13.12.2017: Rajas und andere königliche Hoheiten

Weihnachten steht vor der Tür. Zum Fest der Liebe ein paar Richtungstendenzen für ein erfolgreiches Liebesspiel

  • wie mit einem Ball, den wir uns zuwerfen
  • wie einen Dialog von Shakespeare oder ein Duett von Mozart, also etwas aufführen
  • wie Schach, mit dem Ziel, den anderen unter zu kriegen
  • wie ein Spiel: spielerische Ausprobierens bevor es gemeinsam ans Regelstudium geht.

1. “Rajas of the Ganges”


Rajas – Szenerie: Ein Elefant als Startspielermarker

Ein üppiges Workerplacement-Spiel mit einem pfiffigen integrierten Würfelnutzmechanismus. Wir setzen unsere zunächst 3, später bis zu 5 Worker pro Runde auf insgesamt 32 (vielleicht habe ich mich verzählt) verschiedenen Arbeitsplätzen ein, um sie dort für uns werkeln zu lassen. Um unsere Arbeiter aber irgendwo einsetzen zu dürfen, brauchen wir in der Regel noch einen Würfel, meist mit einer bestimmten Farbe und / oder einer bestimmten Augenzahl.

Zu Beginn ist jeder Spieler mit 4 Würfeln ausgestattet; diese Würfel sind aber blitzschnell verbraucht, und deshalb sind alle Spieler ständig darum bemüht, sich neue Würfel zu besorgen. Trivial sind dazu die „würfellosen“ Arbeitsplätze auf der „Terrasse“: hier setzt man einen Worker ein und bekommt dafür dann einen Würfel in einer beliebig wählbaren Farbe. Oder man setzt einen Worker und einen Würfel mit definierter Farbe ein und bekommt dafür zwei Würfel einer anderen, definierten Farbe. Magere Bilanz: ein Würfel pro Worker. Doch in diesen sauren Apfel müssen aller Spieler früher oder später beißen, öfters als es ihnen bei den sonstigen verlockenden Angeboten auf dem Spielplan lieb ist.

Etwas lukrativer ist die „Tänzerin“ im „Palast“. Sie muss allerdings mit einem Würfel der Augenzahl 2 bedient werden. Dann spuckt sie zwei Würfel von frei wählbaren Farben aus (also auch nur 1 Würfel mehr, als man eingesetzt hat); zusätzlich aber bekommt man noch ein verdeckt gezogenes „Ertragsplättchen“ mit einem Sonderbonus, das in fast 50% aller Fälle aus einem weiteren Würfel besteht, oder aber aus 3 Geldeinheiten, die eine ebenfalls sehr begehrenswerte Entwicklungshilfe darstellen. Günther gab jedenfalls die Devise aus, dass die Tänzerin die beste Investition des gesamten Spiels darstellt; entsprechend wurde sie in jeder Runde sofort als erstes besetzt, sofern wenigstens einer der Spieler einen Würfel mit der Augenzahl 2 besaß.

Worum geht es überhaupt in Rajas? Um Geld und um Siegpunkte. Beides ist gleich viel wert; sobald ein Spieler in der Summe von beiden 120 Einheiten besitzt, ist das Spielende eingeläutet oder bereits erreicht.

Siegpunkte erzielen wir, wenn wir unsere Worker als Freimaurer einsetzen und mit ihrer Hilfe (sowie mit „Würfelgeld“) auf unserem privaten Spielertableau Landschaftsplättchen mit Wegen, Gebäuden und Märken errichten lassen. Je nach unserem individuellem „Wertungspegel“ bekommen wir für einen gebautem Gebäudetyp 2 bis 4 Siegpunkte auf unserem Konto gutgeschrieben. Manche Landschaftsplättchen erhalten gleich zwei Gebäude, die können dann u.U. auch gleich doppelt so viele Siegpunkte einbringen.

Geld erhalten wir, wenn wir – irgendwann mal im Laufe des Spiels – auf unserem Landschaftsplättchen „Märkte“ errichtet haben und unsere Worker als Handler losschicken, um unsere Waren zu verkaufen. Es gibt bescheidene feste Preise dafür, kein schnelles Wuchergeld, aber Kleinvieh macht auch Mist. Wer die „Geldstrategie“ gefahren ist und sich viele Märkte zugelegt hat, der kann ab dem Mittelteil des Spiels schon mal leicht 8 oder 10 Geldeinheiten pro Worker in die Scheune bringen; dafür braucht er nicht einmal übermäßig hohe Augenzahlen auf seinen Würfeln.

