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22.07.2009: Nach der Flut ging es um Kopf und Kragen

Sonnenfinsternis in China und Moritz fährt mit dem Fahrrad zum Westpark. Wie reimt sich das zusammen?
Ganz einfach: Die Sonne zieht ihre Kreise um die Erde und manchmal kommt ihr der Mond in die Quere. Moritz zieht mit Sack und Pack um in die Isarvorstadt und ihm kommt leider niemals eine U-Bahnstation in die Quere.
Doch mit dem Fahrrad schafft er den Weg in 12 Minuten. Ab sofort wird Peter alleine zur vorletzten U-Bahn hetzen müssen.
Moritz' Frau hofft dagegen bis jetzt immer noch vergeblich auf ein Pedelec. In letzter Sekunde sagte sie die Tour d’ Ouest ab und überlies den Westpark einem unverdrossenen männlichen Trio.
1. “After the flood”
Vor weniger als einem halben Jahr zum ersten Mal gespielt, konnte sich heute keiner mehr an die Regeldetails erinnern. Moritz mit dem englischen Regelheft und Aaron mit der deutschen Version durften mit vereinten Kräften sich und dem einsamen Zuhörer die Regeln vortragen. Nach kaum einer Stunde war die allseitige Wiederholung bewältigt.
Im alten Sumerien müssen wir Reiche gründen und entweder durch Tauschen und Bauen oder durch Mord und Totschlag Siegpunkte erwerben. Während sich Aaron und Walter noch mit dem Polieren ihrer Pflugscharen die Zeit vertrieben, hatte Moritz im Nu daraus Schwerter geschmiedet und die Welt erobert. Nach der ersten Runde hatte er bereits den vierfachen Punktevorsprung vor dem Zweiten und einen Unendlichfachen vor dem dritten Spieler.
In der zweitem Runde war er nicht so erfolgreich, und wir durften wieder hoffen, daß die kommerzielle Variante der sumerischen Welteroberung der militärischen vielleicht doch noch Parioli bieten könnte. Immerhin gibt es sogar noch einen goldenen Mittelweg: Wer weder als Eroberer noch als Krämer direkt punkten kann, der kann seine Aktionen aufs Sparkonto einzahlen und auf eine ertragreichen Zukunft bauen.
In jedem Fall gilt, daß lukrative Reiche den Mitspielern so teuer wie möglich gemacht werden müssen. Wer hier allerdings seine Mittel verpulvert und trotzdem den kürzeren zieht, hat sich selbstlos für die Konkurrenz aufgeopfert. Gedankt wird es ihm nicht.
Weiterhin gibt es Landstriche, z.B. dort, wo der blaue Lapislazuli eingehandelt wird, die für den Sieg quasi unverzichtbar sind. Wer sich hier festsetzt, hat den Sieg auch schon halb in der Tasche. Nach unseren bisherigen Erfahrungen konnte sich immer relativ früh einer der Spieler irgendwo irgendwie eine uneinholbare Monopolstellung erwerben. War das Können oder ist der Glückliche hier jedesmal zufällig in eine Balance-Schwäche des Spieldesigns gefallen?
WPG-Wertung: Aaron: 6 (“nicht ausbalanciert”) , Moritz: 8 “stimmige Thematik, Kampfsituation für 3 Spieler sehr gut gelöst”), Walter: 7 (“für mehr Punkte etwas zu trocken”)
2. “Um Krone und Kragen”
Moritz’ erstes selbst-entwickeltes Brettspiel harrt noch seiner Publizierung, “Um Krone und Kragen” verdankt ihm immerhin schon seinen Namen.
Jeder würfelt mit einer ständig steigenden Anzahl von Würfeln. Damit erwürfelt man sich Bonuskarten, die beim weiteren Würfeln helfen sollen, noch bessere Würfelergebnisse zu erzielen. Entweder darf man damit zusätzliche Würfel einsetzen oder ein bißchen an den Würfelergebnissen herummanipulieren. Wer am Ende das allerbeste Würfelergebnis hinlegt, wird Sieger.
Wenn man die Bonuskarten alle kennt, kann man sich vielleicht eine optimale Bonuskartenerwerbsstrategie zulegen. Wenn Fortuna dann auch noch die notwendigen Würfelkombinationen gewährt, hat man gewonnen. Wenn die Glücksgöttin einen Spieler allerdings schon ganz am Anfang übersieht, hat sie Schwierigkeiten, diesen Fehler wieder gutzumachen. Wahrscheinlich ist ihr das aber egal.
Aaron wurde unangefochten Sieger. Wo blieb da sein sprichwörtliches Würfelpech!
WPG-Wertung: Moritz: nimmt dem Spiel einen Wertungspunkt, Walter gibt ihm einen. Die Summe bleibt gleich. Der Durchschnitt auch.
3. “Flaschenteufel”
Haben wir nicht gespielt, aber Moritz hat es nachdrücklich gefordert und als eines seiner Lieblingsspiele apostrophiert. Aaron und Walter waren platt! Haben sie doch tatsächlich seine Hebung auf 9 Punkte übersehen. Wurde ja auch schon vor mehr als einem Jahr bekanntgegeben.
