27.07.2017: Zeus im Wasser

Bei Luding sind 26 Spiele von Stefan Feld registriert. Daneben noch einige Variationen dieser Spiele. Wir am Westpark haben 15 von ihm gespielt. Kein Spiel bekam bisher weniger als 5 Punkte. Der Spitzenreiter ist „Strasbourg“ mit 8 Punkten. 7 mal zeichneten wir seine Spiele mit unserer Auszeichnung „Spiel des Monats“ aus. Er und Pegasus werden es verschmerzen, wenn sein neuestes Produkt diesmal bei uns recht mager bewertet wird. Wenn man die stark schwankende Kurve seines Schaffens – mit den Augen der Westpark-Gamers – betrachtet, dann besteht durchaus die berechtigte Hoffnung, dass demnächst wieder ein 7 bis 8 Pfünder auf den Markt kommen wird.

1. “Das Orakel von Delphi”

Dies ist also Stefan Felds jüngste Schöpfung, die bei uns nicht so recht punkten konnte. Das fing schon mit dem Spielaufbau an. Eine ganze Weile rätselten Aaron und Günther allein daran herum, wie die zwölf Poly-Hexagons zu dem kompakten Spielplan zusammengesetzt werden sollten, den das Regelheft für den Anfang und zur Verkürzung der Spielzeit vorschlägt. Es dauerte 50 Minuten, bis alle Felder auf dem Spielplan identifiziert und Kleinteile (Insel-Plättchen, Opfergaben, Tempel, Statuen und Monster) darauf verteilt waren. Und bis Zeus, nicht Neptun (!), auf seinem gebührenden Platz im Tümpel von Delphi untergetaucht war.

Dann aber fing erst die Regelerklärung an. Nochmals 50 Minuten vergingen, bis Günther die Götter, Kultstätten, Schilde, Schiffsplättchen und Orakelwürfel auf den Spielertableaus erklärt und wir das halbwegs verstanden hatten, und bis das zusätzliche, zweifelsfrei hübsche Material (Gunstplättchen, Titanen- und Kampfwürfel, Orakel-, Wunder-, Ausrüstungs- und Begleiterkarten) entziffert und auf dem Tisch darum herum positioniert war.

Aaron und Günther rätseln über den Aufbau von “Delphi”

Jetzt entdeckte Günther noch sechs weitere, wunderschöne Holzpoller (woran gewöhnlich die Schiffe im Hafen festgemacht werden), für die es aber im Regelheft weder einen Hinweis noch eine Funktion noch eine Lücke gab. Vielleicht hat ein(e) PackerIn des Spielzeugherstellers beim Einpacken der Kleinteile einmal daneben gegriffen. Vielleicht hatte Günther auch eine unautorisierte Version „Delphi de Luxe“ erworben. Leicht verunsichert legten wir die Poller zurück in die Schachtel und begannen mit den Wettfahrten rund um den Delphischen Meerbusen.

Der Spielablauf bzw. die Aufgabe des Spiels ist für jeden Spieler eine zwölffache Transport-Optimierung:

  • Lade dreimal an einer der sechs öffentlichen Ausgabestellen je eine Opfergabe auf dein Segelboot und bringe sie zum passenden Tempel.
  • Lade dreimal in einer der sechs Städte einen Tempel auf und bringt sie zum passenden Bauplatz.
  • Fahre mit deinem Boot dreimal zu einer der neun Monsterhöhlen und besiege ein vorgegebenes Monster.
  • Fahre dreimal zu einem der 24 Inselplättchen, lege ihren Rang und Namen offen, und wenn sie eine von den dir vorgeschriebenen Inseln ist, errichte einen Tempel darauf.

Wie und wo fahren wir? Der Delphische Meerbusen besteht aus zusammenhängenden Hexafeldern. Auf jedem Feld ist eine Augenzahl aufgedruckt. Jeder Spieler würfelt mit drei Würfeln und darf dann mit seinem Schiffchen pro Würfel auf eines der Hexafelder ziehen, das seine Augenzahl aufweist. Das Zielfeld darf dabei aber nicht weiter als drei Felder vom Ausgangsfeld entfernt sein, allerdings kann man mit Gunstplättchen diese Standard-Reichweite steigern.

