Schlagwort-Archive: Smallworld

05.05.2010: Kriege und Kriegsspiele

Aaron fährt jeden Tag auf dem Weg zu seiner Rentner-Fitness an zwei Tankstellen vorbei. Dort wechseln die Preise fast täglich, teilweise mit Sprüngen, die schon an einen zweistelligen Prozentsatz herankommen. Meist sogar synchron, in höchstenfalls Halbtages-Abstand. Wie hierzu das Prozedere im Hintergrund abläuft, ist für uns alle ein Rätsel.
Deshalb ein paar nicht-spielerische Fragen von uns Spielern an unsere Leser:
a) Werden die Preise für eine Benzinsorte zentral vorgegeben und sogar auch zentral eingestellt?
b) Werden die Preise deutschlandweit oder regional festgesetzt?
c) Kann es sein, daß einzelne Tankstellen einer Stadt Ausnahmepreise bekommen?
d) Werden die Preisänderungen ab bestimmten Uhrzeiten gültig?
e) Kann es sein, daß man an einer Tankstelle steht, und daß gerade in dem Moment, wo man den Einfüllstutzen abnimmt, der Benzinpreis sich ändert?
Von einem Preiskrieg kann hier wohl schon lange nicht mehr die Rede sein.
“Rice Wars – Reiskriege”
Aaron hat das Spiel von der “Spiel 2009” mitgebracht. „Der Typ hat es mir erklärt und es sah irgendwie ganz witzig aus.“ Das polnische Spiel mit einem dreisprachigen Regelheft spielt in Japan. Wir sind „Daimyos“ (Kriegsherren), legen uns „Ronins“ und „Ashigarus“ (Kriegsknechte) zu und vertreiben damit die Reisbauern unserer Mitspieler von ihren Feldern und schicken dagegen unsere eigenen Reisbauern auf die Felder, um damit Einnahmen erwirtschaften, mit denen wir uns neue Militärs leisten können, um damit wiederum die fremden Reisbauern dezimieren zu können. Wie im richtigen Leben. Zumindest soll es im Japan des 14. Jahrhunderts so gewesen sein.

Die japanische Terminologie bringt keineswegs ein besseren Verständnis des Spielmaterials und des Ablaufs, ganz im Gegenteil, es macht alles unnötig schwer. Wenn wir gemäß einem Paragraphen des Regelheftes „gegen einen Daiymo“ kämpfen können, dann suchen wir diese Figur in Karten, Marken oder Pöppeln vergebens: Es sind schlichtweg die Mitspieler in ihrer Gesamt-Präsenz, die wir hier bekämpfen müssen. Und wenn der Startspieler „Statthalter“ heißt, aber keine weitere Funktion als eben die des Startspieler in sich trägt, dann ist das alles lediglich manieristisch verklausuliert.
Beim (Vertreibungs-)Kampf kämpft eine beliebige Auswahl unserer Krieger von bekannter Stärke gegen eine beliebige Kriegerauswahl des Gegners von ebenfalls bekannter Stärke. Das Kampfergebnis kann noch durch verdeckte Aktionskarten beeinflußt werden. 50% Planung gegen 50% Zufall. Doch das Kämpfen, eigentlich ein unabdingbares Element in einem Kriegsspiel, ist hier in jedem Fall kontraproduktiv. Nach jedem Kampf sind unsere Krieger müde und fallen für den Rest der Runde sowohl im Angriff als auch in der Verteidigung aus. Haben wir unser Pulver verschossen, so können unsere Reisbauern vom Gegner mit dem Fliegenwedel vertrieben werden. Logische Konsequenz: Wir müssen unsere Krieger bis zuletzt zurückhalten. Nur Selbstmörder greifen an! Doch wenn das alle tun, dann kommt überhaupt kein Krieg mehr zustande. Diesen pazifistischen Effekt haben die Väter von „Rice Wars“ garantiert nicht im Sinn gehabt.