Um dem Würfelglück noch ein Schnippchen schlagen zu können, gibt es einen Arbeitsplatz, auf dem man beliebig viele seiner Würfel nochmals neu auswürfeln darf. Man bekommt als Trostpreis dazu sogar noch zwei Geldeinheiten geschenkt. Wem das Neuwürfeln zu risikoreich ist, darf auch eine Karma-Einheit opfern, um einen Würfel auf seine Kehrseite zu drehen: aus 1 mach’ 6 oder aus 2 mach’ 5.

Geld, Siegpunkte und Würfel werden aber nicht nur durch hartes Malochen erworben, sie werden auch als Geschenke für das Erreichen bestimmter Grenzwerte an Punkten oder Geld kostenslos unter die Leute gebracht. Hier muss vor allem auch der „Ganges“ erwähnt werden, der sich wie ein Geschenkband über das Spielbrett windet, und wo für jeden Abschnitt, den man hier – per Worker plus Würfel im „Hafen“ – vorwärtspaddelt, neue hübsche Geld-Siegpunkt-Würfel-Belohnungen auf uns warten.

Alles ist weihnachtlich gestimmt, es gibt nur gute Züge, keine Aggression und nur sehr beschränkte Konkurrenz. Hübsch und friedlich.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (der Würfelmechanismus ist hübsch, das Spiel aber zu fieselig, es gibt zu viele – kleinliche – Mechanismen, auf die [auf deren Erträge] man achten muss), Günther: 8 (kein echter Aufbaumechanismus, die Steigerung ist eher linear, man sollte sich auf wenige – der vielen angebotenen – Mechanismen konzentrieren), Walter:7 (konstruktiv, hübsche Designerarbeit, gut ausbalanciert, allerdings mit nur beschränkter Interaktion; als Solitär-Spiel bekäme das Spiel 8 bis 9 Punkte).

2. “Azul”

Nach dem friedlichen „Raja“ in einer friedlichen Dreierrunde wollte Walter jetzt noch einmal die hübschen Azul-Edelsteine von letzter Woche als friedliche Händeschmeichler auf den Tisch bekommen. Allseitiges friedliches Einverständnis.

Wir fingen auch in unserer heutigen 3er Runde mit 9 Tellern an, doch bald dämmerte uns, dass dadurch mit den 36 neuen Steinen pro Runde die Kapazität unserer Lager wohl die einzige Herausforderung des Spiels geworden sei. 45 Plätze gibt es insgesamt, davon ist zu Beginn jeder Runde wohl die Hälfte noch belegt: da wird ausschließlich Glück und Erfolg beim Vermeiden der Schutthalde über Sieg oder Niederlage entscheiden.

Das kann doch nicht der Sinn von „Azul“ sein! Ist es auch nicht! Bei 3 Spielern gibt es nur 7 Teller, und mit den jetzt nur noch 28 neuen Steinen pro Runde konnte jeder wieder konstruktiv nach einer optimalen Füllung seiner Lager ausschauen. Und wieder bewährte es sich, den Strafpunkt für das erste Sich-Bedienen aus der Tischmitte nicht allzu tragisch zu nehmen; eine einigermaßen passend gefüllte Tischmitte und der Vorteil des Startspieler-Seins in der nächsten Runde, ist wesentlich mehr wert.

Wir spielten mit der „Expertenregel“: die Farben im Wandmosaik waren nicht fest vorgegeben, sondern konnten in beliebiger Kombination eingefüllt werden. Für die Mathematiker stellte sich damit sofort die Frage: Kann es, bei unglücklichem Füllen des Wandmosaiks, zu einem Deadlock kommen, d.h. zu einer Situation, bei der man die letzte Kachel nicht mehr in das Mosik einfügen kann, weil die dafür vorgesehene Farbe in den benachbarten Zeilen oder Spalten bereits vorgesehen ist?

Kann es nicht! Hier der Gegenbeweis. (Für Dich,Günther):

Ohne Beschränkung der Allgemeinheit kann man diese diskriminierende Situation abbilden als eine Situation, wo in den ersten vier Spalten der ersten Zeile des Mosaiks die Farben F1 bis F4 untergebracht sind, das Feld in der fünften Spalte ist das noch freie kritische Feld, und in der fünften Spalte der zweiten Zeile liegt die Farbe F5; die restlichen Felder x des Mosaiks seien passend gefüllt (Bild 1).

Damit wären alle weiteren Felder der Zeile 2 und der Spalte 5 für die Farbe F5 gesperrt (rote Felder in Bild 2).

Damit müssten in den drei Zeilen 3 bis 5 (grüne Felder in Bild 3) viermal die Farbe F5 untergebracht sein, und zwar so, dass sie in keiner Zeile doppelt vorkommt. Das ist ein Widerspruch. Daraus folgt, die geschilderte Ausgangssituation ist nicht möglich. Daher gibt es keinen Deadlock. Q.e.d.

WPG-Wertung: keine Änderung unserer Noten zwischen 7 und 8 Punkten.

