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Autor Franz-Benno Delonge
Verlag Winning Moves
erschienen 2005
Spielerzahl 2-6
Spieldauer 30 Minuten
Wertung red starred starred starred starred starred starred starred stargray stargray star

Trans Europa

rezensiert von Walter Sorger

Das Spielfeld zeigt die Landkarte von Europa mit Städten vom Atlantik bis zum Ural. Die Fläche ist mit einem Netz aus regelmäßigen Dreiecken überzogen, die ein zukünftiges Eisenbahnnetz markieren. Auf die Dreckeckslinien legen die Spieler reihum schwarze, streichholzlange Gleisstücke und erzeugen so ein immer weiter verzweigtes Schienennetz von einer Ecke Europas zur anderen.

Das Schienennetz gehört allen, unabhängig davon, wer welches Gleisstück gelegt hat. Ziel eines jeden Spielers ist es, fünf Städte, die ihm zu Beginn des Spiels zufällig zugeteilt wurden, an das gemeinsame Schienennetz anzuschließen. Sobald der erste Spieler das geschafft hat, endet eine Runde. Die anderen Spieler bekommen Minuspunkte für jedes Streckenteil, das zur Komplettierung ihrer vorgegebenen Städteverbindungen noch fehlt. Wer nach ein paar Runden die wenigsten Minuspunkte auf seinem Konto hat, ist Sieger.

Jeder Spieler erhält eine eigene Auswahl von fünf Städten zugewiesen, die es zu verbinden gilt. Natürlich hat die geographische Verteilung der Städte auf der Landkarte einen entscheidenden Einfluss auf den Schwierigkeitsgrad der zu bewältigenden Aufgabe. Wer Glück hat, muss nur wenige kurze Stichstrecken von der unvermeidlichen gemeinsamen Mitte aus bauen; wer Pech hat, muss ganz alleine eine weit abgelegene Verbindung herstellen, während die Spieler im Zentrum ihre Synergieeffekte ausnützen können.

Um den Zufall bei der Städteausteilung etwas einzuschränken, ist das Spielbrett in fünf verschiedene Regionen geteilt, und jeder Spieler bekommt genau aus jeder Region eine Stadt zugewiesen. So muss in seinem Lösungsnetz in jedem Fall eine Ost-West-Verbindung von der iberischen Halbinsel bis nach Russland enthalten sein und ebenso eine Nord-Süd-Verbindung vom Mittelmeerraum bis nach Skandinavien.

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Zu Beginn wählt jeder Spieler einen Startpunkt aus, von dem aus er seinen Streckenbau beginnt. Beim späteren Gleisanlegen darf er an beliebigen Stellen des Gesamtnetzes weiterbauen oder abzweigen, sofern nur die gelegten Teile mit seinem Startpunkt durch einen ununterbrochenen Schienenstrang verbunden sind.

Hier zeigen sich gleich die ersten strategischen Fragestellungen: Positioniere ich meinen Startpunkt in ein einsames Randgebiet auf der Landkarte und baue von dort aus meine Strecke in Richtung Zentrum oder fange ich irgendwo im Zentrum an, vereinige recht früh meinen Bauabschnitt mit dem einiger Mitspieler, und kann dann in einem wesentlich größeren Gesamtnetz die günstigste Abzweigung zu meinen verbleibenden Reststädten auswählen?

Im ersten Fall verrate ich vielleicht sofort meine Zielrichtung, und die Mitspieler werden sich hüten, ihr Zugpotential unnötig in meiner Richtung zu verplempern. Dafür kann ich aber abseitige Strecken, die ich vermutlich ohnehin alleine bauen muss, sofort in Angriff nehmen, und brauche mich erst später um den kürzesten Anschluss an das in der Mitte entstehende Gesamtnetz kümmern.

Diese Problematik macht einen großen Teil des Spielreizes aus. Die benötigten groben Verbindungslinien in Angriff zu nehmen, ohne dabei allzu sehr die Details der Linienplanung preiszugeben, das ist eines der Geheimnisse für erfolgreiches Spielen. Ich will nicht behaupten, dass ich hierzu schon tiefere Erkenntnisse geschürft habe, nur eine kleine Überlegung: Wenn ich als letzte Stadt Madrid anschließen muss und ein Mitspieler Barcelona, dann bin ich ihm gegenüber im Nachteil, denn beim Bauen zu meinem entfernten Endziel gewinnt zwangsläufig der Konkurrent mit einem kurzen Abstecher nach Barcelona. Ähnliches gilt für Moskau gegenüber Stockholm und für Istanbul gegenüber Sofia. Abseitige Randstädte muss ich also zuerst entwickeln, vorausgesetzt, dass kein anderer hier in unmittelbarer Nachbarschaft zu tun hat.