Die ersten Aufbauzüge sind zwangsweise symmetrisch: jeder Spieler legt sich die maximale Anzahl von Reisbauern zu, nach und nach auch ein paar Krieger. Aber nur zur Abschreckung. Aus den schon bekannten Gründen fing keiner mit der Aggression an. Dann „opferte“ sich Walter als Feinbild und belegte das einzige Reisfeld mit den beneidbaren doppelten Erträgen. Das war natürlich der Auslöser für Günthers ersten Eroberungsschlag, Walter schlug zurück und Aaron triumphierte: Mit seinem nun konkurrenzlosen Militärpotential wendete er sich nochmal gegen Walter und schnitt dessen gesamte Bauernschar vom Daimyo-Palast ab. Eine Runde lang flossen keine Reiserträge in das Herrscherhaus. Ohne Moos nix los. Kein Geld, um mit neuen Bauern die Lücke zu schließen, kein Geld, um die Militärs zu finanzieren, mit denen auch nur eine Mimimal-Linie zu halten gewesen wäre. Das war natürlich die Folge eines schweren Anfänger-Stellungsfehlers. Doch klare Erkenntnis: das mittelalterliche Japan verzeiht nichts!
Aaron und Günther schwelgten glückselig in der Planung, wie sie Walter jetzt gemeinsam am schnellsten den Garaus machen könnten. Zwei Riesen gegen einen Zwerg. Doch dahinter stand keine mangelnde spielerische Ethik, es ging ohnehin nur noch um das Herbeiführen eines vorzeitigen Spielabbruchs. Nach 42,8571 % der Runden war es geschafft. Den Regeln nach hätte der Ausgeschiedene jetzt noch die restlichen 57,1428 % des Spiels zuschauen dürfen, wie sich seine beiden Terminatoren selber in die Wolle kriegen. Doch wir übernahmen hier die selbstverständliche „1830“ Regel: Sobald einer pleite ist, endet das Spiel.
„Bist Du sicher, daß wir alles richtig gespielt haben?“ fragte Günther hinterher etwas verwundert. „Zumindest habe ich alle Regeln vorgelesen!“ Entweder haben wir es falsch gespielt, oder das Spiel funktioniert nicht. „Vielleicht ist es wenigstens historisch richtig!“ Vielleicht.
WPG-Wertung: Aaron: 3, Günther: 3, Walter: 3.
2. “Small World mit Erweiterungen “Frauenpower” und “Verflucht”
Das Spiel um die Völkerschlachten echter und magischer Wesen mit unterschiedliche Fähigkeiten und Eigenschaften zum gegenseitigen Dezimieren und Verdrängen von den lukrativen Siegpunkt- Weideplätzen wurden um neue Rassen vermehrt. Es gibt jetzt zusätzlich:
– liebende Zigeunerinnen
– verfluchte Gobelins
– marodierende Priesterinnen
– räuberische Kobolde und
– berittene weiße Frauen
Deren neue Eigenschaften bringen neue extreme Kombinationen in das bisherige Spektrum. Sie ermöglichen für gute Völker-Kombinationen ein noch stärkeres Einsammeln von Siegpunkten und ein Auseinanderdriften der Besitzstände der einzelnen Spieler.
Walter startete sehr gut mit den Menschen, ließ sie gleich in der zweiten Runde aussterben und legte sich die Hexenmeister zu. Das verschaffte ihm zu Beginn einen gewaltigen Reibach und den Neid der Konkurrenz. Doch dann konnte Aaron mit einer unübersehbaren Koboldschar die Hexenmeister samt Besen in die Ecke stellen. Zuvor hatte er noch 5 weißen Frauen auf die Anschaffe geschickt. Dieser zuhälterische Geldsegen war nicht mehr zu bremsen und er blieb bis zum Spielende erhalten. Seine beiden Gegenspieler versuchten noch eine Zeitlang, mit vereinten Kräften die massiven und massierten Kobolde zu eliminieren. Ab der Hälte des Spiels gaben sie dieses vergebliche Vorhaben aber auf und zerfleischten sich gegenseitig im Kampf um den zweiten Platz.
Hat das Spiel mit den neuen extremen Eigenschaften vielleicht seine Balance eingebüßt? Oder war es ein Zufall, daß die sterblichen weißen Frauen von den Kobolden so lange gemolken werden konnten? Immerhin hätte Günther am Ende fast noch mit seinen Zigeunerinnen die Nase vorne gehabt. Wenn man gegen eine gelungene gegnerische Völkerkombination schon nichts ausrichten kann, dann soll man sich schnellstens eine eigene Kombination zusammensuchen, mit der man auf die Punktejagt geht. Und man kann so nebenbei hoffen, daß die sporadischen aber zielgerichteten Fußtritte aller Verlierer am Ende doch noch den Sieger vom Sockel holen.
