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18.12.2013: Ist Smaragdgrün nun gut oder böse?

„A Study in Emerald“ sollte vergangene Woche noch eine zweite Chance bekommen, nachdem es bereits vor zwei Wochen für sehr unterschiedliche Reaktionen gesorgt hatte. Mit Andrea, Moritz und Peter saßen drei „Kenner“ des Spiels und mit Günther und mir zwei Neulinge am Tisch.

Die Regelerklärung dauerte etwas länger als erwartet, denn immer wieder gab es Zwischenfragen und vertiefende Erklärungen, obwohl die eigentlichen Spielelemente eher schnell erklärt sind. Aber irgendwie fühlte sich vieles anders und weniger intuitiv an, als Günther und ich es erwartet hatten. Moritz wechselte bei der Erklärung der beiden Fraktionen rasch von den eigentlichen „Loyalists“ und „Restorationists“ zu „den Bösen“ und „den Guten“, was sich später noch für mich als problematisch erweisen sollte.

Das eigentliche Spiel kam dann rasch in die Gänge. Günthers Taktik schien zu sein, schnell viele Städte einzunehmen und damit genug Siegpunkte zu erwerben, um das Spiel als Sieger zu beenden. Andrea, Moritz und ich verfolgten eine gemischte Strategie und staubten sowohl günstige Städte als auch die ein oder andere Karte ab. Damit waren nach der zweiten Runde bis auf Peter alle Spieler „known to the authorities“ und konnten angegriffen werden. Nur Peter achtete offenbar peinlich darauf, keine Siegpunkte zu erwerben.

Aus der Spielweise der einzelnen Spieler ließ sich nach der dritten Runde vermuten, dass Andrea und Peter Loyalists waren. Da ich ebenfalls die Loyalistenrolle zugelost bekommen hatte, war zumindest mir klar, dass Moritz und Günther Restorationists sein mussten. Gleich in der ersten Runde hatte ich einen weiteren Agenten erworben, der den Restorationists zusätzliche Punkte bei Spielende bringen würde. Was vielleicht als clever Zug hätte gelten können, war schlicht und einfach ein Spielfehler: für mich war zu diesem Zeitpunkt „gut“ = „grün“ und „böse“ = „rot“. Irgendwie erschien mir das logisch und die Farbe meiner Fraktionskarte hatte ich mir nur bei Beginn des Spiels angeschaut. Zumindest hatte dadurch meine Spielweise bis zu diesem Zeitpunkt meine wahre Identität noch nicht preisgegeben.

Recht bald hatte Günther so viele Siegpunkte über die Einnahme von Städten generiert, dass eine weitere Stadt zum Sieg gereicht hätte. Zu diesem Zeitpunkt hatte Peter immer noch nicht einen einzigen Siegpunkt generiert, was den sicheren Verlust der „Böse“-Fraktion bedeutet hätte. Es blieb uns also nichts anderes übrig, als gezielt gegen Günther zu spielen. Moritz, in der gleichen Fraktion wie Günther, schloss sich dem an, um irgendwie doch noch vor Günther zu rücken.

Hier beschlich mich zum ersten Mal die Idee, dem ganzen durch ein Abmurksen von Günthers einzigem Agenten ein Ende zu machen, denn irgendwie fand ich es frustrierend, dass Peter nicht aus seinen Startlöchern kam und ich keine Möglichkeit sah, selber zu gewinnen. Und offenbar ist destruktives Spiel hier explizit gewünscht.

Bald hatten wir Günther soweit zurechtgestutzt, dass zumindest keine unmittelbare Gefahr mehr bestand, dass er das Spiel über die Siegpunktleiste als Sieger beendet. Moritz und Günther kämpften verbissen um London, in dem sie fast alle ihre Aktionen dafür verbrauchten, dort Einflusswürfel zu platzieren. Gleichzeitig fing Peter an, Siegpunkte über Städtekontrollen zu generieren. Außerdem hatte er bereits in einer früheren Runde die Zombies-Karte erworben und sie genutzt, um nach und nach immer mehr Zombies ins Spiel zu bringen. Es war also abzusehen, dass er zu einem geeigneten Zeitpunkt den achten Zombie aufs Spielbrett setzt, dafür 8 Siegpunkte bekommt und das Spiel beendet. Es war also nur noch eine Frage der Zeit, bis Peter genügend weitere Siegpunkte erworben hatte, um diesen Zug durchzuführen.