Habe ich mich für den Start in einer Randlage entschieden, so sollte ich von dort aus einen Weg in Richtung Mitte wählen, der von anderen Städten der Region möglichst weit wegbleibt. Damit sich nach der unvermeidlichen Vereinigung von Bauabschnitten keiner meiner Konkurrenten ins gemachte Bett legen kann. Sie sollen alle selber noch ein paar Gleise legen müssen, um ihre Hausaufgaben zu erfüllen.

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Die Spielregel gibt den Tipp: "Die Verbindung mit anderen Netzen sollte nicht zu früh erfolgen." Diesen Tipp kann ich aus Symmetrie-Erwägungen nicht nachvollziehen! Die Verbindung mit anderen Netzen schafft ein für alle Beteiligte gleichberechtigtes Konstrukt. Dementsprechend müssen alle Beteiligten den gleichen Profit oder den gleichen Verlust davon haben, nicht wahr? (Ich bin gerne bereit, mich hier eines Besseren belehren zu lassen. Natürlich ist es eine Selbstverständlichkeit, dass ich mit Vorrang diejenigen Strecken ausbaue, an denen ich mit hoher Wahrscheinlichkeit ganz alleine interessiert bin und erst in zweiter Linie die Strecken, die früher oder später auch von den Mitspielern gebaut werden müssen.)

Die "Spielbox" hat ihnen Lesern zu "Trans Europa" eine simple aber pfiffige Erweiterung mit dem zutreffenden Namen "Schikane" zukommen lassen. Jeder Spieler erhält zu Beginn drei Gleisteile in seiner eigenen Farbe, die er irgendwann anstelle der schwarzen, gemeinsamen Gleise einsetzen kann. Die farbigen Gleise dürfen nur vom jeweiligen Eigentümer genutzt werden, für die anderen Spieler gelten sie als nicht gelegt. Damit wird ein neues breites Feld taktischer Raffinessen ins Spiel gebracht. Mit meinen eigenen Gleisstücken kann ich jetzt problemlos die Verbindung mit anderen Bauabschnitten herstellen, ohne den Gegnern die Gegenrichtung zu eröffnen. Überwiegend wird man die farbigen Gleisteile im umkämpften Raum in der Mitte einsetzen, seltener in den Randgebieten.

Das Absperren der Mitspieler vom eigenen Bauabschnitt ist allerdings eine zweischneidige Sache. Es könnte ja durchaus sein, dass ein Mitspieler von meinem Bauabschnitt aus nichtsahnend in einer Richtung weiterbaut, die auch mir nutzt. Schon öfters hat ein Spieler sein gewolltes Abschotten hinterher als Nachteil verbuchen müssen.

Doch all dieser Überlegungen zum Trotz ist "Trans Europa" kein Spiel zum lange Denken und Rechnen. Für den jeweils nächsten Zug gibt es nur eine überschaubare Anzahl sinnvoller Alternativen. Man darf auch rein mit Gefühl das nächste Gleisstück legen, ohne damit die Chancen auf den Sieg zu verspielen.

Überhaupt ist das Legen von Gleisstücken schon von der Physiologie her ein angenehmer Vorgang. Das feste Baumaterial, das man in seinen Händen drehen und bewegen kann, übt gewiss schon im therapeutischen Sinn eine beruhigende Wirkung aus. Bei aller Spannung gegen Spielende - "Verbindet mein Vorgänger schon seine letzte Stadt oder habe ich noch eine Runde Zeit?" - ist jedes Spiel ist locker, kurzweilig, interaktiv und absolut spielerisch. Die kurze Spieldauer einer Runde fordert zu einer sofortigen Revanche heraus. Ein neues Spiel, ein neues Glück! Und eine neue Hoffnung auf eine bessere Städtezuteilung, auf einen geschickteren Startpunkt und auf ahnungslos-kooperative Mitspieler.

"Trans Europa" ist ein perfektes Spiel. Für das Minimum an Spielregeln, die es zu verstehen gibt, bietet es ein Maximum an intelligentem lockerem Spielspaß.

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