finanzierung von Zwangsloks darf eine Gesellschaft bei Bedarf ihre eigenen Aktien notverkaufen. Erst wenn auch dieser Erlös nicht reicht, muss der Direktor mit seinem Privatvermögen einspringen. Die Möglichkeiten, als Direktor bankrott zu gehen, sind fast eliminiert. Dafür würde ein Spiel bei einem solchen Bankrott auch nicht beendet werden: der Bankrotteur dürte weiterhin zusehen, wie die restlichen Spieler lustig weiterspielen.
  •  Gesellschaften müssen für Private immer den vollen Preis zahlen. Einem Ausblutenlassen einer Gesellschaft, bevor man sie einem Mitspieler vor die Füße wirft, ist damit ein deutlicher Riegel vorgeschoben.
  •  Der Verkauf von Minderheits-Aktien hat keinen Einfluss auf den Aktienkurs. Dieser Kurs sinkt nur dann, wenn der Direktor Aktien verkauft, und auch dann nur um genau eine Stufe. Die Spannung mit dem „Priority Deal“ beim Verkaufen „geiler“ Aktien ist total eliminiert, genauso wie das taktische Kaufen und Verkaufen von Aktien zur Kursmanipulation.
  •  Loks werden „ausgephast“, sprich sie fahren ein letztes Mal nach Anbruch der Phase, in der sie ausgemustert werden. Der technische Fortschritt schlägt also nicht so brutal zu, und Gesellschaften können die Finanzierung modernerer Züge risikolos bis zum letzten Augenblick aufschieben.

Aarons Fazit: „Alles in Allem also eher ein zahmer 18xx-Vertreter, bei dem es am meisten darauf ankommt, die richtigen Privaten mit den richtigen Gesellschaften mit den richtigen Einstiegskursen und den richtigen Strecken zu kombinieren.“ Alle sahen das genauso Die Robber-Barons mit ihren bösen kapitalistischen Machenschaften sind außen vor, die soliden Empire-Builders bleiben unter sich.

Unser beschleunigter Einstieg in eine neue 18xx-Welt wurde allerdings vom Münchener Verkehrsverbund torpediert. Der Bus, mit dem Moritz gewöhnlich zum Westpark fährt, war ausgefallen, und Moritz mit den ganzen Spielutensilien, traf erst eine Viertelstunde später ein.

Nach dem Spielaufbau und der Verteilung des nagelneuen Materials auf dem Tisch fehlten auf einmal fünf Aktien-Shares: drei Präsidenten und zwei Normal-Shares. Könnte es sein, dass ein Stanzbogen zu wenig in die Spieleschachtel eingelegt worden war? Wir suchten, staunten, suchten nochmal, wunderten uns – und stellten dann Ersatz-Shares her. Problemlos, aber es hatte nochmals 20 Minuten gedauert. Bis wir die vermissten Karten unter dem Spielplan fanden: mit ihrer fabrikneuen Glätte waren sie darunter gerutscht, bevor es ein Spieler auch nur wahrgenommen hatte.

Startspieler wurde Walter. Günther als Letzer in der „offiziellen“ Bankrunde durfte als Erster bei den Privaten zugreifen. Da er den geringen Einfluss auf die noch freien öffentlichen Linien fürchtete, wählte er die geographisch unabhängigen Mail-Contract und Meat-Packing-Company. Aaron griff bei der Indepenent „Michigan Southern“ zu, frei nach dem Motto: „Ein guter Go-Spieler spielt bei sich selbst.“, Moritz engagierte sich in Ohio und bei den Lakes, und Walter suchte sein Glück mit der Independent „Big 4“. Wenn man noch keine Ahnung hat, wie in „1846“ der Hase läuft, wo die ersten Pflaumen reifen und wo später die großen Gewinne gemacht werden, ist man bei der Auswahl 1 aus 6 in jedem Fall überfordert. Die Gesellschaften könnte man genauso gut rein zufällig verteilen.

Die Big-4 legt einen Ausbau nach Südwesten nahe, und so startete Walter mit der Illinois Central, Moritz gefiel der alte„1830“er Glanz der NYC, Aaron begann mit der Grand Trunk in der Nähe seiner Michigan, und Günther bekam die B&O, die in „1846“ aber keineswegs die Potenz von „1830“ hat.

Mit zwei Tiles pro Operation-Round und mit von Start weg zwei Operation-Rounds pro Bank-Runde, kam der Streckenbau zügig voran. Alle Gesellschaften forcierten auch unverzüglich den Lokomotiven-Einsatz, so dass Günther, als er mit seiner B&O zum ersten mal zum Einsatz kam, sich schon mit 3er Zügen eindecken konnte. Damit war auch die zweite Phase erreicht, grüne Update-Tiles standen zur Verfügung, und blitzschnell war ein Verkehrsnetz entstanden, das mehr oder weniger lückenlos den gesamten Midwest-Raum umfasste. Alle Linien waren mit allen anderen zusammengestoßen, hatten sich ergänzt oder blockiert, waren mit Token reserviert oder mit Nebenstrecken umgangen worden.

„Blitzschnell“ ist hier etwas euphemistisch ausgedrückt. Es bezieht sich lediglich auf die Anzahl der Runden die es brauchte, um den beschriebenen Entwicklungsstand zu erreichen. Aber jede einzelne Runde dauerte länger als ein komplettes „1830“ mit der Computer-Unterstützung von Helmut Ohley! Per Stoppuhr gemessen vergingen 19 (NEUNZEHN) Minuten und 44 Sekunden, bis Walters drei Mitspieler mit ihren vier Gesellschaften eine einzige Operation-Round durchgeführt hatten, und er mit seiner Illinois Central am Zug war. Inzwischen hatte Rostow gegen Bayern München zwei Tore geschossen und Manchester City gegen Mönchengladbach ausgeglichen. Was soll ein „1846“ Spieler auch anderes tun, als sich der Sportschau zuzuwenden, wenn er ansonsten zwanzig Minuten lang teilnahmslos nur den Erbsenzählereien seiner Mitspieler zusehen kann?

Es ist nicht spannend, was hier abgeht. Nach dem ersten Drittel des Streckenbaus sind die Fortschritte eher linear und langweilig. Es gibt kein New York mit dem sprunghaften Anstieg der Einnahmen. Jeder Städte-Update einer jeglichen Stadt in jeder Phase bringt die identischen 10 Dollar mehr ein, und da fast alle Gesellschaften von solchen Updates profitieren – einige hier, andere dort – gibt es auch keinen Ehrgeiz, hier noch irgendwelche Schnäppchen zu finden.

Nur Moritz hatte sich etwas zu spät auf die Socken gemacht und war von einer Ost-West-Passage mit den ausgelobten Zusatzeinnahmen abgesperrt worden. Verzweifelt bat er seine Mitspieler um Bauvorschläge, wie doch noch irgendwo-irgendwie die Verbindung herzustellen sei. Matt-in-einem-Zug-Lösungen gab es nicht, er musste schon mit einem Dreizüger rechnen, und richtig, nach zwei Operation-Rounds stand er auch schon vor der Erfüllung seines Herzenswunsches. Da – oh Schreck – fehlte genau das grüne Streckenteil, das er zum Anschluss brauchte; beide Teile waren schon an anderer Stelle verbaut. Großes Klagen und Anklagen seinerseits. Entschuldigung und Beschwichtigung der Ratgeber: „Damit muss man rechnen … Man kann doch nicht alles vorhersehen … Außerdem kann man die verbauten grünen Teile ja gegen braune austauschen, da stehen sie dann wieder zur Verfügung …!“ Moritz musste sich zwei weiteren Malocher-Runden unterziehen. Wie lange das – in Minuten ausgedrückt – dauert, ist ja bekannt. Er ging schon auf Mitternacht zu.

