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17.06.2009: Spieleabend versus Spieleabend

“Spieleabend” heißt unser regelmäßiges Treffen Mittwochs am Westpark. Zur Koordination, Vor- und Nachbereitung fließen eifrig EMails in alle Richtungen. Seitdem wir die Briefe archivieren, ist daraus ein über 1600 Seiten dickes Word-Dokument geworden.
Heute hat unser “Spieleabend” Konkurrenz bekommen. Die A•DEvantgarde veranstaltet im Kleinen Konzertsaal vom Gasteig einen eigenen “Spieleabend”, d.h. ein Konzert rund um das Spiel. Auf dem Programm stehen u.a.:
“Schere, Stein und Papier”, ein Musikstück für 3 Spieler, kleines Ensemble und Publikum von Gregor Mayrhofer,
“Tactics” für Violoncello, Klarinette, Fagott, Klavier und Schlagzeug von Arash Safaian, und
“Multiversum á la Carcassonne” für Schauspielerin, Zuspielband, Klarinette, Fagott und Schlagzeug von Alexander Sternemann.
Der Name des letzten Stückes rührt tatsächlich von dem berühmtesten Hans-im-Glück-Spiel und nicht etwa von der namengebenden Stadt in Südfrankreich. Moritz hat eine Kompositionsklasse der Münchener Musikhochschule extra zu einem Spielabend in die Verlagsräume bei HiG geführt, damit sich die angehenden Komponisten einen Eindruck von dem verschaffen können, was andere Leute so alles an einem “Spieleabend” betreiben.
HiG war nicht nur gastfreundlich wie immer, er hat dem heutigen Konzert auch eine finanzielle Unterstützung zukommen lassen.
Nur mit Gewissensbissen konnten wir heute dem Konkurrenz-Spieleabend im Gasteig entsagen und unserem traditionellen Spieleabend am Westpark den Vorzug geben. Lediglich Moritz mußte zum anderen Ufer (der Isar). Schließlich ist er künstlerischer Leiter des A•DEvantgarde Festivals.
1. “Wind River”
In diesem super Spiel wird bei uns noch kontrovers diskutiert, ob Kingmakerei die vorzüglichen strategischen Linien des Spielverlaufs unterminieren könne. Günther schlug vor – um seine Kingmaker-These zu unterstreichen “gleich von Anfang an gegen Walter zu spielen”. Ausgerechnet Günther! Der erste charakterliche Minuspunkt in zehn Jahren Spielen!
Sein Vorschlag fiel auf fruchtbaren Boden: Aaron hatte sich selbst “für heute vorgenommen, von vorneherein einseitig” gegen Walter zu spielen. “Ich wollte so schnell wie möglich ein 3er Spiel daraus machen. ” Absolut irrational, denn in der Ausführung beförderte er sogar seine eigene linke Büffelherde ins Jenseits, nur um Walter damit den Garaus zu machen. Mitunter auch volksverhetzend. Wie soll man denn sonst seinen Satz werten: “Wir könnten jetzt den Walter rausschicken! ” Selbstredend vollständig! – Zum Glück zogen nicht alle mit.
Walter hatte ursprünglich geplant, sein zweites Start-Tipi probehalber unmittelbar vor die Ziellinie zu positionieren, um vom ersten Augenblick an hier seinen Nachwuchs zu erzeugen und mit einem einzigen Schritt als Siegpunkte ins Reservat übertreten zu lassen. Doch nach den Drohgebärden seiner Gegner war ihm dieses Experiment dann doch zu riskant. Er beschränkte er sich auf ein gemäßigt-offensives Spiel: Er ließ ein Fütter-Tipi im Hintergrund und setzte das zweite brav an der Grenze zur Büffelweide ein. Dann bewegte er es recht zügig in Richtung Ziel. Leider soviel zügiger als die anderen, daß seine tragische Stilisierung zum Feindbild sogar noch eine gewisse Berechtigung bekam.
Aarons brutaler Harakiri-Miesnickeligkeit war sein creativ-elegantes Vorgehen nicht gewachsen. Er brachte zwar weit vor allen anderen als erster ein Tipi ins Ziel, hauchte dann aber sein noch junges Leben aus und konnte nur noch durch Büffel-Bewegungen ins Chaos eingreifen. Doch auch so blieb für ihn das Spiel äußerst spannend.
Aaron irrationale Eskapaden hatten ihn selbst äußerst verwundbar gemacht. Mit letzter Kraft konnte er ebenfalls nur ein einziges Tipi ins Ziel retten. Wenn die Reihenfolge, mit der man ins Ziel kommt, als Tie-Breaker gelten würde, wäre er jetzt Letzter geworden!