Zum Aufladen und Abladen von Opfergaben, Tempeln etc. muss man ebenfalls einen Würfel bereit haben, dessen Augenzahl mit der Augenzahl auf dem Auf- oder Abladefeld übereinstimmt. Auch hier darf man mittels Gunstplättchen die Augenzahl der Würfel ändern. An Gunstplättchen hängt doch alles. Sie sind aber auch sehr leicht zu bekommen. Stefan Feld hat mit „Delphi“ keinen “Siegpunkt-Salat”, sondern eher einen “Gunstplättchen-Salat” zubereitet.

Mit drei Würfel würfeln und dabei die vorhandene Gunstplättchen-Potenz berücksichtigen, das ergibt
(3 + Opferkarten) * (1 + Richtung * Gunstkarten) Möglichkeiten,
die Augenzahl-Topologie der Umgebung zu studieren und die optimalen Zwischen- und Zielfelder abzuchecken. Bei einer Opferkarte (die hagelt es auch recht schnell ins Kontor) und drei Gunstkarten und nur einer Richtung (vorwärts) haben wir hier schon 16 Kombinationen zu überlegen, wie wir uns über die Strecke zwischen den verschiedenen anvisierten Auflade- und Abladefeldern bewegen können und wollen. Glücklicherweise kann jeder gleichzeitig überlegen, denn in die Quere kommt man sich (fast) überhaupt nicht. So macht uns ein längerer Denkprozess der Mitspieler nicht viel aus. Es sei denn, man hat gerade von den regelmäßig auftauchenden Titanen eine entscheidende Wunde zugefügt bekommen und muss einmal aussetzen. Dann muss man halt die doppelte Anzahl von Denkprozessen über sich ergehen lassen. Pech gehabt. Die unglückliche Fügung eines unglücklichen, absolut überflüssigen Spielelements hat zugeschlagen.

Helmut war in der Startaufstellung als Herkules ins Rennen gegangen: schon zwei Schilde führt er im Schilde. Mutig machte er sich gleich in seinem ersten Zug an das Abmurksen seiner Monster. Wir durften den gerade frisch begonnenen Spielablauf wieder unterbrechen und noch einmal nachlesen, wie diese geforderten Monsterkämpfe im Detail geregelt sind. Nicht schwer, wenn man’s kann ungefähr: Es wird gewürfelt; man muss stärker sein als das Monster; man darf so oft würfeln, wie man Gunstplättchen besitzt; die Stärke des Monsters nimmt von Zug zu Zug ab; solange man selber keine Null würfelt, hat man nichts zu befürchten. Bei ein paar Nuller zuviel muss man halt einmal aussetzen. Helmuts Wagemut kam uns angesichts seiner sonstigen mageren Kampfausrüstung schon etwas frivol vor. War es aber nicht. Schon nach zwei Würfen hatte er mit 63 % Wahrscheinlichkeit das Monster erschlagen, nach drei Würfen wären es schon 84% gewesen.

Nur Aaron hätte unter diesen Umständen 6 Würfe gebraucht, um damit an die 99,86% Wahrscheinlichkeit für einen Sieg heranzukommen. Bei seinem sprichwörtlichen Glück hätte er hingegen wohl nie eine Chance gehabt, das Spiel zu gewinnen. Wenn das von ihm geforderte Inselplättchen nicht zufällig aufgedeckt wird, pendelt er noch heute zwischen Olymp und Parnass hin und her, um den Bauplatz für seinen Tempel zu finden.

Helmut war auch sonst sehr zielstrebig und erfolgreich. Nach 90 Minuten hatte er die (verkürzte) Aufgabenstellung von 8 Transport- und Kampfeinsätzen hinter sich gebracht. Die angegebene Spielzeit ist mit 60 Minuten also recht realistisch, vielleicht sogar reichlich angegeben, denn wir haben sicherlich 30 Minuten allein dafür verbraucht, jeweils unsere vergessene bzw. fehlgerechnete Zugausführung zurückzunehmen und neu zu überlegen.

