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14.02.2018: Tauchen im Meer, graben auf der Insel

Seit dem 10. Januar läuft in unserem Spielzimmer ein Luftbefeuchter. Heute hat Aaron bemerkt, dass bei unserer absolut normalen Zimmertemperatur die Fenster von innen beschlagen! Und das bei einer Warm-Wasserheizung ohne nennenswerten Alkohol- oder Wasserverbrauch durch die Anwesenden. – Ach richtig, der Luftbefeuchter! Wenn man ihm kein Limit vorgibt, dann spuckt er Wassertröpfchen und spuckt und spuckt, bis wir bei 100% Luftfeuchte wohl alle ertrinken …

1. “OTYS”

Die Spielregel malt eine düstere Szenerie: durch rücksichtslosen Kapitalismus haben wir (wer wir?) den Meeresspiegel so steigen lassen, dass alles Land überflutet ist. Wir verbringen unser Arbeitsleben mehr oder weniger als Taucher, um so vom Meeresboden die überlebenswichtigen Ressourcen zu holen. Metalle sind dabei, Treibstoff und Technologie: der Kapitalismus geht weiter.

Jeder Spieler ist Besitzer von acht „Tauchern“, von denen jeder eine eigene Aufgabe durchführt: Vier „Experten“ für das Erbaggern von je einer Ressource aus dem Meeresboden, einen „Händler“ zum Kaufen oder Verkaufen von Ressourcen im Laden um die Ecke, sowie einen „Ingenieur“, einen „Entdecker“ und einen „Spion“ für weitere technische Aufgaben.

Wir können unsere Taucher nicht in beliebiger Reihenfolge und Häufigkeit arbeiten lassen: nach jedem unter dem Meeresspiegel durchgeführten Auftrag muss ein Taucher auftauchen und sich mindestens 3 Perioden lang an Licht und Luft regenerieren. Zur Handhabung dieses Mechanismuses liegen Taucher in einer 8er Kette nebeneinander, fünf davon unter dem Meer, die jederzeit sofort eingesetzt werden können, drei davon über dem Meer, die müssen erst wieder Runde für Runde nach unten geschoben werden. Ein Taucher, der seine Aufgabe erfüllt hat, wird aus seinem aktuellen Platz in der Liegekette herausgenommen und am obersten Punkt wieder eingeklinkt, wo er also drei Runden lang nix tut. Fazit: „Ein Taucher, der nicht taucht, taucht nix!“

Je nach seiner Position innerhalb der Liegekette aktiviert ein Taucher vor Ausführung seiner Aufgabe einen der „Sponsoren“, die für Geld, Zusatz-Ressourcen, Batterien (das kriegen wir später) oder eine Verbesserung der Tauchausrüstung sorgen. Für ein gutes Spiel sollte man beim Einsatz seiner Taucher unbedingt darauf achten, welcher Sponsor ihm gerade zugeordnet ist, um so den optimalen Sponsoren-Beitrag abzugrasen. Diese Zuordnung ist nicht fest, sie ändert sich wrap-around bei bestimmten Tauchgängen der Spieler, sie ist also beeinflussbar, aber nicht so chaotisch, als dass man sie nicht gezielt einsetzen könnte.

Und wer gewinnt? Wer als Erster 18 Siegpunkte erzielt hat. Und wie macht man Punkte? Hin und wieder werden einzelne Siegpunkte als Nebenprodukt der Tauchtätigkeit ausgeschüttet, den größten Teil von ihnen erwirtschaften wir uns aber über Aufträge, d.h. über das Ertauchen und Abliefern einer vorgeschriebenen Menge und Auswahl von Ressourcen, die wir Stück für Stück in einer unserer fünf Lieferplattformen unter der Erde zusammengetragen haben. Die obersten Plattformen fassen nur drei Ressourcen, da muss man genau aufpassen, was man hier aus dem Meeresboden heranschafft, damit die Ware nicht auftragslos herumliegt und unsere Plattform blockiert. Die unterste Plattform fasst sechs Ressourcen, hier kann man schon mal auf Vorrat ansammeln, doch ist hier eine größere, vorgegebene Ressourcen-Lieferung auch am schwierigsten zu bewerkstelligen, weil z.B. ein Experte für eine bestimme Ressource am längsten braucht, zum nach dem Zwangsauftauchen wieder hierher zu kommen.

Hier setzte Günthers Skepsis ein, ob die Tauch-Plattformen 5 und 6 überhaupt funktionieren. Wir fanden aber eine ganze Latte von Nebenbedingungen, um auch diese untersten Plattformen zum Leben zu erwecken; z.B. kann man Nachbarschaftstaucher aktivieren oder mittels Batterien (voilà) Taucher für ein weiteres Arbeiten an der gleichen Stelle festhalten („mit neuem Sauerstoff versorgen“).

Noch ein Wort zu den Aufträgen: Drei Aufträge liegen öffentlich aus; wer die geforderten Ressourcen bereit hat, kann sich hier bedienen. Dieser Auftrag ist dann weg und es wird sofort ein neuer Auftrag öffentlich ausgelegt. Pech für den Mitspieler, der auch gerade auf diesen Auftrag spekuliert hat. Hoffentlich muss er seine gesammelten Ressourcen nicht in der Pfeife rauchen. Da zieht man sich doch besser Privat-Aufträge mittels „Spion“ an Land, die genauso viel wie öffentliche einbringen, aber langfristig zu kalkulieren sind.

So werkelt ein jeder lustig vor sich hin. Ins Gehege kommt man sich nur marginal im Tante Emma Lade für Ressourcen; das Wrap-around-Verschieben der Sponsoren-Zugänge ist eher nur ein geringes Hintergrundrauschen von Mitspielerchaos. Man kann „OTYS“ sehr gut alleine spielen. Mir hat es trotz seines starken Solitär-Charakters Spaß gemacht.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (obwohl es zu der von ihm ungeliebten Kategorie der Puzzle-Spiele gehört; es war besser als befürchtet, u.a. ist es angenehm kurz; den 7ten Punkte hat es wegen des Endekriteriums – Sudden Death nach Erreichen einer definierten Schwelle – NICHT bekommen), Günther: 6 (das Nicht-Zählen von Geld, Batterien und Ressourcen bei Spielende hätte besser gelöst werden sollen), Walter: 6 (viele verschiedene Spiel-Elemente, die bei der repetitiven Verwendung gut beherrschbar werden).

2. “Loot Island”

China hat geliefert, endlich konnte Aaron die deutsche Version seines jüngsten ausgetragenen Spielekindes vorlegen und jedem Westpark-Gamer auch ein eigenes Exemplar mit Autoren-Autogramm überreichen. Danke dafür.

22 mal lag dieses Spiel im Laufe seiner Entwicklung bei uns auf. Immer wieder wurden in einer sehr konstruktiven Zusammenarbeit mit „What’s Your Game“ Rädchen anmontiert, abmontiert oder verstellt. So lange, dass auch heute Aaron noch immer wieder im Regelheft nachschauen musste, wie jetzt dieses oder jenes Detail gehandhabt wird.

In jedem Fall 30 bis 60 Minuten intensivste Interaktion. Denken und Grübeln ist angesagt, aber immer nur kurzfristig, eher für den Augenblick als für eine mittelfristige Planung. Und weil jeder von jedem Zug seiner Mitspieler betroffen ist, geht auch bei längerem Nachdenken der Spannungsbogen nicht verloren. Die Auswertung der gesammelten und verfluchten Schätze am Spielende kann nochmals einige Überraschungen bieten. Spielerisch und kalkulierbar, aber mit einem wohldosierten Anteil für die Glücksgöttin Fortuna.

WPG-Wertung: Keine Änderung der bisherigen Notengebung, aber immerhin überlegt sich Walter, ob er seine 7 in Richtung WPG-Durchschnitt auf eine 8 anhebt.