Ich hatte mich zu diesem Zeitpunkt zusammen mit Andrea auf die vorderen Plätze der Siegpunktleiste vorgekämpft. Leider hatte ich weder Karten mit Siegpunkten für mich in der Hinterhand, noch gab es irgendwo weitere Siegpunkte, die günstig zu bekommen waren. Andreas Position war ähnlich.

Für mich stellte sich die Situation damit so dar: Solange Günther und Moritz sich weiter ineinander verbeißen, rückt keiner von beiden weiter vor. Geben sie den Kampf gegeneinander auf, wird einer von beiden recht schnell die Siegpunktschwelle zum Sieg überschreiten. Peter hat das größte Siegpunktpotenzial in der Hinterhand und kann das Spiel jederzeit beenden, lag aber aktuell immer noch auf letzter Position. Andrea und ich lagen zwar vorne, würden in den nächsten Runden kaum weitere Siegpunkte erwerben und damit nicht gewinnen können.

Als in der folgenden Runde Peter mir eine Stadt abnahm, also anfing gegen mich zu spielen, war mein Frust-Level ausreichend hoch und ich entschloss mich, dem Ganzen ein Ende zu bereiten (da ich vergessen hatte, meinen Kontrollstein auf die Stadt zu legen, kann ich Peter nachträglich noch nicht einmal einen Vorwurf machen). Ich schickte also meinen Agenten los, der legte Günthers einzigen Agenten um und damit war das Spiel beendet. Die Royalisten schieden aus der Wertung aus. Groß war die Überraschung, als ich offenbarte, dass ich selber damit auch ausgeschieden war und somit Günther zum Sieger gemacht hatte. Klassisches Kingmakern.

Ich denke nicht, dass ich „A Study in Emerald“ noch einmal in einer 5er-Runde spielen möchte. Zu beliebig und unkalkulierbar fand ich die Auswahl der Aktionen. Dazu kommt, wie Walter in seinem Bericht bereits erwähnte, die Tatsache, dass die Karten der Starthand fast ausnahmslos besser sind als die, die man mühsam im Laufe des Spiels erwerben kann. Und sicherlich bin ich zu sehr ein „Empire Builder“, als dass mich die durch diese seltsame Eliminierungsregel bei Spielende aufgezwungene destruktive Spielweise irgendwie reizen könnten.

Warum gebe ich dem Spiel dennoch 5 Punkte? Zum einen glaube ich, dass sich „A Study in Emerald“ sehr gut zu zweit spielen lässt, weil hier die Eliminierungsregel nicht zum Tragen kommt. Dann hat das Spiel viele sehr gute Mechanismen, die jeder für sich interessant sind aber leider in Summe kein harmonisches Ganzes ergeben. Ob das, wie Peter behauptet, daran liegt, dass Martin Wallace seine Spiele nicht ausreichend testet, kann ich nicht beurteilen. Für mich ist es jedenfalls kein stimmiges Gesamtwerk und leider wieder einmal typisch für ein Kickstarter-Projekt.

04.12.2013: Dominiody in Blue

„Wer mit schlechten Karten weiterspielt, ist entweder ein echter Idiot oder ein wahres Genie.“ (Lisz Hirn, zeitgenössische österreichische Philosophin und Künstlerin)

1. “A Study in Emerald”
Ein Kartenspiel zum Anheuern und Killen von Agenten und zum Besetzen bzw. Befreien von Städten, um dadurch in den Siegpunkt-Himmel zu gelangen.
Zu Spielbeginn bekommt jeder Spieler ein identisches Kartendeck von zehn Karten. Die Karten werden gemischt, dann zieht jeder Spieler die obersten fünf Karten von seinem Deck und bestreitet damit seinen Zug.
Auf jeder Karte sind Würfel, Pfennige und/oder Bomben abgebildet.

  • Pro Würfel-Symbol darf ein Spieler einen seiner Anspruchswürfel auf im Spielbrett verteilte Agenten setzen; falls er wieder am Zuge ist und bei einem Agenten die Mehrheit an Anspruchswürfeln liegen hat, gehört der ihm.
  • Für je zwei Pfennig-Symbole darf sich ein Spieler einen zusätzlichen Aktionswürfel vom Vorrat nehmen.
  • Mit einer festgelegten Anzahl vom Bomben-Symbolen darf er ein Attentat (a priori erfolgreich) durchführen, d.h. eine Stadt besetzen oder einen Agenten in die Luft sprengen.

