Archiv der Kategorie: Spieleabende

12.06.2007: Caylus – Magna Charta, Wikinger und Bluff

Woher bekommen wir die vielen neuen Spiele, über die wir regelmäßig berichten? Ist es so, daß uns die Spielverlage sponsoren und mit Rezensionsexemplaren überschütten? Ja und nein. Überschüttet werden wir nicht, aber in Essen sind Aaron, Moritz und Günther gern gesehene Stammgäste und können so manches Spiel kostenlos in ihren Ranzen packen. Aber wir kaufen auch viele Spiele gegen bares Geld und ohne Rabatt. Manche Kleinverlage können sich kostenlose Rezensionsexemplare einfach nicht leisten und manche Großverlage haben einfach ihre Taschen zugeknöpft.
In unserem Spielkritiken machen wir allerdings keine Unterscheidung, ob uns ein Verlag entgegengekommen ist oder nicht. Wir weisen es auch nicht in einem Nebensatz aus. Schlechte Spiele versuchen wir ohnehin erst gar nicht zu verkosten. Nicht mal geschenkt!
1. “Caylus – Magna Charta”
Eine nagelneue abgespeckte Version des großen “Caylus”, das im Jahr 2006 den Sonderpreis “komplexestes Spiel das Jahres” gewonnen hat. Aaron hat das Spiel ganz frisch gekauft (!). Günther legte auch gleich noch den Extension-Kit dazu, den die Abonnenten der “Spielbox” bekommen haben: Eine zusätzliche Karte für einen weiteren “Prestigebau”.
Was ist in “Magna Charta” anders als in der großen Urversion? Hierzu ein paar Stichworte:
– Es gibt kein Spielbrett, das Geschehen mit dem Bauen und Nutzen von Gebäuden spielt sich direkt auf der Tischplatte ab.
– Jeder Zug kostet 1 Dinar, unabhängig davon, ob schon gepaßt wurde oder nicht.
– Es gibt keinen Kampf um die Prestige-Punkte beim Schloß. Wer sich im Schloß engagiert, bekommt lediglich Siegpunkt-Bonusse und ggf. auch noch ein Stück Gold.
– Das Engagement im Schloß gehört auch nicht zu den regulären Zügen, sondern wird erst hinterher angehängt. Wer vorher zuerst gepaßt hat, darf hier zuerst ziehen; damit wird ein (weiterer) Anreiz gegeben, sein Zugpotential nicht bis zum letzten Heller auszureizen.
Peter wollte uns nicht den Moritz machen und verzichtete auf unsere Standard-Methode zur Bestimmung des Startspielers. Er nahm einfach von jedem einen Pöppel in die Hand und lies daraus den Startspieler ziehen. Frei nach Einstein’s Motto: “Everything should be made as simple as possible, but not simpler”.
Wir gingend das Spiel sehr konstruktiv an. Kein einziges Mal wurde der Vogt zurückgesetzt, um einen Spieler um seine Geschäftseinkünfte zu bringen. Walter wurde von Günther (unter allseitiger Billigung) prophylaktisch auf mögliche Spielfehler aufmerksam gemacht, die auf Grund von mangelnder Regelkenntnis schon in der Luft lagen. Die unvermeidliche Konkurrenz beim Nutzen der Ressourcen war die einzige gegenseitige spielerische Aggressivität. Aber sie gehört ja zu den Qualitäten von Caylus, auch zu denen von “Magna Charta”.
Nach knapp zwei Stunden führte Günther gewollt das Spielende herbei, bevor die anderen noch mal mit Prestige-Bauten einen Sprung nach vorne tun konnten. Fast hätte es zum Sieg gereicht, doch der alte Caylus-Fuchs Peter behielt mit 2 Punkten Vorsprung die Oberhand.
Einhellig waren wir der Meinung, das “Caylus” gegenüber “Magna Charta” sehr gut abgespeckt ist. Für Peter ist es übrigens neben “San Juan” von Alea die einzige verkürzte Spielvariante, die vom Glanz des Original nichts verloren hat. Ich wollte letzteres auch von “Euphrat & Tigris” behaupten, erntete dabei aber erheblichen Widerspruch.
WPG-Wertung: Unisono vergaben Aaron, Günther, Peter und Walter 8 Punkte. Sicherlich hat dabei der eine oder andere sogar zu 9 Punkten hintendiert.
2. “Wikinger”
Unser gerade erst gekürtes “Spiel des Monats” bekam gleich noch mal eine Chance, die Berechtigung seiner Wahl zu demonstrieren. Es konnte überzeugen.
Jeder Spieler baut sich seine Inselwelt zusammen und ergattert dabei Siegpunkte. Es gibt laufend Wertungen, mit Geld- und Siegpunkt-Prämien, und es gibt eine Schlußwertung mit Sonderprämien für die längsten, die dicksten, die meisten und andere Qualitätsmerkmale, die ein Wikinger auf seiner Inselwelt hochgezogen hat.
Es gibt eine Regelvariante, bei der der Startspieler versteigert wird. Er bekommt dann zusätzlich eine Auswahloption bei den Bevölkerungsfiguren und er darf auch noch eine Spielfarbe (=Berufsgruppe) bevorzugt auf der Preistafel positionieren. Für harte Rechner sollte diese Regel unbedingt eingeführt werden; wer die “Wikinger” mehr spielerisch angeht oder am Ende eine Entschuldigung braucht, warum er nicht gewonnen hat, der kann darauf verzichten.
Keine neue WPG-Wertung: der bisherige sehr gute Schnitt von 8.3 Punkten wurde vollauf bestätigt.
3. “Bluff”
Peter kam in der Sitzreihenfolge nach Walter und tat gut daran, dessen hohe Vorgaben zu glauben und Aaron mit noch höhren Werten zu konfrontieren. Es reichte aber nicht zum Sieg; ganz im Gegenteil, als erster war er alle Würfel los und konnte ohne Hetze zur U-Bahn abdüsen.
Im Endspiel standen sich Walter und Günther gegenüber, doch da es kein 1:1-Endspiel war, bekam keine Immer-X-Strategie Wasser auf seine Mühlen. Die besseren Würfel gaben den Ausschlag.
Im zweiten Spiel, jetzt in der Dreierrunde, hatte Günther im Nu sein letztes Hemd ausgeziehen müssen. Er hätte ebenfalls zur U-Bahn abdampfen können, wenn er nicht mit dem Auto angereist wäre. Aaron und Walter bestritten mit je 5 Würfeln das Endspiel. Aaron blieb sein sprichwörtliches Würfel(un)glück treu: Er konnte Walter keinen einzigen Würfel abluchsen.
Walter war auch im dritten Endspiel. Mit 2:1-Würfeln in der Unterzahl gegen Aaron hatte er eine Fünf unter seinem Würfelbecher. Was sollte er vorgeben? 2 mal die Fünf? Nicht schlecht gedacht, aber gegen Aarons Würfel(un)glück hätte 1 mal die Fünf gerade gereicht. Und 2 mal die Fünf war einfach zu hoch.

30.05.2007: Wiedersehn mit “Friedrich”

