18.07.2017: Erobern und besetzen, ersteigern und tauschen

Eine bekannte Bananenrepublik hat dieser Tage ihre Preisträger zur „Kenner-Banane des Jahres“ gekürt. Als wir von der Kür und den Gekürten erfuhren, wandten wir uns um und weineten bitterlich.

1. “Time of Crises”

Wir dürfen mal wieder das Römische Imperium aufmischen. In der gewohnten Szenerie rund um das Mittelmeer gibt es zwölf Provinzen und das Kernland Italien. Dort setzen wir in möglichst vielen Provinzen – solange unsere Munition reicht – unsere blauen Governors ein, rüsten rot militärisch auf, damit wir sie gegen eine feindliche Übernahme – durch Mitspieler oder sporadisch ausgewürfelte Barbaren – verteidigen können oder ggf. selber Nachbarprovinzen erobern können, und wir bauen gelbe Amphitheater, um unsere Beliebtheit zu erhöhen und die Bevölkerung in unseren Provinzen ruhig zu stellen, so das wir umso ungestörter Siegpunkte einstreichen können.

Am frühen Abend in die Krise

Der Motor unserer Aktionen besteht aus blauen, roten und gelben Potenzkarten, von denen jeder Spieler zu Spielbeginn die identische Ausstattung bekommt. In jeder Runde bekommen wir gemäß unserem jeweils aktuellen erarbeitetem bzw. erwürfelten Besitztum neue liquide Mittel, um damit weitere und vor allem stärkere Potenzkarten zu erwerben bzw. schwächere Karten abzuwerfen. Unseren Gesamt-Kartendeck müssen wrap-around benutzen, fünf Karten dürfen wir uns pro Zug auswählen und in einem Schwung einsetzen, dann kommt der nächste Spieler dran.

So fließt das Spielchen munter fort. Aufrüsten, Feinde bekämpfen, Provinzen übernehmen, Potenz pflegen, und vielleicht sogar einen Gegenkaiser ausrufen, mit dem wir dem legalen Imperator in Rom ganz schön ans Zeug flicken können, vor allem aber einen gehörigen Reibach an Siegpunkten einstreichen.

Wofür bekommen wir nun Siegpunkte:

  • für jede Provinz, die wir besitzen.
  • für jedes gelbe Schmuckstück, mit dem wir unsere Provinz ausgestattet haben.
  • für jeden Kampf, gegen Barbaren oder Nachbar-Governors, den wir würfelig gewonnen haben.
  • ganze Füllhörner von Siegpunkten für Italien, falls wir Kaiser sind bzw. für unsere vereinigten aufständischen Provinzen, falls wir Gegenkaiser sind.

Das Spiel ist hübsch designed, seine linearen und progressiven Effekte in Kosten und Nutzen sind überlegt, die Regeln einfach und überschaubar – auch wenn Aaron am nächsten Morgen gleich neun Punkte aufzählen konnte, in denen Moritz das 20-seitige Regelheft falsch rübergebracht hatte. Planung ist möglich, Zufall ist möglicher, Mitspielerchaos ist am möglichsten. Geborene Krieger können sich tummeln, können aufeinander einschlagen und von Arabien bis Britannien ihrem Cäesarenwahn frönen.

Allerdings besitzt das Spiel zwei grundsätzliche Geburtsfehler:

  1. Jeder Spieler muss die Potenzkarten für seinen nächsten Zug bereits unmittelbar nach seiner letzten Aktion heraussuchen, muss also entscheiden, wie viele Punkte er demnächst für Militär, Politik oder Ästhetik ausgeben möchte, ohne zu wissen, was seine drei Mitspieler ihrerseits im Schilde führen, wo Kämpfe angezettelt werden, ob herbe Verluste aufgefangen werden müssen, und ob bzw. wo Barbaren einfallen und unsere heile Welt in Unordnung bringen. „Schwachsinn hoch drei“ nannte Aaron diese Reihenfolge.
  2. Das Spiel dauert vier geschlagene Stunden in seiner KURZFASSUNG, d.h. wenn das Spiel endet, nachdem der erste Spieler 40 Siegpunkte erreicht hat. Die Langfassung dauert wohl noch eine Stunde länger. Geborene Krieger mögen das genießen. Für ein so deutlich zufallsabhängiges Spiel und für das im Prinzip zu gleichförmige Geplänkel zwischen Politik und Militär ist das viel zu lang.

Dass ein Spieler, der schlecht aus den Startlöchern herauskam, früh von Barbaren geschädigt oder von aggressiven Mitspielern kleingewürfelt wurde, und entsprechend seinem geringeren Besitztum auch beim Nachkaufen von Potenzkarten nur an die Billigheimer herankommt, diese Nachteile im Laufe des Spiels nicht mehr ausgleichen kann, könnte ebenfalls als Geburtsfehler gewertet werden, aber darüber wollen wir hier jetzt hinwegsehen. Aaron musste die Hälfte der Spielzeit – also 120 Minuten lang – unter diesem Schicksal leiden; die restlichen 120 Minuten verlegte er sich auf die gelbe Ausschmückung seiner Provinzen, und weil ihm kein Mitspieler diese streitig machen wollte – mangels Überblick über die gebotenen Chancen, denn für einen Appel und Ei wären sie zu kassieren gewesen –, konnte er am Ende sogar noch einen Platz auf dem Treppchen erreichen.

