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30.06.2010: Sushi im Blumenviertel

Walter musste sich diese Woche ausklinken; deshalb fand der Spieleabend bei Aaron statt. Eine Lokation ebenfalls im Münchner Westen, aber ein eher seltener Treffpunkt. Geduldig warteten Günther und Aaron auf Hans als dritten Spieler. Der traf dann mit über halbstündiger Verspätung ein, nachdem er sich hoffnungslos im Viertel der Blumenstraßen verirrt hatte. Wir lernen: nicht nur die Straßennamen auf dem Weg sollte man sich merken, sondern auch die Abbiegerichtung.
Inzwischen hatten sich die beiden Wartenden auf ein kurzes Spiel zur Überbrückung der Wartezeit geeinigt.

Mosaix
Das Spiel lag schon in einer Viererrunde auf dem Tisch und sollte nun seine Qualitäten als 2er-Spiel beweisen. Aaron hatte als ‚topologically challenged‘ Unerfahrener gleich zu Anfang deutliche Schwierigkeiten, die optimalen Würfelformationen für sich zu finden. Trotzdem lief das Spiel auf einen spannenden Endkampf hinaus, bei dem sich mit etwas Glück Aarons selbstgebaute Zwickmühle noch auflösen ließ. Hier zeigte sich die dann doch noch die Glücksabhängigkeit im Spiel, die über weite Strecken in der Zweierformation nicht wirklich eine Rolle spielte.
WPG-Wertung: Aaron 7 (schnell und einfach), Günther 6 (hat Bedenken, bzgl. der Beinflussbarkeit bei mehr als zwei Spielern)

Wasabi!
Hans liebt Sushi – eine Tatsache, die uns bisher verborgen geblieben war. Also konnte er nicht widerstehen, als er ein Spiel zum Thema in schöner Aufmachung und angemessener Komplexität fand. Beim gemeinsamen Auspöppeln der Spielsteine gab es die ersten fragenden Gesichter, die zunahmen, als Hans die englische Version der Spielregeln vortrug (die deutsche enthält, wie auch die deutsche Seite des Spielmaterials zu viele Fehler). Wie soll das denn funktioniert? Wird man hier gespielt?sushi
Die Spieler haben die Aufgabe, Sushi-Rezepte erfolgreich aus ausliegenden Zutaten zusammenzustellen. Die Anzahl der notwendigen Zutaten reicht von zwei für die ganz einfachen Makis bis hin zu unfassbaren fünf für die exklusiven Sushis. Je mehr Zutaten, umso mehr Siegpunkte gibt es für ein komplettiertes Rezept. Und wenn die Zutaten noch in der richtigen Reihenfolge eingebracht werden, gibt es Sonderpunkte für die Schönheit. Das klingt alles ein bisschen nach „A la carte“, ist aber völlig anders. Zwar sind die Zutaten vorgegeben, aber sie müssen erst auf einem Spielplan in einer Reihe oder Spalte, möglichst in richtiger Reihenfolge, ohne Unterbrechung ausgelegt werden. Genau: ein Spielplan. Hier legt jeder Spieler in seinem Zug eine seiner drei geheimen Zutatenplättchen ab, um dann wieder auf drei Zutaten aufzuziehen. Wurde mit dem Legen der Zutat ein eigens Rezept vervollständigt, gibt es die Siegpunkte dafür und der Spieler zieht ein neues Rezept nach. So füllt sich langsam der Spielplan mit immer mehr Zutaten in buntem Durcheinander. Für zusätzliche Dynamik sorgen Aktionskarten, die es erlauben, Zutaten auf dem Spielplan zu verschieben, zu überdecken oder wieder freizulegen. Diese Aktionskarten gibt es immer dann, wenn ein Spieler ein Rezept vervollständigt hat. Da man nie mehr als zwei dieser Karten auf der Hand haben darf und auch nicht eine gerade selber ausgespielte Karte wieder aufnehmen darf, ist hier Planung und Timing gefragt.
Bereits zu Beginn gab es eine Diskussion, ob es nun besser sei, erst die „kleinen“ Rezepte anzugehen oder nicht, da diese die begehrten und im Spielverlauf notwendigen Aktionskarten schneller bringen. Wie sich dann herausstellte, war das ein Trugschluss, denn gerade zu Spielbeginn gibt es viel Flexibilität bei der Ablage auf dem Spielplan, die man braucht, um die großen Rezepte herzustellen, während gegen Spielende man nur noch über die Aktionskarten Einfluss auf die Auslage nehmen kann. Wer dann gegen Ende ohne Aktionskarten ein 5er-Rezept vervollständigen will, kann nur noch zuschauen und hoffen, dass das Spielende schnell kommt.
WPG-Wertung: Aaron 7 (nettes Thema, schöne Aufmachung, weiss was er beim nächsten Mal besser machen kann), Günther 6 (lässt sich von der Aufmachung nicht beeindrucken), Hans 6 (hatte mehr erwartet)

