02.05.2007: Niederkunft im “Colosseum” der “Anasazi”

Moritz legte sein Handy auf den Tisch und war darauf gefaßt, jeden Moment an- oder abgerufen zu werden. Er ist auf dem Sprung, Vater zu werden; in der ersten Maiwoche ist der Nachwuchs fällig. Spätestens dann werden wir bei den Westpark-Gamers auch Kleinstkinderspiele rezensieren und Moritz wird seine Podcasts mit dem Babysitter-Boogie untermalen.
Wartet nur balde …
1. “Colosseum”
Ein “Ausstattungsmonster” von Wolfgang Kramer und Markus Lübke. Jede Menge hübsches Spielmaterial. Sogar eine Anleitung zum Wieder-Einpacken der Einzelteile gibt es, sonst würde man sie schwerlich wieder in der Originalschachtel unterbringen.
Entsprechend umfangreich ist das Regelbuch. Allein die Übersichtskarten mit der Kurzanleitung gehen schon über volle zwei DIN-A4-Seiten.
Jeder Spieler muß Zirkusspiele veranstalten und dazu natürlich rechtzeitig:
– Arenen bauen
– Luxus-Logen einrichten
– Gladiatoren, Löwen und sonstige Artisten anheuern
– Prominente anlocken
Die Bauten und ihre Erweiterungen kosten massiv Geld. Das nötige Artisten-Zubehör muß man sich ersteigern. Wer bei der Ersteigerung zu kurz gekommen ist, kann versuchen, die Lücken in seinem Ensemble noch durch Tausch mit den Mitspielern aufzufüllen.
Für jede Aufführung kassiert ein Spieler Geld; je größer und gelungener die Aufführung, desto mehr Geld und Prämien gibt es. Doch diese Erträge werden nicht zu Siegpunkten kummuliert. Man muß sie in neues Material investieren, um noch größere, noch aufwendigere Veranstaltungen aufzuziehen. Wer nach 5 Runden die grandioseste Aufführung auf die Beine stellen konnte, ist Sieger.
Die Tauschaktionen sind etwas problematisch, sie gehen sehr stark in Richtung Kingmakerei. Es gibt zu unterschiedliche Interessen, sowohl an Quantität als auch an Qualität. Der eine hat sein gesamtes Ensemble schon an der Hand, dem anderen fehlen noch Pferdegespann und Leierkastenmann. Ein Mitspieler, der beim Tauschen erfolgreich ist, gewinnt vielleicht 10 oder mehr Prämien-Punkte hinzu, der Nicht-Erfolgreiche geht entsprechend leer aus. Für wen soll man sich entscheiden? Bei uns bot Moritz dem Günther ein Küsschen für einen Blumentopf an. Das empfand Hans dann “definitiv” als Kingmaker-Angebot.
Jeder darf auch noch für die VIPs würfeln und sie von Arena zu Arena bewegen, ein weiterer deutlicher Kingmaker-Effekt: Ein Mitspieler, dem es gelingt, sie zum Aufführungszeitpunkt in seine Arena zu würfeln, bekommt Zusatz-Punkte. Doch die Mitspieler können mit ihren Würfel-Bewegungen ihm hier einen Strich durch das Würfelglück machen. Dann streicht eben ein besser positionierter Spieler die Prämien ein. Halt wie in einem ganz normal-gemeinen Würfelspiel.
Doch diese Würfelei hat auch ihre Vorteile. Sonst wäre “Colosseum” zu leicht (aber selbstverständlich zeitaufwendig) ausrechenbar. Schon eine ganze Runde vor Schluß könnte man ggf. alle möglichen Zugoptionen durchrechnen und zusammenzählen, welche Artisten man ersteigern oder mit welchem Spieler tauschen muß, um das Endspiel zu gewinnen. Einstimmig wurde diese mögliche, bei manchen Spielernaturen sogar unvermeidliche Rechnerei als erheblicher Spielnachteil gewertet. Moritz hätte hierzu als Korrektiv lieber einen noch größeren Würfeleinfluß gesehen. Das sagt schon fast alles zum Charakter des Spiels: Rechne, würfele und küsse!
WPG-Wertung: Günther: 6, Hans: 6, Moritz: 7, Walter: 7
Das Spiel ist eine Rezension wert.
2. Wikinger
von Michael Kiesling. Das Spiel lag auf dem Tisch. Aber die eine Stunde Spielzeit plus ½ Stunde Debatte über die Spielregeln wollten wir uns zu vorgerückter Zeit nicht mehr leisten.
Demnächst in diesem Theater.
3. Anasazi
Das Spiel hat nichts mit Anastasia, der Tochter des letzten Zaren zu tun und auch nichts mit irgendeiner deutschen Wortkombination von “azi” (man denke nur an das bayerische “Bazi”). Nach Wikipedia ist “Anasazi” ist eine indianische Kulturtradition aus dem Südwesten der USA.
Im Spiel “Anasazi” werden zunächst mal Bauteile der Spielfläche, “Mesas” genannt, frei auf dem Tisch verteilt. Hierauf werden nach bestimmten Regeln Wohntürme und Schätze verteilt. Die Spieler müssen über Tisch und Mesas Verbindungswege zu den Schätzen legen und sich diese aneignen. Jeder darf an jedem Weg weiterbauen und das Bestreben eines jeden Spielers ist es,
– die in Reichweite liegenden Schätze abzugrasen
oder, wenn das nicht geht
– die Verbindungswege zu den noch verbliebenen Schätzen zu verlegen.
Moritz fand Spielmaterial und Szenerei sehr schön, doch den Spielablauf ziemlich langweilig. Hans fühlte irgendwelche Assoziationen zu “Stupid White Man” und Günther bemerkte: “Es ist was anderes, aber ansonsten ist es nix.”
WPG-Wertung: Günther: 3, Hans: 5, Moritz: 4, Walter: 3
4. “Bluff”
Im einzigen Spiel kam es zu einem 5 gegen 5 (!) Endspiel Günther gegen Walter, der ewige Kampf von “Immer-5” gegen “Immer-4”. “Immer-4” setzte sich problemlos durch.
Das ist natürlich immer noch kein Beweis für der Vorrang des “Immer-4”, aber ein kleiner vorteiliger Effekt wurde doch sichtbar: Jede “Immer-X”-Vorgabe verschleiert, welche Würfel man in der Hand hat, jede blinde Vorgabe hat a priori die gleiche Treffer-Wahrscheinlichkeit. Doch bei “Immer-4” ist der Gegner eher geneigt, den Wurf anzunehmen und zu erhöhen. Beim Nachziehen fällt ein blindes Setzen schon schwerer; man findet und erhöht lieber auf eine Würfelkombination, die mit dem eigenen Würfelbecher harmoniert als die Vorgabe anzuzweifeln. Damit fängt der Nachziehende – statt der Vorgebende – an, Informationen über seine Würfel preiszugeben. Und das ist beim Bluff der Anfang vom Ende.
Günther, Du bist dran!