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11.06.2014: Kosmische Verschlüsselung

Hans ist tot. Nach langer schwerer Krankheit hat ihn der Tod erlöst.

Schon seit Beginn unserer Aufzeichnungen war er dabei. Am 13. Oktober 2010 hat er seine letzte Wertung abgegeben: “Jede einzelne Aktion kostet eine Menge Gehirnschmalz und ist im Endeffekt irrelevant.“. Das war charakteristisch für ihn als großen Denker in unserer Runde.

Dabei war er immer ein lieber, angenehmer, fairer und integrer Mitspieler und Mensch. Sein Tod ist ein großer Verlust für uns alle, so wie sein Leben für uns eine große Bereicherung war.

Warum muss man nur solche bescheidenen 4er schreiben?!
Warum muss man nur solche bescheidenen 4er schreiben?!
1. “Cosmic Empires”
Horst hatte sich vorbereitet und freute sich, ein „einfaches Spiel“ vorstellen zu können. Kein Worker-Placement, keine komplexe Optimierung, ein freies lockeres Spielen war angesagt. Mit einer klaren Vorstellung über die Linienführung trug Horst die Regeln vor. Ernst und konzentriert war seine Stimme. Aber wer konnte schon ernst bleiben, wenn sich jeder erst mal „eine Fregatte nehmen und auf seinen Ständer stecken“ sollte. Die Assoziationen uferten aus, und nicht nur Peter fand, dass der Schlitz viel zu eng war. So dauerte es weit über eine Stunde bis Horst durch die Regeln durch war.

Wir erforschen und besiedeln den Weltraum, der in Form von verdeckten quadratischen Platten vor uns liegt. Jeweils ein Plättchen davon können wir erkunden, austauschen und / oder aufdecken. Allmählich entsteht so eine Allschaft aus Planeten, Kolonien, Werften, Forschungszentren, Piratennestern, Asteroiden und leerem Raum.

Mit unserer aufgesteckten Fregatte, später auch mit mehreren davon, sowie mit Kreuzern – Schiff-Nachbau ist eine der leichtesten Übungen im Cosmos – durchsegeln wir das All, besetzen Planeten und was da noch so kreucht und fleucht. Wir bekriegen die Piraten und vertreiben unsere Mitspieler. Kampf und Verdrängung wird mittels eleganten Kampfwürfeln entschieden: je größer die Flotte, desto mehr Würfel darf man einsetzen. Abhängig vom Würfelergebnisse gibt es Treffer, die ein Schiff beschädigen oder versenken. Nach dem ersten Schußwechsel darf sich sowohl der Angreifer wie auch der Angegriffene mit halbversenkten Schiffen zurückziehen. Für den nächsten Kampf im All sind unverzüglich alle Wunden wieder geheilt.

Fünf „Fraktionen“ gibt es im Spiel: Einheimische, Forscher, Piraten, Konzerne und Imperium. Jede Fraktion hat eine eigene Kampfeigenschaft: Die einen sind schneller vor Ort, die anderen schneller wieder weg, die Forscher forschen ertragreicher und die Piraten sind immer für eine Überraschung gut: Vor jedem Gefecht dürfen sie eine „Ereigniskarte“ ziehen und damit ihre Reichweite, Schusskraft, Verteidigung, Kampfwürfelanzahl und ähnliches erhöhen. U.U. bekommen sie sogar eine „Friedenskarte“ und können damit einen Angreifer sofort sanftmütig zum Rückzug veranlassen.

Einträchtig wurden die fünf Fraktionen charakterlich passend unter uns fünf Spielern verteilt. (Hallo Günther, kannst Du Dir vorstellen, wer welche Fraktion bekommen hat? Auch unsere Leserschaft darf raten!)

Jeder Spieler verfolgt beim Kämpfen (und beim friedlichen Weltraum-Erkunden) ein eigenes fraktionsspezifisches Ziel: der eine muss eine Anzahl Asteroiden und Stationen besetzen, ein anderer Forschungszentren und Werften, der dritte muss seine Potenz auf einen bestimmten Level bringen und dabei genügend Fregatten begattet haben. Und was es sonst noch für Aufgabenkombinationen gibt. Sobald ein Spieler sein Ziel erreicht hat, ist das Spiel zu Ende.

