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24.05.2017: Rund um Ulm

Warum heißen die Ulmer „Spatzen“?

Zum Bau des Münsters karrten die Ulmer eines Tages einen besonders großen Balken herbei. Sie schafften es aber nicht, ihn durch das Stadttor zu bringen, da sie ihn quer transportieren wollten. Sie hatten schon beschlossen, das Stadttor einzureißen, da sahen sie einen Spatzen, der einen Zweig im Schnabel trug, um diesen in sein Nest einzubauen. Und dieser Spatz drehte den Zweig und schob ihn längs durch die Mauernische zu seinem Nest. Da ging dann auch den Ulmern ein Licht auf: sie legten den Balken der Länge nach auf ihren Karren und brachten ihn so durch das Stadttor. Tor und Münster waren gerettet!

Diese Geschichte und andere erzählt uns der Viel-Spiele-Autor Günter Burkhardt als Einstimmung in sein 2016 erschienenes bislang neuestes Werk

1. “Ulm”

„Ulm“ : im Vordergrund die hübsche, aber funktionslose Kathedrale, im Hintergrund kämpft Günther mit den beiden Regelheften

Gleich zwei Regelhefte werden uns angeboten: Eins mit acht (deutschen) Seiten zu Einführung, und eines mit achtzehn (deutschen) Seiten für die Details, einschließlich einer Einführung in die Ulmer Stadtgeschichte. Natürlich muss man beide Hefte gründlich gelesen haben, bevor man mit dem Spiel beginnen kann. Und bei Rückfragen muss man sich ebenfalls in beiden Hefte einigermaßen gut auskennen, um die Antworten zeitnah zu finden. Ein Mehrwert wird in dieser Spielregel-Erklärungs-Aufteilung nicht sichtbar.

Wir fahren mit unserer Zille (so hießen in Ulm bzw. im Donauraum die Kähne, mit denen sich die Fischer und andere Leute auf der Donau bewegten) in zehn Runden maximal 21 Donaufelder vom Start zum Ziel. Dabei gehört es aber nicht zum Sieg, als Erster die Gesamtstrecke zurückgelegt zu haben, sondern unterwegs unsere 13 Siegel optimal in den 10 Stadtbezirken verteilt zu haben, so dass wir mit ihnen die meisten Siegpunkte einheimsen konnten.

Genial ist der Zugmechanismus, nach dem ein jeder Spieler auswählt, was er in der nächsten Runde tut. Aus einem Säckchen ziehen wir verdeckt einen Aktionsstein. Diesen Stein müssen wir nach dem Prinzip des „Verrückten Labyrinths“ an einer beliebigen Seite eines quadratischen 3 mal 3 Rasters mit ebensolchen Aktionssteinen einschieben, so dass einer dieser Aktionssteine auf der anderen Seite herausgeschoben wird. Die bewegten, aber noch im Raster gebliebenen Aktionssteine einschließlich des eigenen, neu eingesetzten Aktionssteines bestimmen die drei Aktionen, die wir jetzt ausführen dürfen:

  • mit unserer Zille einen Schritt vorwärts fahren
  • eine Münzeinheit kassieren
  • Aktionssteine kassieren
  • gegen zwei Geldeinheiten ein Siegel in eines der umliegenden Stadtbezirke legen.
  • zwei Aktionssteine gegen eine Bonuskarte eintauschen.

Siegel bringen uns einmalige sofortige oder – mit Glück und Können – wiederkehrende Vorteile an Geld, Aktionssteinen, Aktionen oder Siegpunkten.

Bonuskarten bringen uns einmalige sofortige Vorteile an Besitztum oder, am Spielende, zusätzliche Siegpunkte, für unseren inzwischen angehäuften Besitz, teilweise sogar massenhaft welche.

Alles ist rund, alles ist schön. Es gibt Weichmacher beim Ziehen des verdeckten Aktionssteines, es gibt temporäre Vergünstigungen beim Bauen und Fahren, jeder Spieler hat zu jeder Zeit eine ganze Reihe von vorteilhaften Zugmöglichkeiten zur Auswahl. Aber welches sind in diesem Wettlauf um die beste Zugauswahl die Eckpfeiler, nach denen man seine Strategie und Taktik ausrichten soll? In welchen Stadtbezirken soll man seine ersten Siegel platzieren? Soll man schnell oder langsam mit seiner Zille die Donau abwärts fahren? Soll man den anderen vorauseilen, im Pulk fahren, oder darf man auch ungestraft hinterherschippern?

Als Neuling ist man hier selbstverständlich überfordert. Aber selbst für die ersten Spielwiederholungen – die am Westpark ja ziemlich selten sind – gibt es kein (vorsichtshalber ausgedrückt „kaum“) Licht im Dunkel des Züge-Tunnels. Zu vielfältig sind die Angebote und zu unmessbar klein die Unterschiede innerhalb der verschiedenen Vorteile.