Das Spiel war einfach zu kurz(weilig). Doch das ist eher eines der höchsten Lobe, die man einem Spiel machen kann. Und es war immer Spiel, niemals Ernst, oft genug begleitet von konstruktiven analytischen Diskussionen um Positionen und Aussichten. Ganz das Gegenteil von unserem Engagement in Afghanistan.
WPG-Wertung: Die Spielbox-Erweiterungen haben die bisherigen guten 8 Punkte positiv unterstrichen.

23.04.2009: Sphärenklänge im Weltraum

“Ich bin mit dem Prediger des Dorfes, einem alten, wunderlichen Manne, bekannt geworden. Er hat eine außerordentliche Leidenschaft fürs Kartenspiel, versteht aber kein anderes als das gemeine, altfränkische Mariage. Ihm zu Gefallen habe ich heute den ganzen Tag am Spieltisch gesessen. Aber was soll man bei dem abscheulichen Wetter auch anfangen.”
Das schrieb Ludwig Tieck am 11. Juli 18xx in sein fiktives Tagebuch. Wie heißt der heute gebräuchliche Name für das erwähnte Kartenspiel?
1. “Space Alert”
Moritz legte das Spiel auf den Tisch und ging auch gleich in die Defensive. “Das Spiel ist ganz kurz. Wir können es jederzeit abbrechen.” “Im Grunde dauert es nur 10 Minuten. Eine Episode. Denn das wird von einem festen Taktgeber gesteuert.” “Das Spiel ist ein kooperatives Spiel. Aber ganz anders.” “Wir spielen es so lange, wie es uns Spaß macht” – Das riecht dann – ob gut oder schlecht – schon nach deutlich mehr als 10 Minuten.
Die Spieler sind die Besatzung eines Raumschiffes im All und müssen sich gemeinsam gegen feindliche Geschosse wehren. Insgesamt hat das Raumschiff sechs Räume, in denen es Abwehrkanonen mit unterschiedlicher Zielrichtung und unterschiedlicher Durchschlagskraft gibt. Die Spieler bewegen sich koordiniert oder unkoordiniert durch die Räume, müssen die Kanonen laden und abschießen, müssen natürlich rechtzeitig die Kanonenkugeln (oder womit immer man im Weltraum schießt) in die Laderäume bringen und natürlich im Reaktorraum auch noch für Energienachschub suchen.
Die Bewegung der Spieler erfolgt anhand von Aktionskarten a la Robo-Ralley, die entweder eine Bewegung in eine der vier Himmelsrichtungen zulassen oder eine Aufgabe festlegen. In den insgesamt 7 bis 12 Phasen einer Runde muß die Mannschaft ihre Aktionen vorplanen und sorgfältig darauf achten, daß jederzeit genügend Energie und genügend Kugeln an den benötigten Stellen vorhanden sind, und daß auch rechtzeitig an den entscheidenden Bordkanonen ein Kanonier steht. Wenn jeder nur wie im Ameisenhaufen herumirrt, dann fehlt es an allen Ecken und Enden und das Raumschiff wird zerstört, noch bevor das Pulver erfunden ist.
Getaktet wird das ganze mittels einer Sprach-CD, in der eine menschliche Stimme erzählt, woher die feindlichen Geschosse anfliegen, wann es die Gelegenheit gibt, Aktionskarten nachzuziehen oder Karten zu tauschen. Vor allem wird auch das Ende der Planungsphasen sekundengenau vorgegeben. Anschließend werden die gelegten Karten ausgewertet und alle Spieler haben gemeinsam entweder gewonnen oder verloren.
Natürlich ist es wichtig, daß ein “Kapitän” die Mannschaft koordiniert, damit alle Aufgabengebiete im gegebenen Zeitpunkt einmal und nur einmal besetzt sind. Wenn jeder nur so in den Raum hinein sagt, was er zu tun beabsichtigt, dann müßten sich 5 Spieler auf die Planungsvorgänge im eigenen und in 4 Köpfen weiterer Mitspieler konzentrieren. Damit wären alle überlastet. Vor allem unter dem unausweichlichen Zeitdruck. Nur wenn ein einziger Kopf die Aufgaben verteilt, jeden Mitspieler an einem wohldefinierten Posten aufstellt und die Mitspieler im Teamwork dann ggf. noch untereinander die Aufgaben tauschen, weil einzelne mit ihren ausgeteilten Bewegungskarten die Primäraufgaben nicht lösen kann, dann hat man eine Chance, das Raumschiff über die Runden zu bringen.