Moritz hatte das gewünschte grüne Streckenteil gerade ausgebaut und erwartungsvoll zur Seite gelegt, als Walters Blick darauf fiel und ihn der Hafer stach. Als echte oder vermeintliche Zukunftsinvestition, vielleicht aber auch nur aus Bosheit, nahm er das begehrte Stück und baute es an einer Nebenstrecke bei sich im Südwesten ein. Danach wäre es fast zum Eklat gekommen! „Unter diesen Umständen habe ich keine Lust mehr, weiterzuspielen.“ (Walter hatte übrigens schon seit einer geschlagenen Stunde dazu keine Lust mehr! Fast ein geschenkter Spielabbruch!)

Da griffen die Weiterspiel-Gierigen Aaron und Günther ein. Mit Akribie wiesen sie nach, dass das inkriminierte Stück Walter nur einen sehr fraglichen Zukunftsvorteil bringen würde. Mit Engelszungen überredeten sie ihn, diesen Bauzug rückgängig zu machen. Keine Rede davon, dass man bei den 18xx-Spielen nicht nur FÜR SICH, sondern auch GEGEN DIE ANDEREN baut. Walter ließ sich breitschlagen. Das Spiel ging weiter.

Noch über eine Stunde! Moritz bekam von Günther noch die ausgelutschte B&O zugeschustert, konnte Aaron seine NYC überlassen, und floatete noch die Erie. An der Einlaufsreihenfolge änderte sich dadurch nichts. Schon nach der Hälfte des Spiels hatte sich abgezeichnet, dass Günther gewinnen und Aaron Zweiter werden würde. Was denn sonst!

Moritz verpasste nicht nur die vorletzte, sondern auch die letzte U-Bahn nach Hause. Aaron machte ihm den Taxi-Chauffeur. Günther und Walter diskutierten noch bis fast zum Morgengrauen die Eigenleistung der „1846“ innerhalb der 18xx-Familie. Günther predigte einem Ungläubigen.

WPG-Wertung: Aaron: 8 (eine 18xx-Einstiegsversion), Günther: 9 (grundsätzlich bekommen alle 18xx-Spiele eine 9, nur die Königin „1830“ bekommt eine 10, Einsteigermodell), Moritz: 5 (zu clumsy, ohne dass es geil ist), Walter: 5 (5 Stunden Erbsenzählen! Wo ist der Gag, da es doch nur darauf ankommt – wie Aaron richtig bemerkt hat – die richtigen Privaten mit den richtigen Gesellschaften mit den richtigen Einstiegskursen und den richtigen Strecken zu kombinieren? Und dies ist nichts als eine ewige kleinkrämerische Rechnerei. Mit einer Computer-Unterstützung für die Strecken- und Geld-Verwaltung könnten es 8 Punkte werden, so aber nicht).

Zwei meiner verehrten Mitspieler, erfahrene „1830“-Spieler, haben hier konstatiert, dass „1846“ für Einsteiger in die 18xx-Familie geeignet ist. Woher kommt dieser Eindruck, der meines Erachtens total falsch ist? Das ist doch nur eine Zeitungsente!

  • Es ist nicht „einsteigerisch“, wenn man vier statt drei Spielphasen noch einführt!
  •  Es ist nicht „einsteigerisch“, wenn man neben den normalen Strecken auch noch zusätzlich eine Ost-West-Passage auslobt!
  •  Es ist nicht „einsteigerisch“, wenn man alle Gesellschaften auf einmal aufeinander logehen läßt, anstatt sie in wohldosierten Abständen floaten zu lassen!
  •  Es ist nicht “einsteigerisch”, wenn man neben den immobilen Privaten auch noch mobile “Independent Railroads“ einführt, die mit Gleisbau und Operation sogleich in den öffentlichen Gesellschaftstrubel eingreifen.
  •  Es ist nicht „einsteigerisch“, wenn eine Gesellschaft zwischen 40 und 150 Dollar, also innerhalb einer Spannweite von 350% beliebig gefloatet werden kann, anstatt wie bei „1830“ zwischen 67 und 100 Dollar, also innerhalb einer Spannweite von nur knapp 50%!
  •  Es ist nicht „einsteigerisch“, wenn der Präsident die volle, die Hälfte oder gar keine Dividende ausschütten darf, und der Aktienkurs je nach der Höhe der ausgeschütteter Dividende in Relation zum Aktienkurs um 1 Stufe fallen oder bis zu 3 stufen steigen kann! Wie einfach hier hier hingegen ein “Alles oder nichts”?!

In “1846“ wurde ein potenter Kater kastriert und anschließend zu einem Tiger aufgeblasen. Die Aufforderung „teach me, tiger“, ist dann schon eher ein Hohn!

Lieber fünfmal mit „1830“ pleite gehen, als einmal in „1846“ gewinnen. Ersteres ist ganz leicht, das hat jeder Spieler mehr oder weniger selber in der Hand; letzteres ist sehr schwer, denn da steht Günther davor, wie der Erzengel mit dem Flammenschwert vor der verschlossenen Paradiestür.

16.11.2016: Glück auf und ab

„Ich beurteile amerikanische Präsidentn nicht danach, was sie getan haben, sondern danach, was sie nicht getan haben.“ – Das wurde heute mit einem offensichtlich positiven Unterton gesagt. Kann man daraus schließen, dass alles, was amerikanische Präsidenten tun, eher mit einem negativen Anstrich zu versehen ist?

1. “Glück Auf: Das grosse Kartenspiel”

Aktionskarten-Auslage in „Glück Auf“
Aktionskarten-Auslage in „Glück Auf“

Das gleichnamige Brettspiel der Großmeister Kramer / Kiesling wurde von ihnen in eine Kartenspiel-Version umgemodelt. Die meisten Elemente des Brettspiels sind noch vorhanden. Wir schicken unsere Arbeiter (als Karten realisiert) aus, um uns aus den offen auf dem Tisch ausliegenden Aktionskarten die uns gefälligen und zueinander passenden herauszupicken:

  • Kohle-Karten als die Ware, die gehandelt wird.
  •  Waggon-Karten für einen beliebig langen Zug zum Transportieren der Kohle.
  •  Eine Lokomotiven-Karte für jeden Zug, um ihn in Bewegung zu setzen.
  •  Auftragskarten mit der Menge an Kohle, die ein Abnehmer haben möchte.
  •  Prämien-Karten, die für erfüllte Aufträge Zusatzprämien ausschütten
  •  Geschäftsziel-Karten, die im Prinzip genauso wie Prämien-Karten wirken. [Den high-sophisticated Unterschied zwischen diesen beiden Kartenarten mag mir mal ein Fachmann erklären.]
  •  Sonderkarten, die wie eine der oben beschriebenen Karten genutzt werden können, und die so etwas wie eine Timing-Option darstellen.

Natürlich müssen wir die Kohle auch auf unsere Waggons aufladen, und wir müssen sie beim Kunden ausliefern. Dafür gibt es weitere Arbeitsplätze, an denen wir unsere Arbeiterkarten ablegen müssen, um die entsprechende Aktion durchzuführen.

