05.07.2017: Birth of a Game

Von der Stirne heiß
rinnen muß der Schweiß,
soll das Werk den Meister loben;
doch der Segen kommt von oben.

Und hat an ihm die Liebe gar
Von oben teilgenommen,
Begegnet ihm die selige Schar
Mit herzlichem Willkommen.

1. “Saami”

Viele Köche verderben den Brei. Und viele mitreden wollende und mitreden dürfende Mitesser erst recht! An seinem Nordic Marathon köchelt Aaron nun schon seit gut drei Jahren, aber weder Weg noch Ziel sind in trockenen Tüchern. Aus unseren gesammelten Session-Reports:

Noch ist Nacht bei den Samen

19.02.2014: Aarons fünfte Eigenentwicklung spielt in Ostfriesland. Wir kämpfen gegen natürliche Unbilden wie Sturmfluten und Quallen. Wenn wir sie besiegen, bekommen wir Land, Deiche und ähnliche Besitztümer; und die Nobiles des Landes, als da sind Richter und Häuptling, bekommen dafür Siegpunkte. Wenn wir die Sturmfluten nicht besiegen, geht Land unter, und der Häuptling wird abgesetzt.
Bis zur gelungenen Balance von Kosten und Nutzen, von Einsatz und Gewinn, Mangel und Überfluss, sowie von Beteiligung und Sabotage ist noch ein weiter Weg.

04.06.2014: Einsatz und Gewinn, Besitztumswahrung und Verlust, Hoffnungen und Risiken müssen in eine optimale und zugleich spielerische Balance gebracht werden. Noch gibt es an den Nobiles [sprich: Saami] etwas zu feilen.

09.07.2014: Für eine spielerisch befriedigende Balance muss weiter gefeilt werden. Doch Aaron ist auf einem sehr guten Wege.

16.07.2014: Es wird weiter an den Rädchen gedreht. … Gut Ding will Weile haben.

23.07.2014: Aaron muss hier, wie wohl jeder Autor, der veröffentlichen will, die Erwartungen der „Straße“ mit den Anforderungen der „Elite“ in Einklang bringen.

04.02.2015: Der Argentum-Verlag hat sich die Rechte gesichert. Wenn alles gut geht, sollte das Spiel in diesem Jahr in Essen herauskommen. Noch ist die Ideallinie nicht gefunden, aber Argentum sucht jetzt mit.

11.02.2015: Bleibt noch auszubalancieren, wie der Knalleffekt, mittels dessen der „Häuptling“ in der letzten Runde mit einem Schlag noch mehr als Hälfte seiner Siegpunkte machen kann, in eine solide Größenordnung dimensioniert wird.

25.02.2015: Im Spiel gibt es viele erfolgsversprechende Siegpunkt-Quellen. Allerdings beginnen bei jeder Drehung an den Balancierungs-Rädchen die Quellen an anderen Stellen zu sprudeln.

04.03.2015: Em Ende entscheiden ganz wenige, im Details nicht vorhersehbare Gegebenheiten über den Sieg. „Chaos“ oder „Mitspielerchaos“? Die Formulierung „nicht-beherrschbar“ brachte einen tragfähigen Kompromiss.

11.03.2015: Peter: „Das war richtig spannend. Das Spiel kann so in Produktion gehen.“

18.03.2015: Moritz hielt sich total aus der Politik raus, baute sich eine Geld-Generierungs-Combo, und kaufte damit auf Teufel komm’ raus Siegpunkte. Am Ende hatte er mehr als alle anderen zusammen. Die Effizienz dieser Strategie muss reduziert werden, denn politisches Lavieren gehört zur Grundidee des Spiel.

17.06.2015: Die Beschneidung von viel Wildwuchs und einige sehr geniale Umgestaltungen und brachten das Spiel jetzt Riesenschritte vorwärts. … Moritz: „Ein super Spiel; es besitzt keine eingefahrene Strategie, sondern ist höchst flexibel.“

02.12.2015: Ein Würfel kam ins Spiel, und es wurde an den Schrauben für Siegpunkte gedreht. Die gleiche Euphorie wie bei den früher aufgetischten Version kam heute nicht auf. Es ist halt nicht so leicht, es allen recht zu machen. Spieletester nördlich des Mains gehen offensichtlich anders an Spiele heran als wir. Und wir am Westpark haben sowieso keine markt-relevante Meinung.

09.12.2015: Die einen mögen jetzt noch mehr Lametta, die anderen noch mehr Zufall und die dritten eine noch stärkere Konzentration auf des Pudels Kern.

07.04.16: Das frühere taktische und strategische Planen von Männern und Material ist jetzt total aus dem Fokus des Spielablaufs verschwunden. Heute geht es überwiegend um ein etwas kleinliches, unberechenbares, chaotisches Setzen, Entfernen oder Verschieben von Ostrakismos-Scherben. Die rheinischen Vorlieben für Spiel-Klimbim haben das wackere bayerische „Pack ma’s“ total in die Ecke gedrängt.