3. “Texas Showdown”

Stichkartenspiele gibt es wie Sand am Meer. Sie arbeiten alle nach dem gleichen Prinzip: Jeder spielt reihum eine Karte zu einem Stich aus, alle ausgespielten Karten haben (pro Spiel oder pro Stich) eine wohldefinierte Rangfolge, die höchste Karte macht den Stich.

Für das Drumherum gibt es vielfältige Variationskriterien: einmal zählt der Inhalt (Skat), einmal nur die nackte Anzahl der Stiche (Bridge). Mal möchte man die meisten Stiche bekommen, mal die wenigsten und manchmal auch eine genau definierte Anzahl davon (Tarock).

Oft genug ist während des gesamten Ablaufs eines Spiels eine definierte Spielfarbe Trumpf, manchmal bestimmt auch die Farbe der jeweils ersten ausgespielten Karte zu einem Stich die Trumpffarbe. Der zuerst ausgespielten Farbe muss gefolgt werden; wer nicht bedienen kann, darf eine beliebige Karte zugeben. Die höchstwertige Karte in der Trumpffarbe macht den Stich.

In „Texas Showdown“ soll man die wenigsten Stiche bekommen. Die Besonderheit hierbei sind die Konsequenzen beim Nicht-Bedienen, d.h. beim Zugeben einer Karte, die nicht der ausgespielten Trumpffarbe entspricht. Die Farbe dieser Karte wird sogleich zu einer zweiten „Trumpf-Farbe“; die Mitspieler dürfen ab sofort zu diesem Stich auch Karten in dieser zweiten Farbe „bedienen“. Nachdem jeder Spieler eine Karte zugegeben hat, ist die Farbe mit den meisten Karten in diesem Stich letztendlich die ausschlaggebende Trumpffarbe. Die höchste Karte dieser Farbe bekommt den Stich. Man kann sich also nicht in Sicherheit wiegen und als „Kartenpflege“ irgendwelche unangenehmen Karten, d.h. solche mit hohem Stichpotential loswerden. Blitzschnell bedienen die restlichen Mitspieler in dieser Farbe und die leichtfertig losgewordene Karte entfaltet tatsächlich ihr unangenehmes Stichpotential.

Eine weitere hübsche Regel in „Texal Showdown“ ist, dass man dann, wenn man den Stich mit der höchsten Karte einer Farbe bekommen hat, wählen kann, wer zum nächsten Spiel ausspielen soll. In jeder Spielsituation kann das Ausspielen ein Vorteil sein, sehr oft ist es aber ein deutlicher Nachteil. Durch Kartenpflege, d.h. durch konsequenztes Zurückhalten (Nicht-Abwerfen) dieser Höchste-einer-Farbe-Karten kann man sich für das Endspiel, wenn die Kartenhände der Mitspieler ausgezählt werden können, eine Option offen halten, um den richtigen Spieler an den Stich zu bringen.

Es gibt viele Strategien (“Schienen”), eine Kartenhand optimal abzuspielen. Wenn wir zu Spielbeginn mit 15 Karten in der Hand anfangen, kann jeder zum ersten Stich durchschnittlich 3 Karten bedienen und, falls er nicht bedienen kann, durchschnittlich etwa 12 beliebige abwerfen. Wer den ersten Stich gemacht hat, hat für das Ausspielen zum zweiten Stich 14 verschiedene Möglichkeiten. Ist das keine Handlungsfreiheit?!

Günther hat hartnäckig behauptet, dass „Texas Showdown“ ein reines Glücksspiel sei. Das haben Westpark-Gamers auch schon bei anderen Stichkartenspielen behauptet, z.B. als sie die ersten (mehrere!) Male „6-nimmt“ gespielt haben. OK, das ist kein reines Stichkartenspiel, aber es ist damit verwandt. Aber auch beim reinen Stichkartenspiel „Flaschenteufel“ haben sich solche falschen Glückspiel-Ankläger gefunden. Dort würde das heute keine mehr behaupten wollen. Natürlich kann man nicht mit jeder Kartenhand gewinnen, aber auf die Dauer gewinnt der Beste. Frage ist: wie lange ist der Lernweg, wie lange dauert es, bis kluge Spieler alles verinnerlicht haben, was zu einem guten Spiel gehört, bis sie „der Beste“ geworden sind? Von und bis zu welcher Altersstufe funktioniert ihr Gedächtnis so gut, dass sie sich exakt merken können, welche Karten gefallen bzw. noch im Spiel sind, wer welche Farben nicht mehr bedienen konnte, und bei welchem Spieler notgedrungen die noch ausstehenden Karten einer Farbe sein müssen? Erst wenn alle Mitspieler in diesen Stichspiel-Kategorien den gleichen Genius-Level erreicht haben, wird „Texas Showdown“ wieder zu einem reinen Glücksspiel.

Zwischen Günther und Walter gab es auch unterschiedliche Auffassungen, ob das Spiel zu dritt besser beherrschbar ist als zu viert (oder zu fünft oder sechst). Günther glaubte im Mehr-Teilnehmer-Chaos an Durchsicht gewinnen zu können, Walter argumentierte strikt dagegen. Aber bis zu welchem Alter lässt man sich heutzutage noch bekehren.

Günther hat heute in drei Durchgängen nicht gewonnen. Ganz im Gegenteil. Doch dieses Faktum spricht keinesfalls dafür, das „Texas Showdown“ nur ein Dödelspiel ist. Ich bin gespannt auf die nächste Stichprobe.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (zu dritt spielt es sich „sicherlich“ am schlechtesten), Günther: 4 (für die 3-Personen-Runde, bei mehr Spielern könnte das Spiel mehr Punkte bekommen), Walter: 6 (er liebt Stichkartenspiele jeglicher Art; dieses hier ist schnell und pfiffig, und in einer 3er Runde noch äußerst hoffnungsvoll zu kalkulieren).

29.11.2017: Eisenbahnen zum Überleben

Nochmals Bridge.
Da wurden vor etwa drei Jahren zwei deutsche Bridgespieler Senioren-Weltmeister. Anschließend hat man sie des Betruges überführt: Entgegen dem Regelwerk und entgegen jeglicher Sportsmoral habe sie sich mittels Hüsteln über die Screens hinweg unerlaubte Informationen über ihre jeweilige Kartenhand ausgetauscht. Motto: „einmal Hüsteln ist Karo, zweimal hüsteln ist Pik!“ Ein offizielles Video, das den gesamten Finalkampf festgehalten hatte, war der Beweis. Die World Bridge Federation (WBF) hat ihnen Titel aberkannt und sie lebenslang gesperrt, als Paar noch einmal zu einem Bridge-Turnier antreten zu dürfen. Zähneknirschend hat der Deutsche Bridge Verband (DBV) diese Sperre übernommen.

Die beiden Spieler sind sofort in die Revision gegangen und haben diese Urteile vor einem deutschen Gericht angefochten. Ein Spieler sei Asthmatiker, da sei das Hüsteln leider unvermeidlich. Zudem sei in Bali, wo das Finale ausgetragen wurde, die Luft so feucht, dass das Hüsteln quasi überlebensnotwenig sei. Und überhaupt: das Beweisvideo sei gefälscht.

Drei Jahre lang hat sich der Prozess hingezogen, jetzt wurden sie freigesprochen, ohne überhaupt auf das Video oder die Beweislage einzugehen. Ja sogar WBF und DBV wurden verklagt, den beiden Spielern alle ideellen und materiellen Verluste aus dem Verband-Vorgehen zu ersetzen!

Wie dieses Urteil gegenüber dem WBF durchgesetzt werden kann, das wissen die Juristen. Oder auch nicht. Der der DBV könnte dabei pleite gehen, zumindest wenn die Ersatzansprüche von einem amerikanischen Gericht festgesetzt würden. Oremus!