Wie beim „Glück Auf“ – Brettspiel dürfen wir auch beim Kartenspiel jeden Aktions- und jeden Arbeitsplatz beliebig oft belegen, auch wenn vor uns bereits Mitspieler hier aktiv geworden sind, und genauso wie dort kostet es hier immer mehr Substanz, je öfter eine Aktion vor uns bereits durchgeführt wurde: das erste Aktiv-Werden kostet 1 Arbeitskraft, das zweite Aktiv-Werden kostet 2 Arbeitskräfte usw.

Das Besondere an diesem Prozess ist, dass die lineare Erhöhung der „Kosten“ genau eingehalten werden muss, ich muss z.B. als Dritter an einem Arbeitsplatz genau drei einsetzen, und darf nicht vier Arbeiter einsetzen. „Wo ist das Problem?“ könnte man fragen. Dazu haben sich Kramer / Kiesling aber etwas Sinniges ausgedacht: Unsere Arbeiter-Karten sind nämlich paketiert: 5 mal ein 1-Arbeiter-Paket, 2 mal ein 2-Arbeiter-Paket und je 1 mal ein 3-, 4-, bzw. 5-Arbeiter-Paket steht jedem Spieler zur Verfügung. Arbeiter dürfen beliebig addiert werden. Das 5-Arbeiter-Paket z.B. kann ich aber nicht loswerden, innerhalb einer ganzen Runde nicht, wenn nicht vor mir an einem der Aktions-Plätze ein 4-Arbeiter-Paket liegt. Der erste Anschein einer großen Flexibilität bei der vorhandenen Stückelung trügt, vor allem auch deshalb, da die ausliegenden Aktionskarten untereinander innere Abhängigkeiten besitzen, weswegen eine mögliche Aktionskarte für uns evtl. gerade nicht nutzbar ist, dieser Aktionsplatz in der nächsten Runde aber schon eine andere Wertigkeit bekommen hat.

Und wie werden die Siegpunkte verteilt? Bei jeder Auftrags-Erfüllung werden alle benötigten Karten (Kohle, Waggons, Lokomotive und Auftrag) abgeräumt; der Spieler nimmt sie in seinen Auslieferungsstapel. Nach fünf Runden ist Spielende und jeder Spieler wertet seinen Auslieferungsstapel nach den darin aufgeführten Punkten und Sonderpunkten aus. Der Spieler mit den meisten Siegpunkten hat gewonnen.

Günther kannte das Spiel, kannte und meisterte seine Herausforderungen am besten und gewann das Spiel. Moritz setzte alles auf eine Karte, d.h. auf das Abliefern mehrere Züge mit massig Kohle für mehrere Aufträge in der letzten Runde. Doch das Schicksal verwehrte ihm die letzte Auslieferung. Andernfalls hätte er seine Siegpunkte verdoppelt und Günthers Einlauf vielleicht sogar noch gefährden können.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (Rommé für Ruhrpottler, langweilig, das Ursprungsspiel ist besser), Günther: 6 (opportunistisch, antizyklisches Vorgehen ist die einzige Interaktion des Spiels), Moritz: 5 (nicht steuerbar, das Bietsystem ist langweilig bis blöd; meistens sind alle Aktions-Karten in der Auslage uninteressant, plötzlich kommt eine begehrenswerte Karte zum Vorschein, aber bevor man am Zug ist, ist sie schon wieder weg), Walter: 5 (Konkurrenz ist Fehlanzeige, autistisches Sammeln passender Karten, alles ist mehr oder weniger gut, am Ende eher weniger).

Das gleichnamige Brettspiel vom gleichen Autorenpaar bekam im Durchschnitt einen Punkt mehr.

2. “North American Railways”

Nachdem wir dieses seltene und seltsame Spiel von Peer Sylvester schon oft genug falsch gespielt und damit jedesmal seine ausgeklügelte Balance ausgehobelt hatten, wollten wir seinen Geheimnissen doch noch einmal auf den Grund gehen.

Diesmal wurde für die Aktien durchweg mehr eingesetzt als beim letzten Mal, sie gingen auch sehr viel langsamer weg, die Gesellschaften konnten sich lukrativere Strecken zulegen und diese auch noch länger nutzen, so dass es immer spannend blieb, wer wen wie hoch als Mitaktionär bei sich einsteigen ließ und wie gesellschaftsschädigend sich die Minderheitsaktionäre benehmen würden.

Das Spiel hat was! Man muss natürlich seine tief sitzenden Gewohnheiten als 18xx-Empire-Builder gänzlich beseite legen. Man muss das nur schwer berechenbare, eher schon chaotische Geschehen auf dem Aktien- wie Strecken-Tableau als schnäppchenhaft mit erheblicher Potenz zu Miesnickligkeit ansehen und so genießen wollen. Dann kann man es. Wenn das kapitalistische Glück nicht uns trifft, dann können wir dies innerhalb der Mehrheit der nicht-betroffenen Aktionäre leicht ertragen. Wenn dagegen ein miesnickliges Unglück einen Mitspieler trifft, dürfen sich alle bis auf einen darüber freuen.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (1 Punkt mehr als mit unserem bisherigen falschen Regelverständnis, es kommt immer noch sperrig daher, und es besitzt unübersehbare Kingmaker-Effekte), Günther: 6 ([zu Aaron: “und dafür vergibst du 7 Punkte?!”]), Moritz: 6 (1 Punkt mehr, nicht mein Spiel, zu viele Punkte, an denen man gespielt wird, öfters auch eine langweilige Rechnerei, „Ihr wolltet halt alle mal wieder miesnicklig sein!“), Walter: 7 ([bleibt] trotz einfacher Regeln ist die Gewinnstrategie, sind Fragen über viel oder wenig, Geben oder Nehmen immer noch unbekannte Größen; das spricht doch FÜR das Spiel).

3. “Trans Europa”

Das kleine, fast unscheinbare Eisenbahn-Streckenbau-Spiel aus dem Jahren 2005 hat in all den Jahren, die wir es spielen, noch nichts von seinem Charme eingebüßt. 18 mal lag es bei uns bisher auf. Zum Warming-Up genauso gut geeignet wie als Absacker. Und von der Spieldauer her können es Kinder im Grundschulalter auch schnell noch einmal spielen, bevor es ins Bettchen geht.

Konkurrenz, Interaktion, Kooperation wie auch eigenes Süppchen kochen, Sich-Verstecken und wohlproportioniertes Sich-erkennen-Geben ist zu einem gelungenen, runden Spiel zusammenkomponiert worden. 2 bis 6 Spieler können sich gleichermaßen damit vergnügen. Und wer hat so sich ein hübsches Spiel ausgedacht? Natürlich ein Großmeister: Franz-Benno Delonge. Vor 9 Jahren ist er verstorben. Aber ganz gewiss hat er einen Platz im Paradies für die „Freude schaffenden Künstler der Menschheit“ gefunden.

WPG-Wertung: Keine Änderung für ein 8-Punkte-Spiel.

09.11.2016: „First Class“ im Orient-Express nach Azuchi

„Zwei Wochen vor der US-Präsidentschaftswahl liegt Hillary Clinton in den Umfragen klar voran. Während sie im Popular Vote an einem zweistelligen Vorsprung kratzt, hat sie auch im Electoral College eine relativ sichere Staatenkombination auf ihrer Seite. Donald Trump punktet derzeit in Ohio und Iowa, steckt aber in vielen republikanischen Staaten im Umfragetief, wodurch auch ein Erdrutschsieg Clintons plötzlich möglich ist.