Die Spielziele sind eigentlich nicht schwer. Ein paar Quadrate zu erobern und besetzt zu halten, das sollte doch kein Kunststück sein. Ist es aber. Die Aufgabenstellungen sind nämlich nicht disjunkt, um manche Quadrate streiten sich mehrere Spieler. Wenn ein Spieler dann z.B. seine Aufgabe bis auf ein einziges Planetchen erfüllt hat, kommen die Mitspieler daher und nehmen ihm irgendwo wieder ein-zwei Planeten ab. Es ist mehr oder weniger Zufall, wie weit man seine Aufgaben ungestört erfüllen kann, und wann und wie man dabei auf gegenläufige Ambitionen eines Mitspielers stößt. Der Endsieg kann ziemlich lange auf sich warten lassen.

Das war bei uns auch der Fall. Jeder dümpelte mit halbwegs erfüllten Aufgaben dahin, doch die letzten 10% Prozent erforderten – wie im richtigen Projekt-Leben – nochmals 90% der Zeit. Nach zwei Stunden gaben wir auf, angeführt von Walter, der als einziger mit seiner Aufgabe noch gar nicht aus den Startlöchern gekommen war. 9 Planeten hätte er besetzen sollen. Dabei gibt es im gesamten Spiel, wenn alle Plättchen aufgedeckt sind, nur 10 Stück davon. Und wenn ein Mitspieler aus Bosheit und Pläsier zwei Planeten-Quadrate ausgetauscht hätte, wäre Walters Aufgabe überhaupt nicht mehr zu erfüllen gewesen. Da kann doch etwas nicht stimmen! Wir lasen (euphorische) Reviews im Internet, fanden aber nirgendwo einen Weg für das Haar aus der Suppe.

Erst als der Spielabend zu Ende war und die anderen Spieler schon längst zu Hause waren, nahmen Aaron und Walter nochmals Lust und Leid von „Cosmic Empires“ unter die Lupe. Für welches Alter wird das Spiel empfohlen? Ab 12. (Wird wohl stimmen. Wilhelm, diese Information ist für Dich!) Und welche Spielzeit ist dafür angesetzt? 95 bis 90 Minuten! Hallo, hier liegt der Hund begraben! Die erste 9 muss eine 4 sein! Die Schriftart ist so bescheuert gewählt, dass beide Ziffern nicht zu unterscheiden sind. Erst beim Schreiben des Spielberichtes entdeckten wir auch den Hinweis im Regelheft: „Achtung! Die Zahl 4 ist mit der Zahl 9 nicht zu verwechseln. Die Zahl 9 ist im Spiel nicht vertreten.“ Aber da war das Kind schon in den Brunnen gefallen. Geehrter Autor Gyulai Sándor, geehrter Designer Benjamin Carré, ihr hättet Euch dieses „Achtung“ sparen können – und uns garantiert 50% mehr Spielfreude gemacht – wenn Ihr Euere Aufträge in einer vernünftigen, aber nicht in dieser beschissenen Comic-Cosmic-Schrift gedruckt hättet.

WPG-Wertung: Aaron: 4 (als Zweierspiel ist es vielleicht 6 Punkte wert), Horst: 6 (das Weltraumfeeling war da, habe schon viel drögere Spiele gesehen), Moritz: 4 (8 potente Punkte für das Zweierspiel, die Mechanismen sind hübsch, es geht sofort los), Peter: 6 (im Vorahnung auf ein Spiel mit weniger Teilnehmern), Walter: 5 (mit der falschen „9“ wären es nur 3 Punkte gewesen! Dahinplätschernder Zeitvertreib; jeder spult engagiert seine Aktionen ab, doch wer gewinnt ist schließlich zu 100% davon abhängig, ob einem die Mitspieler zufällig in die Quere kommen oder nicht.)