Moritz wiegt seinen Milo in der Maxvorstadt, Andrea versucht sogar, ihn zu stillen. Peter wiegt seine Loredana in der Sahara und Wolfgang seine Carmen am Soyensee. Günther kämpft um Sponsoren für sein Yspahan-Puzzle. (Könnte es sein, daß wir WPG-Hobby-Spieler nicht nur den Aufwand für den geplanten Spiel-Wettbewerb a la St. Petersburg tragen müssen, sondern auch noch die Sieger-Preise aus der eigenen Amateur-Kasse tragen? “Ystari” ist halt noch kein Großverlag, der diese Kampagne aus seiner kleinen Porto-Kasse finanzieren kann! Günther kämpft noch.) So kam diesmal nur eine kleine intime Dreier-Runde zustande.
1. “Friedrich”
In der Konkurrenz gegen “Tempus” und “Mykerinos” setzte sich “Friedrich” problemlos durch und ließ auch gleich die Stimmung in die Höhe schnellen. Schon beim Vorbereiten der Startaufstellung konnte Aaron seine euphorische Erinnerung nicht zügeln: “Das Spiel ist wahnsinnig gut ausbalanciert! Das ist faszinierend!”
Eine Stunde durfte Aaron die Regeln vortragen, für Hans als Neu-Information und für mich zur Auffrischung. Wir hörten andächtig zu, nicht nur, weil er eine angenehme Stimme hat und gut vortragen kann, auch weil das Spiel einfach stimmig ist und das in jedem Satz des Regelwerkes zum Ausdruck kommt.
“Friedrich” ist ein Kriegsspiel. Kampf, Deckung, Eroberung, Versorgung, Rückzug und Flucht sind die Begriffe, in denen sich das Spielgeschehen abspielt. Die Parteien müssen ihre Armeen aufmarschieren lassen, Schlachten schlagen, gegnerische Truppen dezimieren oder deren Tross zerstören, und als Siegbedingung eine Reihe von Städten erobern. Friedrich, der Große, ist der große, asymmetrische Gegenspieler aller anderen Parteien. Er kann das Spiel nur gewinnen, wenn er einen Sieg aller seiner Gegner verhindert. Truppen sind schlichte, zufällig verteilte Kampfkarten, die in einer Art Stichspiel den Sieger einer Schlacht bestimmen. Doch trotz unverkennbarer Zufallseinflüsse bestimmt letztendlich eine überlegene Planung, abgestimmte Truppenaufstellung, dosierte Angriffe und ein geordneter Rückzug den Sieger:
“Das Kriegsglück wechselt mit dem Können!”
Aaron machte uns den Friedrich. Es war das erste Mal in seinem Leben, daß er diese Rolle spielen durfte. Normalerweise haben sich die streitlustigeren unter den Westparkgamers diese Rolle schnell unter den Nagel gerissen. Er schwächte freiwillig den linken Flügel gegenüber Russland und konzentrierte sich auf die Auseinandersetzung mit Maria Theresia um die schlesischen Besitzstände. Elisabeth von Russland konnte sich widerstandslos die ostpreussischen Siegstädte einverleiben, bis dann der Vorstoß ins preussische Zentrum zu einem zähen Stellungskampf ausartete.
Hans führte die Österreicher und die Reichsarmee. Mit seinen 5 österreichischen Generälen und ihren 30 Armeen kam er noch einigermaßen flott über die Runden. Doch die winzige Reichsarmee mit ihrem einzigen General und der einzige Kampfkarte, die ihr pro Runde zustand, forderte sein strategisches Genie heraus. An seinen militärischen Operationen nagte er fast so lange wie Pompejus vor Philippi. Und mit dem gleichen Erfolg. Als er die Reichsarmee abgeben mußte, war es nur noch ein armseliger versprengter Haufen ohne Moral und Ziel. – In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister! Oder auch nicht!
Im Mittelteil der Spieles konnte Walter mit Karo von der schwedischen und Pik von der russischen Seite her “Friedrich” erhebliche Verluste beibringen, aber es reichte für ihn selbst nicht einmal zu Pyrrhus-Siegen, es waren eher Pyrrhus-Niederlagen. Doch Friedrich war geschwächt und mußte auf ungünstigem Karo-Gelände die Eroberung der letzten freien Siegpunkt-Städte durch Östererreicher verhindern. Ein Entsatz-Angriff auf die ungeschützen Städte auf böhmischem Boden hätte hier noch mal das Blatt wenden können, doch er warf alle seine Truppen an die schlesische Front – und unterlag. Elisabeth von Russland war noch nicht gestorben, Frankreicht hatte Kanada noch nicht an die Briten verloren und die Schweden hatten noch keinen Separatfrieden geschlossen. Die Geschichte war wieder einmal umgeschrieben worden.
Zum ersten Mal stellte sich bei uns die Frage, ob “Friedrich” nicht einen deutlichen “Kingmaker-Effekt” in sich trägt. Wenn Preussen am Ende ist, kann es seine restlichen Truppen einseitig gegen irgendeinen Gegner aufmarschieren lassen und damit allen anderen Spielern das Tor zu einem ungehinderten Sieg öffnen. Das ist wohl wahr. Doch “Friedrich” gelingt es, selbst bei den dicksten Pazifisten noch die letzten kriegsspielerischen Hormone zu aktivieren, so daß sie den Eroberungs- oder Durchhaltekampf bis zum letzten Tropfen Blut hinauszögern, und dabei gegen jedermann einen fairen Kampf liefern. Ich habe noch nicht darüber nachgedacht, warum das so ist, aber es ist so!
Daß es noch dazu an keiner Stelle seinen spielerischen Charakter verliert, macht es für mich zum besten Kriegsspiel deutscher Produktion.
WPG-Wertung: Zum sehr hohen WPG-Durchschnitt von 8,7 Punkten vergab Hans auch noch 9 Punkte (“weil Preussen eine Chance hat”)

23.05.2007: Neue Züge im alten Grönland

Er ist da, Milo von Moritz, Primás von Eggert und Heuser. Mit 3,7 kg Lebendgewicht und mächtigen 56 Zentimetern Körpergröße gesund und munter auf die Welt gekommen. Alle zehn Zehen und alle elf Finger vollständig dran. Herzlichen Glückwunsch auf dieser unserer Welt!
Wem der Name noch etwas gewöhnungsbedürftig ist, möge an Emil oder den guten alten Don Camillo denken. “Milo” ist entweder germanischen Ursprungs und bedeutet gütig bzw. freigebig, oder er stammt vom slawischen “mil” ab, in dem ebenfalls Güte oder Liebe enthalten sind. Da kann ja nichts mehr schiefgehen.
Lieber Milo, wir wünschen Dir, daß Du so ein ebenso schöpferischer Künstler wirst wie Dein Vater Moritz, ein ebenso anmutiger Literat wie Deine Mutter Andrea, ein solch temperamentvoller Lustpfropfen wie Loredana, ein solch sprachgewaltiger Philodoxer wie Peter, ein solch alles-im-Griff-habender Allround-Manager wie Aaron, ein solch durchgeistigter Grübler wie Hans, ein solch durchkörperter Analysist wie Günther, und später auch mal ein solch lockerer Lebenskünstler wie Walter.
1. “Greanaland”
Zu letzten Mal bei uns gespielt, als Moritz dem Milo gerade den letzten Schliff verpaßte. Diesmal spielten wir nach dem “Fortgeschrittenen-Regeln”: Jeder durfte sich eigene Siegbedingungen heraussuchen. Doch die Hoffnung, daß das Spiel damit ein bißchen Drive bekommen könnte, erfüllte sich nicht.
Pro Runde gibt es einen Hauptspieler, der seine Präsenz auf den Spielbrett ausweiten darf, die anderen dürfen sich bewegen und die neu aufgedeckten Rohstoffe nach einem Mehrheitswahlrecht unter sich verteilen. Zunächst hat jeder nur einen Krieger und zwei Häuschen auf den 8 Feldern des Spielbrettes. Da gibt es selbstverständlich noch wenig Konkurrenz. Weil pro Runde aber nur ein Spieler bauen darf, und jeder nur eine Figur bewegen darf, bekommt das ganze Spiel nie richtig in Schwung.
Jeder Spieler darf zu seinem Krieger beim Besitz geeigneter Rohstoffe auch noch maximal einen Skalden (Hofsänger) und maximal einen Priester aufs Spielbrett bringen. Auch damit wird kein quirrliges Menschengewimmel zum Leben erweckt. Was ist wohl intuitiv der Sinn dieser Figuren? Na klar doch, der Skalde erhöht die Kampfkraft der Krieger und der Priester vermindert sie. Das war’s dann auch schon.
Beim Verteilen der Rohstoffe darf jeder einen Vorschlag machen. Genau einen, und darüber sollte nach den Regeln auch nicht diskutiert werden. Doch wer kann verhindern (und verübeln), daß man sich durch die Blume äußert. “Ich friere” heißt soviel wie: “Ich brauche Holz”, und wer “Ich bin hungrig” sagt, dem fehlen Kornsäcke.
Naturgemäß sind die Rohstoffe nicht gleichmäßig unter den Spielern verteilt. Während der eine in Korn schwelgt und in allem anderen darbt, hat der andere genug Holz vor der Hütt’n und ihm mangelt es an Steinen. Getauscht darf nicht werden, Ersatzrohstoffe oder Abwertungen (zwei Holz für ein Korn) oder ähnliche Mechanismen, die das Spiel in Gang bringen könnten, gibt es nicht. Wer nicht die richtigen Rohstoffe hat, kann sich nicht ausbreiten, wer sich nicht ausbreiten kann, bekommt weniger Rohstoffe. Es gibt zu wenig Regel-Phantasie gegen diesen natürlichen Teufelskreis. Es gibt einfach zu wenig Handlungsfreiheiten, zu wenig Erfolgserlebnisse.
Nach einer guten Stunde hin und her wogenden Verteilungs- und Aufbaukampfes (“Wogen” wie ein Ährenfeld bei Windstärke 1) kamen die ersten Vorschläge zum Spielabbruch. Moritz fand es da aber noch “total spannend”. Auf die Frage nach seinen aktuellen Wertungsnoten vergab er spontan 10 Punkte. (Genauso spontan wie seine 10 Punkte für “Quirks”.) Nach zwei weiteren Runden hatte er ein Einsehen und wir einigten uns darauf, die Finale Runde einzuleiten. Aaron senkte noch schnell das Siegpunkt-Limit auf 1 Punkt und Hans hatte auch tatsächlich seinen ersten Siegpunkt ergattert. (Was sagt eigentlich die Spielregel dazu, wenn jemand die Finale Runde einleitet, ohne das Siegpunkt-Limit erreicht zu haben?)
Moritz finale Wertung: “Greanaland” besitzt ganz viele Ähnlichkeiten mit den “Siedlern”, ist aber in jedem einzelnen Punkt schlechter. Oder anders ausgedrückt: “Siedler ohne Interaktion!”
WPG-Wertung: Aaron: 4 (konstant), Günther: 4 (abfällig), Hans: 4 (danke, das genügt), Moritz: 5 (bei Spielen immer tolerant), Walter 5 (sucht noch das Gaspedal)
2. “Zug um Zug – Europa”
Das “Spiel des Jahres 2004” ist auch heute noch ein absolut stimmiges Spiel. Wir spielten mit der Europa-Variante von 2005. Hier dürfen Spieler fehlende Strecken, bei denen sie im Wettrennen gegen ihre Mitspieler zu kurz gekommen sind, durch Bahnhöfe überbrücken. Weiterhin gibt es “Fährstrecken” zu deren Bau eine Joker-Karte nötig ist, und es gibt Tunnels, bei denen ein Spieler außer der offiziell benötigten Anzahl Karten gleicher Farbe auch eine vom Zufall bestimmte Kartenanzahl hinblättern muß. Damit wird ein winzig kleiner Zufalls-Effekt ins Spiel gebracht. Wie eine Spur Cognac zum Gänsebraten. Manche mögen’s heiß.
Nach einem spannenden, kurzweiligen, konstruktiven, punkteträchtigen Spiel für Jäger und Sammler landete Günther mit 115 Punkten vor Aaron und Moritz mit je 114, Walter mit 113 und einem abgeschlagenen Hans.
WPG-Wertung: Aaron: 8 (zugelegt), Günther: 8 (neu), Hans: 8 (trotzdem), Moritz: 8 (neu), Walter: 9 (viel zugelegt)
3. “Bluff”
Im Vollbesitz aller Würfel bei allen Spielern erhöhte Moritz von 4 Sternen auf 11 Zweier! Offensichtlich hatte er 5 Zweier unter seinem Becher, aber wer noch? Viel zu wenige. Es reichte für ihn gerade noch zum Überleben. Damit schleppte er seine langen Tage noch durch einige saure Runden, doch zu den frohen Festen reichte es nicht mehr.
Hans spielt zwar kein technisch sauberes Endspiel gegen Aaron, doch bei einem 4:1 Würfelvorteil war das auch nicht nötig.