Laut derzeitiger Prognose hätte Hillary Clinton 333 Wahlmänner hinter sich. Wenn man ihre sicheren und relativ sicheren Staaten zusammenzählt, liegt sie auch bereits bei 272 Stimmen und somit der Präsidentschaft. Das heißt im Klartext: Clintons Führung ist derzeit einzementiert. Nach drei desaströsen TV-Debatten und Sexskandalen am laufenden Band, ist es für Donald Trump zwei Wochen vor der Entscheidung aus eigener Kraft wohl kaum noch möglich, die Wahl zu gewinnen.

Wie schon erwähnt, bräuchte Trump wohl einen großen Skandal Clintons und fehlerhafte Umfragen, um noch Chancen auf den Wahlsieg zu haben. Derzeit hat er nämlich keine. Selbst, wenn alle (relativ) engen Staaten am Ende ihn wählen, gewinnt Clinton die Präsidentschaft.“

Warum müssen wir solchen und ähnlichen Schwachsinn monatelang über uns ergehen lassen? Hallo Fernseh-, Rundfunk- und Zeitungs-Journalisten, schreibt uns doch lieber jeden Tag ein Kapitel aus Grimms “Haus- und Kindermärchen”. Da wissen wir wenigstens, dass es am Ende immer ein Happy-End gibt!

1. “First Class”

Siegpunktleiste und Spielertableau in „First Class“
Siegpunktleiste und Spielertableau in „First Class“

Helmut Ohley kommt vom Erfinden von Brettspielen zum Thema Eisenbahnen einfach nicht los. Bei Luding sind schon 16 solcher Spiele von ihm aufgeführt. Er ist immer noch auf dem Höhepunkt seiner Zeugungsskraft und bringt jedes Jahr ein neues Kind in diese unsere Spielewelt. Vor zwei Jahren waren es die „Russian Railroads“ und letztes Jahr eine deutsche Variante davon „Russian Railroads: German Railroads“. Dieses Jahr erhielt das Kind mal wieder einen neuen Namen: „First Class“. Gemäß Spielanleitung sind wir mit dem Orient-Express unterwegs.

„Brettspielpoesie“ schrieb über „Russian Railroads“, das 2014 mit dem „Deutschen Spielepreis“ ausgezeichnet wurde: „Ein großartiges Workerplacement-Spiel mit vielen verschiedenen Strategien, welche richtig eingesetzt zum Sieg führen können.“ Diese Charakterisierung trifft auf alle Spiele von Helmut zu. Ganz ehrlich! Aber wie lang hält eine Begeisterung an, wenn sich das auslösende Objekt immer nur wiederholt? Wie lange können wir uns über Sachertorten freuen, wenn jeden Tag eine neue auf den Tisch kommt? Wieviele Nächte können wir die Freuden eines Harems genießen, wenn die freudevollen Mechanismen doch immer nur ähnlich oder gleich sind?

„First Class“ hat zweifellos viel Ähnlichkeit mit den „Russian Railroads“.

  • Jeder Spieler baut an zwei (drei) Zügen (Strecken), dargestellt durch Karten (Klötzchen), verlängert sie, erhöht die Wertigkeit der einzelnen Waggons (Gleisabschnitte), und bekommt dafür Punkte, wenn der Schaffner in den Waggons entsprechend vorwärts gegangen ist (wenn die Lokomotiven die entsprechende Reichweite bekommen haben). – In Klammern steht hier kursiv jeweils die entsprechende Terminologie aus RR.
  • Hat hat die Anzahl der Waggons (Gleisabschnitte) eine bestimmte Länge erreicht, werden Bonuspunkte ausgeschüttet.
  • Analog der Industrien in RR bauen wir eine separate Strecke für unsere einzige Lokomotive und lassen uns auf ihr mit direkten einmaligen sowie kumulativen wiederholten Prämien überschütten.
  • Anstatt wie bei RR mittels fünf Arbeitern auf dem Worker-Placement-Tableau unsere Aktionen zu wählen, liegen bei “First Class” die möglichen Aktionen als Kärtchen offen auf dem Tisch; jeder Spieler darf reihum dreimal eine daraus auswählen, an sich nehmen und sofort die entsprechende Aktion ausführen.
  • Wie bei RR gibt es Doppler-Kärtchen, mit denen wir die Siegpunkte für Waggons bzw. die Prämien für Lokomotiv-Felder verdoppeln dürfen. Sehr empfehlenswert, fast schon der Winning-Move.
  • Es gibt Geld, mit dem wir Zusatzaktionen finanzieren können, d.h. uns neue Waggons zulegen oder Schaffner bzw. Lokomotive zusätzlich bewegen dürfen.
    Zusammen mit den Bonus-Effekten beim Überschreiten der Waggonanzahl bzw. beim Erreichten von Bonus-Feldern mit unserer Lokomotive können wir dadurch richtig lange Kettenzüge entstehen lassen und ausgiebig darin schwelgen, während unsere Mitspieler entsprechend lange zuschauen und ggf. lange Gesichter machen. – Das machen sie aber nur bedingt, weil ihnen unser Gehabe und unser Besitztum nicht besonders zu Herzen geht. Jeder ist viel mehr auf sich selber konzentriert, plant seinen eigenen mobilen Ausbau, und freut sich auf die nächsten Punkte, die unweigerlich mit seinem nächsten Zug auch ihm zugute kommen werden.
  • In zwei Zwischenwertungen und einer Schlusswertung wird das individuelle Besitztum mit Siegpunkten honoriert.

Alles schön und gut, alles gekonnt durchkonstruiert, alles ausbalanziert. Alles trägt die Handschrift eines begnadeten Eisenbahn-Brettspiele-Erfinders. Bestes Material, klare, verständliche Spielregel, fast ein 10 Punkte-Spiel. So müsste es ein neugeborener Spieler des 21. Jahrunderts zweifellos bewerten.

Für (einen Großteil von) uns gilt allerdings zu „First Class“ genau das gleiche, was wir schon zu „Russian Railsroads“ geschrieben haben: Unbestritten ist es ein sehr schönes Spiel ist. Es ist rund und gibt jedem Spieler genügend Handlungsspielraum. Alles schwelgt in Siegpunkten, es gibt nur positive Effekte. Der Spielplan ist selbsterklärend, und wenn man die Symbole alle verstanden hat, ist jeder Zug leicht und durchsichtig. Zwei Stunden Spielzeit sind heutzutage keinesfalls mehr abschreckend und selbst bei den Grüblern am Westpark durchaus zu schaffen. Doch das Spiel hat auch Schwächen. …
Die größte Schwäche ist mangelnde Interaktion; sie beschränkt sich auf das konkurrierende Auswählen der Aktionskärtchen. Deren Wertigkeit ist aber so ausbalanziert, dass es sogar kaum lohnenswert ist, sich – fast kostenlos – die Startspieler-Karte zu reservieren. Der Rest ist ein solitäres Aufbauspiel.

Wie bei RR widersprach Günther auch hier heftig jedem einzelnen dieser Kritikpunkte. Für ihn ist halt jede Haremsdame immer wieder ein neuer, ungetrübter Genuss. Gott erhalte ihm diese Begabung!

WPG-Wertung: Aaron: 6 (viel zu viel [ungeliebte] Puzzelei; bei RR ist die dynamische Entwicklung der Siegpunkte und Prämien klarer und übersichtlicher), Günther: 8 (übersichtlich, [hübsches] Fiebern beim Auswählen der Aktionskärtchen, viele Wege führen nach Rom), Horst: 8 (ein „gutes“ Spiel [im Sinne von Barmherzigkeit], alles wird honoriert, man muss sich anstrengen, keine Punkte zu kriegen), Walter: 7 (aus dem déjà-vu-Gefühl heraus eigentlich nur 6 Punkte, schnell, dynamisch wachsende Siegpunkt-Ausschüttung, was aber nicht darüber hinweg täuschen soll, dass „die Tauben auch immer nur dorthin fliegen, wo schon welche sind“).

