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31.03.2010: Einsichten und Einsehen

Spiel ist notwendig zur Führung eines menschlichen Lebens. (Thomas von Aquin, Summa theologica)
1. “Hansa Teutonica”
Zu Spielbeginn hat jeder Spieler zwei Aktionen pro Zug, mit denen er mehr oder weniger zwangsläufig je einen Pöppel auf Felder in ein Wegnetz zwischen Städten der norddeutschen Hanse legt. Hat er zwei Städte verbunden, darf er seinen Spielraum erweitern:
– mehr Aktionen pro Zug ausführen,
– mehr Pöppel pro Aktion requirieren,
– mehr Pöppel pro Aktion versetzen
– Wertungspositionen in Städten belegen
– sich höhere Privilegien zulegen.
Es ist klar, daß ein höherer Aktionsspielraum zu Beginn lebenswichtig ist, und alle Spieler rangeln um diese Erweiterung. Daß dies ein bißchen einseitig ist, war unser schärfster Kritikpunkt, als wir “Hansa Teutonica” vor zwei Monaten zum ersten Mal auf dem Tisch liegen hatten.
Doch unser Kritikpunkt war einseitig. Klaus Ottmaier vom Argentum-Verlag hat uns eine ganze Reihe von Alternativen zur reinen „Aktions-Erweiterungs-Strategie“ aufgezeigt. Heute ging es im wesentlichen darum, deren Stichhaltigkeit zu verifizieren. Günther war der Advocatus Diaboli, der uns die Nicht-Aktions-Alternativen praktisch und theoretisch demonstrieren sollte.
Als Startspieler ließ er sich die Gelegenheit zur Aktions-Erweiterung natürlich nicht entgehen. Dann spielte er aber auf ein schnelles Ende. Nach einem Handlungspielraum von 3 Aktion verzichtete er auf die weiteren Entwicklung und besetzte dafür die Wertungspositionen, mit denen er fortlaufend langsam aber sicher alle Siegpunkte einheimste, um das Spiel per Wertungsskala beenden zu können.
Aaron war gleich zu Beginn ins Hintertreffen geraten, als Günther und Walter durch gegenseitiges Verdrängen auf der Aktionsstrecke sich gegenseitig zusätzliche Pöppel aufs Spielfeld brachten. Da wurde nochmals kurz der Vorwurf der Aktions-Determiniertheit aufgebracht und diskutiert. Aber noch war nichts entschieden und die verschiedenen Position-Vor- und Nachteile konnten nicht auf einen Nenner gebracht werden.
Walter kam von seiner Aktions-Schiene nicht mehr herunter. Die Entwicklungsmaximierung verfolgte er mit einer solchen Hartnäckigkeit, daß er am Schluß das am besten entwickelte Aktions-Tableau besaß, aber fast keinen einzigen Siegpunkt.
Auf jeden Fall konnte Günther mit seinem Kantersieg vor Aarons ausgewogenen Vorgehensweise ganz klar belegen, daß in „Hansa Teutonica“ viele Wege zum Ziel führen. Das lies unsere Punkte-Bewertung gleich nach oben schnellen.
WPG-Wertung: Aaron: 8 (vorher 5, „Man muß auf vieles achten und kann dabei manches übersehen“), Günther: 8 (bleibt, für mehr Punkte hätte es noch mehr emotionale Begeisterung entfachen müssen), Walter: 9 (vorher 7, Will seinen Bewertungrahmen ausschöpfen.)
Hallo Wilhelm, bist Du jetzt zufrieden?
2. “Vasco da Gama”