16.05.2007: Reprise für “Notre Dame” und “Colosseum”

In das Tagebuch von Moritz und Walter:
“Seht doch, wie unsere Seele [das Brettspiel,] dieses läppische Amüsement zu einer Haupt- und Staatsaktion aufbläht! Welche Leidenschaften treiben uns dabei nicht um: Verärgerung und Zorn, Ungeduld und Haß, sowie der unbändige Ehrgeiz zu gewinnen – in einer Sache, bei der es verzeihlicher wäre, wenn man ihn dareinsetze zu verlieren; denn in niedrigen Dingen sich besonders hervortun tun wollen steht einem Mann von Ehre schlecht an.”
Schon vor 450 Jahren schrieb das Michel de Montaigne, ein großer, aufgeklärter Nonkonformist.
Seine heutigen Nachfahren bringen das auf der Internetseite von “Tric-Trac” etwas vereinfacht auf die profane Formel:
[glowred]”L'important n'est pas de gagner, mais de partir pisser.”[/glowred]
1) “Notre Dame”
Es war eine lockere Runde. Peter schwärmte noch von dem neuesten Enkel aus dem Hause Thurn & Taxis, das er mit Autoren-Ehepaar Seyfarth bei Hans im Glück gespielt hat. Da stand er dann “Notre Dame” etwas reserviert gegenüber, soll hier doch die Interaktion etwas auf der Strecke bleiben. Doch die Spiele, das die meisten noch nicht kannten, bestimmte den heutigen Fahrplan.
Mit lockeren Gesprächen über Ehrengerichte und ihre seltsamen Urteile, über einen bestraften “Wixxer” und einen unbestraften “Hurensohn”, über Bestechungen im Großen und Freundschafts-Geschenke im Kleinen kam immer wieder der Spielfluß ins Stocken, so daß am Ende doch fast 2 Stunden verflossen waren, bis die Fünferrunde das Spiel über die Bühne gebracht hatte.
Die Spieler müssen ihre Ressourcen (Pöppel, Geld, Siegpunkt-Quellen, Reichweite) entwickeln und dürfen sich dabei keine Mangelerscheinungen an Pöppeln, Geld und Rattenbekämpfung leisten, sonst hemmt das den Fortschritt. Es gibt viele Wege zu Siegen, und das ist einer der Vorzüge vom Spiel. Schwerpunkte-Setzen heißt der Schlüssel zum Erfolg, und dabei ist die Richtung fast zweitrangig. Doch die teils zufällig gezogenen, teils von den Mitspielern zugeschusterte Aktionskarten haben einen erheblichen Einfluß auf den Weg, den man letztendlich einschlägt.
Für Peter waren im Mittelspiel die Einscheidungen zu einfach: “Ich bekomme drei Karten auf die Hand und sofort ist mir klar, welche davon ich weitergebe!” Bei ihm paart sich halt Handwerk mit Genie. Andere müssen erst das Spielende abwarten, bevor ihnen die Erleuchtung kommt, was sie demnächst besser machen werden. Und manchen brauchen noch länger.
In jedem Fall ist das Spiel eine sehr gelungene Mischung von Glück und Können: der Zufall bestimmt die Reihenfolge der Spielzüge, die jeder machen darf, doch die daraus folgende optimale Gesamt-Planung muß sich ein jeder selber zurechtlegen.
WPG-Wertung: Die hohen Noten des ersten Eindrucks konnten sich nicht halten. Aaron nahm einen Punkt zurück und Peter und Loredana waren mit je 6 Punkten noch knauseriger.
2. “Colosseum”
Während wir eifrig unsere Kärtchen ersteigerten, erhandelten und erklauten, um damit die großartigste Zirkus-Vorstellung mit den wildesten Löwen, den schärfsten Gladiatoren und goldkehligsten Heldentenören im größten Stadion der Welt auszustatten, was die Stimmung war schon leicht ins Dödeln geraten.
Günther nannte den Tempel konstant eine Brücke, das Gitter wurde nur zusammen mit seinem “Modern-Art”-Vornamen “Karl” unter die Leute gebracht und der Arena-Ausbau hieß “Schwanzverlängerung” nach einem ähnlichen Spielzug in “Evo”.
Während Aaron und Günther die feinen Unterschiede zwischen “Siegpunkten” und “Siechpunkten” klärten, versuchte Peter die geheimnisvollen Colosseum-Würfel zu entziffern: Weiße Römische Ziffern auf weißem Holz. Vielleicht war dem Kaiser Vespasian bei Finanzieren seines kolossalen Colosseums gerade der Purpur ausgegangen.
Diesmal paßte jeder auf, nicht in Führung zu geraten, weil man dann pro Runde an den Letzten ein Kärtchen abgeben muß. Oft verzichteten wir deshalb auf hohen Besuch und zogen es vor, die Adelsriege über fremde Arenen hinweg zu würfeln.
Peter mußte zur letzten U-Bahn, bevor wir gerade die Schlußrunde eingeläutet hatten. Aber er war Startspieler und hatte seine Manege schon zielgerichtet verlängert und eine geile Künstlertruppe zusammengestellt, so daß das Spiel auch ohne sein persönliches Eingreifen beendet werden konnte. Loredana als Letzte in der Zugreihenfolge überreichte uns noch ihre Abschlußwürfel mit der Direktive, damit optimal umzugehen, dann zischten beide ab.
Günther legte ihr in absentia freiwillig einen Kaiser ins Nest – damit sich Walter nicht daran vergreifen konnte – und verhalf ihr damit zum sicheren Sieg. Sogar auf den Kaiser hätte sie verzichten können (, wenn er dabei nur nicht in die falschen Hände geraten wäre). Peter führte die Punktwertung nur bis zu seinem virtuellen Zug an, dann wurde er von einem nach dem anderen noch überholt.
“L'important n'est pas de jouer, mais de partir a metro.”
WPG-Wertung: Aaron: 7, Günther: 8, Loredana: 8, Peter: 7, Walter: 8, Wolfgang: 9
3. “Bluff”
Nein, diesmal kein “Bluff” mehr mit echten Würfeln. Als Peter und Loredana schon in der U-Bahn saßen und Aaron bereits von seiner morgigen Telefonkonferenz mit Finnland träumte, saßen Günther und Walter noch zusammen und diskutierten die Alternativen von Wahrheit und Lüge für die A1-Strategie des Anfangsspielers im 1:1 Enspiel und vor allem die optimale, universelle B1-Gegenstrategie. Die größte Herausforderung für B ist beim heutigen Stand der Analyse ein ganz kluger Konter gegen die verschiedensten Immer-1-Varianten von A.
Vielleicht kommt hier doch noch mal ein WPG-Artikel zustande.