4. “Bluff”
Paradoxien in der Wahrscheinlichkeit. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, mit 2 Würfeln eine Fünf zu würfeln? Zwei Drittel? Moritz bestand auf “Zweimal ein Drittel!” Ist das nicht das gleiche? Mindestens zwei Drittel der Mitspieler waren verblüfft. Schlußendlich war einer von zwei Würfeln unter Moritz’ Becher eine Fünf und Aaron hatte verloren.
Der Faden wurde noch weitergesponnen. Im Gegenzug gelang es ihm nicht, mit 4 Würfeln eine Zwei zu würfeln, obwohl die Wahrscheinlichkeit dafür schon bei Einhundertdreiunddreißig Prozent lag! Und schließlich mußte Moritz einen Würfel abgeben, weil von 6 Würfeln keiner ein Stern war. Obwohl auch dafür die Chance hundertprozentig war.
Lag das vielleicht an der Fragestellung? Hätten wir etwa danach fragen sollen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, mit einer bestimmten Anzahl von Würfeln KEINE Zwei zu würfeln?
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

04.03.2009: “Uptown” in der “Flut”

Bis zum Sonntag waren erst drei Spieler für den Mittwoch-Spielabend angemeldet. Am Montag rührte sich Hans per EMail: “Ich kann diesen Mittwoch dabei sein und komme gern! – mindestens einer fehlt doch noch?”
Fehlen? Der Ausdruck war ein kleines bißchen zu stark, denn auch ein Trio-Abend hat seine Reize, z.B. wenn “Friedrich” auf dem Tisch liegt. Mit “Imuri” hat es sogar schon faszinierende 2er-Spielabende am Westpark gegeben. Gerade mit Hans.
Walters Erinnerung daran quittierte er mit “Du sagst es, 'Imuri' und 'Salta', das war wirklich eine gehaltvolle Kombination!” – War das jetzt eine Zusage oder nicht?
Geduldig wartete das Trio vom Sonntag auf den angekündigten vierten Spieler vom Montag. Doch er kam nicht! Hans, wo bist Du abgekommen? Wolltest Du dem Gastgeber etwa einen Soloabend bereiten?
1. “Uptown”
Es galt, die Zeit zu überbrücken, bis der vierte Mann eintrudelt. “Uptown” ist dafür ein ideales, schnelles Spiel zum Aufwärmen. Jeder Spieler hat den gleichen Satz von insgesamt 27 Plättchen, die reihum auf vorgeschriebene Felder des Spielbrettes gelegt werden. Dabei sollen möglichst zusammenhängende Ketten gebildet werden. Wer am Ende die wenigsten getrennten Ketten erzeugt hat, ist Sieger.
Im ersten Spiel wiesen am Ende alle Spieler genau zwei zusammenhängende Ketten auf, dabei hatte Günther die dickste, was im Femininum allerdings nix Besonderes ist. Auch kein Kriterium als Tie-Breaker.
Alle brachten ihre Ideen und Vorschläge für ein strategisch optimales Vorgehen vor. Trivial ist das Ablegen der Plättchen auf keinen Fall. Ein überlegter Plan ist erforderlich, auch wenn die Auswahl der Plättchen, die man aktuell legen darf, jeweils auf fünf beschränkt ist. Zufällig gezogene! Doch gute Ratschläge unter klugen Mitspielern fallen genauso wenig auf fruchtbaren Boden wie gute Ratschläge vorsichtiger Mütter an ihre klugen Töchter. Das zweite Spiel sollte die Nagelprobe für die kontroversen Strategiediskussionen ergeben.
Doch wie der Zufall so spielt: Ausgerechnet unser Spieler, der anerkanntermaßen beim “Mensch-ärger-Dich-nicht” die schlechtesten Würfel hinlegt und der beim “Schafkopfen” anerkanntermaßen die schlechteste Kartenhand zugeteilt bekommt, der hatte ständig auf seinem Vorratsbänkchen auch nur “Scheiß-Plättchen” liegen. – So muß die Entscheidung über die beste Uptown-Strategie auf einen späteren Termin verschoben werden.
Keine neue WPG-Wertung für ein 8-Punkte Spiel
2. “After the Flood
Hans war immer noch nicht da. Ohne Skrupel konnten wir als Schwerpunkt des Abends ein neues, dickes 3er-Spiel von Martin Wallace auf den Tisch legen: “After the Flood”. Aaron hatte von einer numerierten Auflage das Exemplar Nummer 1442 erstanden. Letztes Jahr in Essen (oder wo auch immer). Frei nach seinem Motto: “Mit Martin Wallace liegt man immer richtig”.
