Age Of Steam

Age of Steam board

Verlag: Warfrog

Autor: Martin Wallace

Getestet: Warfrog Ausgabe, Essen 2002

Tester: Walter Sorger

Szenario: In dem brandneuen Spiel von Martin Wallace geht es nicht um Entwässerungspumpen in Bergwerksgruben, und auch nicht um Dampfschiffe auf den Weltmeeren, sondern - ihr habt's ja gleich gedacht - um Eisenbahnen. Auf dem Territorium der USA dürfen 3 bis 6 Spieler Eisenbahnstrecken bauen, Städte verbinden, Güter transportieren und damit Geld verdienen. Das Geld braucht man, um die Investitionen zurückzuzahlen, die man für einen erfolgreichen Güterverkehr tätigen mußte. Und natürlich auch dazu, um zu gewinnen. Es gewinnt aber nicht der, der am Ende das höchste Barvermögen besitzt, sondern der, dessen Linie - grob gesagt - das höchste Jahreseinkommen erwirtschaftet hat.

Das Spiel: Das Spiel ist ein rein strategisches Spiel: alle Spielzüge werden von den Spielern willentlich geplant und durchgeführt, selbst die Zugreihenfolge wird erkämpft. Der Würfel hat nur einen marginalen Einfluß: mit ihm wird bestimmt, welche Güter zuerst als Nachschub auf das Spielbrett gelegt werden.

Wie läuft das Spiel ab? In 6 bis 10 Spielrunden (abhängig von der Anzahl der Spieler), in denen die Spieler in jeweils wohldefinierter Zugreihenfolge die Spiel-Aktionen durchführen. Schon im Kampf um die Reihenfolge und in deren Einflußmöglichkeiten liegt eine schöne Idee. Die Reihenfolge wird ersteigert. Wer als erster paßt, zieht als letzter, der zweite Passant zieht als vorletzter usw.. Dabei braucht der letzte nichts zu bezahlen, egal ob er geboten hat oder nicht, die beiden Gewinner der Versteigerung zahlen den vollen Preis, die übrigen Spieler nur jeweils die Hälfte ihres gebotenen Einsatzes. Sehr gerecht!

Was ist denn der Vorteil dabei, als erster ziehen zu dürfen? Natürlich, man kann sich bei jedem Zug aus dem vorhandenen Kuchen von Möglichkeiten die Rosinen herauspicken: Man kann die günstigste Stecke bauen, man kann vorhandene Güter auf seinen lukrativsten Strecken transportieren. Man darf auch als erster wählen, welche Sondereigenschaften man sich in dieser Spielrunde aussuchen will. Mit der Wahl der Sondereigenschaft fängt eine Spielrunde an.

Sondereigenschaften sind:

  1. Erster Streckenbau: Wer diese Eigenschaft auswählt, hat das Recht, in der Bauphase als erster eine Strecke zu bauen. Das widerspricht natürlich der obigen Aussage, daß ein Spieler sich das Recht des ersten Zuges zuvor ersteigert hat. Nun ja, wenn der Startspieler die Sondereigenschaft der ersten Bewegung für sich NICHT ausgesucht hat, dann ist er halt beim Streckenbau nur Zweiter.

  2. Ingenieur: Wer diese Eigenschaft ausgewählt hat, darf in der Bauphase 4 Teilstrecken bauen, alle anderen nur maximal 3.

  3. Städtebau: Wer diese Eigenschaft ausgewählt hat, darf in der Bauphase auf eines der vorgegebenen Felder im Spielplan zusätzlich eine Großstadt legen. Die Stadt kann man natürlich positionsgünstig zu vorhandenen eigenen Strecke plazieren und damit den Güterverkehr auf dem eigenes Streckennetz fördern.

  4. Erste Bewegung: Wer diese Eigenschaft auswählt, hat das Recht, in der Transportphase als erster Güter zu bewegen. Dieser Spieler verdrängt wie bei der Eigenschaft "erster Streckenbau" den Startspieler bei der entsprechenden Aktion in der Zugreihenfolge vom ersten auf den zweiten Platz.

  5. Lokomotive: Wer diese Eigenschaft auswählt, darf die Leistung seiner Lokomotiven um 1 erhöhen. Er kann später in der Transportphase eine Strecke weiter fahren und damit auch entsprechend mehr verdienen.

  6. Produktion: Wer diese Eigenschaft auswählt, darf in der Phase Güterwachstum zwei Güter zufälliger Farbe aus dem Vorratsbeählter ziehen und sie auf die Gütertafel legen. Später entscheidet dann der Würfel, ob und in welcher Runde diese nachgezogenen Güter auf das Spielbrett gelangen. Die Eigenschaft ist nicht sehr mächtig, aber vielleicht bekommt man sie ja kostenlos. Einem geschenken Barsch schaut man nicht hinter die Kiemen!

  7. Passen: Wer diese Eigenschaft auswählt, darf in der nächsten Runde beim Bieten um die Zugreihenfolge einmal passen, ohne damit gleich aus der Versteierung auszuscheiden und am Ende eingereiht zu werden. Er steht damit besser da als alle Mitspieler, die in der gleichen Runde gepaßt haben. Das ist gar nicht so übel, denn so gelangt man nahezu kostenlos auf einen mittleren Platz, von dem aus man durchaus noch gute Chancen hat, günstige Spiel-Aktionen für sich aussuchen zu können.