Unter dem Thema Seefahrt erwerben wir Handelsprojekte, werben Mannschaften und Kapitän an, setzen die Segel und lassen uns über Sonderrollen noch ein paar Vorteile zuschustern.
Die Aktionen stehen allen Spieler offen, nur um die Reihenfolge wird geboten. Die meisten Gebote kosten nichts, nur die allerersten gehen richtig ins Geld, und Geld ist knapp. Bemerkenswert ist, daß der Preis für die Gebote kein vorher genau festgelegter Wert ist, sondern pro Runde ausgehend von einem Basiswert mit einer Zufallsverschiebung zwischen minus-Drei und plus-Drei Einheiten variiert. Wer hier alles auf eine Karte setzt und keine Geldreserve zurückhält, muß u.U. auf eine Aktion ganz verzichten und bekommt als Minimal-Entschädigung gerade mal eine Geldeinheit zurück.
Über diesen vom Autor eingebauten Zufallseinfluß hatte es bei uns vor 3 Wochen heftigste Unmutsäußerungen gegeben. Ist „Vasco da Gama“ ein Zockerspiel? Keineswegs. Wer natürlich mit seinen Geboten höchstes Risiko eingeht und mit seinem letzten Pfennigen nicht allen Preisverschiebungen standhalten ist, der kann in dieser Alles-oder-Nichts-Strategie untergehen. Doch unter Einhaltung einer Sicherheitsreserve sollte man sich voll auf die optimalen Kombinationen von Schiffsausrüstungen und Handelsfahren konzentrieren. Dann bietet das Spiel eine Fülle von konstruktiven und destruktiven Interaktionen für sich selbst und gegen die Ambitionen der Mitspieler.
Knapp ist alles, was wir für unseren Seehandel brauchen. Eine Menge Logistik und richtiges Timing ist unabdingbar für ein erfolgreiches Spiel. „Ich habe einen Fehler gemacht“ gehört zum Standard-Vokabular. Hoffentlich! Wer erstens so klug ist, daß er alle Wechselfälle der Seefahrt durchrechnen kann und zweitens so brutal, das während des Spiel auch zu noch tun, der kann „Vasco da Gama“ töten. In unserer Dreierrunde gabe es nur leichte Ansätze dazu (von wem wohl?) und deshalb auch keinerlei Klagen über übermäßige Wartezeiten. Den Vorgabewert von einer halben Stunde pro Mitspieler konnten wir spielend einhalten.
WPG-Wertung: Aaron bleibt bei seinen 8 Punkten („spannend bis zum Schluß“), Günther bleibt bei seinen 7 Punkten („Die vielfältigen Punkteabrechnungen sind nicht sehr eingängig“), Walter: 8 (neu).
3. “Rumis”
„Giganten der Lüfte“ wurde als Absacker abgeleht. Gut zu würfeln, um sich damit in die Lage zu versetzen, noch besser zu würfeln, war nicht nach dem Geschmack des Hausherrn. Zumindest nicht zum Absacken.
Als Alternative zu „Bluff“ bot sich „Rumis“ an. Da kam auch in die älteren Herren nochmals richtig Bewegung. Beim Auskundschaften der besten Plätze für die Bauklötzchen, mit denen man sich ein möglichst großes Stück vom Oberflächenkuchen sichern kann, blieb kein Arsch auf seinem Stuhl.
Wichtig ist das Augenmaß, sich gerade soviel Kuchen auf die Seite zu ziehen, daß man davon satt werden kann, ohne daß die anderen davon ein Stück abhaben wollen. Walter gelangt es dreimal, Aaron und Günther zum Kampf um den Restkuchen zu verleiten.