In ersten Spiel war Moritz der Kapitän. Auch für ihn war noch alles neu und er war selbst mit seiner eigenen Aufgabe schon überlastet. Walter kam es sogar so vor, als spiele er eine Doppelrolle: Als Verräter schoß er quasi mit Wasserpistolen auf die gegnerischen Zerstörer (böse Zungen behaupteten sogar, er hätte im Reaktorraum mit Feuerwerksraketen seiner Gelieben eine Lichtmusik vorführen wollen), und in der Peter-Rolle legte er seine Karten für die Hin- und Her bzw. die Auf- und Ab-Bewegungen so orientierungslos, wie sonst nur Peter bei Robo-Ralley.
Da verlor Walter seine Contenance. Der 5-fache Frust, unter den Irrtümern eines jeden Mitspielers zu leiden war für ihn zu viel. Hier hat “Robo-Ralley” gegenüber “Space Alert” ja einen gewaltigen spiel-psychologischen Vorteil: Man leidet nur unter dem eigenen Irrtum, kann sich aber 4-fach über die Irrtümer der Mitspieler freuen. Bei “Space Alert” bringt das Fehlverhalten eines einzelnen bereits unweigerlich alle zusammen über den Jordan. Walter warf Moritz – unberechtigterweise – ein Doppelspiel vor und übernahm selber das Kommando.
Doch wie soll man fünf hartgesottene Spielernaturen koordinieren und zu einer zentral gesteuerten Handlungsweise bringen. Noch erfolgloser als eine analoge Tätigkeit im sprichwörtlichen Mädchenpensionat. Auch das zweite Spiel endete im Desaster.
Die ursprünglich vorgeschlagenen 10 Minuten waren um tausend Prozent überschritten, Moritz war im Höhenrausch und wünschte sich noch ein drittes Spiel mit erhöhter Komplexität und allen Schikanen. Walter forderte das Spielende. Als er mit 4:1 überstimmt wurde, drohte er, seine Aktionskarten ganz unkontrolliert und zufällig über die verschiedenen Spielphasen zu verteilen. Doch mit einem einzigen destruktiven Spieler hat die Mannschaft keine Chance. Wie kann man dieses Dilemma lösen? Wir einigten uns auf den Kompromiß: Walter sollte sich ausschließlich im Reaktorbereich aufhalten und dort für ständigen Energienachschub verantwortlich sein.
So konnte er denn als teilnahmsloser Teilnehmer dem dritten Untergang der Titanic emotionslos beiwohnen.
“Space Alert” ist ein sehr gut konstruiertes Spiel, die Zutaten sind stimmig, und die Steuerung über die CD schafft die gewünschte betriebsame Hektik im Teamwork. Das Spiel ist hervorragend geeignet zum Einsatz als Mitarbeitertraining in Unternehmen: die Mitarbeiter werden spielerisch zur Teamfähigkeit zu erzogen. Und die Führungskräfte können sich ohne jegliche Sachkenntnisse in Menschenführung einüben. Fast wia im richtigen Leben.
WPG-Wertung: Aaron: 7 (nicht mein Fall, aber originell), Günther: 7 (nicht mein Fall, aber originell), Hans: 8 (Herausforderung, sich zu koordinieren), Moritz: 9 (originell), Walter: 7 (nicht mein Fall, aber originell)
Das höchstbewertete Spiel der Westpark-Gamers, das eigentlich nur Hans und Moritz spielen wollen.
2. “Smallworld”
Moritz versprach, die Neulinge “in 2 Sekunden” in die Unterschiede zwischen “Vinci” und “Smallworld” einzuweisen. Wenigstens in punkto Zeitdilatation blieb er sich damit treu.
Wie bei Vinci kann sich jeder Mitspieler zwei Völker heraussuchen und damit das gemeinsame Spielbrett besiedeln.
Wie bei Vinci haben alle Völker unterschiedliche Eigenschaften, um bei der Besiedelung Siegpunkte zu machen
Wie bei Vinci muß man dafür bezahlen, wenn man sich ein Volk außerhalb der gegebenen Reihenfolge aussucht. (Hier fiel uns noch ein Verbesserungsvorschlag ein: Um den allerersten Startspieler sollte man eigentlich bieten müssen! Denn wer hier Glück hat, dem wir gleich eine phantastische Völkerkombination in die Wiege gelegt, mit der er sich einen erklecklichen Vorsprung herausholen kann.)
Aber die Völker sind lockerer als bei Vinci, das Spiel ist flotter, die Kämpfe konzentrierter, die Szenerie abwechslungsvoller, das Spiel spielerischer. Ein bißchen.