3. “Majesty: For the Realm”

In der Tischmitte liegen in Reih und Glied 6 Berufskarten, davon dürfen wir uns pro Zug eine nehmen. Die erste kostet nix, die zweite 1 Geld, etc, die sechste kostet 5 Geld. Insgesamt haben hat jeder von uns 5 Geld. Nehmen wir also die teuerste Berufskarte, so sind wir zunächst mal pleite und müssen in unseren nächsten Zügen bis auf Weiteres die kostenlose erste Karte nehmen. Nicht nur die Schwaben unter uns Spielern nehmen hier vorzugsweise die billigste (= kostenlose) Karte.

Die gewählte Berufskarte legen wir in dasjenige unserer privaten Gebäude, das für diese Berufsgruppe vorgesehen ist: die Müllerin kommt in die Mühle, der Brauer in die Brauerei, die Hexe ins Hexenhaus, der Wächter in den Wachtturm, der Soldat ins Mordhaus, der Gastwirt in die Taverne und die Prinzessin ins Schloss.

Und jetzt kommt das Spannende. Beim Einfügen der Berufskarten in das jeweilige Gebäude werden vorgegebene Effekte ausgelöst: jede Müllerin (bereits vorhandene und die neue) bringt 2 Siegpunkte, jeder Brauer bringt 2 Siegpunkte plus 1 Geldeinheit und für alle Spieler, die bereits eine Müllerin besitzen, 2 Siegpunkte. Der Mordbube bringt 3 Siegpunkte und zugleich schlägt er bei allen Mitspielern, die zu wenig Wächter haben, eine Berufskarte lazarettreif. Jede Hexe bringt für jede Müllerin, jeden Brauer und jede weitere Hexe 2 Siegpunkte, außerdem heilt sie eine Berufskarte aus dem Lazarett. Und so weiter und so fort.

Jede neu gekaufte Berufskarten löst die Effekte aus, die Spieler kassieren ihre Siegpunkte, bringen sich ins Lazarett oder wieder heraus, und am Ende hat einer gewonnen.

Wer? Natürlich der, der die meisten Siegpunkte angehäuft hat, wobei gut gefüllte Gebäude am Ende ebenfalls noch erhebliche Mengen von Siegpunkten abwerfen. Doch wie häuft man die meisten Siegpunkte an?

Die Hexen-Strategie scheint recht erfolgsversprechend zu sein, immerhin schüttet sie – zusätzlich zur Heilung aus dem Lazarett – für drei verschiedene Berufskarten Siegpunkte aus. Die Königsklasse ist auch nicht schlecht. Zumindest wenn man die B-Seite der Gebäude spielt und eine Menge Halbtoter im Lazarett hat, die werden nämlich von Prinzessinen besonders geschätzt. (Nicht erst seit den Zeiten von Tristans Vater.) Dagegen verbreitet die Mordbuben-Strategie keinen größeren Terror. Die Hexe bringt alles wieder ins Lot.

Und wie fährt man die Hexen-Strategie? Man mischt die Berufskarten und legt sie derart aus, dass immer dann, wenn man am Zug ist, eine passende Hexenkarte an zugreifbarer Stelle liegt, die aber von allen anderen Mitspielern als unberührbar eingeschätzt wurde. Und in seinem allerletzten Zug rechnet man aus, welche der erschwinglichen Karten für einem selbst die meisten Pluspunkte und für den schärfsten Konkurrenten die meisten Minuspunkte einbringt. Diese nimmt man dann. Das kann natürlich eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen, aber für Majestäten darf man diese ausnahmsweise mal opfern. Vielleicht macht es den Mitspielern sogar Spaß, hier mitzuhelfen und mitzurechnen.

Walter hat in seinem allerletzten Zug nur seine eigenen Pluspunkte maximiert, nicht aber die Summe mit den damit verbundenen mörderischen Minuspunkten für Günther. So wurde Günther Sieger. Spricht das für die intellektuelle Herausforderung von „Majesty“? Eher nicht.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (das Spielgeschehen wird mehr oder weniger ausschließlich vom Glücksfaktor bestimmt, wann die verschiedenen Karten auftauchen), Günther: 5 (nur mit guten Willen), Walter: 5 (läppisches Spielgeschehen, keine Herausforderung, man lebt von der Hand in den Mund).

Einen ganzen Punkt weniger als die bisher schlechteste Wertung für ein HiG-Spiel. Das ist das unausweichliche Schicksal eines Verlages, der mal wieder auf die Prämie zum „Familienspiel des Jahres“ schielt. Und dann sage noch mal jemand, wir seinen HiG-minded!