WPG-Wertung: Aaron: 4 (bis 5, zu viel Zufall, möchte es nicht noch einmal spielen), Günther: 4 (Mikro-Optimierung, bei der man sich ständig vertut), Helmut: 6 (nicht weniger, weil es Spaß gemacht hat, nicht mehr, weil das Spiel Schwächen besitzt, schon allein beim grafischen Design; eine Mischung aus Planung und Umplanung, fast überhaupt keine Interaktion), Walter: 4 (das Material wäre 5 Punkte wert; Zufall ohne Interaktion, als Solospiel akzeptabel).

2. “Kanagawa”

Wir malen die Buch von Tokio. Daher der Name. Dazu müssen wir natürlich zuerst unsere künstlerischen Fähigkeiten zur Pinselführung erhöhen, bevor wir uns an die verschiedenen Motive heranmachen.

Getrieben wird das Spiel von Karten, von denen jeder Spieler pro Zug ein bis drei Stück an sich nehmen darf. Jede Karte besitzt zwei Alternativ-Funktionen: entweder machen sie uns in Bezug auf Motivwahl flexibler (mehr Motive gleichzeitig, schnelleres Wechseln von einem Motiv zum anderen) oder sie sind Motive, die wir malen – falls wir sie bereits malen können – und damit in unser Gesamtgemälde einfügen.

Wer als erster eine bestimmte Anzahl von Bäumen, Häusern, Menschen oder Tierkombinationen gemalt hat, bekommt dafür Siegpunkte. Am Schluss gibt es noch einmal Siegpunkte für die Gesamtlänge unseres Gemäldes, für die längste Kette von Gemäldeteilen in einer festen Jahreszeit, sowie direkte Siegpunkte für einzelne Karten.

Bemerkenswert, wenn auch nicht ganz neu, ist die Auswahl der Karten, die jeder Spieler pro Zug an sich nehmen darf. Die Karten liegen in einer 4 x 3 Matrix teils offen, teils verdeckt aus. Zunächst wird nur die erste Zeile mit Karten gefüllt. Wer am Zug ist, darf sich eine Spalte von Karten nehmen; dies wäre zunächst also nur eine einzige Karte. Ein Spieler darf allerdings auch passen, bis die zweite, und am Ende auch die dritte Zeile gefüllt ist. Wer es für lohnend hält, sich vorzeitig zu bedienen, bekommt entsprechend weniger Karten. Der Startspieler ist aber in jedem Fall am besten dran. Er wechselt – leider – nicht, sondern es gibt Karten, die einen zum neuen Startspieler machen können.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (großer Glücksfaktor, welche Karten kommen, insbesondere auch, was in den verdeckt aufzunehmenden Karten steckt), Günther: 5 (bis 6; man sollte das Spiel nicht so verkniffen sehen. [das sagte er zum Schluss, obwohl er sich das ganze Spiel über bemüßigt fühlte, die Pinsel seiner Mitspieler zu kontrollieren), Helmut: 5 (mostly harmless, ganz nett, 6 Punkte für das Material), Walter: 4 (für das Pinseln, 5 Punkte für den Auswahlmechanismus).

Ein Gedanke zu „27.07.2017: Zeus im Wasser“

  1. Ihr werdet echt alt ;-)

    50 Minuten für den Aufbau und nochmal 50 für’s Erklären von Delphi?
    Das dauert doch (wenn man die Regeln vorab gelesen hat) höchstens 30 Minuten. Insgesamt. Ich teile zwar eure Meinung, dass das Spiel nicht Stefan Felds größter Wurf ist (vor allem zu Beginn nerven die kombinatorischen Möglichkeiten bzw. deren Zahl). Aber dass man sich nicht in die Quere kommt würde ich so nicht bestätigen.

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