09.05.2007: Wikinger auf den Hals

Ist ein namentlich genannter Spieleautor wirklich der Autor eines Spieles? Die Frage ist gar nicht so trivial. In meiner Jugendzeit wurden noch zu keinem Brettspiel die Autoren genannt. Heute gibt es Starautoren, deren klangvolle Namen allein schon wegen des gewünschten Verkaufserfolges groß auf der Schachtel verkündigt werden. Zuweilen erhebt sich dann unter Spielprofis ein leiser Zweifel, ob dieser oder jener Autor an einer läppischen Neuerfindung wirklich seine Hand im Spiel hatte. Oder nur seinen Namen. Könnten einst als genial gefeierte Autoren wirklich so weit herunterkommen? Oder gilt auch in der weitgehend idealistisch geprägten Spieleszene das Motto von der Pecunia?
Sei’s wie es auch sei. Wer sich einen Überblick darüber verschaffen will, für welche Spiele welcher Autor verantwortlich zeichnet, der kann sich auf unserer Internetseite die Rezensionen alphabetisch nach Spielautor sortiert ausgeben lassen. Aarons fleißige Datenbank-Programmierung bringt hier Ergebnisse, die nicht so leicht noch anderswo zu finden sind. (Es sind natürlich nur Spiele aufgeführt, die wir selber gespielt und bewertet haben.)
Dazu noch eine Besonderheit: Von allen Autoren wird nur jeweils ein einziger Name aufgeführt. Und die Autoren werden nach dem Vornamen sortiert. Rüdiger Dorn muß man z.B. also unter “R” und nicht unter “D” suchen. Nur bei Friedemann Friese ist das egal. Er hat nicht nur seine Spieletitel, sondern auch seinen Autorennamen und seinen Verlag nach einem ganz einfachen lexigrafischen Kriterium zusammengestellt.
1) “Wikinger”
Ein neues Spiel aus dem Hause Hans-im-Glück. Michael Kiesling hat es sich ausgedackt und der Verlag legt damit alle Ehre ein.
Die Spieler müssen – wie so oft in diesem Jahrtausend – mal wieder ihre Entwicklung optimieren. Aus einer offenen Auslage müssen sie jeweils reihum ein Insel-Plättchen erwerben und daraus vor sich eine gut bewertete Insellandschaft zusammenbauen. Zu jedem Plättchen gehört eine Berufsgruppe Goldschmied, Späher oder Adeliger, die entweder Geld (für die nächsten Erwerbungen) oder Siegpunkte einbringt. Am Ende braucht man auch noch genügend Fischer, um seine Bevölkerung zu ernähren und Krieger, um die feindlichen Wikingerschiffe abzuwehren. Alles greift sehr gut ineinander.
Die ganze spielerische Interaktion findet in der Wahl des jeweils Plättchens für die Landschaft statt, wobei man für sich selbst natürlich das beste Stück herausfischen und damit seinen Mitspieler den besten Happen vor der Nase wegschnappen will. Doch liegt hier viel mehr Konkurrenzkampf drin, als es zunächst den Anschein hat. Die beste Plättchen sind am Anfang jeder Runde sehr teuer und für keinen erschwinglich. Nach einem sehr bemerkenswerten Prinzip werden sie aber immer billiger und das richtige Timing beim ihrem Erwerb ist einer der Faktoren zum Sieg.
Die Spielstimmung ist äußerst konstruktiv. Zu 99 Prozent geht es darum, seinen eigenen Spielaufbau zu fördern und nur zu einem Prozent will man einem Mitspieler schaden. Das Spiel bekommt auch sehr schnell eine natürliche Asymmetrie, so daß jeder Spieler andere Entwicklungsziele verfolgt und daß das Sich-gegenseitig-ins-Gehege-Kommen sich deutlich in Grenzen hält.
Aaron zog sehr schnell davon, so daß ausgerechnet unser friedlicher Günther das Hetzen anfing. Mit “Schaut mal unseren Aaron an!” fing es an und ging bis zum “Jetzt haben wir aber wirklich alle ein Feindbild”. Es traf zwar die objektiv Ausgangslage, war aber mit einem scherzenden Unterton ausgesprochen und konnte zu keiner Zeit Aggressivität aufkommen lassen.
In der Schlußwertung werden noch mal verschiedenste Kriterien mit Sonderpunkte belohnt: die längste Insel, die meisten Inseln, die meisten Bootsmänner, die Über- oder Unterernährung durch Fischer und ähnliche Extreme. Da wurde öfters tief durchgeatmet, wenn die Konkurrenz gut bedacht wurde und flüssig davonzog, aber auch dann, wenn der eigene Siegpunktstein an die vorderste Front geriet. Schlußendlich setzte sich aber doch Aaron mit 63 Punkte an die Spitze, und verwies Günther auf den zweiten Platz. Offensichtlich hat dessen ausgiebiges Üben erst zwei Tage vorher bei Hans-im-Glück nicht geholfen.
WPG-Wertung: Aaron: 8, Günther: 8, Walter: 8, Wolfgang: 9 (einschließlich der Punkte-Bruchstücke der anderen Beteiligten)
2. “Um Kron und Kragen”
Ein veradeltes Kniffel-Spiel, bei dem die Spieler sich mittels Paschs, Straßen, Drillingen, Full-Houses etc. immer höherwertige Hilfskarten erwürfeln, mit denen sie sich immer mehr Vorteile für ihre nächsten Wurf-Runden erwerben (z.B. mehr Würfel oder willkürliche Manipulation der Würfelergebnisse).
Die von Zufall geschenkten guten Würfe kummulieren sich, weil man mit guten Würfen starke Hilfskarten bekommt, die in der nächsten Runde wiederum zu guten Würfen verhelfen. Wer hier nicht auf den fahrenden Zug aufspringen konnte, der gerät hoffnungslos ins Hintertreffen.
Während sich alle anderen mittels Bauer bereits den ersten Zusatzwürfel ergattern konnten, mußte sich Walter schon in der ersten Runde mit dem Hofnarren begnügen. Auch später orientierte er sich mit seinen Fähigkeiten lieber an der Dienstmagd als an der Hofdame, und als Günther die Königin errang und die Endrunde einläutete, war er aus der Küche noch nicht herausgekommen und konnte dann auch gleich drin bleiben.
Wolfgang wagte sich mit seiner Potenz an die Sex heran. Mit 11 Würfeln schaffte er genau 9 Stück, das reichte aber nicht, um Günthers 10-mal-dieDrei-Sieg zu gefährden.
Walter, der Wolfgang vor den Sexern gewarnt hatte, durfte außer Konkurrenz noch mal mit Wolfgang’s Potenz antreten. Seine 11 mal die Fünf wären der Sieg gewesen. Ja, wenn die Dienstmagd ihn nur nicht von Anfang an zum Hofnarren gehalten hätte …
WPG-Wertung: Wolfgang lies mit seinen 9 Punkten den WPG-Durchschnitt um einen ganzen Punkt nach oben schnellen.
Für uns Westparker hat das Spiel noch eine besondere Bedeutung, weil unser Moritz beim Amigo-Wettbewerb um die Namensvergabe – genial, aber sonst mehr oder weniger zufällig (?) – den ersten Preis gewonnen hat.
3. “Bluff”
Ungewöhnlich früh fingen wir schon mit der 1 mal die Eins-Strategie an. Da waren noch 12 Würfel ausstehend! Aaron schaffte mit einem einzigen Würfel gegen je 3 von Günther und Walter das Endspiel, doch hier konnte er seine Chancen gegen Walter’s Stern nicht nutzen.
Im zweiten Endspiel fing Walter gegen Aaron mit 1 mal die Ein an. Günther folgerte hieraus messerscharf, daß Walter “auf keinen Fall eine Vier” haben konnte. Wie wahr! Ein deutlicher Nachteil für die eingefleischten “Immer-4-Strategen”

02.05.2007: Niederkunft im “Colosseum” der “Anasazi”

