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07.08.2013: Kartoffeln nach Griechenland und China

Vor dreißig Jahren haben sich Wilhelm und Günther als Komilitonen in Bielefeld kennengelernt. Neben der Mathematik war damals Doppelkopf das verbindende Element. Die Verbindung ist nie auseinandergerissen. Seit zwanzig Jahren treffen sie sich jährlich mindestens einmal auf Spielermesse in Essen. Bei uns am Westpark war Wilhelm heuer zum dritten und vierten Mal dabei. Immer ein gern gesehener Gast. Mit Esprit, Lust und Leidenschaft.

1. “Olympus”
Das klassische Worker-Placement-Spiel wurde schon letzte Woche in einem leicht veränderten Kreis erstmals auf den Tisch gebracht. In drei Humankategorien (Wissen, Population und Kampfesstärke) und drei Produktionskategegorien (Getreide, Fleisch und Fisch) dürfen wir uns recht frei und unabhängig entwickeln. Lediglich die Population muß ausreichend vorhanden sein.

Wilhelm und Günther, die Schnellen Brüter in Olympus
Wilhelm und Günther, die Schnellen Brüter in Olympus

Gut konstruiert ist das Setz-Tableau. Wer ein Entwicklungs- oder Erntefeld als Erster besetzt hat, kann den doppelten Effekt nutzen. Falls die Mitspieler das gleiche Feld nutzen wollen, müssen sie umgehend mitziehen, bekommen dafür aber nur den einfachen Effekt. Es gibt also keinen totalen Engpass, und in einer Vierrunde bekommt jeder auch genügend Gelegenheit für einen sinnvollen eigenen Doppler-Effekt.

Gegen mögliche Entwicklungsengpässe gibt es auch noch die zusätzlichen Setzfelder „Zeus“ und „Hera“, mit denen man sich beliebige andere der gebotenen Entwicklungsoptionen zu eigen machen kann. Neben der – beschränkten – Konkurrenz um die besten Alpha-Plätze gibt es noch zwei weitere Setzfelder, die zur Steigerung der Interaktion dienen: Mittels „Ares“ kann man ein bis zwei Mitspielern den Krieg erklären und ihnen Produkte rauben. Mittels „Apollon“ bekommt man unmittelbar Siegpunkte und/oder man kann seinen Mitspielern die Pest auf den Hals hetzen und ihre Bevölkerung dezimieren. Das hat dann als Nebeneffekt auch Auswirkungen auf ihre Limits in den anderen Entwicklungskategorien.

Günther fand das Apollon-Konstrukt überhaupt nicht gut. Jeder Spieler kann sich nämlich durch das Beta-Feld des Apollon gegen die Pest schützen. Dann läuft das ganze nur auf eine Verlangsamung des Spiels hinaus: Ein Spieler investiert seine Zugpriorität, um dafür einen Siegpunkt zu bekommen und bei seinen Mitspielern die Pest auszulösen. Die Mitspieler opfern einen Spielstein (ohne Zugverlust), um den Schaden von sich abzuwenden. Endergebnis: Die Zugpriorität hat dem Spieler in summa summarum einen einzigen (!) Siegpunkt eingebracht.

Ist man weniger pestig aufgelegt, kann man auf dem Apollon-Feld auch gleich zwei Siegpunkte einstreichen und die Pest bleibt unter Verschluss. Dies ist die sogenannte „Affenstrategie“: So oft als möglich zu Apollon gehen und ausschließlich Siegpunkte bei ihm abholen. Falls kein Mitspieler diese Strategie fährt, bekommt man einmal pro Runde zwei sichere Siegpunkte, mit seinen anderen Pöppeln wird man problemlos auch noch je einen Siegpunkt an Land ziehen, im Durchschnitt also vier Siegpunkte pro Runde. Das ist in Olympus schon eine ganze erkleckliche Menge.

Zu ergänzen ist, dass man aus geernteten Produkten „Gebäude“ bauen kann, die ihrerseits Siegpunkte und Entwicklungsvorteile einbringen, und ggf. auch noch die Mitspieler schädigen. Z.B. bewirkt der Besitz vom „Tempel der Athene“, das bei jedem Setzen auf das Athenefeld alle Mitspieler in einer ihrer Entwicklungskategorien um einen Schritt zurück fallen. Ein ganz schön mächtiges Gebäude; in jedem Fall eine Empfehlung wert.