1. “Mini Rails”

Aktions-Auslage und Spielbrett in „Mini Rails“
Ein hübsches kleines Eisenbahn-Aktienspiel ohne Aktien und ohne Eisenbahnlinien. In 6 Spielrunden dürfen wir uns je eine „Aktie“ einer vor 6 Eisenbahngesellschaften kaufen, d.h. eine runde Holzscheibe in einer von sechs Gesellschaftsfarben von der offenen Auslage auf unser privates Kurstableau legen. Pro Runde dürfen wir außerdem einmal den Kurs einer Gesellschaft steigen oder fallen lassen. Dazu nehmen wir eine weitere Holzscheibe in einer der sechs Gesellschaftsfarben von der Auslage, legen sie auf das große gemeinsame Spielbrett, bedecken damit ein Feld mit Werten von 1 bis 5 im Plus- oder Minus-Bereich, und verändern damit entsprechend den Kurs der Gesellschaft.

In welcher Reihenfolge wir „kaufen“ oder „Kurs ändern“ ist frei wählbar. Geld fließt keines. Eine frisch gekaufte Holzscheibe kommt immer auf das Feld 0 in unserem Kurstableau. Beim Ändern des Aktienkurses müssen alle Spieler ihre Holzscheiben mit der betroffenen Farbe entsprechend dem überdeckten Wert eine Anzahl von Einheiten nach oben oder unten verschieben.

Und jetzt kommen die hübschen Knackpunkte des Spiel-Designs:

1. Beim Kaufen dürfen die Spieler sich nicht irgendeine beliebige Holzscheibe aussuchen, sondern sie müssen eine aus der offenen Auslage wählen. Genauso können die Spieler beim Kurs-Ändern nicht eine frei wählbare Gesellschaft fördern oder schädigen, sondern sie müssen dafür ebenfalls eine Holzscheibe aus der offenen Auslage hernehmen. Das Angebot ist klar begrenzt, und es wird enger und enger.

2. Zu Beginn einer Runde wird in die offene Auslage eine Holzscheibe mehr gelegt, als für die beiden Aktionen aller Spieler benötigt werden. Diese letzte, übrig bleibende Holzscheibe kennzeichnet eine Gesellschaft, die “ordentlich ihre Steuern“ bezahlt” hat. Hat eine Gesellschaft bis zum Spielende keine Steuern bezahlt, so ist ihr Aktienkurs nichts wert, die besitzenden Spieler erhalten dafür keine Vergütung. Hat umgekehrt eine Gesellschaft bis zum Spielende wenigstens einmal Steuern bezahlt, so werden etwaige Kursverluste neutralisiert, die besitzenden Spieler bekommen für Aktienwerte im Minusbereich nichts abgezogen.

3. Hübsch ist auch der Zugreihenfolge-Effekt: die Holzscheiben in der offenen Auslage geben auch die Reihenfolge an, in der die Spieler in der nächsten Runde ziehen. Zuweilen ist es hilfreich, der Erste zu sein, um das beste Stück zu erwischen; zuweilen ist es aber noch wichtiger, der Letzte zu sein, um eine definierte Gesellschaft als Steuersünder bzw. Nicht-Steuersünder ausweisen zu können.

Einfach aber tricky! In zwei Durchgängen wurde Walter zweimal weit abgeschlagen Letzter. Er war sich keines Spielfehlers bewußt. Die Züge waren einfach abgefahren, bevor er aufgesprungen war. Doch seine Mitspieler bescheinigten ihm jede Menge Fehler, die er gemacht haben soll.

Moritz hatte den Weg zum Sieg sofort durchschaut. Er wollte ihn sogar beweisen können. „Bei jedem Kurs-Änderungszug kann ich genau ausrechnen, welchen Effekt er in der gegebenen Situation auf jeden Spieler ausübt, d.h. welcher Zug mir selber die meisten Punkte bringt oder den Mitspielern die meisten Punkte wegnimmt. Und das ist der beste Zug!

Während beim ersten Teil dieser Ausführung die Mitspieler noch mit trivial-zustimmenden Gemütern zuhörten, erfolgte zu seiner abschließenden Behauptung ein allseitiger Einspruch. Walter, der als Mathematiker allergisch ist gegenüber falschen Behauptungen und noch fälscheren Beweisen, wollte Moritz beim Wort nehmen und vor dessen Beweisführung eine genaue Formulierung seiner Behauptung niederschreiben. Dies führte fast zu einem Eklat, weil der eine auf eine exakte Formulierung der ursprünglichen Behauptung pochte, der andere aber schon kalte Füße bekommen hatte und windelweiche Ausreden suchte. Schlußendlich einigten wir uns auf Moritz’ Aussage: „Wenn wir die Wahrscheinlichkeiten in Ansatz bringen, mit denen die verschiedenen Holzscheiben auf die Auslage kommen, welchen Einfluß sie damit auf die Zugreihenfolge ausüben, dabei auch noch berücksichtigen, mit welcher Wahrscheinlichkeit die einzelnen Spieler für oder gegen eine Gesellschaft agieren, und dies alles noch in Relation zu den möglichen Wertefeldern auf dem großen Spielbrett sehen, dann sind wir mit großer Wahrscheinlichkeit klüger, als wenn wir das nicht tun.“

Welche Aussage er zur Auswahl beim Kaufen einer Aktie gemacht hatte, das habe ich vergessen.

Andere Zitate aus dem Spielverlauf:
„Ich muss jetzt einen fahren lassen.“
„Ich werden jetzt das Maximum an Punkten zerstören“
„Grau haben wir alle, bis auf NN, der hat zwei!“
„Ich nehme jetzt nur eine von den beiden mir-nichtsnutzigen aber NN-schädigenden gelben Scheiben, nimm’ du auch eine!“
„NN macht die ganze Zeit schlechte Züge!“
„Wenn NN nicht vorne ist, brauchst Du ihm auch nicht zu schaden.“
„Dieser Zug war die einzige Möglichkeit, nicht Dritter zu werden, sondern mit NN gemeinsam Zweiter.“

WPG-Wertung: Aaron: 9 (herrlich, ich wünschte, ich hätte das gemacht), Günther: 7 (erfordert eine Schach-ähnliche Berechnung [AbN: War das jetzt gut oder schlecht?]), Moritz: 5 (das Spiel funktioniert, man kann aber keine Strategien fahren, sondern nur taktisch auf die gegebene Situation reagieren), Walter: 7 (hat einige hübsche, neue Ideen umgesetzt und ist schnell, das sind eigentlich genau die Kritiken für gute neue Spieleerfindungen).

2. “Loot Island”

„Loot Island“ – Selbst der Autor muss im Regelheft nachschauen
Endlich lag Aarons Neuschöpfung als professionelles Produkt auf dem Tisch; 20 mal zuvor haben wir uns an den Prototypen versucht. Die jetzige offizielle Fassung war uns allen noch unbekannt.

Der ursprüngliche Dreh- und Angelpunkt, das Mitsetzen auf die Ausgrabungsstätte, in der nach Schätzen gebuddelt wird, ist geblieben und hat nichts von seiner Eleganz eingebüßt. Damit das Ganze aber nicht allzu denkerisch daherkommt, sondern ein spielerisch-chaotisches Element erhält, kann die Reihenfolge, nach der die Ausgrabungsstätten gewertet werden, per taktischem Spielzug verschoben werden. Wer sich zu solitär an einer Stelle engagiert, hat erhebliche Schwierigkeiten, hier seine Schäfchen ins Trockene zu bekommen.

Auch die Schätze, die jeweils gefunden werden, sind nicht mehr linear oder progressiv in ihrer Wertigkeit, sondern eine ganze Reihe von Sonderprämien sind damit verbunden, so dass jeder Spiele nach individuellen Prioritäten auswählen kann.

Jetzt sind die Schätze auch mit einer Unmenge von Flüchen versehen (das Spiel heißt ja auch nicht „Schatzinsel“ sondern „Insel der Flüche“), und es ist eine weitere Herausforderung des Spiels, diese bis zum Schluss alle wieder loszuwerden bzw. auf eine erträgliche Anzahl zu begrenzen.

Jede Menge spielerisches Beiwerk machte aus der ursprünglichen, höchst interaktiven Denkerarbeit eine höchst interaktive Spielerei. Für intelligente Familien durchaus geeignet.

