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17.04.2014: Frieden mit Robinson Caruso

Unsere Wertungsnoten für Spiele sind von Jahr zu Jahr schlechter geworden. Die beigefügte Graphik suggeriert zwar ein buntes Auf und Ab, aber die mathematische Umsetzung zeigt unisono eine abfallende Trend-Linie. Eine Ausnahme hier bildet lediglich Peter, aber der hat umständehalber zwei Jahre lang nahezu total pausiert.

WPG-WertungstrendSind unsere Noten schlechter geworden, weil wir älter geworden sind? Kritischer? Weil uns viele neue Spielideen zwangsläufig als „alte Hüte“ vorkommen müssen? Oder sind die Spiele, die Jahr für Jahr herauskommen, tatsächlich von Jahr zu Jahr schlechter geworden? Oder nur die Auswahl auf unserem Tisch?

Zweifellos gibt es in jedem Jahrgang gute und sehr gute Spiele. Aber offensichtlich ist es bei den heutigen Hilfsmitteln für Erfinder leichter geworden, ein Spiel auf den Markt zu bringen, auch wenn es weniger gut gelungen ist. Notfalls im Eigenverlag. Oder als Kickstarter. – Unter denen haben wir ja überhaupt noch kein akzeptabel gutes Spiel gefunden. Günther schrieb: ”Die Qualität des Spielemarktes wird leider verwässert durch eine Unmenge von mittelmäßigen Spielen.“ Und damit hat er zweifellos recht.

Lösung: Weniger spielen? Nur Top-Spiele vorknöpfen? (Aber wie findet man die?) Häufiger mal in die Schatztruhe der Vergangenheit zurückgreifen! Unsere lange Liste von den „Spielen-des-Monats“ könnte helfen.

1. “Robinson Crusoe”

Nach der Verlagsauskunft „einer der Spielehits der SPIEL in Essen 2012.“. Doch als kooperatives Solitärspiel – man kann es schon ab 1 Spieler spielen! – besitzt es gleich zwei Eigenschaften, die am Westpark ziemlich verpönt sind. Moritz hatte das Spiel schon im Vorfeld vorgeschlagen, und gleich gingen die Mail-Wogen hoch. Dem verzweifelten User-Feedback: „Habe das Spiel zu Weihnachten bekommen und wir verzweifeln dran. Zunächst einmal ist die Anleitung super kompliziert, aber da habe ich mich durchgekämpft, doch nun schaffen wir das 1. Szenario einfach nicht“ stellte Moritz eine ganze Latte von euphorirschen BGG-Wertungen entgegen:

  • The best co-op game I’ve ever played.
  • Incredible genial game!!!… wow
  • “Dream come true” game!
  • Und noch eine längere Phrase, hier nach der Google-Übersetzung zitiert:
    Viel Variabilität im Setup. Spielbar mit 1-4 und skaliert gut. Schwierige Koop-Spiel, wie es sein sollte. Jede Entscheidung, die Sie machen, ist wichtig (sic!). Geschichte entfaltet sich organisch und versteckt die Mechanik geschickt als jede mechanische Aspekt macht Sinn kontextuell. Erstaunlich Spiel!
Robinson und Caruso auf vertauschten Sitzplätzen
Robinson und Caruso auf vertauschten Sitzplätzen

Vier Stunden hatte sich Moritz auf die heutige Spieleinführung vorbereitet. Das wollten wir ihm honorieren.

Ein Schiffbruch wirft uns an Land und wir müssen uns gemeinsam aufraffen, um unsere Überlebenschancen zu wahren oder zu verbessern. Wir können und müssen:

  • das Land um uns herum erkunden, und dabei hoffen auf etwas Essbares zu stoßen, ohne gleich von wilden Tieren selber angefressen zu werden
  • peut a peut Werkzeuge finden oder erfinden, die uns im Existenzkampf gegen natürliche Unbilden Vorteile bringen.
  • Holz sammeln, einen unabdingbaren Energiespender für jeglichen zivilisatorischen Fortschritt.
  • unser Lager in neue und bessere Gegenden versetzen, es ausbauen und verstärken, um gegen wilde Tiere, Regen und Schnee und Ähnliches geschützt zu sein.

Pro Runde hat jeder Spieler zwei Aktionssteine, die er beliebig auf dem großen Tableau der Aktionsmöglichkeiten einsetzen kann. Setzt er beide Aktionen für eine einzige Aktion ein, darf er diese unbedingt ausführen. Setzt er nur einen Stein (und den zweiten Stein woanders hin), dann muss er noch würfeln, ob ihm die Aktion erlaubt ist. Mit 5/6 Wahrscheinlichkeit haben wir dabei Glück, allerdings handeln wir uns dabei mit einer fast genauso großen Wahrscheinlichkeit Verletzungen ein (nach ca. 12 Verletzungen ist der Ofen aus), und wir müssen weitere Problem-Karten in das Kartendeck einreihen, die uns im Laufe des Spiels das Leben immer schwerer machen.