Günther als erfahrener Harung hatte sich den Athene-Tempel unverzüglich unter den Nagel gerissen, anschließend innerhalb seiner Entwicklungskategorien aber zu sehr diversifiziert. Er endete weit abgeschlagen als Letzter. (Solche Jahrhundertereignisse dürfen am Westpark nicht unerwähnt bleiben.) Walter versuchte sich in der Militär-Strategie. Weil die Mitspieler ihre Rohstoffe aber jeweils umgehend investierten, konnte er damit vordergründig aber keine erfolgreichen Beutezüge starten. Immerhin setzte er damit seine Mitspieler in ihrer Rohstofflogistik unter Druck. Zudem diente ihm seine üppige Militär-Ausstattung ab dem Mittelspiel auch noch als ein willkommener Plünderungsfundus bei Zwangsopferungen für die Zivilisation. (Wäre dieses ökonomische Prinzip nicht auch einer Überlegung im realen politischen Leben wert? Wobei man die Ausstattung der Nachrichtendienste gleich mitabwracken könnte.) Es reichte mit 27 Punkten zum Sieg.

Wäre hier die „Affenstrategie“ erfolgreicher gewesen? Jawohl! Sieben Runden a vier Punkte hätten in Summe 28 Siegpunkte ergeben. Hallo Ralf (ravn): Kannst Du uns verraten, wieviel Punkte Deine Spielrunde pro Spielrunde durchschnittlich macht? Die zwei Apollon-Punkte pro Pöppel kommen mir hier im Vergleich zu anderen Strategien keineswegs „kümmerlich“ vor.

WPG-Wertung: Günther: 6 (Pest und Kampf hätten besser gelöst werden müssen; die Stärke der Affenstrategie macht bedenklich), Moritz: 7 (ein italienisches Spiel mit „deutschen“ Design-Qualitäten), Walter: 8 (das Spiel ist rund, konstruktiv und vielseitig), Wilhelm: 7.

2. “Yunnan”
Zwischen Urlaubskofferpacken und Abendgebet brachte Aaron noch schnell sein „Yunnan“ vorbei, um Frischling Wilhelm eine Kostprobe davon zu ermöglichen. Gegen drei Experten. Doch der Experten waren zuviele. Vor allem, weil sie nur Halbwissende waren. Die professionellen Designer vom Argentum Verlag, der das Spiel in zwei Monaten in Essen herausbringt, haben den Spielplan optimiert, viele gewohnte Formalien geändert und an vielen kleinen Balance-Rädchen gedreht. Statt konsequent die fertige Spielregel durchzuarbeiten, gab jeder sein – nicht immer sattelfestes – Wissen zum Besten, so dass Wilhelm einen guten Eindruck davon bekam, wie schnell sich rein sachliche Erinnerungen in Mathematiker- und Künstlerköpfen verflüchtigen. Statt fünf Minuten dauerte es eine gute halbe Stunde, bis das Spiel in geordneten Bahnen verlief und die Mechanismen von Zugeihenfolge und Verdrängungs-Prioritäten der Händler und Kommissare auf der Tee- und Pferderoute wieder rund liefen.
Dann gewann Wilhelm mit einem klaren Vorsprung vor den Experten. Was kann man daraus schließen? Yunnan wird nicht unbedingt von Experten gewonnen, sondern von dem, der im Händlerkampf sein Pulver trocken hält und zum richtigen Zeitpunkt das Schicksal beim Schopf faßt und den Siegpunkt-Endspurt einläutet. Jede Partie verläuft anders. Obwohl das Spiel keine Glückselemente enthält, ist man selbst beim Argentum-Verlag auch nach vielen hundert Testspielen noch nicht hinter das Geheimnis gekommen, wie man „Yunnan“ gewinnt. Eine lang-andauernde Herausforderung.
Noch keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase

3. “Potato Man”
Ein hübsches kleines Stichkartenspiel mit ein paar neuen pfiffigen Ideen. Die Karten sind Zahlen von 1 bis 18 in unterschiedlichen Farben. Wieviele Spieler, soviele Farben. Zu einem Stich muss man nicht bedienen, ganz im Gegenteil, man darf keine Karte einer Farbe zugeben, die schon daliegt.

Die höchste Zahl gewinnt und erhält eine Prämienkarte in der Farbe, die den Stich gemacht hat. Fast wie bei “Diggers” in der Experten-Version! Ein listiges Spekulieren auf die richtige Farbe zum richtigen Zeitpunkt. Damit das Ganze noch etwas choatischer wird, sind die schwächsten gelben Karten auch noch stärker als die stärksten roten Karten, d.h. die gelben 1, 2 und 3 stechen die rote 16, 17 oder 18. Naturlich nur dann, wenn eine dieser roten Karten im Stich liegt. Und damit auch diese Konstellationen nicht allzu einfach durchgerechnet und abgepaßt werden können, werden nur etwa drei Viertel aller Karten ausgeteilt, so daß niemand weiß, welche Karten überhaupt im Spiel sind.

