Archiv der Kategorie: Spieleabende

28.12.2011: Japan versus Griechenland

Die Spiele unserer Spielabende werden spontan aus den Vorschlägen, die die Teilnehmer in ihren Rucksächen zum Westpark mitbringen, ausgewählt. Nur bei kritischen Spielen mit möglicherweise sehr divergierenden Zuneigungen wird vorsichtig angefragt, ob (mal wieder) ein vordefiniertes Spiel auf den Tisch kommen kann.
Heute meldete sich Moritz: „Ich würde gerne ’Urban Sprawl’ von GMT mitbringen, das geht gut zu viert und hat ein paar Ähnlichkeiten zu 1830.“
Aaron recherchierte im Internet und erwiederte drei Stunden später: “’Urban Sprawl’ erscheint mir deutlich zu lange für einen Start um 19:00 Uhr. Überhaupt zu Urban Sprawl: ich glaube kaum, dass das ein Spiel für unseren Kreis ist. Die Ähnlichkeiten mit 1830 sind marginal (es gibt in beiden Spielen Geldscheine und der mit dem meisten Geld gewinnt). Deinen Teaser mit 1830 kann ich also nicht nachvollziehen.”
Moritz gab sich nicht geschlagen: „Tom Vasel findet auch ’duel of ages’ gut, und hat manchmal bizarre Meinungen von Spielen. Ich gebe auf seine Meinung nicht so viel… Die Downtime könnte ein Problem sein, aber was ist das für eine Argumentation: man darf was Böses tun, und dann auch noch ’ungestraft’? Wieso ist das schlimm? Dann dürft ihr selbst 1830 gar nicht spielen, denn da darf man auch sehr destruktive Sachen machen, auch als Letzter, und bestraft wird man auch nicht dafür.“
Doch Aaron blieb hart: „Urban Sprawl hat als Designelement den expliziten Mechanismus, dass der am schlechtesten stehende Spieler die Contractor Karte bekommt, die ihm erlaubt, Gebäude eines anderen Spielers zu zerstören. Es geht also nicht darum, dass jeder in dem Spiel Böses tun kann, das wäre ja okay, sondern darum, dass der am schlechtesten stehende Spieler (und nur der) mit dem Contractor einen expliziten Mechanismus bekommt, anderen zu schaden. Und das finde ich nun mal verrückt.“
Moritz verzichtete weise auf eine weitere Urban-Sprawl-Anpreise.
1. “Ninjato”
Moritz war noch in der Defensive, als er dieses Werk von A.B. West und Dan Schinake von Z-Man-Games auf den Tisch legte. „Ein Euro Game, ein normales Familienspiel“ waren diesmal seine Teaser. Der Spielplan sah beängstigend gewalttätig aus. Aaron fragte vorsichtshalber: „Ist das ein Wargame?“ Moritz konnte beruhigen: „Es ist kein Wargame, es ist ganz friendlich, wir dringen in Häuser ein und versuchen dort etwas zu stehlen. Und es gibt Wächter, die dies zu verhindern trachten.“
Auf die Grundrisse von fünf Häusern auf dem großen grauschwarzen Spielbrett wird je eine zufällige Wächterkarte mit einer Zahl zwischen 0 und 5 gelegt. Die Zahl gibt die Stärke des Wächters an. Zusätzlich werden zu jedem Wächter zufällige gezogene Marken gelegt, die Schätze (Fächer, Zigarren, Vasen, Beutel und Gold) repräsentieren, die sich in dem Haus befinden. Wollen wir einen Schatz stehlen, so müssen wir den Wächter überlisten. Dazu spielen wir Angriffskarten mit Zahlen zwischen 1 und 5 aus. Ist unsere Angriffskarte höher als die Stärke des Wärters, so gewinnen wir, wenn wir gegen ihn KÄMPFEN, ist sie niedriger, so gewinnen wir, wenn wir an ihm VORBEISCHLEICHEN. Die Kampfweise können wir frei wählen. Da wir unsere Angriffskarten kennen und ebenfalls die offen liegende Stärke des Wächters, ist uns bei jedem versuchten Diebstahl zumindest einer der Schätze sicher, denn in irgend einem der fünf Häuser wird ja wohl ein Wächter eine ungleiche Stärke haben als irgendeine unserer Angriffskarten. (Ist unsere Angriffskarte gleich der Stärke des Wächters, so haben wir das Kampfprinzip nicht verstanden.)
