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05.08.2015: Looping mit dem Drachen

„Nichts ist schwerer zu ertragen, als eine Reihe von guten Tagen“, sagte schon Goethe. Sagt doch mal selbst, Ihr nordischen Teutonen, geht Euch dieses „geile“ Sommerwetter nicht auch schon längst auf den Keks? Für den Balaton, wo mich ab morgen die Urlaubssonne bescheint, zeigt der Wetterbericht ununterbrochen bis zum bitteren Ende 33 bis 35 Grad im Schatten an. Ohne ein einziges Wölkchen, ohne einen einzigen Tropfen Regen. Hoffentlich wird der Plattensee in dieser Zeit nicht total platt …

Kein Bock zum Denken, Lesen oder Session-Report-Schreiben. Nur der anstehende Urlaub zwingt mich jetzt an die Computer-Tasten. Da freut man sich doch schon auf den Winter. Oder wenigstens auf den Herbst. Auf das Oktoberfest. Das glücklicherweise ja schon im September beginnt. Nur noch vierzig mal schlafen …

1. “Looping Louie”

Freudestrahlende Gesichter beim „Looping Louie“
Freudestrahlende Gesichter beim „Looping Louie“
Vor drei Monaten stand es schon auf dem Tisch, als die Westpark-Gamers bei Moritz im Glockenbackviertel antraten und zunächst mal „Spielen mit dem Nachwuchs“ auf dem Programm stand. (Günther konnte sich heute an gar nichts mehr erinnern!)

Ein batteriegetriebener Mechanismus dreht ein Flugzeug an einer Stange im Kreis. Wenn seine Flugbahn unsere Lebensscheiben kreuzt, fallen sie um – eine nach der anderen. Wenn unsere letzte umgefallen ist, sind wir ausgeschieden.

Heute spielten wir die „Turnierversion“: Wir scheiden nicht aus, wenn unsere drei Lebensscheiben umgefallen sind, sondern wir spielen mehrere Runden bis zur letzten Scheibe des letzten Mitspielers. Wer jeweils als Letzter übrig geblieben ist, muss eine Lebensscheibe abgeben und tritt die nächste Runde mit einer Scheibe weniger an. Wer es schafft, mit einer einzigen, letzten Scheibe in die Runde zu gehen und gegen die ggf. mehreren Scheiben aller Mitspieler zu überleben, hat gewonnen.

Wie kann man sein Überleben beeinflussen? Sehr hübsch: In die Bahn des kreisenden Flugzeuges ist für jeden Spieler eine Wippe eingebaut; wer hier zum richtigen Zeitpunkt draufdrückt, schnellt das Flugzeug hoch in die Luft und weit weg von seinen zu beschützenden Lebensscheiben. Wenn das Flugzeug dann auch noch im unmittelbar anschließenden Sturzflug direkt und unvermeidbar die Lebensscheibe eines Mitspieler mit sich mitreißt, dann hat sich das Aufstehen gelohnt. „Da lachen ja die Hühner“ steht zu Recht auf der Schachtel.

“Looping Louie” von Hasbro ist ein tolles Spiel, überall nur Bestnoten.

  • Es bietet einen ganz neuen, ungewöhnlichen Spielablauf.
  • Die Regeln sind schnell erklärt und verstanden.
  • Es kann ohne jegliche Genusseinbuße von 1 bis 4 Spielern skaliert werden.
  • Eine Runde ist blitzschnell gespielt, ein Turnier kann aber problemlos auch zu einem abendfüllenden Programm ausgedehnt werden.
  • Interaktion ist ganz groß geschrieben.
  • Es kann sowohl kompetitiv als auch kooperativ gespielt werden, alles sowohl hintereinander als auch gleichzeitig.
  • Das Spielmaterial ist gefällig und solide.
  • Das Thema ist überzeugend und keineswegs aufgepfropft.

Eigentlich müsste man nach unserer Skala hier 11 Punkte vergeben. Ganz ohne Risiko gibt der Verlag eine „Geld-zurück-Garantie“ : Wer innerhalb von zwei Wochen nach dem Kauf dieses Spiel zurücksendet, erhält anstandslos Kaufpreis und Rücksende-Porto ersetzt. Das sollen mal die heute marktüblichen Spiele nachmachen können!

WPG-Wertung: Aaron: 8 (1 Punkt mehr als letztes Mal), Günther: 8 (2 Punkte mehr!), Peter: 7, Walter: 7.

Das Spiel wird morgen die Reise zum Balaton mitmachen. Es ist eine geniale Alternative zum üblichen „tocado y hundido“ mit meinem katalanischen Schwiegersohn!

