VICEROYS (mit COLOMBUS, Expansion Set)

Viceroys

Hersteller: Task Force Games

Autor: Marc McLaughlin

Getestet: Englische Ausgabe, 1. Auflage, 1986

Tester: Moritz Eggert

Szenario: : Nach der Renaissance stürzen sich die verschiedenen europäischen Mächte (bis zu 7 im Grundspiel, mit "Columbus" bis zu 8) auf den Rest der Welt, um diesen möglichst effizient zu versklaven, missionieren und auszubeuten - eine realistische Darstellung der menschlichen Geschichte also...

Jedes der Länder hat andere Startbedingungen und Spezialfähigkeiten. So ist zum Beispiel Portugal sehr gut in der Erforschung von unbekannten Erdteilen (man denke an Vasco da Gama) und England verfügt über eine überlegene Flotte; Spanien kann Galleonen verwenden, und China baut fleissig an der grossen Mauer.

Columbus ExpansionGespielt wird auf einer authentischen und alten niederländischen Karte, die mit einem Gitternetz überzogen wurde (das ist zwar ein schöner "touch", aber leider ist die Druckqualität der Karte relativ schlecht, und da es im Spiel wichtig ist, was "Land" und was nur "Wasser" ist, kann man sich auf endlose Diskussionen über kleine, kaum zu erkennende Inselchen gefasst machen). Das Spiel hat 3 verschiedene Ausgangsmöglichkeiten, über die am Anfang entschieden wird: Eine beliebige Spieldauer ("um 12 Uhr ist Schluss"), eine "sudden death"-Methode (ab einer bestimmten Runde kann das Spiel per Würfelwurf jederzeit enden) und eine feste Spieldauer (10 Runden). Bevor angefangen wird, sollten die Teilnehmer viel Sitzfleisch mitbringen - die Regeln haben es in sich, und sind über ein dickes, kleinbedrucktes und über 50 Seiten langes Regelwerk verteilt. Die Zugreihenfolge ist jeweils zufällig bestimmt, und wird jede Runde neu gezogen. Man kann mit seinen Schiffen unbekannte Länder erforschen, Kolonien errichten, Krieg gegen Eingeborene führen, etc. Alle Aktionen ergeben potentiell Siegespunkte, die erst am Schluss des Spiels berechnet werden. Eine lustige (aber leider unpraktikable) Idee ist es, die verschiedenen Spielaufgaben (Verwaltung des Geldes, Verteilung der Karten, etc.) mittels richtiger "Ämter" an die Spieler zu verteilen, wofür diese in Spielgeld auf höchst unterschiedliche und oft umständliche Art entlohnt werden.

Wer am Schluss am meisten Siegpunkte hat, gewinnt. Im Regelheft gibt es ausserdem noch ausgedehnte Solitärszenarien und Varianten für 2 und mehr Spieler, deren Siegesbedingungen jeweils unterschiedlich sind.

Das Spiel: Nun, wir haben es hier mit einem "Monsterspiel" zu tun. Es gibt viele, viele kleine Counter, die sich auf dem viel zu kleinen Spielplan türmen und ständig umfallen. Es gibt viele Regeln, und dann noch viele Subregeln, und dann noch Subregeln zu den Subregeln. Das Spiel dauert laaaaaaang. Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden, aber die Thematik hätte auch zum Teil simpler umgesetzt werden können, ohne den Spielspaß zu verringern. Hinzu kommt, daß manche Nationen wie Russland oder China hoffnungslos benachteiligt wirken. Ihre Armeen sind schlechter, UND sie betreiben praktisch keine Seefahrt (und das ist fast der einzige Weg, Punkte zu machen!). Das Expansion Set "Columbus" fügt wieder Erwarten nicht etwa Columbus, sondern China und noch mehr Zusatzregeln ein.