Doch ein einzelner Schatz allein macht uns nicht glücklich; das Ziel eines Einbruchs ist es, alle Schätze im Haus auf einen Streich zur Seite zu schaffen. Dieses Ziel ist nicht mehr so einfach zu erreichen. Nach jedem erfolgreich gestohlenen Schatz wird nämlich ein neuer Wächter mit einer neuen Stärkezahl gezogen, den wir mit einer weiteren Angriffskarte überlisten müssen. Jetzt dürfen wir die Kampfweise aber nicht mehr wechseln. Wenn wir mit Schleichen angefangen haben, müssen wir uns alle weiteren Schätze des Hauses ebenfalls erschleichen; alle gespielten Aktionskarten müssen kleiner sein als die Stärke des Wächters. Entsprechendes gilt für einen mit Kämpfen begonnenen Diebstahl. Für einen durchschlagenden Erfolg brauchen wir ein Quentchen Glück.
Mit den erstohlenen Schätzen bestechen wir Beamte(nkarten), die uns den Weg zu Siegpunktquellen eröffnen. Oder wir kaufen damit Multiplier(karten), die unseren Besitzstand in der Schlußwertung vervielfältigen. Bevor wir direkt in das Diebstahlsmetier einzusteigen, sollten wir uns zuerst noch ein paar diebische Fertigkeiten aneignen, vor allem sollten wir die Stärke unserer Angriffskarten modifizieren können.
Auf die verschiedenen Arten von Siegpunktquellen will ich jetzt nicht mehr eingehen. Nach einer halben Stunde Einschwing-, Erkenntnis- und Erfahrungszeit wußte alle mehr oder weniger, wohin der Hase läuft. Wir spielten mit Kopf und Bauch, und nur Moritz überlegte unwesentlich länger als der Rest. Verständlicherweise, er trug ja auch noch (Günther’s) Verantwortung für einen regelgerechten Spielverlauf. Immerhin fühlte sich Aaron – mit welcher assoziativen Suffisanz auch immer – veranlaßt zu bemerken, „’Ninjato’ ist mit Sicherheit ein Spiel, bei dem man auch denken kann, wenn man nicht dran ist. Ob es sonst noch gut ist, weiß ich noch nicht.“
Was ist ein „gutes“ Spiel? Moritz wollte in ’Ninjato’ eine Menge Strategien entdeckt haben, doch auf Nachfrage fiel ihm nur die große Handlungsfreiheit ein. Ein zeitlich unterschiedlich geplantes Engagement beim Diebstahl, bei den Beamten, den Multiplieren oder beim effizienten Nachfassen von Angriffskarten ist aber gewiß noch keine Strategie. Nicht einmal eine Dorn’sche “Schiene”. Erfolgreiches Spiel basiert nicht auf Plan und Vorsatz, sondern besteht im Fällen der richtigen ad hoc-Entscheidungen. Für Aaron war das eher trivial bzw. opportunistisch. „Fast ein Kinderspiel“. Horst war das Meisterkind.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (kein Spannungsbogen, man macht immer das gleiche, jedes Spielelement ist mit einem erheblichen Glücksfaktor versehen), Horst: 7, Moritz: 7, Walter: 6.
2. “Olympos”
Das neueste Ystari Spiel von Philippe Keyaerts, dem Erfinder von „Vinci“ (und dem geilen „Evo“ mit der Schwanzverlängerung). Moritz fragte interessiert: „Ist es ein Kampfwürfelspiel?“ Horst musste gestehen: „In dieser Beziehung ist es eher lasch“.
Das Spielbrett zeigt – wie der Name vielleicht schon andeutet – die Landkarte der Peloponnes. Drum herum schwimmen ein paar Inseln, die aus der Yankee-Perspektive Kreta, Zypern und Rhodos darstellen könnten, in Wirklichkeit aber sind sie das sagenhafte Atlantis. Die Erdmassen sind in Regionen eingeteilt, auf denen jeweils ein bestimmtes Produkt geerntet werden kann: Orangen, Marmor, Holz und Gold.