04.05.2016: Aaron hat den sicherlich schmerzhaften Prozess des sich Trennens von hübschen, aber unfunktionellen Schnörkeln in verhältnismäßig kurzer Zeit erfolgreich hinter sich gebracht. Jetzt vereinigt „Saami“ planerische und spielerisch-zufällige Elemente in harmonischer Weise miteinander. Für Spieler, Planer, Anpacker und Waghälse, für alle ist in „Saami“ etwas dabei. Vor allem aber für Spiele-Freaks. Der Westpark kann stolz darauf sein.

18.05.2016: Doch die Geschmäcker im Norden der Republik sind anders. Wieder wurde von dort gefordert, an weiteren Rädchen zu drehen und neue dazuzubasteln. Mit der allerneuesten Nord-Version hatten wir jetzt viel Spaß, teils mit den Regeln, teils gegen die Regeln, teils über die Gereimtheiten, teils über die Ungereimtheiten.

21.09.2016: „Ich sage definitiv nein!“ zeterte Moritz, als er den neuen politischen Wind mitbekommen hatte. Zufallseffekte entschieden über den Sieg. OK, wenn man in einem schnellen Spiel voller Unwägbarkeiten einem höchst spielerischen Auf-und-Ab unterworfen ist, dann ist dieser Ausgang spannend und stimmig. Zumindest tragbar.

08.02.2017: Nachdem die Belohnungen für die Boycotteure bis fast zum Ende jeder Runde verborgen bleiben, machten sich heute alle Mitspieler mehr oder weniger gleichmäßig an die öffentlich bekannten Siegpunkt-Belohnungen heran. Entsprechend gleichförmig schritten sie auf der Siegpunkteleiste voran, und entsprechend dicht lagen sie nach der Schlusswertung beieinander. Etwas unbefriedigend.

Und heute? Viele bewährte Design-Elemente wie Planungbarkeit, dosierte Zufallseinflüsse, Prioritäten, Interaktion, Bluff, Grübeln aber unter Zeitdruck, antagonistisches Taktieren, progressive Entwicklung und ggf. ein spannender Knalleffekt sind (oder waren einmal) in ein neues Thema mit hübschen antagonistischen Spielabläufen eingeflossen. Aber leider haben die vielen Köche und Mitesser daraus kein applaus-fähiges Menue zubereiten können. Aus Spargel mit Scampi und Sauce Bernaise wurde Schweinebraten mit Sauerkraut. Innen noch roh.

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.

2. “NMBR9”

Ziffern und Flächen in „NMBR9“

Peter Wichmann, ein alter Kumpel aus unserem Berufsleben im Hause Siemens, ist unter die Spieleautoren gegangen. Schon seit vielen Jahren: bei Luding wurde sein ersten Spiel „Schrille Stille“ bereits im Jahr 1999 notiert. Heute hatten wir zum ersten Mal an ein Spiel von ihm auf dem Tisch.

In „NMBR9“ (etwas flüssiger zu lesen als „number nine“) sind die Ziffern von 0 bis 9 in ziemlich sperrige Rechteckformen gepresst worden und liegen so als Pappkärten vor. Diese Kärtchen können beliebig zu Flächen zusammengelegt / zusammengesteckt werden. Vor allem sollten sie aber übereinander gelegt werden, denn das gibt viele Siegpunkte: Je höher desto mehr. Beim Übereinanderlegen ist nur zu beachten, dass unterhalb eines Ziffernplättchens kein Loch sein darf.

Insgesamt 20 Ziffernplättchen sind zu legen, von jeder Ziffer zwei Stück. Die Reihenfolge, in der die Ziffern gelegt werden müssen, wird von Ziffer zu Ziffer nach einer Zufallsauswahl bestimmt.

Leicht, locker, schnell, kein besonderer Tiefgang, aber man kann tüfteln, und wenn man gewinnt, war man zweifellos geschickter (oder auch glücklicher) als seine Mitspieler, eine Qualifikation, die keinem weh tut, dem Sieger aber schmeichelt.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (für Natascha), Günther: 6 (mit Tendenz zu 7, schnell und stimmig), Walter: 6 (hübsche kleine Idee, ein Amuse Gueule oder ein One-for-the-road).

3. “Tiefseeabenteuer”

Auch in einer 3er Runde ein überzeugendes Produkt. Viermal gingen wir auf Tauchstation. Dreimal kamen wir lebend nicht wieder hoch. Bei vierten Mal brachten Aaron und Günther je einen 4er Schatz nach oben, Günther’s Schatz hatte den zufälligen Wert 15, Aaron’s Schatz den Wert 14. Walter brachte sogar 4 Schätze nach oben, einen super 3er Schatz für 11 Siegpunkte, unter seinen restlichen drei 1er Schätzen waren allerdings 2 Nieten dabei: letzter Platz. Knapper Sieg für Günther.

Ja, dieserart sind die Ergebnisse eines vorzüglichen Würfelspiels mit jeder Menge Tiefgang. Allerdings sollte man es bei zwei Tauchgängen pro Spielabend belassen.

Keine neue WPG-Wertung 8-Punkte-Spiel.