Gewonnen wird das Spiel von dem Spieler, der über die besten Völker verfügt. Ob das jetzt eine glückliche Fügung oder bestes Timing in der Sterbehilfe ist, ließ selbst unser Sieger Aaron offen.
Je größer der Spielerkreis, desto stärker die Versuche zur Diplomatie. Hans lehnte Moritz Friedensallianzen strikt ab: “Friedensverhandlungen anzubieten, bevor ein Konflikt angebrochen ist, ist immer ein schlechtes Zeichen!”. Gilt wahrscheinlich auch in der Weltpolitik. Und sicherlich kann und darf man auch in der kleinen Welt die einmal gegebenen Versprechen zu friedlichem Verhalten nicht einhalten. Die mörderische Siedlungspolitik ist doch nur ein Spiel. Wenigstens in “Smallworld”.
WPG-Wertung: Den bisherigen WPG-Durschnitt von sehr guten 8 Punkten hoben Aaron mit 8 und Hans mit 9 Punkten auf einen Durchnitt von 8,2 Punkten
Hallo Wilhelm, zu Deiner Smallworld-Kritik wegen der Vinci-Neuauflage sagte Günther heute: “Wenn einer meint, ein Remake wäre schlecht, nur weil es ein Remake ist, so ist das ein Blödsinn!”

15.04.2009: Krieg und Frieden für das Triumvirat

Mal wieder eine ganz kleine Besetzung am Westpark. Der unverwüstliche Administrator kämpft an der finnischen Front, die leidenschaftlichsten Vertreter der kleinen Besetzung sind beim Kofferpacken, der erweiterte Kreis hüllte sich in Schweigen, und nur die flexiblen Verkoster von Alles und Nichts gönnten sich die Genüsse auf und um den Spieltisch.
1. “Smallworld”
Ein Nachfolger des klassischen Völkerkampfspiels “Vinci”, mit ähnlichen Mechanismen, genauso vielfältigen und ausbalancierten Volkseigenschaften und verschiedenen, genau auf die Spieleranzahl abgestimmten Weltszenerien, die unverzüglich den gewünschten Verdrängungswettbewerb in Szene setzen.
Jeder Spieler sucht sich jeweils wrap around zwei Völker heraus, mit denen er in die Völkerschlacht zieht. Im Gegensatz zu “Vinci”, wo zweifelsfrei Menschenrassen aufeinander losgelassen werden und eine entsprechende martialische Stimmung herrscht, treten in “Smallworld” Fabelwesen wie Riesen, Zwerge und Elfen auf, die allein schon von der Graphik her eine freundlichere Fantasy-Laune verbreiten. Die Amazonen sehen aus wie eine Kreuzung aus Claudia Schiffer und Barack Obama – für alle Spielervorlieben ist etwas dabei.
Jedes Volk hat klare, unterschiedliche Eigenschaften in bezug auf:
– Durchschlagskraft,
– Verteidigung,
– Überlebensfähigkeit,
– Siegpunktquellen
Die Freiheitsgrade beim gegenseitige Verdrängen und Totschlagen sind begrenzt. In welche Richtung sich das Engagement am meisten lohnt, das hätte auch der Neanderthaler an seinen 10 Fingern abzählen können. Hier ist Strategie nicht gefragt, Taktik nur in Ansätzen von Bedeutung, der Rest ist Draufhauen, Killen, Eliminieren. Diese Aufgaben hätte auch der gerade abgehalfterte George W. mit den besten Noten seitens der Geschichtsschreibung lösen können.
Die rechte Herausforderung liegt in der Auswahl der richtigen Völker zum richtigen Zeitpunkt, im richtigen Timing für das Sterben-Lassen eines ausgepowerten Volkes, um eine neue, unverbrauchte Rasse auftreten zu lassen. Und obwohl es hier für jeden Mitspieler um Leben oder Tod, d.h. um Siegpunkte und Sieg geht, diskutierten wir friedlich und konstruktiv die unterschiedlichen Vorzüge der Völker, ihre besten Ausgangspositionen und ihr Totschlagpotential. Bereits während des Spiels, nicht erst nach dem jeweiligen unglücklichen Exodus.