Im Prinzip agiert jeder für sich, doch da es nur ein gemeinsames Schicksal gibt – alle gewinnen oder alle verlieren – so entspringen die Züge einer gemeinsamen Ratio. Ratschläge über beste Züge sind notwendig und selbstverständlich.

Reicht die Nahrung nicht für alle, so müssen einige hungern. Wer das im einzelnen ist, entscheidet die Solidarstrategie. Einem Dreiviertel-Verhungerten wird eher noch ein Brosam zugeteilt als einem nur Halbverhungerten. Ohne jede Widerrede! Auch setzen wir unsere individuellen Spezialkräfte als Koch oder Zimmermann (oder als was auch immer) jederzeit dafür ein, den Schwächsten am Leben zu erhalten. So eine ausgeprägte Selbstlosigkeit jeder für jeden hat es in 15 Jahren Westpark noch nie gegeben. Ein einträchtiger spannender Kampf aller miteinander gegen die Macht des Schicksal.

Doch eigentlich sind die jeweils nächsten Schritte ziemlich prädestiniert: Es gilt, mit allen Mitteln den Mangel an Nahrung und Holz zu überwinden. Und die Möglichkeiten dazu sind äußerst begrenzt. Zudem hat überall auch noch der Zufall ein Wörtchen mitzureden.

Peter war für ein Maximum an Aktionen, alle mit dem bekannten Risiko behaftet. Er drängte uns auch dazu, unsere eigenen Aktionen nach dem gleichen Gieskannenprinzip über das Aktionentableau zu verstreuen. Aaron war zwar nicht dabei, hatte uns aber sein Würfel-Pech überlassen. So förderten die Risiko-Aktion weit häufiger als vermutet eine Kalamität nach der anderen zutage. Drei Runden brauchten wir allein dazu, das Messer zu erfinden. Und die bösen Auswirkungen der Risiko-Würfe übten im Laufe des Spiels einen immer stärker werdenden Druck auf unsere nacktes Überleben aus: Tiere fressen unsere Nahrung weg, ein Lagerbrand vernichtet das gesammelte Holz oder eine Überschwemmung zwingt uns, das schönste Lager mit dem dicksten Zaun drumherum und den weichesten Teppichen drinherin zu verlassen und in einer unwirtlichen neuen Gegend die Zivilivation von Neuem zu versuchen.

Wir haben gewonnen, wenn wir alle überlebt haben, und es bis zur zehnten Runde schaffen, ein riesiges Lagerfeuer zu entfachen (, das von vorbeifahrenden Schiffen gesehen wird, so dass es an Land kommt und uns rettet). Hoffnungsvoll hatten wir Runde für Runde Nahrung gesammelt, tapfer alle wilden Tiere besiegt, eifrig Holz für das Lagerfeuer gesammelt, und unsere Werkzeugkiste gefüllt. Eis und Frost hätte uns nichts mehr anhaben können. Mit unseren Waffen hätten wir Elefanten jagen können und der Zaun um unser Lager hätte einer ganzen Division von Leoparden widerstanden. Doch wir hatten versäumt, unserem Lager ein schützendes Dach zu verpassen. Der Monsun trieb einen gewaltigen Platzregen her, vier gewürfelte Regenwolken brachten dreien von uns den Tod. Günther überlebte als einziger, schwer verwundet. Seine fleißig gehortete Entschlossenheit konnte er in der Pfeife rauchen.

WPG-Wertung: Günther: 5 (Adventure-Spiele sind nicht mein Fall), Moritz: 8 (zugegeben, es gibt eigentlich nur eine einzige gemeinsame Entscheidung, aber: die thematische Umsetzung ist äußerst gelungen; die Spieldesign-Entscheidungen machen alle Sinn), Peter: 8 (hat mir sehr gut gefallen: Würde ich sofort noch einmal spielen – bis ich es einmal geschafft habe, zu gewinnen), Walter: 5 (es ist allemal wert, so ein Spiel im WPG-Kreis kennenzulernen; der Zufallseinfluß ist in die Überlebensplanungen gut integriert; die jeweils notwendigen Züge zum Überlegen sind allerdings recht einsichtig (= trivial)).

Abschließender Kommentar von Peter: „Solitätspiele haben die Eigenschaft, dass man sie nur solange spielt, bis man das Problem gelöst hat.“ Dazu drei Anmerkungen:

1) Es soll Leute geben, die eine einmal gefundene Lösung immer wieder wiederholen. Wie es die Goldhamster im Käfig vormachen!
2) „Robinson Crusoe“ ist mit unendlich vielen unterschiedlichen Szenarien üppig ausgestattet; da kann sich jeder jeden Tag einer neuen Herausforderung stellen.
3) Am Westpark werden Spiele in der Regel eh’ nur einmal gespielt, da ist es dann egal, ob man eine Lösung gefunden hat oder nicht.