Nachdem die Sondereigenschaften verteilt wurden, fängt der Streckenbau an. In der definierten Reihenfolge bauen die Spieler 0 bis 3 (oder 4) Teilstrecken, d.h. sie legen die entsprechende Anzahl Hexagons mit einem aufgedrucken Gleisverlauf auf den aus Hexafeldern bestehnden Spielplan. Jede Teilstrecke kostet 2 Dollars. Man darf auf das Bauen verzichen. Denn Geld ist knapp in diesem Spiel. Allerdings gibt es für jedes eigene Teilstück (liebe Westpark-Gamers: nicht nur für jede vollständige Städteverbindung!) am Spielende einen Siegpunkt.

Nach dem Streckenbau werden Güter transportiert. Die Güter bestehen aus farbigen Würfeln, die auf den Städten im Spielplan liegen. Jedes Gut muß zu einer Stadt der gleichen Farbe transportiert werden. Dabei muß der transportierende Spieler eine Lokomotiv-Leistung besitzten, die mindestens der Anzahl durchfahrener Städt entspricht. Hat ein Spieler diese Lokomotiv-Leistung nicht, so kann er das Gut nicht transportieren. Hoffentlich findet er ein Gut, das für seinen Fuhrpark und sein Streckennetz geeignet ist. Sonst geht er leer aus. Für jedes transportierte Gut enthält jeder Spieler der einen Streckenabschnitt besitzt, über den der Transport abgewickelt wurde, einen Pluspunkt auf der Einkommensskala. Der Wert auf der Einkommensskala wird nach jeder Runde als Einkommen an die Spieler ausbezahlt. Der Wert ist kumulativ, d.h. pro Runde erhält jeder Spieler soviel, wie er in allen Runden zuvor seinen Einkommenszähler erhöhen konnte.

Kommen wir zum Geld. Am Anfang besitzt jeder Spieler 10 Dollar. Das reicht gerade so eben, um eine Strecke von 3 oder 4 Teilen zu legen. Damit kann man in der ersten Runde maximal 2 Dollar erwirtschaften. Dann fangen auch schon die Kosten an. Für jede Einheit in der Lokomotiv-Leistung muß man 1 Dollar Unterhalt zahlen. Wo kommt nur das viele Geld her?

Jeder Spieler kann - ein einer definierten Spielphase - Aktien seiner Gesellschaft verkaufen, maximal 15 Stück. Man kann sie alle auf einmal oder peut-a-peut oder auch gar nicht verkaufen. Pro Stück bekommt man 5 Dollar. Dafür möchte am Ende jeder Runde jeder Aktionär für jedes Stück 1 Dollar Dividende sehen, die der Spieler von seinem Guthaben abziehen muß. Das kann schon ganz schön ins Geld gehen. Wer nicht wirtschaftlich investiert, hat hinterher alle Hände voll damit zu tun, allein seine Aktionäre zu befriedigen. Wer aber ein geschicktes Händchen hat, der kommt nach den Anfangsschwierigkeiten ganz gut zu einem profitablen Unternehmen.

Gewinner ist der Spieler, dessen aktueller Einkommenspegel abzüglich der ausgegebenen Aktienanteile, gewichtet mit dem Faktor 3 und erhöht um die Anzahl der ausgelegten Teilstrecken am Ende den höchsten Wert besitzt. Eine absolut nüchterne Bilanz.

Spieldauer: 3 Stunden, zuzüglich Regelerklärung

Ähnliche Spiele: Volldampf, Dampfross; 18xx

Kommentar der Westpark Gamers: Um gleich mit der Tür ins Haus zu fallen: Es ist ein ausgezeichnetes Strategie-Spiel. Es ist ausgewogen im Spielablauf und besitzt keine einzige Schwäche (es sei denn, einer mag das Spielprinzip generell nicht). Alle Spielzüge sind abgestimmt. Wer vorne dran ist, muß härter kämpfen als die anderen, dafür kann man ihm aber seinen Vorteil auch mit vereinten Kräften nicht so einfach wieder wegnehmen. Wer ein hohes Einkommen hat, muß zusätzliche Einkommensteuer zahlen. Wer sich über die Ausgabe vieler Aktien seine Finanzmittel beschafft hat, muß hohe Dividenensummen zurückzahlen. Wer beim Versteigern zuerst paßt, kommt ans Ende. Wer zuletzt paßt, zahlt die volle Summe. Wer am weitesten vorne ist, fällt beim Passen am weitesten zurück. Alles hat seine Balance.

Es läßt sich nichts erzwingen, bzw. es läßt sich manches erzwingen, aber es zahlt sich dann nicht aus. Das Spiel hat ein eigenes Tempo, das sich von Runde zu Runde steigert. Wer zu schnell Gas gibt, dem geht der Treibstoff aus. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.

Ein guter Spieler muß sehr eindringlich das Spielfeld studieren. Die Verteilung der Güter, die Verteilung des Nachschubes, alles liefert Hinweise zur Bewertung der Ausgangssituation, auf die man seinen Spielplan aufbauen muß.

Jede Rolle (Sondereigenschaft) hat Vorteile, aber keine ist ein KO-Kriterium. Zuweilen ist es von größerem Vorteil, eine bestimmte Rolle zu bekommen, manchmal ist es unerheblich. Man muß die jeweilige Situation richtig einschätzen können, und schon beim Bieten auf die Reihenfolge darauf achten. Und davor schon beim Verkaufen von Aktien, um die notwendigen Geldmittel zu bekommen. Jeder ist seines Glückes Schmied. Jeder hat sein Schicksal in der Hand. Nur manchmal haben die Mitspieler auch ein Stück davon in der Hand. Das ist dann das Unberechenbare daran.

Ein Super-Spiel. Für jede Spieleranzahl zwischen 3 und 6.

Walters Bewertung: 9 (von 10), weil das Spiel keine einzige Schwäche hat

Westpark Gesamtbewertung: 7,0