Glanz mit Kühlung
Glanz mit Kühlung
2. “Splendor”
Es ist schon außergewöhnlich, dass ein Spiel, das bei uns so schlechte Kritiken bekommt, dreimal hintereinander aufgetischt wird. Aber schließlich ist es ein heißer Kandidat für SdJ-2014, und Horst und Moritz kannten es noch nicht. Da das Spiel nur zu viert geht, verzichtete Walter schweren Herzens und widmete sich seinen Pflichten als Mundschenk, was bei den hohen Temperaturen – das angekündigte Sommergewitter mit seiner ersehnten Abkühlung blieb leider aus – keine leichte Aufgabe war.

Moritz wartete mit Spannung auf die Spannung und registrierte jegliches Aufkeimen einer solchen. „Jetzt wird es spannend!“ „Es ist wahrsinnung spannend!“ „Das ist schon der Gipfel!“ Genauso spannend, wie wenn beim Roulette die Kugel anfängt, langsamer zu rollen. (Wenn dabei ein Vermögen auf dem Spiel steht.)

Aaron, Moritz und Peter hatten auf eine gewisse Diversifizierung gesetzt, kamen wegen der dabei entstehenden Konkurrenz um Farben und Kombinationen aber nicht in die Pötte. Horst ging zielgerichtet auf ein paar wenige punkteträchtigen Karten los. Dazu nahm er sich sogar mehrmals „nur“ zwei Chips, dafür aber von der gleichen Farbe. Die Auslage war ihm gewogen und er war schon bei 8 Siegpunkten angelangt, als seine langfristig planenden Mitspieler noch bei 0 (Null) herumkrebsten.

Etwas vorwitzig kündigte er ein „Matt in einem Zug“ an; Moritz konnte ihm die anvisierte Karte zum Sieg noch vor der Nase wegreservieren. (Das kommt einem Opferzug für die mitspielende Allgemeinheit gleich!) Doch nach zwei weiteren Chip-Nehme-Runden erreichte Horst mit den wenigsten Karten aller Mitspieler – sogar mit erheblichen Vorsprung – das Punktelimit für den Sieg.

WPG-Wertung: Aaron reduzierte seine Note von 5 auf 4 (von Spiel zu Spiel wird das Spielgefühl schlechter), Moritz: 3 (funktioniert, ist aber ein wahnsinnig autistisches Wixxspiel; noch dazu ohne Höhepunkt), Horst: 5 (paßt voll in die SdJ-Philosophie [autistische Spiele]), Walter bleibt bei seinen 5 Punkten; nachdem er sich mit den themenlosen Trivialaktionen abgefunden hat, kann er sich von Spiel zu Spiel immer besser in die Spielfreude schlichter Gemüter hineinversetzen)

Ein Dementi und eine Bestätigung zu unseren früheren Behauptungen über die Splendor-Beherrschbarkeit von Sechsjährigen:
a) Peter stellte fest, dass es nicht genügt, den Zahlenraum bis 10 zu beherrschen: wenn man den eigenen Sieg feststellen möchte, man muss schon mindestens bis 15 zählen können.
b) Moritz bestätigte auf Rückfrage, dass sein siebenjähriger Milo eine Splendor-Partie auch schon gewinnen könnte. Aber vielleicht ist der geniale Sohn von genialen Eltern hier kein allgemeingültiger Maßstab.

3. “Abluxxen”
Irgend jemand erinnerte uns nochmals explizit daran, dass ein Spieler, dessen Auslage abgeluxxt wird, die Karten auch auf die Hand nehmen kann. Fälschlicherweise glaubten wir, die Entscheidung dafür läge beim Abluxxer. So legte jeder Spieler reihum irgendwelche kleine Karten vor sich hin und wurde umgehend von seinem linken Nachbarn gezwungen, die Karte(n) wieder aufzunehmen. Großes Entsetzen! Das Spiel funktioniert doch gar nicht.