WPG-Wertung: Aaron: (würde für sei eigenes Kind natürlich sehr gerne 10 Punkte vergeben, wollte sich diesbezüglich aber anders verhalten als Martin Wallace), Günther: 7 (hohe Interaktion, das Herzstück des Spiels, das gemeinsame Bauen, ist ein sehr gelungenes Element), Moritz: 8 (enthält viele ausgearbeitete Ideen, von den Rundenkarten angefangen, über die Auswahlkarten und die Spielkarten bis hin zu den Prämien, besitzt Dynamik und hohe Variabilität), Walter: 7 (sehr gute, spannende Interaktion, 8 Punkte für das gemeinsame und doch konkurrierende Bauen, 6 Punkte für die verfluchten Schätze und den darin ausgelobten Prämien.)

3. “Les Poilus”

Ein kooperatives Mau-Mau-Spiel mit Schikanen. In mehreren Runden müssen wir einen Vorrat von etwa 40 bis 60 Farbkarten loswerden. Mit 25 Karten fangen wir an, pro Runde kommen dann (mindestens) 3 weitere Karten dazu. Wieviele Karten pro Runde jeder Spieler auf die Hand bekommt, entscheiden wir von Fall zu Fall gemeinsam im Team. Zu Spielbeginn sind es 3 Karten pro Spieler.

Reihum wählt jeder Spieler jeweils eine Karte aus seiner Hand und legt sie entweder auf den gemeinsamen offenen Abwurfstapel oder in seine private Auslage.

Pro Karte ist vorgeschrieben, wohin sie abgelegt werden muss. Es gibt „Standardkarten“ in sechs verschiedenen Farben, die meisten davon sind zweifarbig, einige auch dreifarbig; diese Karten müssen auf den Abwurfstapel. Und es gibt „Sonderkarten“, diese muss ein Spieler nach dem Ausspielen in seine private Auslage nehmen. Zwei Grund-Abwurfregeln sind zu beachten:

1. Auf dem Ablagestapel dürfen kein drei Karten vorkommen, die die gleiche Farbe aufweisen, und

2. Kein Spieler darf vier Sonderkarten in seiner privaten Auslage haben.

Kann ein Spieler entsprechend diesen beiden Regel keine Karte mehr spielen, so muss er für diese Runde passen. Haben alle Spieler gepasst, so ist eine Runde „erfolgreich“ abgeschlossen: der offene Abwurfstapel wird beseitigt; die Spieler behalten die nicht gespielten Handkarten und bekommen dazu eine entsprechend der Team-Entscheidung definierte Anzahl neuer Karten. Zusätzlich kommen soviele Karten, wie die Spieler insgesamt nicht spielen konnten oder wollten, aus der Reserve in den Vorrat. Je mehr Runden wir spielen, desto mehr Karten müssen wir also insgesamt loswerden.

Eigentlich ganz einfach, und es sollte fast ein Kinderspiel sein, den Vorrat in 6 bis 7 Runden abgelegt zu haben. Aber jetzt kommen die Schikanen.

Auf den Sonderkarten stehen weitere Bedingungen für das Ablegen. Z.B. „Keiner darf passen, solange er noch eine Karte auf der Hand hat.“ Oder „der Spieler, der diese Karte in seiner Auslage hat, darf nur als Letzter passen.“ Was sind die Konsequenzen dieser Bedingungen? Die Grund-Abwurfregeln könnten verletzt werden. Z.B. kann ein Spieler dadurch gezwungen, die unerlaubte dritte Karte einer Farbe auf den Abwurfstapel zu legen. In diesem Fall ist eine Runde ebenfalls beendet, allerdings „ohne Erfolg“: der offene Abwurfstapel wird nicht beseitigt, sondern wird wieder in den Vorrat gemischt.

Falls ein Spieler über eine dieser Schikanen-Regeln sogar eine vierte Sonderkarte in seine private Ablage legen muss, so ist das Spiel aus und alle Spieler haben verloren. Gewonnen haben sie, wenn sie den gesamten Vorrat ablegen konnten ohne dabei gegen die Grund-Abwurfregeln verstoßen zu müssen.

Da mit dem gewöhnlichen Kartenmix ein totaler Abwurfsieg nur schwer zu erzielen ist, gibt es ein paar Warmduscher-Regeln:

1. Jedem Spieler ist eine definierte Farbe zugewiesen; er darf einmal pro Spiel eine Karte dieser Farbe vom offenen Abwurfstapel entfernen.

2. Die Spieler dürfen pro Runde einem beliebigen Spieler „Rückhalt“ gewähren, so dass er zwei Karten aus seiner privaten Ablage beseitigen darf.

Weil damit ein Sieg aber wiederum zu leicht würde, ist auf einigen Farbkarten noch ein „Handicap“ eingezeichnet. Wenn eine solche Karte gespielt wird, muss von der Reserve her eine zusätzliche Karte gespielt werden. Damit kann es passieren, dass damit bereits die dritte Karte eine Farbe auf den Abwurfstapel kommt und die Runde erfolglos beendet werden muss.

Sind wir den gesamten Vorrat losgeworden, so haben wir alle gemeinsam gewonnen. Sind alle Karten aus der Reserve ins Spiel gekommen, ohne dass wir den Vorrat abgearbeitet haben, so haben wir alle verloren. Aus die Maus.

Und warum heißt das Spiel „Les Poilus“? Nach Wikipedia (und nach dem Regelheft) bedeutet das französisch „der Behaarte“ und ist eine umgangssprachliche Bezeichnung für einen französischen Frontsoldaten des Ersten Weltkrieges. Und was haben die französischen Frontsoldaten mit Mau-Mau zu tun? Spieleautoren und Spielverlag entschuldigt meine „Übersetzung“ eueres Spiels. Die Karten in „Les Poilus“ sind nämlich keine Farbkarten, sondern „Bedrohungskarten“ auf denen anstelle von Farben die „Bedrohungen“ Giftgas und Granate, sowie Wetterunbilden abgebildet sind. Die Sonderkarten sind „Schwere Schläge“, und jedem Spieler wird keine Farbe zugewiesen, sondern ein definierter Soldatentyp, der einmal eine der zugewiesenen Bedrohungen abwehren kann.

In der neuesten Spielbox schreibt doch tatsächlich ein Kritiker: „Obwohl das Thema düster und grauenvoll ist, und wohl das Ernsthafteste, das jemals auf den Tisch kam, ist die Qualität des Spiels nichtsdestoweniger herausragend. Mit einfachen Mitteln eines Kartenspiels ist es gelungen, die harte historische Realität einfühlsam darzustellen!“ Die Spielautoren selber bekunden: „Wir haben uns entschieden, diesen Massenwahnsinn aus der Sicht des Einzelnen zu betrachten, durch die Brille seiner täglichen Sorgen und Ängste. Für diese Menschen war die einzige Erleichterung ihr Zusammenhalt, ihre Brüderlichkeit und ihr Vermögen, sich gegenseitig zu unterstützen und zu helfen, einzeln und gemeinsam.“ – Oh mein Gott, und dass alles sollen wir spielerisch nachempfinden? Für mich wird damit eher die Mentalität für den nächsten wahnsinnigen Weltkriegseinsatz vorbereitet. Schaut euch doch mal den Film „Kolberg“ von Veit Harlan an und vergegenwärtigt euch, wer diesen Film und warum finanziert hat! Hat Sylvie Goulard vielleicht einen großen Batzen Geld zur Entwicklung von „Les Poilus“ beigesteuert?

WPG-Wertung: Aaron: 4 (nichts, was ich noch einmal spielen möchte, auch nicht in einer größeren Runde), Günther: 3 (Ich bin am grübeln …, warum musste man ausgerechnet dieses Kriegs-Schlamm-Thema zugrunde legen; der ganze Gag sind die … Effekte, und über diese wird man gespielt), Walter: 3 (kein Verständnis für diese Art von Kooperation, das Spiel könnte man besser als offenes Knobelspiel abwickeln.).