Moritz legte sein Handy auf den Tisch und war darauf gefaßt, jeden Moment an- oder abgerufen zu werden. Er ist auf dem Sprung, Vater zu werden; in der ersten Maiwoche ist der Nachwuchs fällig. Spätestens dann werden wir bei den Westpark-Gamers auch Kleinstkinderspiele rezensieren und Moritz wird seine Podcasts mit dem Babysitter-Boogie untermalen.
Wartet nur balde …
1. “Colosseum”
Ein “Ausstattungsmonster” von Wolfgang Kramer und Markus Lübke. Jede Menge hübsches Spielmaterial. Sogar eine Anleitung zum Wieder-Einpacken der Einzelteile gibt es, sonst würde man sie schwerlich wieder in der Originalschachtel unterbringen.
Entsprechend umfangreich ist das Regelbuch. Allein die Übersichtskarten mit der Kurzanleitung gehen schon über volle zwei DIN-A4-Seiten.
Jeder Spieler muß Zirkusspiele veranstalten und dazu natürlich rechtzeitig:
– Arenen bauen
– Luxus-Logen einrichten
– Gladiatoren, Löwen und sonstige Artisten anheuern
– Prominente anlocken
Die Bauten und ihre Erweiterungen kosten massiv Geld. Das nötige Artisten-Zubehör muß man sich ersteigern. Wer bei der Ersteigerung zu kurz gekommen ist, kann versuchen, die Lücken in seinem Ensemble noch durch Tausch mit den Mitspielern aufzufüllen.
Für jede Aufführung kassiert ein Spieler Geld; je größer und gelungener die Aufführung, desto mehr Geld und Prämien gibt es. Doch diese Erträge werden nicht zu Siegpunkten kummuliert. Man muß sie in neues Material investieren, um noch größere, noch aufwendigere Veranstaltungen aufzuziehen. Wer nach 5 Runden die grandioseste Aufführung auf die Beine stellen konnte, ist Sieger.
Die Tauschaktionen sind etwas problematisch, sie gehen sehr stark in Richtung Kingmakerei. Es gibt zu unterschiedliche Interessen, sowohl an Quantität als auch an Qualität. Der eine hat sein gesamtes Ensemble schon an der Hand, dem anderen fehlen noch Pferdegespann und Leierkastenmann. Ein Mitspieler, der beim Tauschen erfolgreich ist, gewinnt vielleicht 10 oder mehr Prämien-Punkte hinzu, der Nicht-Erfolgreiche geht entsprechend leer aus. Für wen soll man sich entscheiden? Bei uns bot Moritz dem Günther ein Küsschen für einen Blumentopf an. Das empfand Hans dann “definitiv” als Kingmaker-Angebot.
Jeder darf auch noch für die VIPs würfeln und sie von Arena zu Arena bewegen, ein weiterer deutlicher Kingmaker-Effekt: Ein Mitspieler, dem es gelingt, sie zum Aufführungszeitpunkt in seine Arena zu würfeln, bekommt Zusatz-Punkte. Doch die Mitspieler können mit ihren Würfel-Bewegungen ihm hier einen Strich durch das Würfelglück machen. Dann streicht eben ein besser positionierter Spieler die Prämien ein. Halt wie in einem ganz normal-gemeinen Würfelspiel.
Doch diese Würfelei hat auch ihre Vorteile. Sonst wäre “Colosseum” zu leicht (aber selbstverständlich zeitaufwendig) ausrechenbar. Schon eine ganze Runde vor Schluß könnte man ggf. alle möglichen Zugoptionen durchrechnen und zusammenzählen, welche Artisten man ersteigern oder mit welchem Spieler tauschen muß, um das Endspiel zu gewinnen. Einstimmig wurde diese mögliche, bei manchen Spielernaturen sogar unvermeidliche Rechnerei als erheblicher Spielnachteil gewertet. Moritz hätte hierzu als Korrektiv lieber einen noch größeren Würfeleinfluß gesehen. Das sagt schon fast alles zum Charakter des Spiels: Rechne, würfele und küsse!
WPG-Wertung: Günther: 6, Hans: 6, Moritz: 7, Walter: 7
Das Spiel ist eine Rezension wert.
2. Wikinger
von Michael Kiesling. Das Spiel lag auf dem Tisch. Aber die eine Stunde Spielzeit plus ½ Stunde Debatte über die Spielregeln wollten wir uns zu vorgerückter Zeit nicht mehr leisten.
Demnächst in diesem Theater.
3. Anasazi
Das Spiel hat nichts mit Anastasia, der Tochter des letzten Zaren zu tun und auch nichts mit irgendeiner deutschen Wortkombination von “azi” (man denke nur an das bayerische “Bazi”). Nach Wikipedia ist “Anasazi” ist eine indianische Kulturtradition aus dem Südwesten der USA.
Im Spiel “Anasazi” werden zunächst mal Bauteile der Spielfläche, “Mesas” genannt, frei auf dem Tisch verteilt. Hierauf werden nach bestimmten Regeln Wohntürme und Schätze verteilt. Die Spieler müssen über Tisch und Mesas Verbindungswege zu den Schätzen legen und sich diese aneignen. Jeder darf an jedem Weg weiterbauen und das Bestreben eines jeden Spielers ist es,
– die in Reichweite liegenden Schätze abzugrasen
oder, wenn das nicht geht
– die Verbindungswege zu den noch verbliebenen Schätzen zu verlegen.
Moritz fand Spielmaterial und Szenerei sehr schön, doch den Spielablauf ziemlich langweilig. Hans fühlte irgendwelche Assoziationen zu “Stupid White Man” und Günther bemerkte: “Es ist was anderes, aber ansonsten ist es nix.”
WPG-Wertung: Günther: 3, Hans: 5, Moritz: 4, Walter: 3
4. “Bluff”
Im einzigen Spiel kam es zu einem 5 gegen 5 (!) Endspiel Günther gegen Walter, der ewige Kampf von “Immer-5” gegen “Immer-4”. “Immer-4” setzte sich problemlos durch.
Das ist natürlich immer noch kein Beweis für der Vorrang des “Immer-4”, aber ein kleiner vorteiliger Effekt wurde doch sichtbar: Jede “Immer-X”-Vorgabe verschleiert, welche Würfel man in der Hand hat, jede blinde Vorgabe hat a priori die gleiche Treffer-Wahrscheinlichkeit. Doch bei “Immer-4” ist der Gegner eher geneigt, den Wurf anzunehmen und zu erhöhen. Beim Nachziehen fällt ein blindes Setzen schon schwerer; man findet und erhöht lieber auf eine Würfelkombination, die mit dem eigenen Würfelbecher harmoniert als die Vorgabe anzuzweifeln. Damit fängt der Nachziehende – statt der Vorgebende – an, Informationen über seine Würfel preiszugeben. Und das ist beim Bluff der Anfang vom Ende.
Günther, Du bist dran!