Bis Peter den Fehler erkannte: Es liegt in der Entscheidung des Abgeluxxten, ob er die abgeluxxte Karten auf die Hand nehmen oder auf dem Ablagestapel ablegen will. Es funktionierte wieder. Bestens.

WPG-Wertung: Horst: 9 (super Kartenspiel, sehr viel Interaktion), Moritz: 8 (sehr, sehr gut; das Spiel hat Tiefe, es ist logisch und leicht zugleich; tausendmal besser als … [Wie hieß doch nochmal das Spiel …?]), die anderen blieben bei ihren Noten.

Hallo Peter, hältst Du Deine 6-Punkte für „Abluxxen“ heute immer noch für angemessen? Auch wenn ein erheblicher Glücksfaktor durch die initiale Kartenverteilung unbestritten ist!

04.06.2014: Wechselbäder in Lucca

Aus gegebenem Anlaß ein Wort über unser Selbstverständnis als Spieler und Kritiker.

Wir spielen ausschließlich zum Vergnügen. Als private Freizeitbeschäftigung. Wir tragen keine Verantwortung dafür, dass Nicht-Spieler ans Spielen herangeführt werden oder dass „die Stellung des Spiels als Kulturgut in der Gesellschaft“ gestärkt wird (sinngemäß vom „Verein Spiel des Jahres“). Wir sind keine Missionare.

Wir achten nicht darauf, ob ein simples Spiel auch von einem einfachen Gemüt noch verstanden werden kann, oder ob ein komplexes Spiel an Spielefreaks genügend Herausforderungen stellt. Wir spielen Spiele – zugegebenermaßen möglichst viele – um des Spielen und des Kennenlernen willens.

Unsere Kritiken sind keine juristischen Gutachten. Sie stellen subjektive Eindrücke von uns subjektiven Spielern dar. Auch wenn wir uns dabei bemühen, sachlich haltbare Tatsachen vorzubringen. Sachlich im Sinne von formulierbaren Qualitätsmaßstäben. Wer uns kennt, wer über unsere Spielberichte unsere Spielcharaktere kennengelernt hat, der kann unsere Aussagen einschätzen und sie als Wegweiser benutzen. Wegweiser zu UNSEREN Wegen, denen man folgen oder denen man ausweichen kann.

Wie andere spielen, ist uns nicht gleichgültig. Und wenn sie eine ähnliche Spielauffassung haben wie wir, freut uns das. Dabei ist es völlig egal, ob wir dann gemeinsam eine Mehrheit oder Minderheit sind. Möge jeder auf seine Weise glücklich werden.

"Lucca" in "Splendor" - kleine und grosse Schachteln
“Lucca” in “Splendor” – kleine und grosse Schachteln
1. “Splendor”

Aaron und Walter bemühten sich mit vereinten Kräften, Günther die Regeln beizubringen (siehe Spielbericht von letzte Woche). Doch wie sagt schon das Sprichwort: zwei Köche verderben den Brei. Wo einer ein Detail für höchst relevant hält, findet der andere das ganz nebensächlich. Und umgekehrt. Natürlich wollte Günther alles ganz genau wissen, z.B. die Verteilung der Farben, Preise und Prämien auf allen drei Karten-Ebenen. Das kann schließlich alles einen entscheidenen Einfluß auf die Gewinnstrategie haben. Wenn die schnurzige Antwort „Alles ist gleichverteilt!“ sachlich falsch ist, wird ein scharfer Dominion-Analyist gleich auf eine falsche Fährte geführt. Jedenfalls dauerte Günthers Einführung länger als 20 Minuten und es blieb immer noch ein vager Eindruck von Ungenügen in der Luft. Dabei schreibt Hachen Darkpact im Internet: „Die Regel ist kurz und schnell begriffen. Und sie ist auch so einfach, das sogar mein 7-jähriger problemlos mitspielen kann, wenn er auch noch nicht die besten Entscheidungen triff.“

