23.05.2007: Neue Züge im alten Grönland

Er ist da, Milo von Moritz, Primás von Eggert und Heuser. Mit 3,7 kg Lebendgewicht und mächtigen 56 Zentimetern Körpergröße gesund und munter auf die Welt gekommen. Alle zehn Zehen und alle elf Finger vollständig dran. Herzlichen Glückwunsch auf dieser unserer Welt!
Wem der Name noch etwas gewöhnungsbedürftig ist, möge an Emil oder den guten alten Don Camillo denken. “Milo” ist entweder germanischen Ursprungs und bedeutet gütig bzw. freigebig, oder er stammt vom slawischen “mil” ab, in dem ebenfalls Güte oder Liebe enthalten sind. Da kann ja nichts mehr schiefgehen.
Lieber Milo, wir wünschen Dir, daß Du so ein ebenso schöpferischer Künstler wirst wie Dein Vater Moritz, ein ebenso anmutiger Literat wie Deine Mutter Andrea, ein solch temperamentvoller Lustpfropfen wie Loredana, ein solch sprachgewaltiger Philodoxer wie Peter, ein solch alles-im-Griff-habender Allround-Manager wie Aaron, ein solch durchgeistigter Grübler wie Hans, ein solch durchkörperter Analysist wie Günther, und später auch mal ein solch lockerer Lebenskünstler wie Walter.
1. “Greanaland”
Zu letzten Mal bei uns gespielt, als Moritz dem Milo gerade den letzten Schliff verpaßte. Diesmal spielten wir nach dem “Fortgeschrittenen-Regeln”: Jeder durfte sich eigene Siegbedingungen heraussuchen. Doch die Hoffnung, daß das Spiel damit ein bißchen Drive bekommen könnte, erfüllte sich nicht.
Pro Runde gibt es einen Hauptspieler, der seine Präsenz auf den Spielbrett ausweiten darf, die anderen dürfen sich bewegen und die neu aufgedeckten Rohstoffe nach einem Mehrheitswahlrecht unter sich verteilen. Zunächst hat jeder nur einen Krieger und zwei Häuschen auf den 8 Feldern des Spielbrettes. Da gibt es selbstverständlich noch wenig Konkurrenz. Weil pro Runde aber nur ein Spieler bauen darf, und jeder nur eine Figur bewegen darf, bekommt das ganze Spiel nie richtig in Schwung.
Jeder Spieler darf zu seinem Krieger beim Besitz geeigneter Rohstoffe auch noch maximal einen Skalden (Hofsänger) und maximal einen Priester aufs Spielbrett bringen. Auch damit wird kein quirrliges Menschengewimmel zum Leben erweckt. Was ist wohl intuitiv der Sinn dieser Figuren? Na klar doch, der Skalde erhöht die Kampfkraft der Krieger und der Priester vermindert sie. Das war’s dann auch schon.
Beim Verteilen der Rohstoffe darf jeder einen Vorschlag machen. Genau einen, und darüber sollte nach den Regeln auch nicht diskutiert werden. Doch wer kann verhindern (und verübeln), daß man sich durch die Blume äußert. “Ich friere” heißt soviel wie: “Ich brauche Holz”, und wer “Ich bin hungrig” sagt, dem fehlen Kornsäcke.
Naturgemäß sind die Rohstoffe nicht gleichmäßig unter den Spielern verteilt. Während der eine in Korn schwelgt und in allem anderen darbt, hat der andere genug Holz vor der Hütt’n und ihm mangelt es an Steinen. Getauscht darf nicht werden, Ersatzrohstoffe oder Abwertungen (zwei Holz für ein Korn) oder ähnliche Mechanismen, die das Spiel in Gang bringen könnten, gibt es nicht. Wer nicht die richtigen Rohstoffe hat, kann sich nicht ausbreiten, wer sich nicht ausbreiten kann, bekommt weniger Rohstoffe. Es gibt zu wenig Regel-Phantasie gegen diesen natürlichen Teufelskreis. Es gibt einfach zu wenig Handlungsfreiheiten, zu wenig Erfolgserlebnisse.
Nach einer guten Stunde hin und her wogenden Verteilungs- und Aufbaukampfes (“Wogen” wie ein Ährenfeld bei Windstärke 1) kamen die ersten Vorschläge zum Spielabbruch. Moritz fand es da aber noch “total spannend”. Auf die Frage nach seinen aktuellen Wertungsnoten vergab er spontan 10 Punkte. (Genauso spontan wie seine 10 Punkte für “Quirks”.) Nach zwei weiteren Runden hatte er ein Einsehen und wir einigten uns darauf, die Finale Runde einzuleiten. Aaron senkte noch schnell das Siegpunkt-Limit auf 1 Punkt und Hans hatte auch tatsächlich seinen ersten Siegpunkt ergattert. (Was sagt eigentlich die Spielregel dazu, wenn jemand die Finale Runde einleitet, ohne das Siegpunkt-Limit erreicht zu haben?)
Moritz finale Wertung: “Greanaland” besitzt ganz viele Ähnlichkeiten mit den “Siedlern”, ist aber in jedem einzelnen Punkt schlechter. Oder anders ausgedrückt: “Siedler ohne Interaktion!”
WPG-Wertung: Aaron: 4 (konstant), Günther: 4 (abfällig), Hans: 4 (danke, das genügt), Moritz: 5 (bei Spielen immer tolerant), Walter 5 (sucht noch das Gaspedal)
2. “Zug um Zug – Europa”
Das “Spiel des Jahres 2004” ist auch heute noch ein absolut stimmiges Spiel. Wir spielten mit der Europa-Variante von 2005. Hier dürfen Spieler fehlende Strecken, bei denen sie im Wettrennen gegen ihre Mitspieler zu kurz gekommen sind, durch Bahnhöfe überbrücken. Weiterhin gibt es “Fährstrecken” zu deren Bau eine Joker-Karte nötig ist, und es gibt Tunnels, bei denen ein Spieler außer der offiziell benötigten Anzahl Karten gleicher Farbe auch eine vom Zufall bestimmte Kartenanzahl hinblättern muß. Damit wird ein winzig kleiner Zufalls-Effekt ins Spiel gebracht. Wie eine Spur Cognac zum Gänsebraten. Manche mögen’s heiß.
Nach einem spannenden, kurzweiligen, konstruktiven, punkteträchtigen Spiel für Jäger und Sammler landete Günther mit 115 Punkten vor Aaron und Moritz mit je 114, Walter mit 113 und einem abgeschlagenen Hans.
WPG-Wertung: Aaron: 8 (zugelegt), Günther: 8 (neu), Hans: 8 (trotzdem), Moritz: 8 (neu), Walter: 9 (viel zugelegt)
3. “Bluff”
Im Vollbesitz aller Würfel bei allen Spielern erhöhte Moritz von 4 Sternen auf 11 Zweier! Offensichtlich hatte er 5 Zweier unter seinem Becher, aber wer noch? Viel zu wenige. Es reichte für ihn gerade noch zum Überleben. Damit schleppte er seine langen Tage noch durch einige saure Runden, doch zu den frohen Festen reichte es nicht mehr.
Hans spielt zwar kein technisch sauberes Endspiel gegen Aaron, doch bei einem 4:1 Würfelvorteil war das auch nicht nötig.