Für Genies und andere scheint es offensichtlich ein größerer Genuss zu sein, ein Leben lang „18xx“ und davon abgeleitete, fern oder nahe verwandte Spiele zu erfinden, als für alte Hasen, selbige ein Leben lang zu spielen.

2. “Azuchi Castle”

„Die Sengoku-Era: Die Autorität der Zentralregierung war geschwächt und die Lokalherren ringen um Macht. … Als der Kriegsherr Oda Nobunaga im Kyoto ankam, hofften die Menschen, dass nur endlich Frieden einkehren würde. Oda wollte das Land vereinigen, indem er die Regierung umstrukturierte und die alleinige Macht wieder in die Hand des Kaisers legte.“ – Mein Gott, diese Einleitung in der Spielregel hat mit “Azuchi Castle” genauso wenig zu tun wie die US-Wahlprognosen mit dem Wahlausgang.

Drei Aktions-Karten liegen offen auf dem Tisch mit den Aktionsmöglichkeiten:

  1. einen Rohstoff in den Farben grau, braun oder schwarz zu bekommen,
  2. einen Rohstoff aus einer beliebigen Farbe in einen anderen Rohstoff umzutauschen
    oder
    zwei beliebige Rohstoffe gegen eine Münze oder einen Zusatz-Arbeiter einzutauschen,
  3. eine Verteidigungskarten zu nehmen.
    Wofür die ist, das kriegen wir später.

Natürlich liegen in der Regel nicht drei verschiedene Aktionskarten aus, statistisch gesehen sind nur zwei davon verschieden. Wir können schon glücklich sein, wenn wir überhaupt eine davon gebrauchen können, denn ohne Besitz von Rohstoffen können wir auch nicht umtauschen, und wenn wir noch keine Siegpunkte auf dem Konto haben, brauchen wir auch keine Verteidigung. Ebenfalls macht es nicht gerade fett, einen braunen Rohstoff so mir-nix-dir-nix in einen schwarzen zu verwandeln, oder umgekehrt. Freiheitsgrad in der Größenordnung von Null!

Zweimal dürfen wir eine der ausliegenden Aktionskarten auswählen (es wird jedesmal eine neue Karte aufgedeckt) und danach unsere beiden Arbeiter auf ihnen platzieren, sonst rollen die Rohstoffe nicht heran und ein Umtausch wäre auch nicht erlaubt. Für einen evtl. eingehandelten Zusatz-Arbeiter ist zunächst kein Platz. Eine ganze Weile lang nicht, und im Nu, nach einer kleinen Verteidigungsaktion ebenfalls nicht mehr. Sein Einkauf gegen zwei Rohstoffe war dann wohl etwas voreilig. Wenigstens verrostet der Arbeiter nicht, und eilig ist eh nix.

Nach den Aktionskarten wird eine einzige Ereigniskarte gezogen, die alle Spieler betrifft. Auch hier gibt es drei Möglichkeiten:

  1. drei verschiedenfarbige Rohstoffe können in 3 Siegpunkte umgewandelt werden,
    oder
    der Zusatz-Arbeiter kann in 2 Siegpunkte umgewandelt werden,
  2. eine Münze darf in zwei Siegpunkte umgewandelt werden,
  3. es erfolgt ein “Angriff”!
    Aha, dafür also die Verteidigungskarte: Wer eine Verteidungskarte besitzt und darauf einen Arbeiter platziert hat, bekommt Siegpunkte, andernfalls werden ihm welche abgezogen.

Anschließend wird alles wieder abgeräumt: Unsere beiden Aktionskarten kommen in den Orkus, eine verteidigt habende Verteidigungskarte ebenfalls. In der nächsten Runde fangen wir wieder ohne Besitztum von vorne an, suchen uns zwei Aktions-Karten aus, und lassen unseren Zusatz-Arbeiter weiterhin rosten. Falls wir inzwischen nicht die Nase von seiner Nichts-Tuerei voll haben und ihn bei einer passenden Ereigniskarte für zwei Siegpunkte über den Jordan schicken.

Wo ist der Witz? Fehlanzeige! Wo ist Gaudi? Resignierender Trost: „In unserem Alter verstehen wir solche Spiele halt nicht mehr!“ Das Spiel wurde in Essen 2016 als Geheimtipp gehandelt, Aaron war seinen geheimen Verführern erlegen und hatte es gekauft. 8 Euro darf man schon mal in der Isar versenken. Aber in Zukunft sollte man solche Freunde schon etwas genauer unter die Lupe nehmen.

Bei BGG steht über “Azuchi Castle” : „excellent quick game in an adorable little box“. Dem haben wir nichts mehr hinzuzufügen. Höchstenfalls: „lieber noch hundertmal mit dem Orient-Express First Class nach Istanbul.“

WPG-Wertung: Aaron: 3, Günther: 3 (vielleicht sollte man nochmals die Regeln lesen! [Das hat aber leider auch keinen Mehrwert zutage gefördert], Walter: 3 (lieber noch japanische Burgen als amerikanische Präsidenten).

02.11.2016: Berechenbare Railroads und unberechenbare Railways

„Überhaupt ist im allgemeinen das hohe Spiel [um hohe Geldsummen] kein Gesellschaftsspiel. Was man auch sagen mag. ist doch niemand dem Verlust gegenüber völlig gleichgültig. Es ist nicht wegen dem Geld, aber es ist doch eine Art Demütigung, besiegt zu werden. Das verdirbt die Stimmung, anstatt dass man nur zum Zeitvertreib spielt. Ohne großes Interesse [Risiko] ist man ruhiger dabei; ich für meinen Teil hasse das hohe Spielen, es ist in der Gesellschaft eine Quelle von tausenderlei Unannehmlichkeiten.“
Maria Leopoldine, Bayerns letzte Kurfürstin

1. “Railroad Revolution”

Das Setztableau in „Railroad Revolution“ – Frage: Woran erkennt man, dass dieses Szenenfoto nachträglich geschossen wurde?
Das Setztableau in „Railroad Revolution“ – Frage: Woran erkennt man, dass dieses Szenenfoto nachträglich geschossen wurde?

Es geht um den Aufbau der Eisenbahnen auf dem US-amerikanischen Kontinent. Das Beiwort „Revolution“ im Spieltitel soll zum Ausdruck bringen, dass zeitlich gerade „die Eisenbahnrevolution begonnen“ hat, aber es ist eher eine ganz friedliche Evolution, die hier vor sich geht: Alle Spieler werkeln relativ unbeeinflusst voneinander an den verschiedensten Siegpunktquellen, die überall und für alle erquickend und labend ihren Segen hervorsprudeln. Wir bekommen sie für

  • Bahnhöfe, die wir bauen,
  • Gleisstrecken, die bis zum Pazifik reichen,
  • Lokomotiven, die in vielfältiger Form ihr Füllhorn ausschütten,
  • Engagement beim Telegrafennetz,
  • Erfüllung von Transportaufträgen.