Die Speicherstadt
Zum zweiten Mal auf dem Tisch, diesmal in der Minimalbesetzung. Die Vermutung war, dass sich jetzt weniger Mitspielerchaos und mehr Planbarkeit beim Bieten einstellen. So war es dann auch: das Bieten lief in der Regel erwartungsgemäß ab, inklusive der kleinen Nickeligkeiten gegen Spieler mit wenig Geld. Und wieder stellte sich heraus, dass der konservative Umgang mit Geld und Diversifikation die Schlüssel zum Erfolg sind, denn der Glücksfaktor bei der Auslage (welche Karten kommen wann; welche Waren kommen wann) ist auch in einer 3er-Runde beträchtlich. Aaron hatte gleich zu Beginn aufs falsche Pferd gesetzt, denn die für ihn Geld- und Punkte bringenden grünen Waren kamen erst ganz spät, und da war er schon fast pleite. Da halfen dann auch die 14 Siegpunkte für die Kontore nichts mehr.
WPG-Wertung: keine Änderungen.

17.03.2010: Das wahre Leben

Drei Wochen Urlaub in Thailand mit der besten aller Ehefrauen bedeutet drei Wochen Verzicht und Enthaltsamkeit: Vom Westpark und vom Brettspiel. Die einzige Begegnung mit Spielen war ein junger Russe in einer einsamen Bucht auf Ko Phi Phi, der mittels Figuren im Sand versuchte, Schachprobleme zu lösen.
Heute konnte ich endlich wieder tief eintauchen in das faszinierende, pulsierende Leben als Brettspieler, noch dazu unter der Anleitung eines professionellen Spieleerfinders.
1. “Holzhacken im Schwarzwald”
Das Spiel ist noch im Entstehen, der obige Name ist nicht einmal als Arbeitstitel im Gespräch. Christof Tisch, der bei HiG reichlich Verdienste in Grafik und Design erfolgreicher Spiele erwoben hat, geht damit schwanger und sucht Hebammen, die ihm einen strammen und gesunden Sprößling garantieren. Kreativität und Kritik waren heute gefragt. Die Spielabläufe sind in vielen Details noch absolut offen, nur das Thema steht. In dieser Vorgehensweise steht Christof unserem Moritz durchaus sehr nahe.
Wir sind Holzfäller im Schwarzwald, fällen Bäume und lassen sie den Jagst und den Kocher, oder wie immer die Flüßchen dort heißen, hinuntertreiben. Je mehr eignes Holz unterwegs ist, desto schneller treibt es. Einzelstücke haben kaum Chancen, den Rhein zu erreichen, zu Flößen gebündelt und nach Holland verkauft zu werden. Für reichliche Siegpunkte, selbstredend.
Ab und zu gibt es Stauseen, die unsere Baumdrift aufhalten. Dann brauchen wir tüchtige Arbeiter, die den Weg wieder freimachen. Auch dafür gibt es Siegpunkte. Doch die Arbeiter waren Mangelware, unsere Stauseen blieben lange gefüllt und der Rhein wartete vergeblich auf sein erstes Floß. Hier muß sich deutlich noch was ändern. Lösungsideen dafür gab es genug.
Nach einer guten Stunde Spielzeit fing ein Blödelintermezzo an. Wir assoziierten die Schwarzwaldflüsschen mit Kanalisationsrohren und die Bäume mit den entsprechenden Festteilchen, sie gewöhnlich darinnen herumschwimmen. Hoffentlich ohne Stau.
Doch trotz dieses Abschweifens, trotz all der offen zutage getretenen Ecken und Kanten und der notwendigen Verbesserungsaufgaben blieb die Spielatmosphäre ständig locker und konstruktiv und das Spielvergnügen war ungebrochen. Schon jetzt tragen einige Spielabläufe feine, elegante Züge und selbst das provisorische Spielmaterial hat bereits physiologische Reize. Ein großes Brettspiel könnte entstehen. Und wir sind dabei gewesen.
Noch keine WPG-Wertung.
2. “Sutter’s Mill”