Hans und Günther blieben übrig und lieferten sich einen harten Zweikampf aus dem Rückraum rechts. Die Ziellinie war für beide noch längst nicht in greifbarer Nähe. Das verständliche Bestreben der ausgeschiedenen Aaron und Walter war jetzt, mit ihren einsamen Büffelzügen Hans auf ebenfalls maximal ein Ziel-Tipi zu begrenzen. Auch Günther spielte – gegen wenn denn sonst? – gegen Hans und trieb dessen versprengte Herde unerbittlich in den Hungertod. Hansens Verzweiflungsruf:
“Duuu brauchst doch nicht gegen mich zu spielen!”
war zwar emotional verständlich, rational aber durch nichts argumentierbar. Er konnte damit nur rundum ein Gelächter auslösen.
Fazit der provozierten Kingmakerei: Auch mit experimentellen einseitigen Aggressionen ist “Wind River” bis zum Schluß ein perfektes Spiel. Selbst das bloße Zuschauen beim Überlebenskampf der letzten Rothäute und ein sporadisches rächendes Knüppel-zwischen-die-Beine-Werfen ist fesselnd bis zur letzten Minute.
WPG-Wertung: Aaron hob seine Wertung auf 8, Walter sogar auf 9 Punkte, Günther blieb bei seinen 7 (er ist halt ein Allesspieler). Hans vergab – trotz seines finalen Frustes – 8 neue Punkte (“Das Spiel ist toll! So was von elegant! Auch thematisch super!”)
2. “Diamonds Club”
Auf Aaron’s: “Spielt sich wie Finca, nur ohne Muschis” bekannte Hans etwas unsicher, daß er froh sei, bei unseren Muschi-Spielen der letzten Wochen nicht dabeigewesen zu sein. Die erfahrenen älteren Herren wunderten sich!
In Rüdiger-Dorn-Spielen hat niemand Pech. Das ist ein eiserner Grundsatz seiner Spiel-Design-Prinzipien. In “Diamonds Club” gibt es dazu eine winzige Ausnahme: Die Startspieler-Bestimmung, daß der emsigste Zylinder-Investor neuer Startspieler wird, ist super; daß die weitere Zugreihenfolge dann aber nach der Sitzordnung bestimmt wird und nicht nach der weiteren Zylinder-Reihenfolge, ist nur bedingt gerecht! Vielleicht ein Zugeständnis an die Vereinfachung als Familienspiel?
Die verschiedenen Investitionsmöglichkeiten in Geldquellen, Waldbesitz, Technik-Entwicklung und Park-Triolen bieten auch anspruchsvollen Spielern ein weites Betätigungsfeld. Allerdings muß man wissen, daß ohne Wald nichts geht. Hans bekam fast alle Sonderpunkte für vollständige Sammelobjekte, doch er wurde Letzter. Er hatte als einziger kein Waldstück. Vielleicht sollte der Waldfaktor auf maximal 5 (statt 6) begrenzt sein.
Die restlichen Punktezahlen blieben trotz sonst unterschiedlicher Park-Entwicklung ziemlich dicht beieinander. Das haben wir schon früher festgestellt. Ist Dorn’s Ausgleichspolitik hier etwa in Gleichmacherei ausgeartet? Frage an die eigenen Reihen: Dann ist der Waldfaktor also noch zu niedrig, oder?
Hans empfand das Spiel als “Antithese zu Wind River: Unheimlich viel Regeln, unheimlich viel Material, dagegen zu wenig Interaktion.” Zudem fühlte er sich strategisch zu wenig herausgefordert: “Die Dinge, die ich falsch gemacht habe, waren so pippifax, daß ich keinen Ehrgeiz habe, meine Strategie zu verbessern.” Nach einer harten Auseinandersetzung mit “Wind River” ist diese Einschätzung gerade noch verständlich.
“Diamonds Club” geht deutlich in Richtung Familienspiel, auch wenn es dafür verhältnismäßig viele Regeln enthält. Aaron schlug vor, das geniale Setz-Tableau durch spezielle Verteilungswürfel zu ersetzen: Schiffe, Verträge, Farb-Loren und das ganze Drum und Dran benötigen dann keine scharfe Optimierungs-Kalkulation mehr, sondern werden durch einfachen Würfelwurf erworben. Dieser Vorschlag ist genauso revolutionär wie seine halsbrecherischen Killermethoden gegen die aussterbenden Indianer im “Wind River”.