Was sind schon richtige Entscheidungen? Eine einzige Farbe sammeln oder viele? Viele Chips horten oder immer voll investiert sein? Ist Wertkarten zu reservieren ein guter Zug oder verschenkt man damit grundsätzlich Tempo? Die Aussage von Tric-Trac „Wichtig ist das Reservieren: Ich kann mir eine Karte nehmen und bekomme dafür obendrein noch Gold“ halte ich schlichtwegs für eine Fehlinformation: Statt drei Chips, erhalte ich beim Reservieren nämlich nur einen Chip. Das kann nur in seltenen Fällen gut sein.
Ich wage mich jetzt auch mal selber an Spieltips und bin bereit, dafür öffentlich Prügel einzustreichen:

  • Nehme dir immer drei Chips, wenn du das darfst, d.h. wenn drei verschiedene Farben angeboten werden.
  • Nehme immer die Karte, für die du am wenigsten zahlen musst. Bei Preisgleichheit nimm’ die Karten mit dem größten Rabatt.

Das gilt zumindest für die erste Hälfte des Spiels. Und das läßt sich sogar theoretisch begründen. (Hier jetzt nicht!)

In der zweiten Spielhälfte geht es natürlich darum, die dicksten Siegpunkte einzufahren. Besonders auch über die kostenlosen Adeligen. Deswegen sollte man nach der halben Wegstrecke mal kurz innehalten, eine Bilanz ziehen und das eigene – ungerichtet erstandene – Besitztum mit dem der Mitspieler vergleichen, um entsprechend die finalen Ambitionen abzustecken. Jetzt kann es sogar noch einmal spannend werden. Die positive Spielstimmung von Das-SpielEn.de, wenn sie hier einen „Sog erleben, der durch das Kartensammeln und die Suche nach dem richtigen Zeitpunkt zum Umschwenken auf die Siegpunkte entsteht“, klingt durchaus glaubwürdig.

Aber „Strategien“ sind das nicht, was man bei „Splendor“ anwendet. Es gibt keine langfristigen, grundsätzlichen Erwägungen, in welche Richtung man sein Spiel gestalten sollte. Alles nützt für irgendwas. Hier akzeptiere ich eher Tric-Trac’s Aussage: „Das Zauberwort ist Flexibilität“, auf gut Deutsch: Man soll halt das tun, was sich im Augenblick gerade als günstig anbietet. Lebenswichtig ist aber kein einziger Zug, alles funktioniert eher vor sich pritschelnd. Und wenn das Glück richtig pritschelt, bekommt man mehr „Günstiges“ angeboten als die Mitspieler, und man gewinnt.

Das geht meistens recht knapp aus. „Oft gab es mehrere Spieler, die gleichzeitig die Grenze von 15 Siegpunkten überschritten“ schreibt die Pöppelkiste. Bei uns war das auch so. Das ergibt natürlich ein spannendes Finish. Und ein Unterlegener mag sein Glück erneut versuchen wollen und eine Revanche fordern. Wenn ihm danach ist. Uns war eher nicht danach. „Würdest Du jetzt mit Spaß noch eine Runde spielen?“ wurde Günther gefragt. „Nein, es ist ja noch nicht halb zwei in der Nacht!“

WPG-Wertung: Günther reihte sich mit seinen 5 Punkten im oberen Bereich der WPG-Noten ein (man kann drauf los spielen, ein bißchen in Richtung auf ein gezieltes Abräumen der höherwertigen Karten. Auf andere zu achten und gegen sie zu spielen: das kann man vergessen), Aaron unterstrich seine bisherige Wertung: „Auf keinen Fall mehr als 5 Punkte!“

„Wo ist hier der Pfiff für die Platzierung auf der Auswahlliste zum Spiel das Jahres?“ – „Da mußt Du bloß mal ’Camel up’ kennenlernen!“ – Oh Gott, was kommt da wieder auf uns zu?!