18.01.2017: Aarons Insel und Martins Schiffe

Wenn man das letzte Spiel aus dem Eigenverlag des begnadeten Martin Wallace in der Hand hat, und weiß, dass der Autor seine Zelte in Europa abgebrochen und sich für immer nach Neuseeland begeben hat, dann ist das doch ein Grund, mal etwas über Neuseeland nachzulesen.

Es ist ein Inselstaat im südlichen Pazifik, bestehend neben vielen kleineren Inseln aus einer nördlichen und einer südlichen Hauptinsel, die von Touristen gewöhnlich in einer Achter-Schleife durchreist werden. Die Amtssprache ist Englisch (wer hätte das gedacht?), daneben Maori, aber auch noch die neuseeländische Gebärdensprache! Damit können alle gleichzeitig reden, ohne sich ins Wort zu fallen.

Staatsoberhaupt ist Königin Elisabeth.

Neuseelands „Human Development Index“ (Index der menschlichen Entwicklung, HDI) beträgt 0.913 … Hoppla, was ist denn der HDI?
Hier die Formel:

Dabei ist:
LE = Lebenserwartung zum Zeitpunkt der Geburt
BNEpk: Bruttonationaleinkommen pro Kopf
DSD = Durchschnittliche-Schulbesuchsdauer
VSD: Voraussichtliche Schulbesuchsdauer

Man sieht auf den ersten Blick, wenn die Menschen eines Landes durchschnittlich 85 Jahre alt werden, eine Kaufkraft von 75 Tausend Dollar pro Jahr in der Hand haben, in ihrer Jugend 15 Jahre zur Schule gegangen sind, und als heute gerade schulpflichtig gewordenes Kind 18 Jahre lang gehen müssten, so hat das Land den HDI von 1,0.

Übrigens: Deutschland hat einen HDI von 0,915 und liegt damit ganz knapp vor Neuseeland

1. “Loot Island”

Aaron wollte mal wieder die vorletzte Version seiner Eigenentwicklung vor der Vorstellung auf der Messe in Nürnberg am Westpark testen lassen. Alle machten ohne Zögern bereitwillig mit.

Wir graben immer noch nach Schätzen. Wie im richtigen Leben finden wir immer noch große oder kleine Schätze, wie im Märchen sind viele unsere Schätze immer noch verflucht, und wir müssen einen Teil unserer Energie dafür aufwenden, diese Flüche zu bannen.

In Zusammenarbeit mit „What’s Your Game“, dessen Devise es ist, Spielerfrust bereits beim Design möglichst zu vermeiden, hat Aaron eine ganze Reihe von Spielelementen eingeführt, wie den Flüchen besser beizukommen ist. Sie sind heute schon eher so etwas wie Handelsware, die man nur richtig behandeln muss, damit sie sich unter unseren Händen in Gold verwandelt.

Im jetzigen Zustand bietet „Loot Island“ mal wieder eine gerade richtige Mischung aus Mitspielerchaos und Planungsmöglichkeiten resp. Planungsanforderungen. Es gab eine Menge Spielspaß, nicht zuletzt durch die Super-Schätze, die wir selber gefunden haben und durch die relativen Semi-Nieten, die den Mitspielern zufielen.

Eine Stunde lockeres Denken, lockeres Agieren, lockeres Glück.

Noch keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.

2. “Ships”

Sheep-Pulk in „Ships“ zwischen dem Zeitalter der Wickinger und der Hanse

Mit diesen Spiel wollte Marin Wallace die Geschichte der Schifffahrt zu spielerischem Leben erwecken. Sehr hübsch hat er deshalb um den Spielfeldrand herum Bilder von typischen Schiffen ihrer Zeit drapiert, angefangen von phönizischen Galeeren bis zum Schlachtschiff „Lexington“. Doch das ist fast alles, was uns an Schifffahrtshistorie mitgeben wird. Mit diesem Thema gibt er uns sogar ein falsches Bild vom Spielablauf und den Aktionen, die wir durchführen können und müssen, um ein gutes Spiel zu machen.

Eher haben wir es hier mit einer Herde von Schafen zu tun. Alle unsere Schafe bewegen sich in einem einzigen Pulk, in dem gekennzeichnet ist, wem welches Schaf gehört. Gemeinsam, mehr oder weniger dicht beieinander, ziehen wir den vorgezeichneten Kreislauf. Wir Spieler sind die Hunde und drängen unsere Schafe auf immer neue und bessere Weidegründe. Die vorderen Schafen müssen zuweilen Weidezäune durchbrechen, bekommen dann allerdings als Erster die saftigsten neuen Gräser zum Fressen. Die Hinteren müssen sich schicken, den Anschluss nicht zu verpassen. Den Letzten beißen die Hunde, oder er wird einfach geschlachtet.

Verlassen wir also die Ships-Terminologie und bleiben wir weiter bei der Sheep-Terminologie, so gebären unsere Schafe immer wieder neue Schafe auf dem aktuellen Weidegrund, bis sich das erste dazu entschließt, den Zaun zu durchbrechen und den nächsten Weidegrund zu betreten. Das Durchbrechen kostet Energie (in Form von „Navigationsmarkern“), aber wenn auf dem aktuellen Weidegrund bereits viele Schafe beisammen sind, erzeugen sie einen solche Druck, dass die Zäune schon fast von selber umfallen. Nur wer einsamer und extremer Vorreiter sein will, muss sich dafür mit reichlich Innovations-Energie ausstatten.

Wer einen Weidezaun durchbricht, bekommt eine recht hohe Siegpunkt-Belohnung, anschließend erfolgt eine Bilanzierung des gesamten Herdenbestandes. Die Schafe auf dem noch aktuellen Weidegrund bleiben ungeschoren; für Schafe auf einem Weidegrund zurück muss der Besitzer einen Siegpunkt bezahlen („Hundeobolus“). Für Schafe auf zwei Weidegründen zurück, sind sogar zwei Siegpunkte Strafe fällig, anschließend werden diese Schafe von den wilden Tieren der Umgebung gefressen.

Ich hoffe, dass sich den Spielekennern von Wallace’ “Ships” bei dieser Ver-Schaf-ung jetzt nicht die Haare sträuben. Ich will diese Projektion auch nicht weiter treiben, selbst wenn für die weiteren, recht abstrakten Aktionen und Abläufe, die in „Ships“ präsentiert sind, mindestens genauso gut auch korrespondierende Elemente aus der Schafzucht passen würden. Also zurück zur Original-Terminologie.

Für jedes neu gebaute oder bewegte Schiff darf der Spieler entscheiden, ob es ein Handels- oder ein Kriegsschiff ist (Futterschaf oder Wollschaf!). Der einzige Unterschied zwischen beiden ist, dass der Spieler hinterher im einen Fall einen eckigen Handelsstein, im anderen Fall eine runde Eroberer-Scheibe auf ein definiertes Feld im aktuellen Wirtschaftsgebiet legen darf. Für die Handelssteine erhält er Waren (Korn, Öl, Wein, Metall oder Tuch), für die Scheiben bekommt er Geld, Siegpunkte, Zusatzaktionen und andere Vergünstigungen.

Waren müssen in der privaten Vorratskammer platziert werden. Wer hier keinen Platz hat, muss sie augenblicklich für einen Spottpreis verscherbeln. Geld kommt in den Tresor; wer hier keinen Platz hat, muss es augenblicklich zum relativ reelen Kurs von 2:1 in Siegpunkte verwandeln. Indirekt wirkt sich hier ein weiterer Unterschied zwischen der Wahl von Handels- oder Kriegsschiff aus: bei jedem Kriegsschiff wird das Fassungsvermögen von Vorratskammer bzw. Tresor um eine Einheit vergrößert, bei einem Handelsschiff tut sich in dieser Beziehung nichts.