Alles geht ganz einfach und reibungslos. Jeder darf jedes Feld mehrfach belegen, auch wenn Mitspieler schon vorher da waren. Fremde Bahnhöfe können beliebig an- und durchfahren werden. Alle bauen ihre Imperien mehr oder weniger über- und ineinander. Der Erste an verschiedenen Lokalitäten bekommt zwar einen Zusatzvorteil des Erstgeborenen, doch es gibt so viele Lokalitäten auf den Spielbrett, so dass jeder irgendwo für einen gleichwertigen Vorteil zum Zug kommen kann.

Bereits bei Spielbeginn sind wir im Besitz von allen Gleisen und Bahnhöfen, die wir benötigen. Ja noch viel mehr, als wir benötigen. Wir können beliebig viele Teile unserer Gleise und Bahnhöfe zu immer mehr steigenden Preisen an die Bank zu verkaufen, um uns für unsere Bauvorhaben zu finanzieren. Gleise zu legen und Bahnhöfe zu bauen kostet dann Geld. Auch für verschiedene Nebenaktivitäten ist es von Vorteil, eine gefüllte Börse zu haben.

Wir agieren mit Hilfe von Arbeitern, von denen wir jeweils einen auf den vier möglichen Aktionsfeldern unseres Spielertableaus einsetzen, um dann die entsprechende Aktion durchzuführen, also Gleise legen, Bahnhöfe bauen, Telegrafen errichten, unser Besitztum veräußern und nebenbei auch ggf. Transportaufträge erfüllen.
Unter den Arbeitern gibt es brave weiße (politically correct) Alleskönner, und verschiedenfarbige Spezialisten, die alles besser können, d.h. zusätzlich zu ihrer normalen Tätigkeit für uns noch einen Bonus herausholen, z.B.:

  • zusätzliche Geld-Ausschüttungen
  • Rabatte bei Anschaffungen und Baukosten
  • die Füllhörner unser Lokomotiven zum Ausschütten bringen
  • an der operativen Stelle das Erstgeburtsrecht nochmals in Anspruch nehmen, auch wenn wir erst der Zweite oder Dritte sind
  • und vieles mehr.

Mit Alleskönnern fangen wir an, die Spezialisten laufen uns automatisch zu, wenn wir bestimmte Bahnhöfe gebaut oder erreicht haben. Für einen Batzen Geld kann man auch welche kaufen. Das rechtzeitige Zulegen von optimalen Spezialisten und ihr taktisch richtiger Einsatz auf den verschiedenen Aktionsfeldern gehört unbedingt zu einem erfolgreichen Spiel.

Die „Lokomotiven“ heißen nur so, weil ein entsprechendes Bild daraufgedruckt ist. Ansonsten sind sie reine Füllhörner, die zum einen in der Endabrechnung Siegpunkte bedeuten, zum anderen im Laufe des Spiels ständig wie ein Tischlein-deck-Dich genutzt werden können, um

  • neues Geld zu beschaffen,
  • neue Aktien zu beschaffen,
  • billige Gleise zu legen,
  • auf der Faktor-Leiste vorwärts zu schreiten. (Damit wird bei Spielende unser Besitz an Strecken, Bahnhöfen und Telegrafenbüros multipliziert, wenn daraus die Siegpunkte berechnet werden).

Mit Lokomotiven können auch weitere Lokomotiven aktiviert werden, so dass man sich eine ganze Maschinerie von Füllhörnern zusammenstellen kann, die bei jedem Zug allesamt in Aktion geraten und ihre Wohltaten ausspucken. Besonders Günther, der das Spiel schon einmal gespielt hatte, kannte diese wunderbare Einrichtung, und da er von Natur aus ein glückliches Händchen für einen solchen Maschinenbau besitzt, dauerten seine Zug messbar länger als die der Mitspieler und brachten spürbar mehr Früchte zum Vorschein. (Aber das sind wir von ihm ja schon gewohnt.)
Was gibt es noch zur „Railroad Revolution“ zu sagen? Das Spielmaterial ist hochwertig (so etwas haben wir schon lange nicht mehr erwähnt), die Regeln sind auf 16 Seiten sehr sauber und klar dargelegt, es ist alles rund und schön, niemals gibt es einen Engpass, alles ist konstruktiv und erfreulich, nirgends fließt Schweiß, alles wird dick und fett honoriert, die einzige Enttäuschung kann sein, dass man in Nachbars Garten hineinschaut, und dort alles noch viel üppiger blüht und gedeiht.

Wer Lust hat, kann sich dann hinterher in sein stilles Kämmerlein begeben und eine umfangreiche Tabellenkalkulation ansetzen, welche der vielen Siegpunktquellen bei der „Railroad“ am stärksten sprudelt bzw. wie man sie am stärksten zum Sprudeln bringen kann. (Siehe Günthers Lokomotiven-Maschinerie!) Keiner wird einem beim nächsten Mal in die Quelle pinkeln. Es gibt keine Brunnenvergiftung. Es geht alles nur aufwärts.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (mag Puzzle-Optimiererei grundsätzlich nicht, deshalb auch nicht „Railroad“; dabei ist „Railroad“ in dieser Beziehung aber besser als so manches andere Spiel dieser Gattung, in jeden Fall aber zu „lieb“), Günther: 8 (schwelgt in solchen Aufbau-Maschinerien; es ist nicht ausgeschlossen, dass „Railroad“ nach dem fünften Mal ausgelutscht ist, aber so oft spielen wir es am Westpark ohnehin nicht), Moritz: 5 (Solitär-Puzzle, hinten und vorne fehlt Konkurrenz, ein Spiel, bei dem man vier Stunden den [immer gleichen] Spielplan anschaut und danach optimiert, keine flexible Reaktion nach Art der Rosenberg-Puzzles erforderlich), Walter: 6 (alles passt, alles sauber austariert, schlussendlich aber viel zu lange und dann im Endeffekt auch repetitiv; hat als gefühlsmäßig agierender Spieler keine Lust, längerfristig immer nur darauf zu warten, bis alle Mitspieler ihre optimierten Züge durchgerechnet und durchgeführt haben.)

2. “North American Railways”

Eine ganz andere Art von „Eisenbahn-Aktienspiel“ wird hier geboten. Schon am 4. und 11. Februar vorigen Jahres lag der Prototyp zweimal zu unserer Begutachtung auf, jetzt im fertigen Produkt hat sich außer am Material nichts Erkennbares geändert. In dem gewohnten Dreier-Rhythmus von Eisenbahn-Aktien-Spielen

  • legen wir uns Aktien der verschiedenen Gesellschaften zu,
  • bauen wir das Streckennetz der Gesellschaften aus,
  • kassieren Einnahmen für die Gesellschaften und verteilen es an die Aktienbesitzer.

Im Gegensatz zu allen Mitgliedern der 18xx-Familie

  • dürfen wir pro Runde nur eine einzige Aktie erwerben,
  • können wir keine beliebige Aktie erwerben, sondern nur die unterste aus einer der vier Kolonnen, in der alle vorhandenen Aktien zufällig ausgelegt werden,
  • können wir die ausgewählte Aktie nicht sicher kaufen, sondern lediglich für die ausgewählte Aktie einen beliebigen Preis bieten; der Präsident entscheidet dann, ob er uns diese Aktie überlässt oder ob er sie für diesen Preis selber kauft,
  • können wir keine Aktien verkaufen,
  • wird man Präsident einer Gesellschaft, wenn man mit der neu-gekauften Aktie schon gleichviel Aktien hat wie irgend ein anderer Spieler,
  • wird ein Streckennetz nicht über verbundene Schienen dargestellt, sondern ist eine lose Sammlung beliebiger Städte,
  • entscheidet nicht nur der Präsident einer Gesellschaft über ihren Streckenausbau, sondern jeder Spieler, der an einer Gesellschaft beteiligt ist, darf mit ihrem Gesellschaftskapital auf den Markt gehen. Vor allem für miesnickelige (= scharf kalkulierende) Minderheitsaktionäre ist es selbstverständlich, von den flüssigen Mitteln ungeliebter Gesellschaften “schlechte” Städte zu kaufen, um so ihren Kurswert für die Endabrechnung auf niedrigstem Niveau zu halten,
  • wächst der Kurswert einer Linie nicht in positiver Relation zu ihrem Einkommen, sondern gerade gegenläufig dazu: je mehr Einkommenszuwachs eine neu hinzugenommene Stadt generiert, desto weniger steigt der Wert der Gesellschaft, der erst bei Spielende in Ansatz kommt.