10.03.2010: Auf nach Osten mit Vasco da Gama

Als wir bei Peter ankamen, war der Spieltisch noch mit Auszügen aus topographischen Karten der Osttürkei belegt. Der promovierte Althistoriker bereitete sich gerade auf seine Forschungsreise, die er im erlauchten Kreis von fünf Professoren und 14 anderen Forschern nächste Woche antreten wird. Aaron begibt sich zur gleichen Zeit in die gleiche Region – nach Zypern, allerdings nur zum Seele baumeln lassen. Die sich darauf entspannende Diskussion über die Nachteile von Zypern gegenüber Malta und Dänemark als Land der schnellen Heirat war zwar interessant aber gehört nicht hierher.

1. Vasco da Gama
Nach der Superbewertung des Spiels in der neuen Spielbox konnte Aaron sich nicht zurückhalten und hat, als sich herausstellte, dass kein anderer Westpark Gamer das Spiel besitzt, „Vasco da Gama“ kurzfristig in der Münchner Innenstadt gekauft – zu einem Innenstadtpreis, der eben mal 10 Euro über dem Onlineversand lag. Aber so konnte „Vasco da Gama“ kurzfristig vor den Osterurlauben noch auf den Tisch kommen und geklärt werden, ob die hohe Spielbox-Bewertung gerechtfertigt ist.
„Vasco da Gama“ ist ein „worker placement“ Spiel mit interessanten, neuen Mechanismen. Letztendlich geht es darum, Schiffe gen Osten zu schicken, um in den dortigen Häfen Siegpunkte zu erwerben. Hierzu werden Seefahrtprojekte erworben, die den Projekten zugeordneten Schiffe mit Matrosen und einem Kapitän bestückt und dann auf Fahrt zu einem Zielhafen geschickt.
Als neues Element fällt die Reihenfolgebestimmung der Aktionen auf. In einer Vorphase nimmt sich reihum jeder Spieler einen Stein vom Aktionssteintableau und setzt ihn zusammen mit einem seiner vier Aktionsmarker in einen der vier Aktionsbereiche (Navigation, Projekte, Rekrutierung und Charaktere). Die Steine des Aktionstableaus sind von 1 bis 20 durchnummeriert und in der nachfolgenden Aktionsphase werden die Aktionen genau in der Reihenfolge dieser Steine durchgeführt. Klar, dass man gerne als erster in einem Bereich agieren möchte, um die Sahnestückchen in Besitz nehmen zu können. Aber leider sind nicht alle Aktionen kostenlos: ein Schwellwertmarker gibt an, ab welcher Zahl die Aktionen nichts mehr kosten, alle Aktionen mit kleinerem Wert kosten einen Betrag, der um so größer wird, je weiter  der Stein vom Schwellwert entfernt ist. Damit das Ganze nicht völlig berechenbar ist, hat der Designer hier eine kleine Unschärfe eingebaut: der Schwellwertmarker wird zu Beginn der Aktionsphase noch um einen zufällig gezogenen Wert von -3 bis +3 versetzt. Damit kann die geplante kostenlose Aktion dann plötzlich schon mal 3 Geldeinheiten kosten.
Dieser Mechanismus führte dann gegen Spielende zu deutlichen Unmutsäußerungen seitens Peter und Loredana, als nämlich in der letzen (von fünf) Runden ein +3 Modifikator aufgedeckt wurde und dieser Peters Siegeszug verhinderte. Die Wahrscheinlichkeit, dass genau dieser +3 Modifikatior kam, lag bei 25%. Peter bestand dann darauf vorzuführen, wie er das Spiel gewonnen hätte, wenn ein anderer Modifikator erschienen wäre und sah das als Beweis dafür an, dass Vasco da Gama ein Glückspiel ist. Aaron war anderer Meinung, denn er hatte sich bewusst dafür entschieden, in der letzten Runde ausreichend Geldeinheiten zu haben, um mit JEDEM Modifikator seine Aktionen durchführen zu können. Diese Portion Unwägbarkeit macht das Spiel spannend und stört nicht wirklich, da jedem überlassen ist, ob und inwieweit er Risiken eingeht.
Kritisch ist die Position des Startspielers, denn wer rechts vom Startspieler sitzt, muss mehr Geld investieren als die anderen, um als erster in den Aktionsbereichen tätig zu werden.  Hier gilt es also aufzupassen und die eigene Geldpolitik an die Sitzposition anzupassen. Da das Geld immer knapp ist, lässt sich nicht vermeiden in einigen Aktionsbereichen hinter allen anderen zum Zuge zu kommen. Die Prioritäten richtig zu setzen ist nicht einfach und es gilt, die Züge der anderen Spieler genau einzukalkulieren. Hier kam Aaron gerade noch einmal mit einem blauen Auge davon, als Peter in der letzten Runde feststellte, dass er seine Wunschaktionen nicht bezahlen können wird und sich stattdessen darauf konzentrierte, Aarons Gewinnerzüge zu torpedieren. Günther hätte hier den ‚Kingmaker‘ spielen können, erkannte aber schnell, dass er damit Dritter statt Zweiter geworden wäre.
Mehrmals während des Spiels gab es Diskussionen  über die genaue Auslegung der Sonderfähigkeiten der Charaktere. Hier ist die Spielregel etwas unglücklich aufgebaut und manches wird nur klar, wenn man die Beispiele liest. Bis zum Schluss blieb unklar, ob der Händler wirklich als einziger Charakter nur dann seine Fähigkeit ausspielt (das Aussenden eines Handelsschiffs), wenn er übernommen wird, während alle anderen Charaktere bei der Übernahme und beim Rundenende aktiv sind.
Nach 3 Stunden Spiel inklusive 30-minütiger Regelerklärung und häufigem Nachlesen der Regeln, stand der Sieger fest, wobei es bis zur letzten Runde spannend blieb.
WPG-Wertung: Aaron: 8 (stimmige Mechanismen, spannend und immer involviert, lässt sich zu viert in 2 Stunden spielen), Günther: 7 (etwas lang, etwas zu komplex), Loredana: 5 (zu lang, unklare Regeln), Peter: 6 (langatmig, zu hoher Glücksfaktor für die Komplexität)

2. Bluff
Dreimal hintereinander einen Würfel durch Fremdzweifler zu verlieren ist bitter. Noch bitterer ist es, bereits den ersten Würfel zu verlieren, obwohl man noch gar nicht dran war. Ich plädiere für eine Regeländerung: man muss bei genauem Treffer eines Fremdzweiflers nur dann einen Würfel abgeben, wenn man schon eine Ansage gemacht hat.
Keine neue Wertung für ein super Spiel.