25.04.2007: “Perikles”, fast mit Eklat

Die Vorgespräche bis zur Vollzähligkeit drehten sich um Kleinfeld, Yspahan und Fazer.
Kleinfeld spricht für sich selbst;
zu Yspahan liegen jetzt gleich 3 französische Sprachversionen vor. Alle verschieden. Aaron entschied sich für diejenige, die auch eine Übersetzung der Help-Dateien beinhaltet.
Und was ist “Fazer”? Eine finnische Schokoladenmarke, der Aaron nicht wiederstehen kann, wenn er am Flughafen in Helsinki noch etwas Zeit hat. So wie heute.
1. “Perikles”
Ein Kriegsspiel von Martin Wallace. Das es aber im alten Griechenland angesiedelt ist, darf man den Krieg nicht so ernst nehmen.
Die Hauptstädte Sparta und Athen sowie die Bundesgenossen Argon, Megara, Korinth und Theben führen gegeneinander Krieg, jeder gegen jeden, sofern es den jeweiligen Führern gefällt. Für Siege streichen die Führer Siegpunkte ein, für die Führungsrolle bekommen sie auch welche, und zwar umso mehr, je häufiger ihre Stadt ihre Kriege gewinnt.
Führer einer Stadt wird ein Spieler, wenn er am Anfang jeder Runde die richtigen Platzierungskärtchen auswählt, die ihm erlauben, seine Pöppel in die Stadt zu setzen. Und wenn er sich dann noch rechtzeitig zum Führer wählen läßt. Auch dafür braucht man das richtige Platzierungskärtchen.
Das ganze Spiel ist ein einziges Spielen mit oder gegen den Zufall in folgender Form:
a) Ganz zu Beginn bekommen die Spieler eine zufällige Zaubereigenschaft zugeteilt, die ihnen erlaubt, einmal im Kampf ganz besondere Fähigkeiten zu entfalten. Z.B. gleich doppelt so stark zu sein oder a priori den Gegner zu dezimieren. Welche eine kalkulierte Freude, wenn jemand seine Zaubereigenschaft einsetzt …
b) Eine Reihe von Platzierungskarten liegt offen aus. Die besten sind gleich weg. (Was immer man für die besten hält.) Dann wird jeweils eine Karte nachgezogen. Wer Glück hat, bekommt dann doch noch die Erlaubnis in Korinth zu kacken, wer Pech hat, sieht dabei in die Röhre.
c) Zum Führer wird, wie schon angedeutet, nicht der Spieler mit der höchsten Pöppelzahl gewählt, sondern einer, der sich mehr oder weniger ursupatorisch auf den Thron setzt. Er muß zwar noch mit einem Gegenkandidaten rechnen, und hier entscheidet tatsächlich die Mehrheit der Pöppel über den Thron, doch man kann auch einen Kandidaten meucheln. Ist das dann Glück, wenn man die richtige Karte in die Finger bekommt? Oder artet es nicht sogar in Kingmakerei aus, wenn man mit der Meuchelkarte in einer beliebigen anderen Stadt einen beliebigen anderen fremden Kandidaten abmeuchelt?
d) Sind die Throne in den Städten alle vergeben, setzen die Städtekämpfe ein. Welche Städte bekriegt werden, bestimmt der Zufall. Wer Glück hat, ist Herr in einer friedlichen Stadt und braucht seine Siegpunkte nicht zu verteildigen. Er darf sich aber trotzdem mit seinen Truppen auf den Kampfplätzen der bekriegten Städte engagieren. Normalerweise ist das triviale Kingmakerei, denn es gibt meist keinen Grund, sich für oder gegen eine Stadt zu entscheiden.
e) Für jeden Städtekampf legt jeder reihum verdeckt seine Truppen in Form von Schiffe oder Fußvolk auf die Angreifer- oder auf die Verteidiger-Seite. Wenn alles platziert ist, werden die Truppenkärtchen aufgedeckt und es wird sichtbar, wie stark die jeweiligen Fronten sind. Unterschiede in den Kampfstärken liefern Vorteile im Würfelergebnis, das man für einen Sieg erzielen muß. Geahnte Erwartungen und absolute Überraschungen halten sich beim Aufdecken der Truppenstärke die Waage.
f) Der Sieg wird ausgewürfelt. Mit zwei gegen zwei Würfeln. Selbst eine deutliche Kampfstärken-Mehrheit garantiert keinen Sieg. Ganz normale Wargamer-Realität.
Wo liegt hier eigentlich der Witz des Spieles? Welche Regel paßt zu unserer Maxime “to have a plan”? Im Engagement für Spartha oder Athen? Wir dachten alle bis zum Abwinken, manche länger manche kürzer. Einmal rief Moritz verzeifelt aus: “Ist ja komplex, wenn man sich das alles ausrechnen will!” Aaron tröstete und drängte ihn mit der Antwort: “Damit habe ich schon lange aufgehört. Also komm: Aus dem Bauch!”
Es half nicht viel. Dreieinhalb Stunden lang ließen wir uns zum Führer ausrufen, setzen unsere Truppen ein, kassierten Siegpunkte und reduzierten den Siegpunktwert fremder Städte. Dabei durfte jeder genau 30 Züge tun: 15 mal eine Platzierungskarte ziehen und Pöppel platzieren und 15 mal Truppen platzieren. Für jeden Spiele macht das in siebeneinhalb Minuten einen Zug aus. Für einen Eine-Karte-nehmen-und-zwei-Pöppel-platzieren-Zug! Ach ja, nicht zu vergessen: an den dabei entstandenen Kriegereien durfte jeder auch noch die Kampfentscheidung auswürfeln.
Zum Schluß kam es fast noch zu einem der (schon lange nicht mehr gehabten) WPG-Eklats. Nachdem wir alle unsere Zaubereigenschaft zwar zugeteilt, anschließend aber vergessen hatten, zog Moritz im letzten Kampf gegen Walter seine Karte hervor, die besagte, daß jetzt seine Kampfstärke doppelt zu zählen sei. Erst jetzt erinnerte sich auch Walter an seine Zaubereigenschaft, die besagte, daß er den Spartanern eine Kampftruppe wegnehmen durfte. Und zufällig war Moritz ein Spartaner.
Nach dem Kleingedruckten im Regelheft war Walters nachträgliches Reklamieren seiner Sondereigenschaft nicht zulässig. Nach unserem ungeschriebenen WPG-Kodex darf aber ein Spieler eine Zugvariation nachträglich einbringen, wenn sie in seinem Zug einfach logisch war, und er bei seinem Zug zur Beschleunigung des Spielablaufes einfach nicht alle seine Zugoptionen durchgecheckt und sie deshalb vergessen hat. Die letzte Truppenbewegung von Walter war genau seine Kampfansage gegen die Spartaner und hier diese Sondereigenschaft nicht auszuspielen, war kein taktischer Fehler sondern einfach Unkenntnis der Regeln!
Zwei Meinungen zweier ausgeprägter Spiel-Kampfhähne prallten aufeinander. Moritz erwies sich als der Klügere. Auch wenn es ihm schwer fiel und Aaron alle Überredungs- und Überzeugungskunst aufbringen mußte, Walters Standpunkt zu verteidigen.
Noch eine Schwäche von “Perikles”: Diese saublöde Eigenschaft kostete Moritz in einem einzigen Kampf etwa 12 Siegpunkte und brachte Walter 6 Punkte sein. Diese Differenz machte etwa 30 Prozent der gesamten Siegpunkte aus einer dreieinhalbständigen Schlachtenarie aus. Das war mehr als der Unterschied zwischen dem ersten und dem letzten Platz. Moritz war der moralische Sieger. Ich gebe es zu!
WPG-Wertung: Aaron: 5, Moritz: 6, Walter: 3, Wolfgang 6.
Moritz wird sicherlich eine Rezension schreiben.
2. “Bluff”
Wolfgang kickte sich mit überzogenen Stern-Vorgaben selbst aus dem Rennen.
Im ersten Spiel stand Moritz mit 4:1 Würfeln gegen Walter im Endkampf. Er hatte zwei Sterne, eine Fünf und eine Vier. Womit sollte er anfangen? WPG-Standard: 1 mal die Vier! Walter hob auf 2 mal die Vier und Moritz drehte auf 2 mal die Fünf. Walter hatte nur eine mickrige Eins geworfen und drehte verzweifelnd-bluffend auf 3 mal die Vier. Moritz hob auf 3 mal die Fünf. Damit gab er Walter noch eine Chance, doch dieser nutzte sie nicht. Bei 2 mal Stern hätte Moritz Nachwürfeln müssen.
Lehre: Wenn du mit einer deutlichen Würfelmehrheit ins Endspiel gehst, dann sage die höchste Kombination an, die du in deinen Würfeln hast und zweifele anschließend alles an, was dein Gegner dann noch sagt.
Achtung: Das gilt nur, wenn dein Gegner nur noch einen Würfel hat. Ansonsten könnte er mit guter Wahrscheinlichkeit einen passenden Wurf zum Erhöhen haben oder auch Nachwürfeln. Ganz so trivial ist die Gewinn-Strategie in “Bluff” doch wieder nicht.

20.04.2007: Neue Würfel auf dem Markt vor Notre Dame

1. “Novo Dice”
Mit 5 Würfeln müssen sich die Spieler in 3 Versuchen Gewinn-Kombinationen nach Art der einarmigen Banditen erwürfeln: Drei Pflaumen oder zwei Birnen und einen Apfel. Für seltene Kombinationen bekommt ein Spieler hohe Siegpunkt-Plättchen, die Trivial-Kombinationen oder gar Fehlversuche bringen Nieten ein.
Die Siegpunkt-Plättchen muss jeder Spieler so auf seiner Plättchenablage plazieren, daß dabei besondere Muster entstehen, die noch mal eigens honoriert werden: wenn in einer Reihe nur Plättchen von einer Sorte liegen, oder wenn umgekehrt in einer Reihe Plättchen mit möglichst vielen verschiedenen Sorten liegen, werden die Siegpunkte verdreifacht oder vervierfacht. Es geht also im Prinzip darum, zweimal vom Zufall begünstigt zu werden, zum einen beim guten Würfeln und zum anderen beim glücklichen Plazieren.
Aaron war mal wieder von seinem sprichwörtlichen Würfelpech verfolgt; er trug’s mit Fassung.
Günther glaubte nach seiner monatelangen Ysphahan-Programmierung, in den Würfeln müßte sich doch noch eine versteckte Würfellogik aufspüren lassen. Ungewöhnlich lange währten seine Denkerphasen vor und nach dem Würfeln. Doch es war untaugliche Mühe am falschen Objekt. Am Ende mumelte er gebetsmühlenartig wie der alte Cato sein “Ceterum censeo” immer wieder “Da ist das Siedlerspiel aber besser” in seinen nicht vorhandenen Bart.
Das Material gaukelt mehr vor, als dahintersteckt. Es braucht keine bunten Bildchen von Weltraum-Pflaumen und Birnen; simple Zahlenwerte auf einfarbigem Hintergrund hätten es auch getan. Vielleicht sogar besser, zumindest übersichtlicher. Doch manche mögen’s bunt.
Eine chaotisch ausgerichtete Würfler-Runde kann sich mit “Novo Dice” durchaus die Zeit vertreiben. Moritz wollte es sogar zu unserem neuen Absacker protegieren. Doch damit blieb er der einsame Rufer in der Wüste.
WPG-Wertung: Aaron: 3, Günther: 4, Moritz: 5, Walter: 5.
2. “Notre Dame”
Nach einer genialen Konstruktion wird das Spielbrett je nach Spielerzahl zu einer anderen Form zusammengesteckt, am Ende entsteht in der Mitte die Glasfester-Rosette von Notre Dame und darum herum erhält jeder Spieler eine Fläche zum Aufbau seiner eigenen Managerie. Standing Ovations begleiteten die Vollendung des Spielbretts für unsere 5er Runde.
In drei mal drei Spielrunden kämpft jeder Spieler einen ziemlich komplexen Kampf um seine optimalen Entwicklungsmöglichkeiten. Es gilt seine Pöppel zu vermehren, Geld zu verdienen, seine Bewegungsfreiheit auszudehnen und immer mal wieder Siegpunkte einzustreichen. Am Anfang ist alles knapp und man weiß nicht, wo man zuerst aktiv werden soll. Die Erträge steigen progressiv mit dem Einsatz, so daß sich Mehrfach-Investitionen auf dem gleichen Gebiet besonders lohnen, doch man muß sich in alle Richtungen engagieren, um für alle Wechselfälle des Lebens gerüstet zu sein. “Immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel” heißt die Maxime. Oder auch: “Ohne Moos nix los”. Und eine Hand braucht man auch immer frei, um die allgegenwärtigen Ratten abzuwehren, sonst fangen sie unweigerlich an, die Siegpunkte anzuknabbern.
Das Spiel ist von seiner Anlage her absolut symmetrisch. Jeder Spieler hat die gleichen Aktionskarten auf der Hand, die seine zulässigen Spielzüge angeben. Doch ein pfiffiger Auswahlmechanismus sorgt dafür, daß sich alles ganz unsymmetrisch entwickelt: Für jede Spielrunde darf ein Spieler nur drei seiner Aktionskarten auswählen, davon muß er auch noch zwei Karten an seinen linken Nachbarn weitergeben und darf nur eine behalten. Nachdem er von seinem linken Nachbarn ebenfalls zwei Aktionskarten bekommen hat, muß er noch einmal eine Karte weiterschieben, so daß die Aktionskarten, die er schließlich seinen Handlungsspielraum ausmachen, zu zwei Dritteln von der Ablage seiner Mitspieler bestimmt ist.
Hans schlug an dieser Stelle für die “Seniorenversion” vor, alle Aktionskarten zusammenzulegen, zu mischen und jedem Spieler drei davon auszuteilen … Doch die gewollte Kombination von Zufall und Planung beim Original-Verfahren in “Notre Dame” ist in sich schlüssig.
Irgendwie erinnert mich “Notre Dame” an ” Caylus”. Und das hat immerhin im Jahr 2006 den Sonderpreis “Komplexes Spiel” gewonnen.
WPG-Wertung: Aaron: 8, Günther: 8, Hans: 8, Moritz: 8, Walter: 8.
Das Spiel ist eine Rezension wert. Moritz empfahl es Günther für seine nächste PC-Implementierung.
3. “Portobello Market”
Sieht auf den ersten Blick aus wie ein abgewracktes “Zug um Zug”: Anstatt Gleisteile auf Schienenstränge zu legen, stellen die Spieler Marktbuden entlang Marktstraßen auf. Wenn eine Straße voll ist (und an beiden Enden noch Käufer plaziert wurden), wird sie abgerechnet.
Bei “Zug um Zug” werden die Zugstrecken anhand gezogener Karten bestimmt. Das geht ganz schön flott und verschafft dem Zufall einen “eleganten” (Moritz’sche Formulierung) Einfluß. In “Portobello” kann jeder Spieler genau zwei, drei oder vier Verkaufstände aufbauen; da ist alles determiniert und wer will, könnte hier sofort das Rechnen anfangen und sich eine optimale Marktgassenstrategie zurechtlegen. Zum Glück ging es schon auf Mitternacht zu, und selbst unsere Profi-Denker wollten lieber spielen als rechnen.
In “Zug um Zug” kassiert jeder Spieler für sich allein. Er kann höchstenfalls bei seinem Streckenbau einem Mitspieler das Wasser abgraben. In “Portobello” können beliebig viele Mitspieler in der gleichen Straße ihre Marktbuden errichten; beim Abrechnen bekommen alle anteilig ihre Siegpunkte. Das fördert selbstverständlich Abkassier-Allianzen. Und wer nicht beteiligt wird, riecht hier sofort Kingmakerei heraus.
Walter leitete die letzte Runde ein. Günther traf es etwas unvorbereitet; er konnte mit seinen letzten Marktbuden keine Straße mehr vervollständigen, keine Siegpunkte mehr einstreichen und sah schon den letzten Platz auf sich zukommen. Aber unverdrossen fing er mit seinen letzten Marktbuden-Gleisen eine letzte hübsche Straße an und verlockte Hans dazu, sie abzuschließen. Hans biß an, strich selbst auch noch mal gehörig Siegpunkte ein, katapultierte aber zugleich Günther hoch auf den ersten Platz.
Jetzt war die Diskussion über Kingmakerei nicht mehr aufzuhalten. Doch weil die Stimmung bisher so friedlich war, richteten sich die Angriffe mehr auf das Spiel als auf die Spieler. Und dort landeten sie zweifellos nicht ganz unberechtigt.
WPG-Wertung: Günther: 7, Hans: 5, Moritz: 4, Walter: 6.
4. “Bluff”
Im Westpark nichts Neues.