Eine sehr pfiffige Idee in „Ships“ ist die Verwendung der Handelssteine. Sie sind nämlich nicht nur zum Ablegen innerhalb der Wirtschaftsgebiete gedacht, sie markieren auch die Aktionen, die ein jeder Spieler ausführen darf. Und wenn die Steine für Aktion oder Handel erst einmal platziert sind, dann bleiben sie an Ort und Stelle liegen, bis sie explizit wieder zurückgeholt werden. Das muss man rechtzeitig tun. Wer nämlich am Zug ist und alle seine eckigen Steine „verspielt“ hat, dem bleibt nichts anderes übrig, als einen „freien“ Zug zu opfern, um die Steine eines Gebietes wieder zurück in seine Verfügungsmasse zu holen; der restliche Aktionsspielraum geht verloren.

Was kann man in „Ships“ noch alles tun?

  • eine der ausliegenden Sonderkarten nehmen, die ähnliche Vergütungen erbringen bzw. Aktionen erlauben, wie sie auch sonst im Spiel gegeben sind, nur etwas mehr, etwas billiger, etwas mächtiger.
  •  Geld von der Bank einziehen. Einer der schlechtesten Züge überhaupt.
  •  Navigationsmarker nehmen. Ein damit gefülltes Portemonnaie ist Gold wert.
  •  Waren verkaufen. Alles hat seinen Preis: Tuch bringt das meiste Geld, Gewürze die meisten Siegpunkte, und Öl schmiert einen Zusatzzug.

Es ist alles rund und schön, was in „Ships“ zusammengebastelt ist. Alles kann konstruktiv gespielt, aber viel mehr noch als eine große planerische Herausforderung angesehen werden, denn überall stößt man auf Engpässe. Mal hat man keinen Platz in der Vorratskammer, mal fehlt das Korn für ein Kriegsschiff oder ein Navigationsmarker für den nächsten Fortschritt. Für bestimmte Aktionen muss man Geld bezahlen, auch das ist immer knapp, besonders da der eigene Tresor nur ein geringes Fassungsvermögen hat. Und natürlich gehen die eckigen Handels-/Aktionssteine aus und man muss Züge verpulvern, um sie wieder zurückzuholen.

Alles ist perfekt ausbalanziert. Alles funktioniert. Alles ist gut. Wer sich zwei bis drei Stunden lang an einem einzigen Spiel mit Ackerbau und Schiffzucht laben möchte, ist mit „Ships“ bestens bedient.

Für mich ist das Spiel eine zu große intellektuelle Herausforderung. Ich kann weder die Formel lösen: Ist (n – delta) Runden vor Schluss das Reaktivieren von e1 toten Ecksteinen aus dem Handelsgebiet A besser als das Reaktivieren von e2 zirkulierenden Ecksteinen aus meine Aktionskeller, noch kann ich beurteilen, ob der Platz in meiner Vorratskammer oder in meinem Tresor mehr wert ist, und ob ich in nächster Zeit Wein besser verwenden kann als Öl. Drei Stunden lang. Und drei Stunden lang denen hinterherlaufen, die das besser verstehen, ist auch nicht gerade mein Fall.

Die Industrie mit ihrem Segen wurde von keinem von uns geschätzt. Wir haben ihren Effekt alle noch nicht verstanden. Auf die Nützlichkeit der Tauschbörse, ein weiteres sehr hübsches Spielelement, sind wir auch erst in den letzten Zügen gekommen. OK, OK, Wallace schreibt selber: “it will take a few plays to master”. „Ships“ bietet außerordentlich viel. Grabt nur danach!

WPG-Wertung: Aaron: 8 (es hat mir von Stunde zu Stunde besser gefallen, eine hübsche Mischung aus Planung & Aufbau mit Interaktion bzw. Konkurrenz), Günther: 7 ([ohne Worte; was hat ihn wohl gehindert, 8 oder gar 9 Punkte zu vergeben?]), Walter: 7 (fast ein 8 oder 9 Punkte-Spiel, eine große Herausforderung an ein ständiges Balanzieren von Optionen, Notwendigkeiten und Mitteln, aber die lange Spieldauer ist für die zwar vielseitigen, schlussendlich aber doch repetitiven Spielzüge ein erhebliches Manko).

31.08.2016: Plündern, einstreichen, abkassieren

Nein, die Westpark-Gamers sind noch nicht tot, nur weil sie im Monat August nichts von sich haben hören lassen. Lediglich ihre einleitenden Gesprächsthemen bewegen sich langsam auf das übliche Rentner-Niveau zu: Bandscheiben, Galle, Herzinfarkt, grauer Star und Rheuma. Alles nur körperlich, der Geist bleibt fit!

1. “Loot Island”

Balance, Balance, immer noch kein Ende mit dem Feilen an der Balancierung in Aarons Eigenentwicklung:

  • Die Schatzkarten wurden noch “gleichwertiger” gemacht, so dass der Sieg weniger über die zufällig aufgedeckten Super-Schätze errungen wird, sondern über die Menge der mit ehrlicher Taktik erworbenen Schätze. Das soll doch wohl das Herzstück des Spiels sein und bleiben.
  • Die Schätze sind hochwertiger geworden, so dass ihr Erwerb noch mehr Freude auslöst.
  • Es gibt keine “nutzlosen” Schätze mehr, die besonders gegen Spielende hin für Frust sorgen konnten; jeder Schatz kann zumindest zum Beseitigen eines Fluches herangezogen werden.
  • Es wurden mehr Flüche unter die Schätze gemischt. Es bleibt eine der entscheidenden Herausforderungen des Spieles, die richtigen Flüche loszuwerden.
  • Die General-Joker-Karten mit ihrer extremen Potenz wurden zugunsten von farb-spezifischen Jokern mit gebremstem Schaum abgeschafft. Auch diese Maßnahme zielt gegen Zufallseffekte und fördert das taktische Element.

Wir haben den Eindruck, wie immer, dass das Spiel so, wie es ist, in Produktion gehen könnte. Allerdings hat „What’s your Game“ entschieden, dieses Jahr in Essen nur einen Prototypen davon vorzustellen. Auf den Markt gebracht werden soll es jetzt erst auf der Spielwarenmesse 2017 in Nürnberg.

Ach ja: gewonnen hat Günther mit der Strategie, sich die höchstwertigsten und höchstverfluchten Schätze an Land zu ziehen, und jede freie Aktion dazu zu nutzen, die Flüche auch alle abzubauen. Aber garantiert ist das keine Universal-Gewinnstrategie. Man kann dagegenarbeiten, denn Interaktion steht in „Loot Island“ an erster Stelle.

Noch keine WPG-Wertung, aber Horst würde das Spiel bei 7 Punkten ansiedeln.

2. “Visby”

Aktionskarten und Zählerkarten von "Visby"
Aktionskarten und Zählerkarten von “Visby”

Horst war unschlüssig, ob er das Spiel zum Westpark hätte mitbringen sollen. „Ich bin mir nicht sicher, ob und wie das Spiel funktioniert.“ Dafür ist „Visby“ aber ein schnelles Spielchen, und zwanzig Minuten Lebenszeit opfern wir alle sehr gerne, um eine neue Idee kennenzulernen.

Ganz neu ist die Spielidee von Visby natürlich nicht, nur neu verpackt. Jeder Spieler hat (die gleichen) acht Aktionen zur Auswahl, die er in beliebiger Reihenfolge zur Ausführung bringen darf. Verdeckt wählt er jeweils eine Aktionskarte aus, danach decken alle Spieler gleichzeitig die gewählten Aktionen auf und führen sie der Reihe nach durch.