WPG-Wertung: Hans senkte mit seinen 6 Punkten den WPG-Durchschnitt um 0,2.
3. “Bluff”
Im ersten Spiel schied Hans als erster aus, im zweiten Spiel wurde er Sieger. Bei Walter war es umgekehrt. Ist Bluff doch nur ein reines Glücksspiel?
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

01.04.2009: Die Nacht der Diamanten

An welche Arten von Spielen erinnert man sich am besten? Bei uns lief gerade eine heiße Diskussion, ob das nur Spiele mit klaren Themen oder auch rein abstrakte Spiele sein können. Hans konnte dazu die psychologische Erkenntnis beisteuern, daß es wesentlich von den begleitenden Emotionen abhängt liegt, ob ein Ereignis im Gedächtnis gespeichert wird oder nicht. Damit reduziert sich die Anfangsfrage auf eine simple Frage nach Vorlieben. Der Bridgestar Culbertson ließ sich scheiden, weil seine Frau Josefine in einem Titelkampf nicht die Pik-Zwei zurückgespielt hat. Dagegen ziehen sich geborene Kriegerseelen nur dann hoch, wenn sie mindestens ein paar Atombömbchen zünden dürfen. Natürlich über einem Schurkenstaat, wo denn sonst! Alles Geschmackssache!
1. “Diamonds Club”
Ein Ravensburger Spiel von Rüdiger Dorn aus der Ernte des letzten Jahres. Günther hatte das Spiel schon auf der Spiel 2008 in Essen gespielt. Regelsicher war er allerdings nicht mehr, es reichte dazu, einige Regelausführungen von Aaron zu ergänzen. Aber wir gingen das anspruchsvolle Spiel locker an, Fehler und Irrtümer wurden ohne Beanstandungen auch ein-einhalb Runden später noch nachträglich korrigiert.
Ähnlich wie bei den “Fürsten von Florenz” erhält jeder Spieler zu Beginn ein eigenes Tableau, auf dem er sein im Laufe des Spieles erworbenes Besitztum plaziert. Auf dem gemeinsamen Spielbrett in der Mitte befindet sich der Markt, und durch geschicktes Setzen auf die verschiedenen Positionen an Tieren, Landschaften und Gebäuden füllt man sein Privat-Tableau und häuft damit Siegpunkte auf sein Konto.
Es gibt sehr viele verschiedene Entwicklungsrichtungen zu verfolgen. Alle sind mehr oder weniger erfolgreich, und am Ende münden alle in eine Orgie von Prämien und Sonderprämien. Ein konstruktives Spannungsfeld herrscht zwischen der von den Regeln geforderten Diversifizierung der Investitionen und einer angestrebten Monopolisierung in der Entwicklung, die einen progressiven Nutzen bringt. Weiterhin gilt es, eine wirksame Balance zwischen dem langfristigen Ausbau der Erwerbsquellen und ihrer kurzfristigen unmittelbaren Nutzung zu finden.
Günther ging sofort seinen technischen Fortschritt an. Natürlich wußte der erfahrene Fuchs schon vorher, daß die Förderung des Einkommens besonders am Spielanfang den größten Nutzen bringt. Die anderen drei blinden Hühner mußte sich erst in der weiten Landschaft der Siegpunktquellen orientieren, bevor sie einen Spielplan verfolgen konnten. Doch das Spiel ist gutmütig. Viele Vorlieben können zum Sieg führen. Die ersten Züge müssen keineswegs punktgenau gesetzt werden, eine anfängliche Schwächelei kann im Laufe des Spieles durch späteres konsequent-gutes Spiel noch leicht wettgemacht werden.
“Gutes Spiel” besteht – neben der sachgerechten Balance zwischen kurz- und langfristigen Zielen, bzw. zwischen Ein- und Vielseitigkeit innerhalb der Investitionen – zum großen Teil aus einer glücklichen Hand beim Setzen auf dem Markt, sowie aus einer mehr-oder-weniger-zufällig-glücklich-fehlenden Konkurrenz beim hier stattfindenden Setz-Chaos. Hallo Rüdiger, was meinst Du dazu?