Walter hatte als einziger sein Potenz-Deck angehoben. Damit wollte er im Mittelteil des Spiels auch einmal in Rom den Imperator spielen. Sein Deck-Potenz reichte problemlos zum Verdrängen des bisherigen Statthalters Günther. Aber statt zu einem Augustus wurde er nur zu einem Romulus Augustulus. Das Reich war verkommen, der Kaisersitz im Nu verwaist, überall breitete sich Mob und Aufruhr aus, von an an wollte keiner mehr Italien regieren. Vor allem auch, nachdem Moritz in Macedonien sich zum Gegenkaiser hatte ausrufen lassen.

Wohl alle Spieler hätten mehr oder weniger gleichzeitig die Mittel gehabt, um als Gegenkaiser anzutreten. Es fehlte ihnen dazu nur die Idee und der Zündfunke. Moritz hatte als Regelbuch-Owner aber noch andere Optionen in petto. In bewährter Manier offenbarte er immer mal wieder eine neue Siegpunkt-Quelle, wenn sie zufällig gerade in seine Taschen floss. Wir trugen es mit Fassung.

Nach vier Stunden durfte Günther den letzten Zug machen. Aaron und Walter waren in der dritter und vierter Position hoffnungslos abgeschlagen, es gab auch absolut keine Chance mehr, Moritz vom ersten Platz zu verdrängen. Aber Günthers Ehrgeiz reichte noch bis weit nach Mitternacht, im letzten Zug mit überlegener Planung sowie mit Glanz und Gloria sich auf seinem sicheren zweiten Platz niederzulassen.

WPG-Wertung: Aaron: 4 (zu lang für das, was es bietet, eine unglückliche Kombination von Elementen; die Würfelei ist für vier Stunden Spielzeit ebenfalls unpassend), Günther: 4 („Will ich es nochmals spielen? Wahrscheinlich nicht!“; Wenn sich zwei streiten, freut sich der Dritte [und Vierte], das ist die gesamte Gewinn-Strategie), Moritz: 7 („nur“ 7, obwohl ihm diese Spielrichtung liegt; die Züge dauern einfach zu lange), Walter: 4 (das Spiel hätte durchaus die Potenz für 6 oder 7 Punkte, wenn es an vielen Stellen nur nicht so unglücklich wäre).

2. “For sale”

Schon vor 20 Jahren hatte Stefan Dorra sein Spiel bei „Ravensburger“ herausgebracht. Mit geringen Regeländerungen erlebte es bei „iello“ jetzt eine Neuauflage. Ein zweistufiges Versteigerungsspiel.

In der ersten Stufe ersteigern wir uns für unser Spielgeld „Gebäude“ in den virtuellen Werten von 1 bis 30. Jeweils vier Gebäude (für jedem Spieler eines) liegen offen auf dem Tisch, jeder Spieler gibt reihum ein höheres Gebot als sein Vorgänger ab, oder er passt und bekommt – für die (abgerundet) halbe Summe, die er bis hingeblättert hat – das billigste Gebäude und steigt aus. Der letzte Spieler in einer Versteigerungsrunde bekommt das letzte und höchstwertige Gebäude, er muss allerdings auch die gesamte gebotene Summe dafür berappen.

In der zweiten Runde werden in „Hol’s der Geier-Manier“ die Gebäude in Bargeld umgesetzt. Jeweils vier Barschecks mit Werten zwischen 0 und 15 T€ liegen auf dem Tisch. Die Spieler wählen verdeckt jeweils eine ihre Gebäudekarten, dann decken alle Spieler diese alle gleichzeitig auf. Die höchstwertige Gebäudekarte bringt den höchstwertigen Scheck, usw.

Wer mit Glück und gekonnter Geldeinsatzplanung die besten Gebäude ersteigert hat, tut sich hinterher natürlich beim Umsetzen in die Schecks viel leichter. Wer bei der Gebäude-Ersteigerung versagt hat, braucht bei den Schecks erst gar nicht mehr anzutreten.

Das Prinzip der Gebäude-Versteigerung sah auf den ersten Blick ganz pfiffig, wurde – bei uns – aber doch schnell mechanistisch bis langweilig gehandhabt. Die Gebote erreichten in den – wegen der abgerundeten Zahlung – ungeraden Schritten 1,3, 5, 7 sehr schnell den schmerzhaften Schwellwert. Haben wir hier ein angemessenes Lavieren mit unseren Geboten übersehen?

WPG-Wertung: Aaron: 7 (für das, was es ist, ist es ganz ordentlich), Günther: 5 (für das, was es ist, ist es zu wenig), Moritz: 6 (bei häufigerem Spielen verliert es wahrscheinlich schnell seinen Reiz), Walter: 5 (die 2-stufige Auswahl bringt keinen Zusatz-Reiz, im Gegenteil, sie geht auf Kosten von Spannung, Überraschung und Spaß).