An Sutter’s Mill bei Coloma in Nord-Kalifornien, fand im Januar 1848 der Zimmermann James W. Marshall mehrere Gold-Nuggets und löste damit den kalifornischen Goldrausch aus. So steht es bei Wikipedia.
Phalanx hat letztes Jahr daraus ein Brettspiel gemacht und das Thema sehr hübsch und flüssig umgesetzt. Wir sind Goldsucher, oder besser unsere Pöppel sind es. Jeder Spieler hat davon 5 Stück. Wir lassen sie in den Camps arbeiten und ihre Nugget-Funde in der Stadt in Siegpunkte umsetzen.
Die Ausbeute ist umso höher, je mehr Privilegien wir uns beim Schürfen zugelegt haben. Diese Privilegien ersteigern wir uns durch den Einsatz von Werkarten. Ein Großteil der spielerischen Interaktion besteht hier im richtigen Erwerben, Verdrängen und Verdrängtwerden.
In der Schlußphase sollten wir unsere Wertkarten allerdings wieder vom Spielbrett abräumen, denn damit steuern sie einen erheblichen Anteil zu unseren Siegpunkten bei.
Auch unsere Goldsucher sollten das Spielfeld rechtzeitig verlassen, weil sie sonst erhebliche Punktabzügen verursachen.
So ist “Sutter’s Mill” eine sehr gelungene Mischung von massivem Goldsuchen, wohl dosiertem Bieten um Privilegien, und scharf kalkuliertem Umschalten von der Aufbau auf die Ernte- und Abbauphase.
Christof, der als einziger das Spiel kannte, hatte keine Schwierigkeiten, seinen Knowhow-Vorsprung in ein dickes Siegpunktekonto umzumünzen. Doch allen anderen blieb der greifbare Vorsatz, beim nächsten Mal vieles besser zu machen.
WPG-Wertung: Christof: 8 (obwohl der Spielablauf ziemlich mechanisch ist, ist das Thema vorzüglich umgesetzt), Hans: 8 (sehr abwechslungsreich), Moritz: 8 (träumt schon von seiner verbesserten Siegstrategie, wo er überall als Erster die Schlüsselzüge macht), Walter: 8 (schnell, flott, herausfordernd)
3. “Mosaix”
Ein Spiel, für das Christof nicht nur die Grafik gemacht hat, sondern das er auch komplett selbst entwickelt hat. Spiele-Schmidt hat es verlegt. Auf eine Formel gebracht handelt es sich um eine Art „Würfelbingo“.
Ähnlich wie beim „Bingo“ (oder wie beim „Schiffchen-Versenken“) hat jeder Spieler hat ein kariertes Spielbrett vor sich. Reihum wirft jeder Spieler mit 4 Würfeln, auf denen die Symbole Kreis, Dreieck und Kreuz abgebildet sind. Die 4 Würfelergebnis werden zu einem beliebigen Muster zusammengestellt und die Spieler müssen dieses Muster in ihrem karierten Spielbrett auf freie Felder eintragen. Dabei darf ein Teil des Musters, der über den Spielbrettrand hinausgeht, unter den Tisch fallen.
Sobald der erste Spieler sein Spielbrett total gefüllt hat, ist das Spiel zu Ende und es wird gewertet. Die Anzahl zusammenhängender Bereiche mit gleichem Symbol multipliziert mit der Summe aller Einzelfelder dieses Symbols ergibt die Siegpunkte. Es kommt also nicht nur darauf an, möglichst zusammenhängende Bereiche mit einem Symbol zu schaffen, sondern auch darauf, sie nicht über eine bestimmte Größe wachsen zu lassen, sondern möglichst viele getrennte Gebiete eines Symbols zu erzeugen. Eine hübsche Denkaufgabe für schnelle, formsichere Topologen.
WPG-Wertung: Christof: 8 (ist ja seine eigene Erfindung), Hans: 7 (unbestechlich), Moritz: 10 (Christof minded), Walter: 9 (1 Sympathiepunkt für Christof, 1 Punkt in memoriam seiner seligen Eltern, die sich mit einem ähnlichen Würfelspiel jeden Tag einige schöne Spielstunden bereitet haben. Er selber wird wohl in entsprechendem Alter sowohl in Thailand wie auch am Westpark in die Röhre schauen müssen.