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22.05.2013: Champagner für die Pferde

Aaron brachte zum Empfang eine Flasche Champagner mit. Er ehrte damit Moritz, der gerade mit seinem provozierenden Stück „The Tragedy of a Friendship“ über Nitzsches Haßliebe zu Wager, genährt aus Moritzens Haßliebe zu Wagner, in Antwerpen Welturaufführung feierte.
Eine Premiere am Westpark waren die vorzüglichen, hausgemachten Schoko-Mandeln-Muffins. Nicht vom Hausherrn gebacken, sondern von unserem Gastspieler Frank Zurmühlen aus Holzminden, den Aaron bei seinen Aktivitäten als Spieleautor kennen und schätzen gelernt hatte.
Das lockere Vorgeplänkel wurde von Moritz abrupt unterbrochen „Spiel auf den Tisch!“

1. “Horse Fever”
Es geht um Pferderennen. Wir setzen auf Platz oder Sieg in einer Auswahl von sechs Pferden und gewinnen im Erfolgsfall Geld – für unsere nächsten Wetteinsätze – und Siegpunkte für den Endsieg.

Frank und Moritz im Pferde-Fieber
Frank und Moritz im Pferde-Fieber

Das Rennen wird ganz simpel entschieden: Es werden Karten gezogen, die nach einer halb zufälligen, halb Wettquoten-orientieren Verteilung die Anzahl der Schritte angeben, die jedes Pferd vorwärts zieht. Anschließend werden noch zwei Pferde ausgewürfelt, die einen Zusatzschritt tun. Diese Prozedur wird solange wiederholt, bis alle Pferde die Ziellinie überschritten haben. Das alles geht blitzschnell! Innerhalb von ein bis zwei Minuten ist ein Rennen abgewickelt.
Doch wia im richtigen Leben ist um dieses Rennen herum eine gewaltige Menagerie aufgebaut, in der wir unsere Ambitionen als Profis im Pferdesport austoben können:

  • Wir kaufen Pferde mit unterschiedlichen Renn-Qualitäten: Schnellerer Start, schnellerer Spurt, Vorteile als Schlußlichter, Vorteile im Ziel. Von allen gekauften Pferden dürfen wir aber nur eines an den Start schicken.
    Es gehört nicht viel Durchblick dazu, vorauszusehen, dass jeder Spieler nur eines, nämlich sein bestes Pferd ins Rennen schickt. Eigentlich brauchte jeder nur ein einziges Pferd.
  • Wir kaufen Rennställe um damit zusätzlich Gelder und Siegpunkte einstreichen zu können.
    Allerdings gibt es nur einen einzigen freien Rennstall auf dem Markt. Etwas wenig für fünf Mitspieler. Weitere Rennställe könnten wir versuchen, von unseren Mitspieler abzukaufen. Doch so blöd war keiner (der Verkäufer). Nicht einmal der Versuch dazu wurde gemacht.
  • Wir kaufen „Aktionen“, mit denen wir die Qualität des eigenen oder der fremden Pferde manipulieren können, z.B. schnellerer oder kein schnellerer Start, schnellerer oder kein schnellerer Spurt, Strafgelder für das Setzen auf das Pferd, Punktabzüge für Sieg oder Platz.
    Die Aktionskarten dazu werden verdeckt gezogen (Auswahl 1 aus 4) und verdeckt dem jeweiligen Pferd zugeordnet, so dass die Siegesaussichten eines Pferdes für die nachfolgenden Wetten umso „einsichtiger“ abgeschätzt werden können.
  • Wir kaufen „Aufgaben“, deren Erfüllung uns in der Schlußwertung ein paar Zusatzpunkte zuschustern, z.B. wenn wir die meisten Pferde besitzen, die meisten Rennställe, das meiste Geld oder die wenigsten (!) Primär-Siegpunkte.
  • Wir kaufen „Helfer“, die uns bei unseren späteren Käufen finanzielle Vorteile gewähren, z.B. kostenloser kauf weiterer „Helfer“.
    Ich weiß nicht, was das Ganze mit Pferderennen zu tun hat, wenigstens erhöht es unseren Freiheitsgrad im Spielablauf. Und ein bisschen Unberechenbarkeit mehr kann nicht schaden (, sagten sich die Spieleautoren).
  • Wie nehmen Kredite bei der Bank oder bei der Mafia auf, um nach einer Pechsträhne wieder flüssig zu werden, ohne einen Offenbarungseid leisten zu müssen.
    Wer sich nicht rechtzeitig mit liquiden Mitteln eingedeckt hat, solche aber für Zwangswetten oder Geldstrafen benötigt, scheidet aus. Das Ende des Spiels kann er dann von den Parkplätzen aus weiterverfolgen.