Gerade die richtige Völkerkombination macht’s, daß die Siegpunkte nur so sprudeln. Offensichtlich ist es günstig, sich zuerst ein Volk mit guten Sterbeeigenschaften und danach ein Volk mit langer Lebensdauer zuzulegen. So kann man möglichst lange möglichst viel an beiden Völkern verdienen. Günther hatte hier mehr oder weniger zufällig eine glückliche Hand mit den Ghulen als erstes Volk – die Mitglieder treten vollzählig in den Absterbeprozess ein, nicht nur ein Mitglied pro besetzter Region – und den Elfen als zweites Volk – bei Niederlagen im Verdrängungskampf werden sie nicht eliminiert, sondern treten in jeder Runde wieder mit voller Mannschaftsstärke auf. (Oder haben wir hier ein Regeldetail übersehen?)
Doch die Herrschaft über solche Erfolgskombinationen ist kein reiner Zufall. Da die zur Auswahl stehenden Völker offen ausliegen und sich nur durch – ständig fallende – Preise unterscheiden, kann jeder über mehrere Runden vorausüberlegen, wann er welches Volk mit welchen Eigenschaften zu welchem Preis übernehmen möchte. Alles ist planbar.
WPG-Wertung: Günther: 8 (mehr Kampf als in “Vinci”, an die Spieleranzahl gut angepaßte Spielbretter), Moritz: 8 (noch besser als “Vinci”, durch das Fantasy-Thema etwas lockerer), Walter: 8 (gönnt dem George W. seine neue Auseinandersetzung mit der kleinen Welt)
2. “Uruk”
Obwohl der Name ein ähnlich archaisches Totschlagspiel vermuten läßt wie bei “Smallworld”, geht es hier ausschließlich um die überaus friedliche Entwicklung der Zivilisation. Die Spieler sammeln Entwicklungs- und Aufbaukarten aus einem offenen Stapel, erwerben damit Rohstoffe, machen Erfindungen, bauen Dörfer und Städte und bekommen am Ende für den besten Entwicklungsstand die Siegespalme überreicht.
Insgesamt gibt es 23 verschiedene Erfindungskarten in vier verschiedenen Farben mit steigenden Werten. Gleiche Erfindungskarten bringen einen kumulativen Vorteil, doch benötigt man ein wenig Stapelglück, um sie zusammen zu bringen. Wer hier lange vergeblich auf sein Glück warten muß, kann dem allerdings problemlos mit reichlich Jokerkarten nachhelfen.
Die verschiedenen Eigenschaften der Karten sind mit klaren Symbolen gekennzeichnet. Doch da es tausenderlei Eigenschaften zu unterscheiden gilt, muß man sich gründlich in die Symbolik einarbeiten. Und merken muß man sich das auch noch alles. Hier gab Walter wie gewöhnlich schnell die Hoffnung auf den Durchblick auf. Zu seiner Freude konnte er aber ebenfalls beim absoluten Durchblicker Moritz Schwächen im Erfassen des Spielablaufs entdecken. Und Günther hatte sogar beim Vorlesen der Spielregeln Schwierigkeiten, manche Textpassagen zu verstehen. Z.B. gilt für das “Tonrohr” u.a.: “… Nimmt sich einer der Spieler mit den meisten Siedlungssteinen während seiner Zuges 1 Ressource als beliebiger Quelle, so wird am Ende dieses Zuges das Tonrohr mit 1 gleichen Ressource an dem Pool bestückt. Nimmt sich dieser Spieler während seinen Zuges mehrere Ressourcen, wählt sich der Besitzer des Tonrohrs aus den genommenen Ressourcen nach seiner Wahl 1 entsprechende Ressource aus. …” Nach mehreren Ansätzen zum Verstehen übergab Günther an Moritz, und der konnte unverzüglich verkünden: “Verstehe ich sofort”. Ist ja auch ein Ton-Künstler! Alle Regeln sind präzise, eindeutig und unmißverständlich beschrieben. Nur im Inhalt ziemlich dicht und in der Summe ziemlich viel.
Denn am Ende kommt nur ein mehr oder weniger autistisches Wettrennen um die schnellste-beste Entwicklung heraus. Kein Wunder, daß die drei Weltgestalter mit der knappen Siegpunkt-Folge 25, 23 und 22 ins Ziel gelangten.
WPG-Wertung: Günther: 7 (hübsches Aufbauspiel), Moritz: 6 (ausgewogenes, gutes Dreierspiel), Walter: 5 (irgendwas fehlt. Interaktion?)
PS: Hier darf sich jetzt unser Alles-mit-Allen-Spieler Wilhelm zu Worte melden und sein Plädoyer im Namen der Autoren halten.