Bei genauerem Nachschauen in unserem Archiv, habe ich jetzt aber doch noch vier HiG-Spiele entdeckt, die noch schlechter bewertet wurden als „Majesty“. Die beiden letzten Plätze nehmen ein:
„Maestro“ von Rudi Hoffmann mit 3,3 Punkten, für das Moritz eine wunderschöne Kritik am musikalischen Material geschrieben hat, „Fjorde“ von seligen Franz-Benno Delonge, das Günther (!) mit 4 Punkte in die Pfanne gehauen hat. Ohne Report.

Aber ansonsten können wir ruhig zugeben, das der Charakter der bei HiG erschienenen Spiele in der Regel unserem Geschmack entspricht. Trotz „Maestro“ und „Fjorde“ liegt der Durchschnitt aller HiG-Spiele auf unserer Seite bei 6,75 Punkten.

7 Gedanken zu „13.12.2017: Rajas und andere königliche Hoheiten“

  1. Ich wurde darauf hingewiesen, dass bei der Expertenregel nur in den Spalten keine Kacheltypen doppelt vorkommen dürfen.

  2. Danke für den Hinweis. Diese Lockerung für das Wandmosaik ist auch unbedingt notwendig.
    Mein Beweis dafür, dass es keine Deadlock-Situation geben kann, war auch – worauf Günther bereits hingeweisen hat – aboslut unvollständig; er galt nur für die Situation, dass alle Zeilen bis auf eine vollständig gefüllt waren.
    Eine einfache Deadlock-Situation entsteht ja schon allein dadurch, dass man z.B. die oberste 4 mal 4 Matrix der Mosaiks mit den Farben 1 bis 4 vollständig ausfüllt. Dazu genügt folgendes einfaches Symmetrie-Schema:
    F1 F2 F3 F4
    F2 F3 F4 F1
    F3 F4 F1 F2
    F4 F1 F2 F3
    Dann passt in die 5 Felder der letzte Spalte bzw. in die 5 Felder der letzten Zeile nur jeweils 1 Mosaiksteinchen mit der Farbe F5. Insgesamt 7 (für Spitzfindige sogar 8) Felder blieben zwangsweise frei.

  3. Ich interpretiere die Varianten Regel aber anders:
    Es gelten alle Standardregeln, also auch die Regel, dass in der Musterphase in einer Reihe keine Farbe gelegt werden darf, die schon rechts abgelegt wurde! Zusätzlich gilt noch die Regel für die Spalte.
    Damit hätten wir es doch richtig gespielt!
    (Wenn du allerdings vom Verlag oder dem Autoren angesprochen wurdest, dann glaube ich dem Einwand … )

  4. Du hast absolut Recht. Die Info kam von einem Verlagsbesitzer auf Twitter. Der hat sie aber inzwischen ebenfalls zurückgezogen. Die deutsche Regel ist da viel klarer als die englische, anhand derer ich das überprüft hatte (siehe BGG, dort gibt es auch einen Thread im Forum, wo dies noch mal klargestellt wird.

  5. Hallo,
    zu Raja …. . Ihr schreibt:
    “Worum geht es überhaupt in Rajas? Um Geld und um Siegpunkte. Beides ist gleich viel wert; sobald ein Spieler in der Summe von beiden 120 Einheiten besitzt, ist das Spielende eingeläutet oder bereits erreicht.”
    –> ” …. gleich viel wert;…” ???

    Sehr ungenau. 1 SP entpricht 2 Geld. Wie man auf eurem Bild auch sieht, hört die SP-Leiste bei 60 auf. -> Wenn ich nur SP machen würde, (und mein Anfangsgeld verlieren -> =0) würde nach eurer Logik das Spiel nie aufhören :-).
    Bitte etwas präziser.

    Tournesol

  6. … ich präzisiere (das Bild nochmal ganz genau angeschaut)
    -> Man brauch ja sogar mind. 1 Geld, aber 60 SP reichen dann trotzdem.

    Tournesol

  7. Hola Tournesol,
    wie Du sicherlich weißt, ersetzt unsere Spielreport bewußt keine Spielregel, sondern beschreibt, wie sich das Spiel spielt bzw. wie wir das Spiel empfunden haben.
    Da läuft auf einer kreisförmigen, linearen Skala von einem (fast) gemeinsamen Startpunkt das Geld links herum und die Siegpunkte rechts herum (oder umgekehrt), und wenn sich die Pegelstände treffen, fängt das Spielende an. Ich gestehe Dir, dass ich mir über die doppelte Schrittweite bei den Siegpunkten keine besonderen Gedanken gemacht habe. Aber für einen Mathematiker ist linear halt linear. Der unterschiedliche Maßstab für beide Einheiten ist nur etwas für Kleingeister. Oder für Freaks, die das Spiel bereits genau kennen und ein optimales Vorgehen ermitteln wollen.

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