2. “Lucca the city of games”
Eines kleines Kartenspiel in einer hübschen, kleinen, dem Spielmaterial angemessenen Blechdose. Vor 9 Jahren wurde seine Mutter unter dem Namen “Lucca Città” geboren. Sie lag schon bei uns auf dem Tisch und wurde mit gebremtem Entzücken aufgenommen. Letztes Jahre erschien sein Ableger mit verschiedenen kleinen Wucherungen, den uns Günther heute servierte. Unsere größten Erwartungen gingen in die Richtung, ob sich unser 9-Jahre-älter-geworden-Sein in unserer Spieleinschätzung bemerkbar machen würde.

Das Spielprinzip in „Lucca“ ist gleichgeblieben. 110 Karten zeigen Gebäudeteile mit Fenstern, Wappen und Hausnummern in sechs verschiedenen Farben. Auf dem Tisch liegen davon jeweils zufällig gemischte 3er Kartensets in einer offenen Auslagen. Reihum nimmt jeder Spieler ein Set davon und sortiert die Karten nach Farben bei sich ein. Sobald fünf Karten einer Farbe beisammen sind, ist ein „Haus“ fertig gebaut und der Erbauer bekommt Siegpunkte. Je mehr Fenster, desto mehr Punkte. Je mehr Wappen, desto Startspieler.

In der nächsten Runde muss ein fertiges Haus auch noch „geöffnet“ werden. Dann bekommt man Siegpunkte für jede ausliegende Karte bei den Mitspielern. Kann ganz schön ertragreich sein. Allerdings nicht unbedingt kalkulierbar.

In der Spielerweiterung muss man nicht jede Karte für den Hausbau verwenden, man kann damit auch eine „Stadtmauer“ errichten und bekommt dafür am Ende Prämien für alle fertig gestellen eigenen Häuser. Oder war das früher auch schon so?

Neu sind vor allem Joker-Karten, die man für jede beliebige Hausfarbe verwenden kann. Und neu sind vielleicht auch die Festungen, die ebenfalls additive Siegpunkte in der Schlußwertung bringen. Doch wie sagte schon der alte Lateiner: „Im Süden nichts Neues!“ Oder stammt das von weisen Salomon?

WPG-Wertung: Keine Änderung, alle blieben bei ihren mäßigen 5 Punkten.

Wo würden wir jetzt lieber baden, im Glanz oder in Lucca? Aaron war für das nasse Angebot, Walter für das luftige. Aber nur, wenn es sein muß. Günther mußte nicht.

3. “Nobiles”

Aaron ließ mal wieder die aktuelle Fassung seiner neuesten Spielentwicklung testen. Wir sind immer noch bei den Ostfriesen und versuchen mit vereinten Kräften, die Naturkatastrophen abzuwehren. Der Häuptling hat davon den größten Nutzen, weshalb es für jeden Spieler zwei Ziele gibt: Entweder Häuptling werden und die Natur meistern, oder die Natur die Meisterschaft lassen und den Häuptling stürzen.

Bei einem sehr guten Spiel müssen die Anstrengungen, Häuptling zu werden und es bleiben können, korreliert sein mit dem Gewinn, den man daraus erzielen kann. Und die Mitspieler müssen die Chance haben, den König zu stürzen, gegebenenfalls mit erheblichen Verlusten. Einsatz und Gewinn, Besitztumswahrung und Verlust, Hoffnungen und Risiken müssen in eine optimale und zugleich spielerische Balance gebracht werden. Noch gibt es an den Nobiles etwas zu feilen.

Politische Weisheit: „In Ostfriesland trifft es halt alle, nicht nur den Häuptling! – In Bayern würde es den Häuptling niemals treffen!“

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.

28.05.2014: Friedrich glänzt

“Der Geist des Kartenspiels hat einen demoralisierenden Einfluss, weil man auf alle Weise, durch jeden Streich und jeden Schlich dem anderen das Seinige abgewinnen will. Die Gewohnheit wurzelt ein, greift über ins praktische Leben, und man kommt allmählich dahin, in den Angelegenheiten des Mein und Dein es ebenso zu machen.” (Arthur Schopenhauer)

Ganz ehrlich: Der Typ hat eine Menge Scheiß geschrieben. Warum ist er eigentlich ein Philosoph?