2. “Dragonscroll”

Zoologie a la "Dragonscroll"
Zoologie a la “Dragonscroll”
Schon vor einem halben Jahr im Glockenbachviertel gespielt, haben wir damals die WPG-Noten vergessen. Auch dieses Spiel ist von höchstem Reiz, wenn man es nachts spielt, und zwar nicht „in der Gluthitze von Walters Dachgeschoss“ sondern auf der lindwarmen Terrasse, wo das laute Gelächter und Geschrei den linken Nachbarn nicht stört, weil der von unserer Männerrunde fasziniert ist, den rechten Nachbarn nicht stört, weil der in Urlaub ist, und nur den überrechten Nachbarn stört, aber soviel Toleranz muss sein …

Wir bauen Stück für Stück unsere Märchenwelt auf, lassen darauf Orks, Zauberer, Ritter, Zwerge, Elfen und Ziegen entstehen, Töten die Bösen, Fressen die Guten und erweitern unsere Fähigkeiten zu mehr Töten; mehr Fressen können wir ohnehin. Wenn die vollständige Märchenwelt entstanden ist, hat der Spieler mit der größten Potenz gewonnen.

Eine Besonderheit des Spiels ist der wunderbare Feuerturm, mit dem wir den Kampf gegen die Bösen bestreiten. Hier werfen wir eine an unseren individuellen Fortschritt angepasste Anzahl von Kugeln hinein, und je nachdem, auf welcher Seite sie wieder herauskommen, haben wir einen Ork, Zauberer, etc … getötet. Falls ein solches Vieh überhaupt in greifbarer Nähe stand.

Herausragende Eigenschaften des Spiels:

  • Die Figuren (wenigstens einige) sind äußerst liebevoll gestaltet, wie immer bei den Spielen von Fragor Games.
  • Die Einführung in die schottische Ziegologie ist höchst bemerkenswert.
  • Die topologische Orientierung über den rechten Weg zur linken Elfe – gerade heute im Zeitalter der GPS-Navigatoren – stellt für alle Mitspieler eine hübsche, spielerische Herausforderung dar.
  • Die Anforderungen an das statistische Grundwissen zur Berechnung der erforderlichen Feuerstärke sind enorm. Deshalb wird “Dragonscroll” auch erst ab 13 Jahre empfohlen.
  • Auch die geforderte feinmotorische Feinfühligkeit zum erfolgreichen Beschicken des Feuerturms zielt auf eine reifere Altersgruppe unter den Spielern. Kein Wunder, dass beim letzen Mal im Glockenbachviertel unser Milo gewonnen hat.
  • Die Freude über eigene erfolgreiche Kämpfe sowie die Schadenfreude über fremde nicht-erfolgreiche Kämpfe hallt weit über den übernächsten Nachbarn hinaus.
  • Durch einen mehr oder weniger eifrigen Ausbau der Märchenwelt hat jeder Spieler einen entscheidenden Einfluss auf das Spielende.
  • Das schreckliche, märchenhafte Thema ist meisterhaft umgesetzt.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (wegen der Figuren), Günther: 4 (wegen der Figuren, das Spiel reicht fast an „Colt-Express“ heran), Peter: 4 (wegen der Figuren), Walter: 4 (auch ohne die Figuren)

3. “Abluxxen”

Jedesmal ein Staunen über die faszinierenden Abläufe eines im Grunde doch recht simplen Spielprinzips. Heute positiv aufgefallen: die langsame, vorbereitende Kartenpflege in der Einleitung und die plötzlich explodierende Dynamik am Ende.

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

4. “Worms”

Aaron steht mit seiner Neu-Entwicklung immer noch ziemlich am Anfang. Aktuell kämpft er mit dem Antagonismus zwischen Besitzstandswahrung und Übernahme-Freuden.

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.

28.02.2015 Egging in the ‘hood

In kleiner Besetzung fand grippebedingt der letzte Spieleabend bei Moritz im Münchner Dreimühlenviertel statt. Dafür war die Altersspannweite der Spieler dort außergewöhnlich hoch: 55% eines ganzen Jahrhunderts!

1. Dragonscroll

Die Essen-Neuerscheinung der Lamont Brothers hatte sich Aaron zugelegt, weil er endlich auch ein Fragor-Spiel besitzen wollte, alleine schon wegen der aufwändig gestalteten Spielfiguren. In Essen gab es wie immer nur die vorbestellten Exemplare, so dass die angereisten Mitglieder der Lamont-Familie bereits am zweiten Tag ohne Spiele da saßen und sich bei schottischem Whiskey auf das Socializing beschränkten.

Wie erwartet, zeigte sich „Dragonscroll“, von der Ausstattung abgesehen, von der spielerisch eher schlichten Seite. Wir ziehen Landschaftskärtchen und erzeugen damit ein Gebiet aus Weiden, Wäldern und Gebirgen in denen sich gefährliche Zauberer, Ritter, Orcs, Elfen, Zwerge und … Ziegen tummeln. Okay, die Ziegen sind nicht wirklich gefährlich, obwohl sie sich als Schafe verkleidet haben und wir dürfen sie daher ohne Kampf einfach so verspeisen.