2. “Pax”
Günther war in den zwei Stunden bis Mitternacht noch für ein weiteres Monster-Solitärspiel aufgelegt. Er hatte Uwe Rosenbergs „Die Glasstrasse“ auch schon aus seiner Tasche ausgepackt. Doch die allgemeine Stimmung war bereits auf Vor-Absacker eingestellt. Peter kramte „Pax“ von Bernd Eisenstein aus dem Regal hervor. Vor vier Jahren waren wir hier als Tester involviert gewesen. Am 18. Dezember 2011 lag das fertige Spiel dann zum ersten Mal bei uns auf dem Tisch. Doch für Moritz und Peter war das Spiel noch unbekannt.

Seltsamerweise scheuten sich alle „Bekannten“, die Regeln vorzutragen. Der Wust von inneren Abhängigkeiten sollte ja nicht einfach runtergelesen, sondern merkbar und verständlich dargelegt werden. Neuling Peter durfte dies dann aus dem Stegreif tun. Sein didaktisches Talent ist einfach unerreicht. Auch wenn Bernd es nicht so leicht gemacht hat, die im Prinzip einfachen Mechanismen auch einfach rüber zubringen.

Wir ziehen reihum Karten zu sieben verschiedenen Kategorien vom einem verdeckten Stapel und nehmen sie entweder auf die Hand oder legen sie offen beliebig an einen der fünf öffentlich ausliegenden Stapeln an. Auf die Hand nehmen ist immer gut. Auf die öffentlichen Stapeln legt man sie nur aus taktischen Gründen: Nach dem Karten-Ziehen darf sich der Spieler, der am Zug ist, auch noch alle Karten eines Stapels kaufen. Und je mehr Karten dort liegen, desto teurer wird das, so dass sich die nachfolgenden Spieler einen Stapel mit begehrten Karten-Kategorien bei dem grundsätzlich knappen Geld schon bald nicht leisten können.

Als letzte Aktion eines Zuges legen wir Karten aus unserer Hand nach Kategorien sortiert offen vor uns ab, jeder in seine eigene private Kartenauslage. Beliebig viele Karten. Allerdings wird das umso teurer, je mehr Karten wir auf einen Schlag ablegen. Quadratische Progression. Anschließend bekommen wir eine Rückvergütung, abhängig von der Anzahl der Karten in unserer Lieblingskategorie.

Beim Auslegen sind bestimmte Bedingungen einzuhalten: „Armeen“ und „Flotten“ dürfen nur abgelegt werden, wenn man bereits eine entsprechende Anzahl „Land“-Karten vor sich abgelegt hat. Wer einen „Senator“ legt, bekommt erhöhte Einnahmen. Wer eine „Intrige“ legt, bekommt gar nichts. Allerdings wird der Spieler mit den meisten ausliegenden Intrigenkarten Startspieler. Und er gewinnt, wenn das gemeine Rom am Ende nicht genügend eigene Kategorien-Karten ausliegen hat.

Eine ganze Reihe gegenläufiger Interessen müssen in dem sehr abstrakten Ablagemechanismus unter einen Hut gebracht werden. Karten

  • auf die Hand nehmen, oder nicht?
  • auf den öffentlichen Stapel ablegen? Auf welchen?
  • vom öffentliche Stapel kaufen? Welchen Stapel? Kosten-Nutzen-Relation.
  • von der Hand in die private Ablage legen? Welche? Wieviele?

Das A und O ist die private Ablage. Hier in der richtigen Dosierung vom Zufall begünstigt die richtigen Karten zu ziehen macht (leider) den Sieg aus. Nicht unbedingt planbar. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt. Und schnell geht das Ganze ohnehin.

Günther wollte zuerst in die Rolle des Intriganten schlüpfen und Rom gegen den Rest der Welt gewinnen lassen. Dann zog Peter in einem einzigen Schwung drei Intriganten nach und übernahm mit Wohlgefallen die Rolle des Primus Conspiratus. Doch in der schnellen Runde mit 4 Spielern hatte Rom keine Chance, die geforderte Dominanz zu erreichen. Den „normalen“ Sieg erzielte der Spieler mit der am besten bewerteten Auslage. Das war Günther. Haushoch. Warum auch immer.

WPG-Wertung: Peter: 4 (Die Sonder-Mechanismen greifen nicht; Die Vorteile der verschiedenen Karten-Kategorien können – mangels Masse – kaum genutzt werden), Moritz: 5 (ein lockeres Kartenspiel, in einer 4er Runde leider etwas zu kurz, man bräuchte doppelt so viele Karten). Günther und Walter blieben bei ihren Noten von 6 bzw. 7 Punkten. Für die außergewöhnliche Ablagetechnik. Und in memoriam der erfolgreichen 3er Runden.

3. “Bluff”

Günther stand mit 3 Würfeln im Endspiel gegen Moritz mit 2 Würfeln. Seine Vorgabe von 2 mal die Fünf war statistisch gesehen auf der sicheren Seite. Moritz hob ohne nachzuwürfeln auf 3 mal die Fünf. Dieser starke Tobak hätte selbst Günther von seinem Dreispänner geholt: beide hatten geblufft, keine einzige Fünf war unter den beiden Bechern.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.