Alles ist hier unwägbar.

  • Welche Gesellschaft soll ich zu Spielbeginn kaufen, wenn ich die erste Aktie einer Gesellschaft noch sicher erwerben kann? Eine Gesellschaft, von der in nächster Zeit voraussichtlich noch mehr Aktien auf den Markt kommen (aus dem unteren Bereich der Kolonnen), oder eine Gesellschaft, deren Anteile erst gegen Spielende käuflich werden?
  • Für wieviel Geld sollen wir Gesellschaften “floaten”? Für viel Geld, damit sich die Gesellschaft ein hübsches Streckennetz aufbauen kann, oder für wenig Geld, weil es ja unser eigenes Geld ist, das wir hinlegen müssen, mit dem die Gesellschaft u.U. wegen der staatlichen Abschöpfung beim Gesellschaftsvermögen und wegen der teuren Preise aber neben dem Mindesteinkommen kein weiteres Einkommen generieren kann.
  • Wieviel Geld sollen wir einem Präsidenten für eine Aktien bieten

a) wenn wir damit die Präsidentschaft übernehmen können?
b) wenn wir uns damit nur an der Gesellschaft beteiligen, ohne selber Präsident zu werden?

Das ist halt das übliche Dilemma eines Aktien-Kuhandels. 18xx-Fans müssen sich erst an das deutlich andere Gehabe der “North American” gewöhnen. Wir spielen kein 1830!

Heute gingen alle Aktien zu ungemein niedrigen Werten weg. Das hatte zur Folge, dass die Gesellschaften ständig unter Liquidität litten und sich in einigen Streckenrunden keine einzige Stadt zulegen konnten. Bald waren alle Aktien vergeben, aber nur ein Bruchteil der Städte angeschlossen. Offensichtlich haben wir – ökonomisch – etwas falsch gemacht!

Günther hatte seine Start-Gesellschaft für den niedrigst-möglichen Wert von 100 Dollar gefloatet- Von der gleichen – von uns ungeliebten – Gesellschaft lagen gleich noch drei weitere Aktien an den untersten Stellen der Aktien-Kolonnen. Aaron bot sie Günther der Reihe nach für jeweils nur ein billigstes Geld an. Hintergedanke war, dass auf diese Weise die Linie am Ende nur äußerst mager ausgestattet sein sollte. So war es auch. Günther konnte mehrere Runden lang mit seiner Gesellschaft nur das Garantie-Einkommen von 100 Euro für den Präsidenten einfahren. Etwas frustrierend für ihn und zur Freude seiner Mitspieler. Doch in „North American Railways“ darf man sich nie zu früh freuen. Einige Runden später kaufte Günther noch zwei weitere Aktien seiner eigenen Gesellschaft zum jeweils vorgeschriebenen Maximalpreis, die Gesellschaft war auf einmal liquide und konnte sich – was gerade am Ende wichtig ist – geile Städte zulegen, die vor allem ihren Aktienwert steigen ließen. Es hätte fast noch zu seinem Sieg gereicht.

Aaron wurde Sieger, nachdem er Moritz, der auf eine tolle Gesellschaftsentwicklung hingearbeitet hatte, noch schnell ein Kuckucksei in die Wiege legen konnte, sprich dessen Gesellschaftskapital für läppische Einnahmen verpulvert hatte.

Es darf geschadenfreudet werden!

WPG-Wertung: Aaron: 6 (interessante Mischung von ungewohnten Mechanismen, leider ein wenig sperrig und wenig intuitiv in der Kombination), Günther: 5 (zuviel Zufall, zuviel erforderliche Überlegungen bei der Aktienpreis-Kalkulation, deren Nutzeffekt schlussendlich doch nur Zufallsentscheidungen unterliegt), Moritz: 5 (in einem Aktienspiel müßte man Aktien auch verkaufen können), Walter: 7 (lustig, das Spiel ist kein Optimierungsspiel, sondern eines, das man spielerisch angehen muss und bei dem man über die zu Tage tretenden seltsamen Effekte lachen darf. [Was wir schließlich auch getan haben.]

Nach dem – für 18xx-Freaks – etwas seltsam verlaufenem Spielende studierten wir nochmals das Regelheft, und siehe da, wir hatten einen gewaltigen Regelfehler begangen: Aaron hätte Günther nicht gleich drei Aktien der gleichen Linie hintereinander zum Erwerb anbieten dürfen, sondern, falls der Präsident diese Linie erwirbt, nur eine einzige. Dadurch war Günthers Geschäftsverlauf absolut anders, als er nach den Regeln hätte sein dürfen. – Alle nehmen wir unsere Wertungsnoten vorläufig noch einmal zurück.

Allein die Tatsache, das wir nach Spielende noch stundenlang bis weit in die Nacht über Strategie und Taktik bei der Auswahl der Aktien und dem optimalen Preis dafür diskutiert haben, ohne zu klaren Erkenntnis-Entscheidungen zu kommen, ist ein Zeichen dafür, dass das Spiel „etwas“ hat! Wir haben seine Geheimnisse noch lange nicht entschlüsselt.

26.10.2016: “Bessere Spiele der letzten Jahrgänge”

„Glaube keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast.“ – Ein geläufiges Bonmot, dessen Urheber unbekannt ist. Für jeden redlichen Mathematiker ist darin enthaltene Wahrheit aber immer wieder eine traurige Erkenntnis.

Jetzt habe ich vier Tage lang daran gearbeitet, meine WPG-Statistiken auf Vordermann zu bringen. Zielsetzung waren Antworten auf die im Prinzip einfachen Fragen: Wieviele Spiele haben wir insgesamt gespielt? Wie oft haben wir die verschiedenen Spiele gespielt? Wann haben später dazugekommene Teilnehmer zum ersten Mal bei uns gespielt?

A & O der ganzen Geschichte ist natürlich eine eindeutige Schreibweise aller Spielenamen in allen unseren Texten: in der Rangliste, in den Session-Reports und in allen Kritiken. Was natürlich nicht gegeben war: Unterschiedliche Schreibweisen und jede Menge Schreibfehler machten aus der Harmonisierung der Namen (mit Luding als Eichmaß) eine wahre Sisyphus-Arbeit.

Und wie beim echten Sisyphus ist die Arbeit nicht beendet, sondern nur abgebrochen. Bei jedem später bemerkten Flüchtigkeitsfehler müsste man die statistischen Rechnereien nochmals von vorne anfangen. Irgendwann mal hatte ich die Nase voll davon!

Das nachfolgend aufgeführten Zahlen sind also falsch. Sowieso sind sie nur flüchtig und morgen schon überholt. Aber die Gesamtrichtung stimmt, auf eine Zahl mehr oder weniger, rauf oder runter ist, darauf kommt nicht an.