Beim Kampf dagegen verwenden wir unsere Feuerbälle und versuchen, die Bösewichte damit zu erwischen. Spieltechnisch werfen wir dazu eine Anzahl Holzkugeln (Feuerbälle) in den „Flammenden Turm des Todes“ und hoffen, dass sie auf der Seite des Turms wieder zum Vorschein kommen, auf der unsere Gegner abgebildet sind. Bald zeigte sich, dass bei uns die Vorderseite des Turms deutlich bevorzugt wird und damit die Orcs am einfachsten zu besiegen waren. Erst bei Spielende stellte sich heraus, dass das wohl Absicht ist, denn von den Orcs muss man für die gleiche Siegpunktzahl deutlich mehr besiegt haben als von den anderen Gegnern. Welche Gegner für einen selber besonders interessant sind, legt die zu Beginn des Spiels geheim an jeden Spieler verteilte Schicksalskarte fest.

„Dragonscroll“ spielt sich locker und ist durch seinen hohen Glücksanteil auch familiengeeignet. Leider ist die etwas sperrige Spielregel nicht jedermanns Sache und schreckt sicherlich den einen oder anderen Familienspieler ab. Gefallen hat uns der Mechanismus für die Sonderaktionen in jedem Zug, weniger gut fanden wir, dass die große Anzahl von Schriftrollenkarten im Spiel nicht wirklich von Bedeutung waren, da sie recht selten erfüllbar sind (oder haben wir nur zu viel Pech mit dem Flammenden Turm gehabt?).

WPG-Wertungen: haben wir vergessen zu erfassen

2. Egging

Moritz legte danach das Spiel „Egging“ auf den Tisch, das er von einem seiner Studenten(?) geschenkt bekommen hatte. Etwas skeptisch schauten wir auf das selbstgebastelte Spielmaterial mit Lauffeldern, Würfeln und vielen Karten.Egging

Wie sich schnell herausstellte, ist „Egging“ aber kein „Trivial Persuit“- oder „Mädn“-Klon sondern ein Spiel, das das Leben eines zeitgenössischen Komponisten versucht mit einem Augenzwinkern zu simulieren. Letztendlich geht es darum, bei Spielende die meisten Kompositionspunkte erworben zu haben. Ob das nun durch die Teilnahme an Wettbewerben, dem Veröffentlichen von Experimentalstücken oder dem Schreiben von Streichquartetten oder Opern für die ganz dicken Punkte geschieht, bleibt jedem selbst überlassen. Voraussetzung ist immer der Erwerb von Techniken und das Sammeln von Inspiration, ob nun bei der GEMA(!), im Untergrund oder an der Hochschule. Taktische Optionen gibt es genug.

Wie Moritz versicherte, ist der Autor kein Spieler. Deshalb ist es sehr bemerkenswert, wie hier ein recht kurzweiliges Spiel entstanden ist, das auch noch recht ausbalanciert erscheint. Spaß hat es auf jeden Fall gemacht, auch den Nicht-Komponisten am Tisch.

Ach ja, zum Titel des Spiels: das englische „egging“ bedeutet auf Deutsch in etwa „zu etwas anreizen“ und ist wohl ein stehender Begriff in Moritz‘ Kompositionsklasse mit Anspielung auf dessen Nachnamen.

WPG-Wertungen: haben wir vergessen zu erfassen

3. Lost Legacy: Binbo Tantei to Inbo no Shiro

Diese Doppelausgabe des Spiels konnte Aaron am ersten Tag in Essen noch gerade eben vor dem kompletten Ausverkaufs am „Japon Brand“ Stand erwerben. Ähnlich wie bei „Love Letter“ handelt es sich um ein minimalistisches Spiel mit nur 16 Karten. Jeder Spieler bekommt eine Karte bei Spielbeginn verdeckt auf die Hand und zieht, wenn er an der Reihe ist, eine weitere Karte nach. Dann muss er, genau wie bei „Love Letter“, eine der beiden Handkarten ausspielen und deren Aktion ausführen. Ist der Nachziehstapel aufgebraucht, kommt es zu einer Schlussrunde, in der der Reihe nach jeder Spieler einmal zeigen darf, wo die „Lost Legacy“-Karte mit dem Wert 5 liegt (im verdeckten Ablagestapel oder auf der Hand eines Spielers). „Der Reihe nach“ ist hier das wichtigste Element, denn es wird beginnend mit dem kleinsten Handkartenwert nacheinander jeder Spieler gefragt.

Das Spiel ist nur zu gewinnen, wenn man bei Spielende eine möglichst kleine Karte auf der Hand hat und im Laufe des Spiels die 5 auch schon gesehen hat. Das klingt jetzt ziemlich glückslastig und ist es auch. Aber wie bei „Love Letter“ dauert eine Runde zu wenige Minuten und damit hat das Spiel durchaus Absackerqualitäten.

WPG-Wertungen: haben wir vergessen zu erfassen