Es gibt tausende (nicht ganz) verschiedene Karten unterschiedlicher Bedeutungen, aus denen wir uns jeweils aus einer vorgegenen, blind zu ziehenden Anzahl die Gewünschtesten heraussuchen dürfen. Leider sind die erklärenden Piktogramme ziemlich uneinsichtig, so dass wir ständig in der Spielregel nachschauen mussten, welche Wirkung sie besitzen. Damit ging eine Menge Zeit verloren. Sicherlich nicht die Hälfte der benötigten Spielzeit von zwei-ein-halb Stunden, aber doch ein erheblicher Teil davon.
Über fünf Rennen geht ein Spiel. Nach zwei Rennen war Moritz sein gesamtes Geld losgeworden und lag aussichtslos am Ende; ihm drohte ein Zuschauerdasein als Insolvent. Da wandte er sich an die Mafia. Großzügig finanzierte sie seine durchaus konservativen Ambitionen: Er investierte die Massen seines Geldes grundsätzlich in den Mainstream, und er deckte sich mit jeder Menge Aufgaben ein, die ihm bei Spielende Siegpunkte bringen sollten. Seine „Strategie“ war erfolgreich. Er konnte alle seine Aufgaben (z.B. die meisten Aufgaben (!), die wenigsten Siegpunkte (!), das meiste Geld …) alle erfüllen. Mit dem letzten Spurtwürfel im letzten Rennen konnte sein Pferd „Blue Blood“ auch noch den führenden „Fragor Rojo“ auf der Zielllinie abfangen und drei rote Siegwetten seiner Mitspieler zunichte machten. Das reichte zu seinem Sieg.
Aber es zeigte auch, was an strategischer Herausforderung in „Horse Fever“ eingebaut ist: Ein einziger Würfelwurf für „Blue Blood“. Dank unseres Gastes waren wir in einer sehr lockeren, spieligen Stimmung. Kein Vorschlag zu vorzeitigem Spielabbruch, keine vorzeitige Meckerei, kein gelangweiltes Sich-Zurücklehnen. Frank konnte nach eifrigem Studieren des Regelheftes immerhin konstatieren: „Es gab Testspieler!“. Vielleicht sollten wir immer mit einem Champagner anfangen.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (das Spiel dauert zu lang, das ganze Drumherum ist eher nervig, ich spiele lieber „Favoriten“), Frank: 8 (das Thema – u.a. langes Vorgeplänkel um Manipulationen und Wetteinsätze vor dem Rennen, anschließend kurzer Rennverlauf – ist gut umgesetzt, hübsche und originelle Grafik), Günther: 5 (die Hälfte der Karten hätte man weglassen können, zu viel Brimborium für ein simples Pferderennen), Moritz: 7 (das Rennen ist spannend, ich habe mich nicht gelangweilt), Walter: 6 (wohlwollend; Chaos durch die undurchschaubaren Regelelemente, Chaos durch die verdeckten Mitspieleraktionen)
Aaron lies irgendwann mal die Bemerkung los „all looks no brain“, doch ich weiß nicht mehr genau, worauf er das beziehen wollte.
Liebe italienische Spieleautoren, lieber Verlag Cranio Creations: Der „Mond“ ist im Deutschen männlich und „nero“ schreibt man mit „sch“!

2. “Poison”
Eines der frühen Knizia-Spiele, aus der Zeit, als der Autor noch mit Lust, Liebe und Leidenschaft jedes seiner vielen Kinder zeugte. Mit Erfolg. Im August 2009 wurde “Poison” unser „Spiel des Monats“. In drei Session-Reports haben wir das hübsche, schnelle, pfiffige Kartenspiel bei uns bereits beschrieben. Der erste davon war am 13.08.2009
WPG-Wertung: Frank siedelte sich mit seinen 7 Punkte genau innerhalb der Vier-Fünftel-Mehrheit der Westpark-Gamers an.

3. “Flaschenteufel”
Eines der wenigen Spiele, die häufiger, um nicht zu sagen regelmäßig, bei uns gespielt werden. Oft als Absacker, wenn die geistigen Batterien noch mehr Leistung bringen als für ein „Bluff“ benötigt werden.
Aaron freute sich, einen Neuling dabei zu haben und noch dazu in der Sitzreihenfolge genau vor ihm. Im gnadenlosen Kampf um die Hauptaufgabe, seine niedrigsten Karten loszuwerden, ohne damit auf dem Teufelsstich sitzen zu bleiben, ist es von großem Vorteil, wenn ein Vorgänger aus Unerfahrenheit seine Kartenhand etwas weniger gnadenlos abspielt.
WPG-Wertung: Frank lobte die vorzügliche spielerische Umsetzung von Stevensons Märchen-Motiv und vergab hervorragende 9 Punkte. Nicht als einziger in unsere Gruppe, sondern als Dritter von vierzehn.