LauterFriedrichs1. “Friedrich”
Schon als sich für heute eine Dreierrunde abzeichnete, schlug Walter den alten Fritz als abendfüllendes Programm vor. Es gab keine Widerrede. Ganz im Gegenteil: Moritz meldete sich von einer Konzertreise mit: „Neid! Da wäre ich gerne dabei!“

Sechs Mal lag „Friedrich“ bei uns bereits auf dem Tisch. Das letzte Mal vor ziemlich genau sechs Jahren. Peter las sich zur Vorbereitung in die Reports ein und bekam erhebliches nostalgisches Herzweh, als er sich das damalige muntere Leben und Lieben von Hans und Loredana nochmals vor Augen führen konnte.

„Friedrich“ ist ein großes Spiel. Das Thema stimmt. Die für Freund und Feind faszinierende Figur von Friedrich, dem Großen, ist phantastisch umgesetzt. Welche Rolle auch immer wir spielen, Preussen, Russen, Österreicher oder Franzosen: der vielseitige Kampf gegeneinander spiegelt die historischen Gegebenheiten. So wie sie waren oder wie sie hätten sein können.

Dabei ist „Friedrich“ trotz aller Generäle und Armeen kein eigentliches Kriegsspiel, bei dem es um globales Morden geht. Viel mehr stehen im Vordergrund die absolut lokalen Spielziele, das kleine (und leichte) Erobern einiger weniger auserwählter Städte. Und dagegen steht Preussens Aufgabe, in jeder Ecke seines Territoriums wenigstens eine Stadt zu halten. Solange Colberg in preussischer Hand ist, können weder die Russen noch die Schweden gewinnen. Solange Magdeburg gegenüber den Franzosen verteidigt wird, können auch diese ihr SPIELziel nicht erreichen. Österreich und Preussen haben in Sachsen und Schlesien lange gemeinsame Frontlinien, in denen sie sich gegenseitig wehtun können und müssen. Es ist aber trotzdem kein vernichtendes Zuschlagen, sondern ein intelligentes taktisches Lavieren um lang- und kurzfristige Vorteile.

Wie man laviert, worauf jede Partei aufpassen muss, was man früher und was man später tun sollte: über die vielen hunderte vernünftigen und auch wichtigen Zugmöglichkeiten, und über die wunderbaren Mechanismen, mit denen Richard Sivél Balance und spielerische Momente in sein Werk eingebracht hat, will ich hier nichts mehr schreiben. In den acht Friedrich-Artikeln auf unserer Internetseite ist doch schon eine ganze Menge dazu gesagt. Ansonsten ist „Friedrich“ unerschöpflich wie das Meer.

Friedlich und konstruktiv verlief Peters Auffrischung der Spielregeln. Friedlich verteilten wir die Rollen: Walter bekam Preussen und Hannover, Aaron Österreich und die Reichsarmee, und Peter die Randstaaten Russland, Schweden und Frankreich. Die Russen machten sich unverzüglich auf zu ihrem Eroberungszug nach Ostpreussen und Pommern. Mit etwas Glück konnte aber Generalfeldmarschall Lehwald Königsberg entsetzen und einen voreiligen russischen Endsieg verhindern. Mit der ersten Schicksalskarte starb dann auch schon die Zarin Elisabeth und ihre Nachfolgerin Katharina die Große zog aus Sympathie zu Friedrich die russischen Truppen von den Vielvölkerschlachten zurück.

In Schlesien wurde heute zwischen Österreichern und Preussen lediglich ein recht unbeweglicher Stellungskrieg geführt. Kein Wunder, dass Aaron hinterher von seiner Rolle etwas enttäuscht war. Auch seine Reichsarmee konnte ihm nicht viel Freude machen. Statt aus Kruppstahl ist sie eher nur ein Espenlaub und gerät schon ins Zittern, wenn Preussen nur ein bißchen Säbelrasseln hören läßt.

Die Schweden wurden wie schon öfters stark überschätzt. Mit der Fliegenklatsche könnte man sie in Schach halten, wenn man keine Angst vor ihren Moskitostichen hat. Preussen ließ sich durch diese Angst viel zu viel Material aus seinem Arsenal binden.