2-3 Stunden soll das Spiel dauern. Zusätzlich zur Regelerklärung! Da kommt so ein unvorhergesehener Hans-Ausfall wie gerufen. Friedlich machten sich drei reife Männer über die Spielregeln her. Vier Seiten Einleitung, fünf dicht bedruckte Seiten Regelwerk, eine Seite Zusammenfassung. Parallel zum Klüger-Werden erzeugten wir den Spielaufbau, die Startaufstellung und die erste Ernte.
Die Szenerie liegt rund um das alte Sumerien (oder wie hieß das Land der Sumerer?). Wir schicken unsere Arbeiter zu den verschiedenen Baustellen aufs Land. “Irrigation” heißt eines dieser Betätigungsfelder auf Englisch; drei Männerhirne fanden dazu natürlich sofort eine phonetische Assoziation. Auch das – nach Wikipedia – “paradiesische Land” Dilmun wurde unverzüglich abgewandelt. Ohne dabei den Ernst des Spieles aus den Augen zu verlieren.
Wir erarbeiten uns Rohstoffe und treiben Handel, um unsere billigen Rohstoffe gegen höherwertige einzutauschen. Wir gründen Städte und bauen sie aus, wir gründen Reiche, d.h. wir stellen Armeen auf, die – wie im richtigen Leben – den Handel behindern, die Städte zerstören und eine Menge Ressourcen verbrauchen.
Das Spiel verläuft über fünf Runden a sechs Phasen. Die dickste Phase ist die Aktionsphase, in der alle Mitarbeiter und alle Generäle ihre Tätigkeiten entfalten. Die Anzahl der Aktionen ist a priori nicht limitiert: Jeder darf solange agieren, wie es ihm Spaß macht, d.h. bis er alle seine Rohstoffe auf den optimalen Veredelungsgrad gebracht hat. Manchmal schränken die gegnerischen Armeen den Aktionsradius ein, oft genug aber auch nicht. Hier prallt die volle schöpferische Fülle an Zugmöglichkeiten in einer abzählbar endlichen Folge auf die armen Spieler herab und sie sind – zumindest als Anfänger – total überfordert, darin eine auch nur einigermaßen optimale Linie zu finden.
Ein paar grundsätzliche Fragenstellungen:
1) Bis zu welchem Einsatz soll man um die Vorherrschaft in den vorteilhaftesten Reichen kämpfen?
2) Wieviel ist der Vorteil als Startspieler wert?
3) Wieviele Zusatzarmeen soll man sich leisten? Mit welchen Mitteln soll man sie ausstatten, um sich damit Kampfvorteile zu sichern?
4) Wo gründet man die sichersten Städte? Wann gründet man sie und wann entwickelt man sie zur Hochkultur?
5) Soll man gegnerische Städte und Armeen angreifen und an welchen Stellen?
6) Wieviel Arbeiter sind auf dem Land und in den Fabriken jeweils notwendig?
7) An welchen Marktplätzen braucht man unbedingt Händler, um die benötigten Tauschaktionen lückenlos abwickeln zu können.
8) Wieviele Angestellte schickt man ins Dildoparadies, damit sie dort ungestört ihre Kreise ziehen? Nach jeder Runde müssen sie erschöpft aufgeben!
Fragen über Fragen. Die richtige Priorität ist spielentscheidend. Nach zweieinhalb Stunden hatten wir zwei der fünf Runden absolviert, aber immer noch keinen Peil darüber, was zu welchem Zeitpunkt wichtig, wichtiger oder am wichtigsten ist. Noch kein Gefühl dafür, wie man die nächste Runde angehen soll.
In jedem Fall verläuft der Kampf um die beste Entwicklung mit einer maximalen Spieler-Interaktion. Jede vorteilhafte Position ist umkämpft. Der Sieger in einer Auseinandersetzung gewinnt eine gute Ausgangsstellung, muß dafür aber eine erhebliche Menge an Ressourcen verpulvern, und schafft sich sofort zwei Feinde, die ihm die Früchte seiner Dominanz so sauer wie möglich werden lassen. In dieser Hinsicht ist das 3-Personenspiel vorzüglich konstruiert und auch gut ausbalanciert.
Letztere Einschätzung ist allerdings nicht unumstritten. Im Gegensatz zu “Friedrich”, bei dem allen sofort klar war, daß hier ein großes Spiel auf dem Tisch liegt, muß “After the Flood” seine wirkliche Größe erst noch unter Beweis stellen. Zum Nochmals-Spielen um seine Geheimnisse zu ergründen reizt es auf alle Fälle. Aaron wird noch ein bißchen im Internet nachschauen, was andere Geister dazu bereits herausgefunden haben.
Preliminary WPG-Wertung: Aaron: 6 (befürchtet, daß es “kippelig” ist), Günther: 6 (noch skeptisch), Walter: 7 (mit Tendenz zu mehr)
3. “Bluff”
Nach vielen Stunden Planen und Wundern brauchten wir noch ein abschließendes Spielerlebnis. Dazu ist “Bluff” ein nicht zu überbietendes Medium.
Das erste Spiel gewann Aaron vor Günther, im zweiten war es umgekehrt. Jeweils vor einem weiteren Teilnehmer.