Agenten und Städte sind repräsentiert durch Karten, die ebenfalls die simplen Würfel-, Pfennig- und Bombensymbole aufweisen, und nach dem Erwerb unser Kartendeck anreichern. Leider ohne meßbaren Steigerungseffekt, d.h. die Potenz der erworbenen Karten ist von der absolut gleichen Quantität und Qualität wie die, die wir bereits besitzen.
Manche Karten besitzen überhaupt keine merkantilen Qualitäten: sie geben lediglich die Erlaubnis zum Killen einer Spielkarte – es wäre ja noch schöner, wenn dafür eine einfache Bombe ausreichen würde!
Um noch ein bißchen Ungewissheit und Ansätze von Bluff, Induktion und Intuition ins Spiel zu bringen, sind die Spieler zwei gegensätzlichen Parteien zugeteilt, den Konservativen und den Revoluzzern. Dies spielt eine Rolle bei der Bestimmung des Siegers: Man kann nicht gewinnen, wenn ein Mitglied der eigenen Partei die wenigsten Siegpunkte von allen Mitspielern hat. Von der anderen Partei gewinnt dann derjenige, der die meisten Siegpunkte hat. So ist ein sanftes Kooperations-Element in ein im Prinzip individuelles Konkurrenzspiel eingebaut: Der punktstärkste Spieler einer Partei muss dem punktschwächsten helfen, um selber Sieger werden zu können. Eigentlich eine ganz sinnvolle Erfindung.
Leider ist diese Erfindung mit erheblichen Geburtsfehlern versehen.

  • Die Einteilung in die beiden Parteien geschieht nicht offen, sondern geheim. Über den größten Teil des Spieles hinweg weiß man gar nicht, wer Freund oder Feind ist.
  • Wenn man weiß, wer zu gleichen Partei gehört, weiß man noch lange nicht, wer der Schwächste ist. Ein Großteil der Siegpunkte ergibt sich erst aus geheimen Eigenschaften und Besitztum am Ende des Spiels; es ist also nicht erkennbar, wen man unbedingt fördern muss.
  • Wenn man glaubt zu wissen, welche Mitspieler zur eigenen Partei gehören UND glaubt genau zu wissen, wer davon der Schwächste ist, kann man ihm keineswegs mir-nichts-dir-nichts Siegpunkte zuschustern. [Ehrlich gesagt, ich weiß auch jetzt beim Session-Protokoll immer noch nicht, wie man das macht, werde es aber auch nicht mehr im Regelheft nachlesen.]

Kurz gesagt: der gute alte Michael Schumacher zieht mit angezogener Handbremse seine Kreise und wundert sich, dass Mecedes nicht gewinnt.
Während Andrea, Moritz und Peter schon mit mittelfristigen Movements und Assassinations taktierten, kämpfte Walter immer noch mit den Regeln, mit der Handhabung von Nachzieh- und Ablage-Kartendeck (zum großen Leidwesen von Moritz) und mit der Einsatzmöglichkeit für seine Bombenkarten ohne Mordbefehl. Peter hingegen tüftelte schon nach vielleicht 15 Minuten Spielzeit an einem finalen Gewinnzug („Seid ihr mir böse, wenn ich das Spiel beende?“), doch hatte er dabei ein oder zwei Regeldetails übersehen: von Andrea konnte er nur einen Nebenagenten, nicht aber ihren Hauptagenten umbringen, und Moritz durfte er überhaupt nicht angreifen, der hatte noch keinen einzigen öffentlichen Siegpunkt verbucht und war deshalb noch „unknown to the authorities“.
Nach weiteren flotten zwei oder dreimal 15 Minuten konnte Peter schließlich doch noch alle Killerbedingungen erfüllen und das Spiel beenden. Und wer hat gewonnen? Blindgänger Walter wurde Sieger! Seine in London friedlich abgestauben 6 Siegpunkte hatte Peter mit seinen geheimen Mörderpunkten nicht überholt, und die an Siegpunkten führende Andrea fiel aus, da ihr gleichparteiiger Moritz sich punktuell noch nicht aus den Startlöchern begeben hatte.
Vor gut sechs Jahren tat Günther mal den klugen Ausspruch: “Wenn Walter gewonnen hätte, dann hätte das Spiel einen Glücksfaktor von 1.” Genau das trifft auch für „A Study in Emerald“ zu. Hier sogar doppelt!
Immerhin, Moritz hat vollkommen Recht: “Das Spiel ist das beste Kick-Starter-Spiel, das wir je gespielt haben!” Was immer man daraus schlußfolgern kann.
WPG-Wertung: Andrea: 7 (thematisch gut unterlegt [Morden?]; es macht Spaß; man kann verschiedene Strategien einschlagen), Moritz: 7 (die Mechanismen – verdeckte Identitäten, viele Aktionsmöglichkeiten – sind gut; das Spiel besitzt thematisches Flair [er kannte die zugrunde liegende Geschichte von Neil Gaiman]), Peter: 4 (mag Dominion-Spiele nicht; das Spiel hat viele tolle Mechanismen, die meisten davon besitzen aber leider die Wallace-Krankheit: sie sind noch unausgegoren), Walter: 4 (traniges Lavieren mit Kartensymbolen, kein Steigerungseffekt; ein Großteil der Spielelemente kommt erst gar nicht ins Spiel.