Spieldauer: Erklärung MINDESTENS eine Stunde, bei Anfängern noch viel mehr. Spieldauer ca. 15 Minuten pro Spieler pro Runde (siehe oben).

Ähnliche Spiele: "Age of Exploration" (sehr ähnlich, aber noch glücksbetonter und mit Konzentration auf den Entdeckeraspekt), "New World" (Konzentration auf Amerika, nicht uninteressant und weniger komplex), "Conquistador" (mehr ein traditionelles Wargame) und "Spanish Main" (vom 1830-Altmeister Francis Tresham - ein Beispiel wie die Thematik äußerst elegant und spielbar umgesetzt werden kann - leider nur für 4 Spieler).

Kommentar der Westpark Gamers: Bei den " Münchener Spuiratzn" fanden sich die "usual suspects" ein, insgesamt 7 wirklich erfahrene Spieler, die vor keinen Regelschwierigkeiten zurückschrecken. Dennoch schafften wir in über 5 Stunden gerade mal 3 Runden des Spiels. In diesen 3 Runden passierte zwar zugegebenermaßen recht viel, aber die Wartezeiten der einzelnen Spieler waren zum Teil übermäßig lang. Und das, obwohl wirklich keiner sich blöd anstellte! Viel Zeit wurde für die Ausübung der "Ämter" verwendet. So erhält zum Beispiel ein Spieler jedesmal, wenn Eingeborene (aber nur unter bestimmten Umständen, siehe Regel xy/344 Subparagraph 398) angetroffen werden, 1 Krone (die Währung des Spiels), was jedesmal den Spielfluss unterbricht. Ein anderer wiederum bekommt beim Schlichten von Regeldisputen Geld von den Disputanten (was mich, der dieses Amt innehatte, natürlich verleitete, ständig solche Regelkonflikte zu erzeugen!). All dies ist zwar ganz nett, aber einfach hypertroph für ein Spiel, das eh schon komplex ist. Wenn man dann bedenkt, daß jeder Würfelwurf (und bei dem Spiel wird sehr viel gewürfelt, wobei schlechte und gute Würfe oft allein spielentscheidend sind) erst anhand dutzender Modifikationen ("+2 für Subregel 5.678/A", etc.) berechnet wird, kann man sich denken, daß der Spielfluss eher stockend ist. Auch mit Experten, die das Spiel schon mehrmals gespielt haben, sollte man also eine Viertelstunde Spieldauer pro Spieler und pro Runde ansetzen (das heißt, wenn man die volle Länge von 10 Runden spielen will, würde man 17 ½ Stunden ansetzen müssen). Nun: "Advanced Civilization" kann eventuell auch so lange dauern, aber letzteres ist ein äußerst befriedigendes strategisches Spiel mit wenig Glückselementen. Was ich damit sagen will: Für ein Spiel, in dem Glück eine so große Rolle spielt, ist die Spieldauer zu lang. Und ein Wargame ist es auch nicht, denn dafür ist das taktische Element zu gering, Denn selbst ein aussichtsloser und dummer Angriff kann durch nur ein bißchen Glück und entsprechende Ereigniskarten gewonnen worden...
Trotzdem waren sich alle einig, daß das Spiel einiges Potential als Simluation besitzt (wenn es auch keine realistische und vor allem nicht historische Simulation ist) und eventuell in geringerer Spielerzahl, vielleicht sogar mit 2 Spielern, mehr Spaß machen kann. Wer viel Zeit hat, kann die Solitärvariante probieren, in der beliebig viele Gegner auf ziemlich komplexe Weise simuliert werden. Ich habe das mal angespielt, und es war nicht ohne Reiz, allerdings fast noch zäher als mit Mitspielern...

Moritz' Bewertung: 5 von 10

Westpark momentane Bewertung: 4.6

Weiterführende Informationen: Web-Grognards (hier handelt es sich um eine englische Beschreibung/Kritik des Spiels, die wesentlich positiver als unsere ausfällt)