  • als “Truppe” oder “Ritter” bekommt ein Spieler Siegpunkte, solange der (überschaubare) Vorrat reicht.
  • als “Flotte” oder “Schiff” bekommt man Waren, solange der (überschaubare) Vorrat reicht.
  • als “Zöllner” bekommt man unbegrenzt Siegpunkte von der Bank, aber nur für Mitspieler, die gerade “Flotte” oder “Schiff” gewählt haben.
  • als “Schmied” bekommt man unbegrenzt Waren (abstrakte Zähleinheiten) von der Bank, aber nur für Mitspieler, die gerade “Truppe” oder “Ritter” gewählt haben
  • als “Kaufmann” tauscht man seine Waren gegen Siegpunkte ein.
  • als “Bettelmönch” bekommt man Waren, u.a. auch für Mitspieler die gerade “Kaufmann” gewählt haben. Zusätzlich darf man danach alle bis dahin gespielten Aktionskarten wieder auf die Hand nehmen. Man muss also nicht alle der möglichen acht Aktionen ausgeführt haben, um wieder aus dem Vollen schöpfen zu können.

Der Spielwitz besteht darin, die Aktionen der Mitspieler vorauszuahnen und die besten Gegenaktionen zu wählen. Doch aus welchen Indizien heraus soll man seine Mitspieler einschätzen? Ein gutes Gedächtnis über die bereits abgelegten Aktionskarten der Mitspieler ist zwar von Nutzen, doch es bleibt ein Stochern im Nebel. Ein Um-die-Ecke-Denken bei illusionsgenährter Intuition bestimmt den Ablauf.

Zu Logik und Psychologie des Spiel gilt sinngemäß das, was Wikipedia zu den Prinzipien der uralten „Stein, Schere, Papier“-Knobelei schreibt:
Wenn der Mensch rein zufällig eine der acht Aktionen auswählen könnte, wäre das Spiel ein reines Glücksspiel. Da sich der Mensch aber immer von seinen Gedanken beeinflussen lässt, kommt als psychologisch-taktische Komponente hinzu, dass man versuchen kann, die Verhaltensweise der Gegner einzuschätzen und darauf zu reagieren. Um seine eigenen Gewinnchancen zu erhöhen, muss man verhindern, dass die Gegner die eigene Wahl erahnen können. Beispielsweise könnte man seine Aktionen zufällig auswählen. Professionelle Spieler legen deshalb vor Spielbeginn die Reihenfolge ihrer Aktionen fest und merken sich diese Listen, sogenannte Gambits, die sie dann konsequent durchspielen.

Die Logik dieser “Gambits” seit dahingestellt. Ich agiere damit nach reinem Zufallsprinzip, aber ich REagiere dann auch so. Zudem wäre damit der Spielspaß “total im Arsch”!

WPG-Wertung: Aaron: 5 (repetitiv, wenig Spaß, es fehlt irgendwas), Günther: 5 (zu unübersichtlich, zu anstrengend, wenn man hier etwas ausrechnen wollte), Horst: 5 (es gibt sicherlich Spielerrunden, in denen das Spiel besser ankommt), Walter: 5 (würde sich hier gerne das Denken ersparen und sich auf die Gambits verlegen; mit dem entsprechenden Spielspaß, leider).

3. “Tiefe Taschen”

„Junta light“! Ein Präsident verteilt die Einnahmen des Staatshaushaltes willkürlich unter seinen Mitspielern. Die Spieler stimmen geheim darüber ab, ob sie die Verteilung annehmen oder nicht. Wird sie angenommen, so wird das Geld entsprechend verteilt, wird sie nicht angenommen, so scheidet der aktuelle Präsident aus dieser Runde aus, sein Nachfolger unternimmt den nächsten Verteilungsversuch.

Bei Gleichheit ist die Verteilung angenommen, beispielsweise auch dann, wenn kein einziger Spieler dafür oder dagegen stimmt.

Wofür kann man sonst noch stimmen? Man kann die Verteilung einen guten Mann sein lassen und sich stattdessen aus der Staatskasse einen weiteren Geldschein aneignen. Man kann einen Mitspieler erpressen – das muss öffentlich angekündigt werden – , und ihm im Erfolgsfall einen Geldschein wegnehmen. Man kann eine angekündigte Erpressung abwehren und bekommt dann vom Erpresser einen Geldschein. Aber nur dann, wenn der vorgebliche Erpresser auch wirklich die geheime Erpressen-Aktion gewählt hat und nicht nur die öffentliche Ankündigung beim Mitspieler platziert hat.

Zusätzlich zur Abstimmung kann man auch noch einen Mitspieler bestechen, d.h. ihm einen Geldschein für sein „Ja“ oder „Nein“ anbieten. Den Geldschein erhält er nur dann, wenn er so abstimmt, wie wir es von ihm fordern.

Der Prozess von geheimer Abstimmung, Erpressung und Bestechung kann von allen Spielern beliebig lang umgemodelt werden, bis alle mit ihrem definierten Verhalten zufrieden sind. Man kann sich lange den Kopf darüber zerbrechen, was für den Augenblick wohl die lukrativste Vorgehensweise ist. Nach Horsts Heimgang haben wir auch im post mortem noch stundenlang über eine optimale Strategie diskutiert. Das Bestechen haben wir dabei erst gar nicht tiefer in Augenschein genommen; am Westpark wird das als reines Verlustgeschäft abgetan. Der Präsident wird in erster Näherung wohl den gesamten Staatshaushalt in die eigene Tasche räumen und zusätzlichen noch einen Griff in die Staatskasse tun. So erhält er mehr Geldscheine als jeder andere Spieler, selbst wenn diese alle bei ihm als Erpresser aufträten!

Der Spieler zu seiner Linken wird in der Regel gegen die vorgeschlagene Verteilung stimmen, denn falls sich eine Mehrheit für die Ablehnung ergibt, wird er selber Präsident und kann nun versuchen, den großen Präsidenten-Reibach zu machen. Oder sollen die Mitspieler, die bei der Verteilung mit großen Anteilen bedacht wurden, ihn etwa bestechen, damit er stille hält?

Ach, es gibt wohl keine eindeutige Gewinnstrategie. In jedem Fall aber fehlt für ein echtes „Junta“ und Junta-Gefühl noch das Militär, das den Präsidentenpalast stürmt, und es fehlen die Mörder, die die Junta-Mitglieder in der Bank beim Einzahlen ihrer Gewinnsummen auf ihre Schweizer Konten ermorden.

Günther kam in den ersten Verteilungsrunden wohl zufällig sehr kurz weg und fühlte sich schon auf der Verliererstraße. Außerdem gefiel ihm das Spielprinzip überhaupt nicht. Kurz entschlossen wählte er jetzt für sein Abstimmungsverhalten absolut „unlogische“ (wenn es das hier gibt) und unvorhersehbare Aktionen. In der Regel unterstützte er den Präsidenten, damit die Verteilung durch- und das Spiel schneller zu Ende ging. Wer das erkannt hatte, musste nur noch einmal an die Präsidentschaft herankommen, um ewig Präsident zu bleiben und Krösus zu werden. Gäbe es dagegen in einer 4er Runde eine Strategie?

WPG-Wertung: Aaron: 6 (vielleicht ist es mit acht Spielern lustig), Günther: 4 (Chaotenspiel, nix für mich), Horst: 5, Walter: 4 (schnell ausgelutscht).

13.07.2016: Beute und Maschinen

Wilhelm aus Unna, Vielspieler, Gutspieler, Allesspieler, hat uns nach zwei Jahren Abstinenz mal wieder am Westpark besucht. Als eifriger Leser und sporadischer Kommentierer unserer Berichte konnte er nur sein Bedauern darüber ausdrücken, dass wir spielerisch nichts Lokales auf dem Markt finden. Wir hier im Süden quälen uns über die „Peloponnes“ durch „die Tore der Welt“ bis in die „Galaxis“, er als Nord-Ruhrgebietler kann allein mit den drei Thomas-Spitzer-Produkten „Ruhrschifffahrt“, „Kohle & Kolonie“ und „Haspelknecht“ nächtelang im Heimatkolorit schwelgen.

FCBayernBluffZum Ausgleich hat er uns als Gastgeschenk das besten Spiel der Welt als einen kleinen, unsere Defizite vermindernden Eigenbau mitgebracht (siehe Foto). Um welches Spiel handelt es sich? Wieviel würde es kosten, alle Würfel auch noch stilgerecht durch die Orginalwürfel eines autorisierten Suppliers zu ersetzen?