Die Hannoverschen Generäle Ferdinand von Braunschweig und Cumberland hoppelten etwas hilflos über Heide und Kraut. Mit einem Winke-Winke aus der Ferne wollten sie sich bei den Franzosen Lieb-Kind machen. Doch davon ließ sich Madame de Pompadour nicht beeindrucken. Langsam aber zielstrebig rückten ihre Armeen die Fulda und Leine entlang nach Norden. Nirgends trafen sie auf nennenswerten Widerstand. Selbst Magdeburg und Halberstadt waren ihnen mehr oder weniger schutzlos ausgesetzt, weil Preussen in der Verteidigung gegen Russland zu viele Herzkarten gelassen hatte. Fast friedlich konnte Frankreich diese beiden Städte einnehmen und hatte damit gewonnen.

Zwei Stunden friedlicher Kampf. Mindestens genauso lange hätten wir hinterher noch über unsere Strategien und Taktiken, über unsere Herausforderungen und Versäumnisse diskutieren können. Als Teil des Spiels, als Teil der Freude am Spiel. Preussen steht im Mittelpunkt aller Kritik. Diesmal vielleicht besonders, weil es von Walter geführt wurde. Vielleicht hat hier doch der Moritz gefehlt, der Peters militärischem Genie als gleichwertiges Pendant hätte Paroli bieten können.

Keine neue WPG-Wertung für ein 8,3 Punkte Spiel.

2. “Splendor”
Das Spiel liegt noch im Jackpot für das „Spiel des Jahres 2014“. Vielleicht können sein (bei uns) noch unbekannter Autor Mark André (falls es nicht der in Wikipedia ausgewiesene „deutsch-französische Komponist im Bereich der Neuen Musik“ ist) und der noch unbekannte Spieleverlag Space Cowboys in wenigen Wochen damit Millionen scheffeln …

Munter ziehen wir farbige Wertmarken von offen ausliegenden Stapeln und sammeln sie vor uns auf. Fünf der Regenbogenfarben und eine Jokerfarbe werden angeboten. Drei Stück auf einmal dürfen wir uns davon nehmen. Mit den Wertmarken tauschen wir Wertkarten die a) Siegpunkte bringen und b) wie Wertmarken für das weitere Eintauschen genutzt werden können. Haben wir das lange genug getan, ist einer von uns Sieger geworden – der mit den ersten 15 Siegpunkten auf seinem Konto.

Warum ist man Sieger geworden? Schwer zu sagen. Es gibt keine guten und kaum schlechte Züge: Was man tun kann, ist alles ziemlich gleich gut. Nur blinde Dyskalkulisten finden hier und dort einen Ausreißer. Vielleicht gewinnt der Startspieler! Wer kann es ihm verwehren?

Zehn Jahre alt soll man sein, bevor man mit „Splendor“ anfängt. Kann das sein? Wer seinen Kindern schon im Vorschulalter das Zählen im Zahlenraum bis 10 beigebracht hat – und welche normalen Eltern haben das nicht getan!? – kann sich schon vier Jahre vorher mit ihnen zu einem schnellen Glanz zusammensetzen. Eine halbe Stunde Spielzeit – zu meiner Zeit war das gerade das Richtige für ein entspannendes Betthupferl-Spiel. Das ist „Spendor“ allemal. Mehr nicht.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (wohlwollend; einschließlich 1 Punkt für die viele Luft! „Warum muss ein Spiel, das gerade mal aus 90 Spielkarten und ein paar farbigen Wertmarken besteht, eine so große Schachtel haben und noch dazu 30 Euro kosten!? Es fehlt jegliche Herausforderung; tragisch, dass es nicht einmal dödelig ist), Peter: 4 (wohlwollend; einschließlich ein Punkt für die Graphik, obwohl er sich dabei durchaus auch etwas Schärferes hätte vorstellen können), Walter: 5 (triviales, solitäres, abstraktes Aufbauspiel)