11.04.2007: Yspahan ante portas

1. “Yspahan”
Hans hatte sich bisher weder mit dem Spiel noch mit Günther’s phantastischer PC-Adaption beschäftigt. Da mußte er natürlich unverzüglich eine Einweisung bekommen.
Nach hunderten von PC-Spielen und endlosen Strategie-Diskussionen kannten wir anderen alle das Spiel aus dem ff. Aaron durfte die Regeln erklären. Als er fertig war, meinte Hans spontan: “Wie bei Goa!”. Ich weiß nicht, wie Rüdiger Dorn diese Einschätzung kommentiert hätte.
Wir spielten alle eine Strategie, die der implementierten “Krüner Bazaar V6-Strategie” angelehnt war (oder umgekehrt) und rissen uns alle angebotenen Kamele unter den Nagel. Was heißt in diesem Zusammenhang wohl “kamelgeil”?
Aaron kam bereits am 3. Tag der ersten Woche nach dem Paddock und dem Shop zu seinen Hoist und konnte sich anschließend beruhigt den Souks zuwenden. Walter war etwas unglücklich aus den Startlöchern gekommen und brauchte wesentlich länger für den Erwerb der vorgeschriebenen Gebäude. Günther spielte teilweise so seltsam, daß ich nicht ausschließen konnte, ob er damit nicht seine wahre PC-Strategie verbergen und uns in die Irre führen wollte. Immer wieder investierte er Gold für Würfel. Sehr oft reine Fehlinvestitionen.
Es entstand so etwas wie eine Anti-Günther-Stimmung. Nicht gegen den am Tisch, sondern gegen seine Künstliche Intelligenz in der PC-Implementierung. Wir haben in der letzten Zeit schon so oft gegen die immer stärker werdende PC-Implementierung verloren, das jeder seinen Frust am lebenden Objekt rächen wollte. Günther verzichtete vorsorglich auf einige Souk-Erwerbungen um sich gegen rachsüchtige Aufseher zu schützen.
Am vorletzten Tag der letzten Woche verhalf ihm ein unverdientes Glück zum Sieg. Er bekam 3 Truhenwürfel serviert und konnte damit sowohl seinen 12-Souk als aus den 6er Souk im Truhenviertel vollenden. Damit gewann er mit 10 Punkten Vorsprung in der Endabrechung. Doch ich muß ehrlich sein: er hatte dafür auch 3 Zusatzwürfel erstanden. Also war es wohl auch eine gute Portion strategische Vorausplanung, die ihn nach einigen Pechwürfen endlich auch mal belohnte.
Hans war überzeugt. Nicht nur von Günther, sondern auch von “Yspahan”. Vorsichtig vergab er “erst mal” 8 Punkte. Früher oder später wird er auch noch den einen Punkt zulegen, um auf den WPG-Durchschnitt zu kommen.
Peter hat schon eine Rezension geschrieben.

2. “King of Chicago”
Aaron hatte sich endlich durch das 28 Seiten dicke Regelbuch durchgekämpft und konnte seine Erwerbung von der Spiel 2006 in Essen endlich auf den Tisch legen.
Es geht um Business, Girls, Mobster, Starmobster, Boozes, Jail und Police Bribe, auf gut Deutsch um kriminelle Geschäfte mit Sex, Fun und Alkohol. Die Spieler müssen sich Einnahmequellen und Einflußzonen aufbauen oder den anderen wegnehmen. Mit Erpressung und Mord, d.h. mit Angriffspunkten und guten Würfeln. Die Klischees des amerikanischen Gangster-Milieus sind so vorzüglich getroffen, daß die Spieleautoren unmöglich selber Amerikaner gewesen sein konnten. Waren sie auch nicht: Es waren Dänen. (“Aha”, darf jetzt mancher denken!)
Mit viel Liebe und Phantasie habe sie sich bemüht, möglicht viel Chaos ins Spiel zu bringen und es ist ihnen absolut gelungen. Am Anfang waren wir so fasziniert von der Szenerie auf dem Spielbrett, daß wir oft genug die das Würfeln vergaßen. Aber ohne Würfel geht gar nichts. Entsprechend lange dauerte das Spiel. Ein richtiges Moritz-Spiel! Doch Moritz war nicht dabei. (Er schaute sich lieber das Ausscheiden vom FC-Bayern aus der Champignons-Lieg an.)
Schon vor Beginn des Spiels hatten wir festgestellt, daß glücklicherweise keiner dabei war, dem es leid tun würde, das Spiel abzubrechen, wenn das Verhältnis von Spielreiz zu Spieldauer unter einen allgemein anerkannten Grenzwert sinken würde. Schon nach etwa einer Stunde Spiel (plus eine halbe Stunde Erklärung der Regeln) war es dann soweit. Aaron hatte ungefähr die Hälfte der notwenigen Siegpunkte für die Endebedingung erfüllt, die Uhr eilte auf Mitternacht zu und die restliche Zeit wollten wir lieber dem Bluff-Absacker widmen.
Fazit zum “King”? Wunderschönes Material, Hochglanz-Spielbrett und Hochglanz-Karten für die Ganster und ihre Geschäfte, Designer-Schachtel vom Feinsten (einschließlich der Schwierigkeiten, die wohlgeformten Plastik-Formen wieder alle dort unter zu bringen), phantastisch kompliziertes Spielgeschehen. Doch der einzige Motor ist leider nur der Zufall, sei es in Form von Würfeln, Ereigniskarten oder sporadisch auftauchenden Ressourcen. Wem das zum Vergnügen reicht, der ist hier bestens bedient. “Monopoly” bietet wesentlich weniger.
WPG-Wertung: Aaron: 4, Günther: 4, Hans: 4, Walter: 4.
Aaron wird eine Rezension schreiben.
3. “Bluff”
Bemerkenswert, daß Hans alle beiden Partien gewann. Immer wieder stand unausgesprochen “Immer-4” gegen “Immer-5” im Hintergrund. Ins erste Endspiel gelangt er bei 3:3-Würfelstand gegen Günther. Günther fing mit 1 mal die Fünf an und konnte Hans einen Würfel abluchsen. Im Gegenzug verlor Günther zwei Würfel und es stand 1:2. Nach langer Überlegung gab Hans 1 mal die Fünf vor. Was bedeutete das lange Überlegen? To five or not to five, that is the question.
Günther hatte eine Vier und zweifelte an. Mit noch längerem Überlegen hätte Günther herausbringen können, daß er damit auf keinen Fall gewinnen würde. Hans mußte mindestens eine Fünf haben. Die einzige Chance noch zu gewinnen, mußte Pasch-Vier sein. Das wäre es dann auch gewesen. Und Hans hätte sich die ganze Nacht darüber grämen können, warum er mit einem Stern ausgerechnet 1 mal die Fünf vorgegeben hatte.