Insgesamt 1131 Spiele lassen sich in unseren Aufzeichnungen nachweisen.
Davon haben wir 798 Spiele nur einmal gespielt, 229 Spiele zweimal, 64 Spiele dreimal und 27 Spiele viermal.
Am häufigsten haben wir „Bluff“ gespielt: 243 mal, mit weitem Abstand folgt dahinter Flaschenteufel mit 37 Auftritten, „Zoff im Zoo“ mit 18, „Trans Europa“ mit 17 und „6 nimmt!“ mit 14.
Kurz dahinter folgt das noch recht „moderne“ „AbluXXen“, das 12 mal gespielt wurde und durchaus noch Chancen hat, als Absacker-Spiel auf unser Häufigkeits-Treppchen zu kommen.
Dass Peter mit „Cartagena“ am 15.04.2001 zum ersten Mal am Westpark dabei war, könnte man aus verschiedenen Indizien schließen, allerdings sprechen andere Indizien gegen diese Aussage. WPG-Internas bei der Informationsgewinnung.

Ich selber möchte mich persönlich aber auf alle Fälle noch zu den redlichen Statistikern zählen, denn ich habe meine obigen Zahlen klar und deutlich mit dem Zusatz hingeschrieben, dass sie nicht nur als falsch sein können, sondern sogar falsch sind!

1. “Krazy Wordz”

Kreative Geister bei „Krazy Wordz“
Kreative Geister bei „Krazy Wordz“

Schon im Vorfeld hatte Peter für den heutigen Abend um eine Auswahl an bewährten, neueren Spielen gebeten, die bisher an ihm vorbeigegangen waren. Zum Warming Up fingen wir dann mit dem Partyspiel „Krazy Wordz“ an. Zu vergebenen Begriffen müssen wir uns garantiert nicht-existierende Wörter ausdenken und hoffen, dass die Mitspieler die Zuordnung finden.

Die Regel für das „garantiert nicht-existierend“ sollte eigentlich eindeutig sein, ist es aber nicht. Auch dicht daneben liegende Falschschreibungen, sowie Eigennamen sind nicht erlaubt. Wenn wir heute nicht so bewusst locker in den Spieleabend eingestiegen wären, hätten es schon bei Moritz’ „Opah“ krachen können, „vor dem ihm seine Oma immer gewarnt hat“; denn hier schreit der wahre „Opa“ doch schon heraus. Selbst Walters „Vis“ als „persischer Herrschertitel“ ist nicht zulässig. Allerdings nur für persisch-literarisch Gebildete. Wer weiß im Abendland schon, das „Vis und Ramin“ ein persisches Liebesgedicht ist, viel fremdgeherischer als „Romeo und Julia“, und in dieser Hinsicht auch noch viel saftiger als „Tristan und Isolde“ …

WPG-Wertung: Die Neulinge von heute blieben genau im bisherigen WPG-Schnitt von 7.5 Punkten: Peter: 7 (OK, unterhaltsam, würde es mir aber nicht kaufen); Loredana: 8 (es hat mir gefallen, weil ich schon lange nicht mehr gespielt habe, es ist schnell und unterhaltsam, würde es noch einmal spielen).

Bemerkenswert: Unser Denker-Genie Günther wurde Letzter. Das nur zur intellektuellen Einschätzung von „Krazy Wordz“!

2. “Isle pf Skye”

Vor genau einem Jahr zum ersten Mal bei uns auf dem Tisch. Moritz hatte sogar ein Video mit der Diskussion über unsere Notenvergabe gedreht, die Veröffentlichung aber zurückgezogen, weil Günther dagegen war. „Keine privaten Bilder in fremde öffentliche Kanäle!“

Wir ersteigern Landschaftskärtchen und werden für unseren ständig wachsenden Besitz in fünf Wertungssrunden mit Siegpunkten überschüttet. Wer recht schnell – zufällig oder gekonnt – zu einer blühenden Landschaft kommt, hat damit aber noch lange nicht gewonnen, denn ab der Mitte des Spiels ist ein führender Punktestand ein Handicap, für das die schlechter gestellten Mitspieler mit teilweise üppigem Einkommen entschädigt werden. Ein spieltheoretisch sehr gutes Regeldetail, auch wenn es ein Spieler sehr pejorativ mit „totaler Sozi-Scheiß“ apostrophiert hat. In einem guten Spiel sollte ja nicht nur der beste Kopf oder die glücklichste Hand einen Start-Ziel-Sieg hinlegen können, auch Spieler aus den hinteren geistig-unglücklichen Niederungen sollen noch eine Chance auf den Sieg haben oder sehen. Oder zumindest einen dicken Batzen Einkommen als Trostpreis auf ihrem Konto verbuchen können.

Warmduscher-Regel: Vernichte in jeder Runde das Beste Deiner gezogenen Landschaftskärtchen: dann kann es wenigstens auch kein Mitspieler nutzen (, hat sich darüber vielleicht aber längere Zeit den Kopf darüber zerbrochen)!

WPG-Wertung: Auch hier blieben P&L nahe beim bisherigen WPG-Schnitt: Loredana: 7 (es hat mir gefallen, weil ich schon lange nicht mehr gespielt habe, weniger schön ist die Abhängigkeit von den Interessen der Mitspieler), Peter: 6 (ich bin nicht so begeistert, mag das Mitspielerchaos nicht; gegen das Vorgehen der Mitspieler gibt es praktisch keine Mittel).

Unser Denker-Genie bekam einen Mittelplatz!

3. “AbluXXen”

Die Absacker-Zeit wurde eingeläutet, auch wenn es noch zwei Stunden bis Mitternacht war. „AbluXXen“, mit dessen taktischen Anforderungen Profi Helmut letzte Woche noch erhelbliche Schwierigkeiten hatte, sollte von zwei weiteren Geistesgrößen unter die Lupe genommen werden. Dabei hatte es die eine Geistesgröße Peter schon vor zwei Jahren für zu leicht befunden: „6 Punkte, weil ich ständig eine Straße hatte!“

Loredana trat eher in die Fußstapfen von Helmut: ihre Lernkurve ist noch längst nicht in die Nähe der waagrechten Asymptote gekommen. Heute haben wir ja auch schon nach zwei Durchgängen abgebrochen, weil den Verlockungen unseres Absackers Nr 1 einfach nicht mehr zu widerstehen war. „AbluXXen“ ist zweifellos ebenfalls ein Absacker, aber man muss dabei doch ständig geistig am Ball bleiben, sonst hat das Spiel überhaupt keinen Sinn!

WPG-Wertung: Loreana: 7 (das Spiel hat mit steigender Lernkurve viel Potenz nach oben).

4. “Bluff”

Ja, hier braucht man nicht ununterbrochen auf der Hut zu sein. Die Erhöhungen und Anzweifelungen der Mitspieler kann man ganz leicht und locker aus der Ferne ansehen, sie haben erstens nur einen geringen Einfluss auf die eigenen Entscheidungen, und falls dazwischen substantielle negative Auswirkungen stattfinden, sind zweitens meist nur die Mitspieler davon betroffen. Was kann man sich von einem echter Absacker mehr wünschen!

Peter: „Ein Abend ohne Bluff ist kein Spielabend.“

Im 1:1 Endspiel gegen Günther fing Peter mit 1 mal die Fünf an. Günther zweifelte an – und hatte gewonnen. Einer der vielen Vorteile der Immer-4-Strategie! Günther hätte sich mit seinem Anzweifeln sehr viel schwerer getan!

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.