1. “Loot Island”
Aaron Eigenentwicklung hat schon viele Metamorphosen mitgemacht. In den Regeln und im Titel. Wilhelm hatte es schon vor Jahren als kleines, feines, logisches „Ur-Diggers“ kennen und sogar schätzen gelernt. Jetzt ist eine Menge italienische Familienspiel-Substanz hineingekommen, und Wilhelm war sehr interessiert daran, die aktuelle Fassung kennen zu lernen. Trotz seines Outing: „Ich habe schon so viele Prototypen getestet, ich habe heute dazu keine Lust mehr“.

Das Spiel hat was. Auch wenn es ganz leicht aussieht und eine gehörige Portion Zufall eingebaut ist, schälen sich in Laufe einiger weniger Spiele immer mehr taktischen Finessen heraus, mit denen man dem Glück doch noch ein Schnippchen schlagen kann. Zumindest kann man es zu versuchen. Die intellektuellen Herausforderungen des Spiels bestätigten sich heute allerdings nicht: Walter gewann, Günther wurde Letzter!

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase. Wilhelms Schlusswort: „Ich habe gut mitgespielt, aber es hat mich nicht gepackt“ und „Für ‚What’s your game’ ist es ein erstaunlich eingängiges, d.h. ein überschaubares und nicht das übliche komplexe bis hoch-komplexe Spiel.“

2. “Steam Works”

Steam Works : Aaron nutzt eine Maschine, Günther studiert den Maschinenpark.
Steam Works : Aaron nutzt eine Maschine, Günther studiert den Maschinenpark.

Eines der Spiele, mit denen Wilhelm uns hier am Westpark mal wieder auf den Zahn fühlen wollte. „Ein Worker-Placement-Spiel bei dem die Spieler die Placements erst im Laufe des Spieles zusammenbauen.“ Aaron war begeistert, er brütet auch gerade über einer solchen Spielidee. Aber wahrscheinlich hat er sich im Endeffekt doch etwas ganz anderes darunter vorgestellt.

Jeder Spieler bekommt eine private Tafel mit den ersten drei Basis-Arbeitsplätzen für seine Mitarbeiter:

  • sich aus einer offenen Auslage ein neues Komponentenplättchen zulegen
  • sich ein neues Energieplättchen vom Typ Mechanik, Dampf oder Elektrizität zulegen
  • aus einem Komponentenplättchen und einem Energieplättchen eine primitive erste Maschine bauen

Energie ist notwendig, um eine Maschine zu betreiben, was dabei herauskommt bestimmen aber ausschließlich die Komponenten, aus denen sie zusammengesetzt ist. Die ersten, den Spielern in der Grundausstattung mitgegebenen Komponenten können gerade mal eine zweite primitive Maschine bauen oder eine primitive Maschine zu einem Dreiteiler upgraden. Mit fortschreitendem Spielverlauf kommen immer mächtigere Komponenten ins Angebot, die dann erlauben:

  • sich gleich mehrere Komponentenplättchen aus der offenen Auslage zuzulegen
  • sich gleich mehrere Energieplättchen zulegen
  • Maschinen mit gleich mehreren (passenden) Komponenten zu bauen
  • Maschinen um immer mehr (passende) Komponenten zu erweitern
  • Maschinen gleich zweimal auf einmal zu betreiben
  • Maschinen zu bauen und im gleichen Atemzug auch sofort zu betreiben
  • Geld zu generieren
  • Siegpunkte zu generieren
  • Besitztum in Siegpunkte zu verwandeln
  • und vieles mehr. Neben der Anfangsausstattung gibt es 32 verschiedene weitere Komponenten.

Beim Bauen und Upgraden ist darauf zu achten, dass die Komponenten zur Energiequelle passen und dass die Stückelung stimmt. Wenn man nämlich z.B. eine drei-teilige Maschine zu einer vier-teiligen erweitern darf, dann muss man genau das tun (falls man alle notwendigen Teile passend hat), und darf nicht eine kleinere zwei-teilige Maschine zu einer drei-teiligen erweitern. Das klingt vielleicht logisch, in Sinne von einfacher Inklusiv-Potenz muss man sich aber erst daran gewöhnen.

Um eine Maschine zu betreiben muss der Spieler einen seiner Mitarbeiter auf das zugehörige Energieplättchen setzen. Jetzt darf er alle daran angeschlossenen Komponenten in beliebiger Reihenfolge nutzen. Das Besondere dabei ist, man darf auch die Maschinen der Mitspieler nutzen. Kostenlos! Der benutzte Mitspieler bekommt dann – von der Bank – einen Siegpunkt zugeschustert und ggf. komponente-abhängig noch weitere Vorteile. Jede Maschine darf pro Runde nur einmal genutzt werden, nur der Benutzer darf sie ggf. ein zweites Mal nutzen. Hier ist also eine gewisse Konkurrenz gegeben. Manchen nennen das sogar schon Interaktion.

Und jetzt fängt die Krux von „Steam Works“ an: Im Laufe des Spieles liegen auf dem Tisch um die zentrale Auslage herum immer mehr (zwischen zehn und zwanzig!) private Maschinen mit lauter unterschiedlichen Effekten. Die Maschinen liegen bis zu zwei Metern auseinander, und es gilt, sie alle mit allen ihren Effekten und Nebeneffekten abzuchecken, und die für die eigene Entwicklung augenblicklich beste Maschine herauszufinden. Dabei ist ggf. noch zu berücksichtigen, ob andere Spieler auf diese Maschine ebenfalls scharf sind, und ob die von der Bank ausgezahlten Vorteile an den Maschinenbesitzer die Fremdnutzung wert sind.

Wilhelm kannte das Spiel. Er baute sich in den letzten zwei oder drei Runden eine umwerfende Siegpunkt-Generiermaschine, und war damit auch von unserem Optimierungs-Maschinen-Optimierungs-Crack Günther nicht zu schlagen. Knapp nicht! Das spricht für die geistigen Anforderungen an das Spiel. Zweifellos ein Qualitätskriterium (westpark-scher Art), aber solche Anforderungen sind zweifellos ja nicht die einzigen Qualitätskriterien eines Spiels. Hier ist jetzt noch genügend Platz für Wilhelms Elogen.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (ein reines Puzzle, ich mag diese Art von Spielen nicht), Günther: 7 (die Maschinen und ihre Komponenten sind überschaubar, aber es sind zu viele), Wilhelm 8 (fast 9, vor über einem Jahr zum letzten Mal gespielt, bin ich schnell wieder reingekommen, alles passt zusammen, die Aufbau-Idee ist hübsch, Übersichtlichkeit und Komplexität sind noch OK, es artet nicht in Arbeit aus), Walter: 6 (empfand das Spielgeschehen mit der gnadenlosen kalkulatorischen Optimierungsaufgabe doch als schweißtreibende Arbeit; schöne, gelungene, fehlerlose Ingenieur-Leistung des Autors, doch das Spielerische kommt zu kurz).

Aaron fand bei Boardgamegeek einen Kommentar, für ihn wie auf den Leib geschrieben: „Not unpleasant, not broken, not problematic, just not my kind of game.“

3. “Flaschenteufel”

Nein, wir haben es nicht gespielt. Walter schlug es in der seltenen Viererrunde als Vor-Absacker vor, aber Wilhelm war dagegen: „Es ist ein gutes Spiel, aber es liegt nicht in meiner Geschmacksrichtung.“ Sinngemäß das gleiche wie der BGG-Kommentar. Vielleicht werden wir alle älter, die Weichteile verkalken und die freie Auffassungstoleranz wird enger. Vielleicht waren wir aber schon immer so.

4. “Bluff”

Im ersten Spiel war Wilhelm als erster ausgebootet, es gewann Walter im Endspiel gegen Aaron. Im zweiten Spiel war Walter als erster ausgebootet, es gewann Wilhelm in Endspiel gegen Günther. Ein reines Glücksspiel … :-)