Und noch eine Frage: Warum gibt es verschiedene Tierarten (Fische, Vögel und Rehe) zu ersteigern, eine einzige Tierart hätte spieltechnisch doch gereicht! Die Erwerbsmöglichkeiten dafür sind absolut symmetrisch, und ein Trio aus drei gleichen Viechern wird mit dem identischen Aufwand erworben wie eines aus drei verschiedenen. Ist dieses Detail ausschließlich aus ästhetischen Gründen hinzudesigned worden? Oder war das eine Verneigung vor Konrad Lorenz und seinem berühmten “Er redete mit dem Vieh, den Vögeln und den Fischen”?
WPG-Wertung: Aaron: 6 (reduziert wegen Mitspieler-Chaos), Günther: 7 (“super Setz-Mechanismus”), Moritz: 7 (“interessant”), Walter: 7 (ästhetisches Material, ästhetische Spielweise)
Walter wird eine Rezension schreiben.
PS: Mitten aus dem Leben gegriffen:
Aaron hatte vergessen, seinen Setzstein auf das Feld zu setzen, wo er die Orangerie erworben hatte. Damit hätte der nächste Spieler einen Diamanten mehr für die Orangerie hinblättern müssen. Moritz war der Nutznießer dieses Versehens. Kurz danach wurde der Fehler bemerkt. Frage an den Turnierleiter: Muß Moritz jetzt noch einen Diamanten nachschießen, oder wird seine Unterzahlung durchgehen lassen? Frage an die Insider: Hat Moritz einen Diamanten nachgeschossen oder konnte er seinen Vorteil über die Zeit retten? Bestgehütete Geheimnisse am Westpark!
2. “Valdora”
Ein Abakusspiel von Michael Schacht. “Fernab unserer Zeit liegt ein verstecktes Tal voller unermeßlicher Reichtümer. Abenteurer aus der ganzen Welt machen sich auf den Weg, um hier ihr Glück zu finden.” So fängt die Einleitung an, und zwar gleich in fünf verschiedenen Sprachen. Ein Leckerbissen für die Polyphonen.
Die Spieler bewegen ihre Pöppel über die Wege des Spielbretts
– zu Silberminen (um sich mit Liquidität zu versorgen),
– zu den Diamantengruben am Wegrand (in denen das wertvolle Material einfach eingesackt werden kann)
– zu Städten (in denen sie Schürfwerkzeuge erwerben und sich mit Aufträgen eindecken)
– zu ihre Auftraggebern (um die bestellte Ware – Diamanten in vorgegebenen Farben – abzuliefern)
Der Spielablauf ist ein ewiges Pendeln zwischen diesen verschieden Stationen.
Das Ganze geht leider ziemlich zäh und deterministisch zu. Am Anfang hat man weder Geld, noch Aufträge, noch Ladekapazitäten, um große Geschäfte zu machen. Für den nächsten Zug gibt es entweder nur eine einzige Möglichkeit oder eine einzige, trivial zu bestimmende optimale Möglichkeit. Wenn man sich dann langsam hochgeschaukelt hat und hofft, in Freiheitsgraden bei Masse und Mitteln zu schwelgen, liegen keine Diamanten mehr herum. Vielleicht kann man dieses Prinzip als “ausbalanciert” bezeichnen: Das Produkt aus Potenz und Markt ist konstant. Es paßt aber auch der Vers von Wilhelm Busch:
“So geht’s immer, wie ich finde”
spricht der Müller voller Zorn,
“hat man Korn so fehlt’s am Winde,
hat man Wind, so fehlt’s am Korn.”
Ein starkes Programm für Transportoptimierung wäre gefragt. Oder eine von Günthers genialen Faktorenanalysen. Doch dann wären die spielerischen Entscheidungen noch mehr determiniert. Oder ist das etwa die gewollte, aber von mir nicht verstandene Herausforderung des Spiels? Entschuldige, lieber Michael, nach einem ermüdenden Arbeitstag in abgeschlaffter Dödelstimmung um Mitternacht hat ein reiferer Herr nicht mehr genügend Energie, sich hier kommerzielle Perspektiven zu erarbeiten.
Ist es nicht vielleicht auch charakteristisch für den Spielablauf, daß kein einziger Spieler mehr einen sinnvollen Zug tun konnte, als Moritz die Schlußrunde eingeläutet hatte?
WPG-Wertung: Aaron: 7 (fand sein Glück; konnte sich kurzfristig an Moritz’ Schrecken erlaben, ihm vermeintlich den Sieg genommen zu haben; hätte sogar 8 Punkte vergeben, wenn es nicht so autistisch wäre), Günther: 4 (“Aaron, bist Du des Wahnsinns?!”), Moritz: 7 (Sieger mit winning Strategie), Walter: 4 (hat es nicht geschnallt)