2. “Ascension: Chronicle of the Godslayer”

Ascension – Andrea besiegt gerade ein Monster
Ascension – Andrea besiegt gerade ein Monster

Obwohl das Spiel ein richtiges höchstqualifiziertes Spielbrett besitzt und dazu noch schöne rote und weiße Goldnuggets als Siepunkt-Zähler, ist es doch nur ein reines Kartenspiel, ein „deckbuilding game“ (Schachtelaufdruck) a la „Dominion“, und im Gegensatz zu “Emerald” auch noch ein flottes („fast-paces“) dazu. Das Spielbrett dient lediglich zur besseren Platzierung der verschiedenen Aufnahme- und Ablage-Stapel.
Jeder hat ein eigenes Kartendeck mit phantasievoll gestalteten Karten, die im Prinzip aber nur zwei trivial-kommerzielle Eigenschaften haben: Einen Geldwert, um ausliegende Geld-Karten zu kaufen, und einen Kampfwert, um ausliegende Kampf-Karten zu besiegen. In beiden Fällen werden die neu erworbenen Karten unter das eigene Kartendeck gemischt, um bei nächster Gelegenheit dort ihren Nutzeffekt einzubringen.
Die jeweiligen Kartendecks werden wrap-around benutzt: jeder zieht die obersten fünf Karten von seinem gemischten Deck und geht damit auf den Markt. Aus Geld-Karten mach’ potentere Geld-Karten, aus Kampf-Karten mach’ potentere Kampf-Karten. Im Prinzip eine Zinseszins-Technik. Und, wia im richtigen Leben, wer gleich zu Beginn eine höhere Verzinsung erzielen kann, dem fließen auch im weiteren Spielverlauf die größeren Summen zu. Und wie erzielt man bei gleicher Ausgangsbasis eine höhere Verzinsung? Dadurch, dass die zufällig gezogene Kartenhand und das zufällige Angebot auf dem Markt halt gerade gut zusammenpassen! Das Zusammenpassen muss man sich nicht eigenes erarbeiten, es liegt einfach auf der Hand. Oder auch nicht.
Später kommen ein paar Karten mit Nebeneffekten ins Spiel. Eine Karte kann wahlweise als Geld- oder als Kampfkarte genutzt werden. (Phänomenale Strategie-Option!). Mit einer anderen Karte darf man in dieser Runde zwei weitere Karten auf die Hand nehmen. Ein dritte Karte zwingt die Mitspieler, eine Karte ihrer aktuellen Kartenhand abzuwerfen. (Wie lustig!) Eine bestimmte Kartensorte darf man offen – quasi als permantente zusätzliche Karte – auslegen, um pro Runde ihren Segen über sich herabregnen zu lassen; mit weiteren Karten kann man die offene Auslage der Mitspieler zerstören. Andrea war die eifrigste Sammlerin auslegbarer Karten. Ihr anvertrauter Lebenspartner war der eifrigste Zerstörer ihrer Sammlung. Das Spiel kennt keine Parteien, es kennt nur Siegeswillen.
WPG-Wertung: Andrea: 8 (unterhaltsam, 1 Punkt mehr, weil es halt besser ist als „Emerald“), Moritz: 8 (glücksabhängig, [AbN: gehört dazu jetzt ein „weil“ oder ein „obwohl“]), Peter: 6 (OK, harmlos, aber es spielt sich rund), Walter: 4 (der Freiheitsgrad liegt in der Größenordnung von Null; was man mit jeder seiner Kartenhand anfangen kann und muss, ist eindeutig bzw. trivial prädestiniert. [Heftiger Widerspruch von allen Seiten]).

” Matrimony Blues”
Nein, das ist kein Spiel, das lag auch nicht bei uns auf dem Tisch. Es lag einfach in der Luft, und wir haben unsere Erfahrungen und Einsichten dazu eingebracht. Start to kick, hundertprozentig kooperativ.