Taktik? Strategie? Kartenpflege? Die Mitspieler zwingen, ihre besten Karten zuzugeben, ohne dafür dicke Prämien einzustreichen? Eine Menge Wissen und Erfahrung ist notwendig, um das Spiel zu gewinnen. Systematisch zu gewinnen! In Worte fassen kann ich das noch nicht. Auch der in hunderten von Kartoffel-Partien erfahrene Wilhelm konnte das noch nicht. Oder liegt Sieg und Niederlage doch nur an der ausgeteilten Kartenhand? Ausschließlich?

Zumindest kann man bei jedem Spiel etwas über gutes und besseres Spiel dazulernen. Das ist doch schon etwas. Schnell geht es auch. Unter Umständen ist eine Runde schon beendet, bevor sie überhaupt begonnen hat, nämlich dann, wenn ein Spieler nur (noch) Karten in der Hand hat, die im aktuellen Stich bereits vorhanden sind. Das kann u.U. sogar gleich im ersten Stich passieren. Überraschend aber durchaus stimmig.

WPG-Wertung: Günther: 6 (große Kartenabhängigkeit, fühlt sich zu oft gespielt), Walter: 7 (schnell, unbeschwert, neuartig und stimmig), Wilhelm: 7 (unterhaltsam).

31.07.2013: Willi statt Wagner

wagnerwalterAlle paar Jahre schafft es die Gattin unseres Hosts Walter, Karten für Bayreuths Wagner Festspiele zu ergattern. Und ebenfalls alle paar Jahre beglückt uns der Willi aus Unna mit seiner Anwesenheit in München. Diesmal trafen beide Ereignisse auf denselben Tag. Also wurde der Spieleabend von der Terrasse am Westpark in Peters trautes Heim in der Maxvorstadt verlegt.

1. Olympus

Das bereits vor drei Jahren erschiene Spiel war ein Geschenk Willis an Günther. Wer Günthers Spielesammlung kennt weiß, dass ein Spiel als Geschenk mehr als gewagt ist, denn er besitzt fast alles, was in den letzten 20 Jahren erschienen ist. Aber, große Überraschung, Olympus ist noch nicht darunter!

Die beiden italienischen Autoren sind schon seit „Kingsburg“ bekannt, das recht gute Bewertungen von uns erhielt. „Olympus“ erschien vor drei Jahren und flog bisher unter unserem Radar – ähnlich wie „Kingsburg“, das wir auch erst 4 Jahre nach seiner Veröffentlichung entdeckten.

„Olympus“ ist ein klassisches Worker Placement Spiel. Mit anfangs drei Priestern je Spieler huldigen wir einem von insgesamt zehn Göttern, der uns dafür seine Gunst in der Form von Nahrung, Wissen, Bevölkerung, Gebäuden, Militär  oder schlichten Siegpunkten schenkt.

Der aktive Spieler der Runde wählt ein noch nicht besetztes Götterfeld, um dort eine Zeremonie abzuhalten und die zugehörige Gunst zu erhalten. Die übrigen Spieler dürfen sich an der Zeremonie beteiligen, wenn sie wollen, werden aber spärlicher mit dem göttlichen Segen bedacht.

Eine nicht unbeträchtliche Rolle spielen die Gebäude, die man mit der Gunst des Hephästus bauen darf, vorausgesetzt man kann die entsprechende Nahrung für die Bauarbeiter vorweisen. Diese Gebäude geben wichtige Zusatzeigenschaften, die den weiteren Fortschritt deutlich beschleunigen. Ungewohnt  ist, dass jeder Spieler den gleichen Satz mit 33 Gebäuden besitzt, die er im Laufe des Spiels bauen kann. Aber ein bisschen Konkurrenz beim Bauen gibt es dennoch, denn zusätzlich stehen weitere 13 Spezialgebäude nur einmal zur Verfügung und hier baut zuerst, wer zuerst kommt.

Die Vielzahl an Gebäuden hat allerdings den Nachteil, dass die Einstiegshürde des Spiels recht hoch ist. Zu unübersichtlich sind die Abhängigkeiten der Gebäude untereinander und zu schwierig ist es für Neulinge, eine halbwegs optimale Baureihenfolge zu finden.

Während des Spiels meinte Loredana, dass sie schlecht gespielt habe, weil es das Beste sein, einfach nur die Siegpunkte zu nehmen, die Apollo als Gunst verteilt. Nach dem Spiel ergab eine kleine Überschlagsrechnung, dass bei unserer Fünfer-Runde in der jeder viermal aktiver Spieler war, selbst der Sieger mit 42 Punkten weniger Punkte ergattert hatte, als mit dieser „Affenstrategie“ möglich gewesen wäre. So blieb „Olympus“ erst einmal ohne Bewertung wegen des Verdachts, dass es „broken“ sein könnte.

Weitere Diskussionen an den darauffolgenden Tagen zeigten aber, dass „Olympus“ der Affenstrategie doch etwas entgegensetzt. Was genau, sei hier noch nicht verraten, denn das müssen wir erst durch weitere Spiele verifizieren.