04.04.2007: Karten, Würfel und Puzzles

1. “Ubongo”
Alle Spieler müssen gleichzeitig ein Lege-Puzzle bewältigen: Aus vier geometrischen Formen nachTetris-Art muß eine vorgegebene Fläche gefüllt werden. Jeder bekommt eine andere Flächenform zugeteilt, es wird ausgewürfel, welche vier Grundelemente jeder Spieler verwenden muß. Für die Lösung steht nur eine begrenzte Zeitspanne zur Verfügung, die per Eieruhr überwacht wird. Allein diese unter Zeitdruck zu erfüllenden Puzzle-Aufgaben ergeben schon eine lustig-hektisch-spannende Spielsituation.
Doch die Siegerwertung toppt das Ganze noch: Auf insgesamt 6 Bahnen liegen verschiedenfarbige Glassteine aus. Wer als erster fertig ist, darf unter 5 Bahnen eine auswählen, und sich die ersten beiden Glassteine nehmen, der zweite darf nur noch unter 3 Bahnen wählen, die anderen müssen von der Bahn nehmen, auf der sie gerade stehen. Am Ende hat der gewonnen, der von einer Farbe die meisten Glassteine besitzt.
Es gilt also nicht nur, seine Puzzle-Aufgabe rechtzeitig zu lösen, man muß auch die richtige Bahn auswählen können, um an Glassteine von seiner Favoritenfarbe heran zu kommen. Nicht nur geometische Kombinationsgaben und Fingerfertigkeit zeichnen den Sieger aus, sondern auch das richtige Timing, der rechtzeitige Spurwechsel und vielleicht auch das Wegschnappen von Siegersteinchen des stärksten Gegners, falls für die eigene Farbe gerade nichts mehr erreichbar ist. Und das alles unter der Hektik erzeugenden rieselnden Eieruhr.
WPG-Wertung: Günther: 8 (gehobener Standard), Loredana: 9 (Mathematikerin), Peter: 8 (trotz Handicap in Geometrie), Walter: 8 (in Erinnerung an ähnliche Puzzlespiele mit und gegen seinen Vater)
Peter schreibt keine Rezension(en mehr).
2. “Tichu”
Peter wollte das in Bayern zu einem Kult-Kartenspiel gemauserte “Tichu” am Spieltisch bei den Westpark-Gamers endlich einmal vollständig zu Ende spielen. Aber nicht mit seiner Lebensabschnittspartnernin Loredana und auch nicht mit dem Bridger Walter, sondern mit dem Tichu-Freak Günther als Partner.
Es geht darum, seine Kartenhand nach Poker-Mustern zusammenzustellen und abzulegen, und so möglichst schnell alle Karten loszuwerden. Doch vor dem Poker-Muster steht das Stich-Tempo: Wer am Ausspiel ist, gibt ein Ablege-Muster (Single, Pärchen, Drilling, Full-House etc.) vor, und alle anderen dürfen nur höhere Karten mit dem gleiche Muster dazugeben. Wer das nicht kann, muß passen.
Es gibt ein paar Sonderkarten, die die Dynamik des Spielablaufs beeinflussen. Joker, Drachen, und Hund fördern die Poker-Kombinatorik, lassen Stiche gewinnen oder an den Partner weitergeben. Mit einer “Bombe” (Vierling oder Street-Flash) darf man jeden Stich gewinnen. Und wer glaubt, daß er als erster alle Karten ablegen kann, darf auch zu Beginn des Spieles “Tichu” ansagen und damit eine Sonderprämie einheimsen. Falls es klappt.
Peter findet das Spiel toll (was es auch ist), doch es entsteht natürlich die Frage, wo es sich im System der festgefügten üblichen Kartenspiele einordnen läßt. Es ist deutlich partnerschaftlicher als Skat, vor allem weil es hier zwei festgefügte Partnerschaften gibt und nicht jeweils die Partnerschaft der beiden Habenichtse gegen den einen Potenten. Doch mit Bridge läßt es nicht vergleichen, dazu ist der Spielablauf viel zu chaotisch von der Kartenausteilung bestimmt. Und Partner-Absprachen über Stich- und Ablage-Verhalten gibt es auch nicht. Am ehesten kommt es noch dem Doppelkopf gleich. Genauso chaotisch, genauso partnerschaftlich und genauso lustig.
WPG-Wertung: Günther: 9 (Spitze), Loredana: 8 (Oberklasse), Peter: 8 (war schon mal bei 9), Walter: 8 (bitte nicht mit Bridge verwechseln)
Peter schreibt immer noch keine Rezension(en mehr).
3. “Die Drachenbändiger von Zavandor”
Pro Runde wird auf den Tisch eine Drachenkarte ausgelegt, die eine bestimmte Kampfstärke und eine bestimmte Menschenscheu besitzt. Die Spieler spielen jeweils verdeckt eine Karte aus ihrem Handset aus, die entweder die Kampfstärke des Drachen oder seine Menschenscheu vermindert.
Alle ausgespielten Karten werden aufgedeckt und in einer wohldefinierten Reihenfolge ausgewertet. Wenn die Kampfstärke des Drachen auf oder unter 0 gerät, gewinnt derjenige Spieler die Drachenkarte, der anschließend auch seine Menschenscheu auf oder unter 0 bringt. Wird die Menschenscheu nicht überwunden, so gewinnt derjenige Spieler, der mit seiner ausgespielten Karten die Kampfstärke auf 0 gebracht hat. Wird auch das nicht erreicht, bleibt die Drachenkarte mit reduzierter Kampfstärke liegen und die Spieler müssen eine weitere Karte zur Eroberung des Drachen spielen.
Ist das Spiel kalkulierbar? Gibt es ein logisches oder ein psychologisches Schema, nach dem man seine Karten – verdeckt – ausspielen soll? Um diese Frage zu klären mußte bei uns jeder Gewinner einer Drachenkarte erklären, mit welcher Überlegung er seine Karte ausgespielt hat, und warum das gerade erfolgreich war. Doch wir gaben diese Übung schnell wieder auf: Ein paar wenige Züge sind zu trivial und die anderen sind zu unberechenbar. Ein Drachen mit Menschenscheu 0 und Kampfstärke 1 wird unweigerlich von der höchstprioren Kampfstärke-Karte gewonnen; ein Drachen mit der Kampfstärke 0 wird unweigerlich von der höchstprioren Menschenscheu-Karte gewonnen. Doch wer einen Drachen genau deshalb gewinnt, weil zwei bis drei Spieler vor ihm mit hoch-prioren Kampfstärke-Karten den Drachen ermüdeten, so daß er als Letzter im der Reihe ihm den Gnadenstoß geben konnte, der kommt leicht in Erklärungsnotstand.
Das einfachste ist hier immer noch das “I like it”! Dafür braucht man keine Kompetenz.
WPG-Wertung: Alle vergaben unisono 6 Punkte. Das Spiel funktioniert. Doch es wird schwierig sein, die jeweils zum Spiel passende Stimmung zu erzielen. Entweder ist man nüchtern und das Spiel kommt einem zu nüchtern vor, oder man ist entrückt, dann kommt einem das Spiel leicht auch mal zu vergeistigt vor.
Wo bleibt nur Peters Rezension?
4. “Bluff”
Im Endspiel 1:1 gegen Walter legte Günther 1 mal die Vier vor? Ausgerechnet er, der schärfste Immer-4-Gegner gegen den schärfsten Immer-4-Verfechter. Was kann man daraus schließen? Entweder hatte er wirklich eine Vier oder er war im totalen Frust untergegangen. Der bisherige Spielverlauf ließ eher das zweite wahrscheinlich sein. Walter zweifelte an und gewann: 2-mal-die-Eins wäre der Volltreffer gewesen.
Im Endspiel 1:2 gegen Günther konnte auch Peter Günther ins Immer-4-Boxhorn jagen. Er legte 1 mal die Vier vor, Günther hob auf 1 mal die Vier, doch das war schon um 1 zu hoch. Beim Pari-Endspiel 1:1 verließ dann Peter die Immer-4-Strategie und spielte brutal seine gewürfelte 5 aus, der Günther nichts mehr entgegenzusetzen hatte.