Als gewiefter Spielmeister hatte Moritz selbstverständlich einen Plan. Die anderen hatten noch keinen, aber weil Moritz Startspieler war, konnten sie ihm problemlos alle Züge nachmachen. Sogar mit Vorteilen, weil man beim Schippern mit seiner Zille die anderen Ziller überspringen darf. Dafür war Moritz mit seinem zweiten Zug wieder an der Spitze und engagierte sich mit seinem Siegel beim Münzmeister, wodurch er im weiteren Spieleverlauf bei jeder Geldaktion noch eine zusätzliche Münze bekam. Walter schien das ein gewaltiger Vorteil zu sein und er moserte über den nicht ausbalanzierten Startspieler-Vorteil. Doch trotz dieses und jenes späteren ebenfalls phantastisch guten Zuges wurde Moritz nicht Erster. Er hatte ein unglückliches Mix von Bonuskarten gezogen.

Günther moserte nicht, machte auch keine besonders genialen Züge, aber er wurde Erster. Ja, ja, es ist nicht leicht auszumachen, was in „Ulm“ die gewinnbringenden Züge sind.

Einige Elemente haben wir überhaupt nicht genutzt: Kein einziger bekam das Privileg, sich neue Spatzen zu gebären. Zu schnell waren wird über die ersten Donaufelder hinweggeschippert. Kein einziges Mal legte ein Spieler ein Siegel, um dafür ein Wappen zu erhalten. Hier erschien allen der Bezirk hinter der Stadtmauer als viel lukrativer. Wäre es doch besser gewesen, langsam zu fahren und das Spatz- sowie das Wappen-Potential an Land zu ziehen? Wer weiß. Von uns wird es wohl keiner mehr erfahren. Vielleicht aber haben andere Spiele-Wissenschaftler diese Geheimnisse schon längst entschlüssel. Aber wenn man das hat, dann kann man – unserer Einschätzung nach – Ulm vollends links liegen lassen.

WPG-Wertung: Günther: 7 (fast 6, möchte es noch häufiger spielen, um es besser kennen zu lernen), Moritz: 5 (unplanbar, es gibt viele schönere Spiele am Fluß, z.B. Egizia; das Thema ist nur im graphischen Design vorhanden, in den Mechanismen überhaupt nicht; das Spiel hat weder mit Ulm noch mit dem Bau einer Kathedrale etwas zu tun. Die Papp-Kathedrale hat in Essen die Besucher angezogen: „Ujj, das müssen wir uns kaufen.“ Und hinterher ist das ein kontraproduktives Element, das für einen Teil der Spieler die bildliche Spielhilfe am entgegengesetzten Spielfeldrand verdeckt. Es fehlt total eine Punkteausschüttung für den Besitzstand am Ende. Dies dürfte nicht abhängig sein von den irgendwann mal zufällig gezogenen Bonuskarten, sondern das müsste als feststehende Regel mitgegeben sein; es gibt keine Strategie, die man einschlagen kann, deshalb wird das Spiel schnell spannungslos oder langweilig), Walter: 5 (fast 6, zu umfangreich in den Regeln, dafür zu minimal in den Effekten, kaum Interaktion, jeder spielt vor sich hin, repetitiv. 1 Sympathiepunkt für das runde Regelwerk, 1 Sympathiepunkt für die Einführung in die Stadtchronik von Ulm, und 1 Sympathiepunkt für das neuartige Zugauswahlverfahren. Bleiben aber trotzdem nur 5 Punkte für den spielerischen Eindruck).

2. “Weltausstellung”

Schon vor drei Monaten zum ersten Mal gespielt, aber erst letzte Woche beschrieben. Gleich heute für Walter die Wiederholung, für Günther und Moritz die Jungfernfahrt.

Ein Kampf um Exponate und um die Genehmigung, diese Exponate auch ausstellen zu dürfen. Aarons Seufzer vom ersten Mal: „Hat man Korn so fehlt’s am Winde, hat man Wind, so fehlt’s am Korn“ bewahrheitete sich auch in dieser Runde. Man hat massenweise Exponate der verschiedenen Kategorien, aber keine Genehmigung, oder man schwimmt in Genehmigungen, hat aber keine Exponate dazu.

Immerhin habe wir diesmal drei vollständige Sätze von Exponaten zusammenbekommen. Beim ersten Mal ist das keinem geglückt.

Günther wurde wieder Erster, also ist „Weltausstellung“ genauso wie auch „Ulm“ kein Glücksspiel“! Kleiner Taktik-Tipp: Für die erste Wertung sollte man nicht möglichst viele (ungenehmigte) Exponate zur Seite schaffen, sondern vielleicht nur ein oder zwei verschiedene, für die man aber zugleich auch eine Genehmigung erreicht. Damit kann man in den nächsten Runden versuchen, antizyklisch und damit konfliktfrei zu agieren. Denn der Kampf um Mehrheiten für die Genehmigung bindet nur unnötig viel Energie.

WPG-Wertung: Günther: 7 (bis 6, recht schön, schnell), Moritz: 7 (locker, nicht voll planbar, nicht länger als es sein muss), Walter: 7 (früher 6, schnell, erhebliche Freiheitsgrade, viel lockere Interaktion).