Die Spieler ziehen mit ihren Spielsteinen hinaus, besetzen die verschiedenen Regionen und machen sich zu Herren über die dementsprechenden Produkte. Mit den Produkten kauft man sich „Fortschrittsplättchen“, die verschiedenen Vorteile geben: neue Spielsteine, neue Produkte, Schwerter, Götter, Aktionspunkte, Bewegungsvorteile, Sterne und Siegpunkte. Wer am Ende die meisten Siegpunkte besitzt, ist Sieger. Claro. Dazwischen gibt es einen Verdrängungswettbewerb auf den verschiedenen Regionen. Wer sich die meisten Schwerter zugelegt hat, kann seine Mitspieler am leichtesten unterdrücken. Wer die meister Götter auf seine Seite gebracht hat, bekommt bei den göttlichen Zwischenwertungen den größten Bonus.
Sehr hübsch ist das Aktionsprinzip. Jeder Spieler hat eine freie Anzahl von Aktionen zur Verfügung, die er entweder in Bewegung oder in den Erwerb von Fortschrittsplättchem umsetzen kann. Wer die wenigsten Aktionen verbraucht hat, darf solange ziehen, bis er damit einen (oder mehrere) Mitspieler überholt. Dann kommt der neue Letzte an die Reihe. So kann ein Spieler flexibel gestalten, ob er mit Karacho seine Aktionspunkte verbrät und dann jeweils warten muss, bis er wieder eingeholt wird, oder ob er sich mit schwäbischer Bedächtig- und Sparsamkeit über die olympos’schen Gefilde bewegt.
Entscheidend ist die optimale Kombinationen der verschiedenen Regionen mit ihren Produkten und die Art der „Fortschrittsplättchen“ mit den verschiedenen Vergünstigungen. Hier den eindeutigen Gewinnweg zu ermitteln und zu verfolgen, artet in Arbeit aus. Schweiß ist angesagt. Blut und Tränen liefern die Mitspieler dann gratis dazu, wenn sie mit und ohne Schwerter einen Verdrängungswettbewerb anfangen.
WPG-Wertung: Aaron: 7 (1 Punkt weniger als „Vinci“, die Mechanismen sind schön, das Umtauschtableau ist optisch nicht ideal), Horst: 7 (Spielspaß vergleichbar mit „Ninjato“), Moritz: 8 (Tendenz 9 Punkte, vielschichtiger als „Vinci“, unnötig anstrengend wegen des Designs des Spielmaterials), Walter: 7 (anspruchsvoll, nach der ersten Flasche Wein nicht mehr geeignet).
3. “City”
Von Aaron anstelle von „Bluff“ als Absacker auf den Tisch gebracht. Als Startausteilung bekommt jeder fünf Karten mit Zahlen zwischen 0 und 11 auf die Hand. Die Karten stellen Teile einer Stadt dar: Wohnhäuser, Bürogebäude, Einkaufspassagen, Konzerthallen, Parkplätze, Flughafen u.a. Pro Zug wählt jeder Spieler eine Karte aus, mit der er seine „Stadt“ erweitert. Für diese Karte muß er so viele weitere Handkarten ablegen, wie der Wert der Karte angibt. Anschließend bekommt er entsprechend dem aktuellen Ausbau seiner Stadt neue Handkarten und Siegpunkte. Je länger das Spiel dauert und je größer die Stadt ist, deste mehr neue Karten bekommt man. Und desto mehr Siegpunkte. Und da der aktuelle Siegpunktbestand einer Stadt pro Runde stets wieder neu hinzuaddiert wird, wächst das Siegpunkt-Konto eines jeden Spielers in quadratischer Progression. Wer recht früh eine einzige gute Siegpunkt-Quelle gezogen hat, ist praktisch nicht mehr einzuholen.
Dieses Nicht-mehr-Einzuholen-Phänomen ist ein Charakteristikum von Tom Lehmann’s Spiel-Design. Wer nicht mehr einzuholen ist, schwelgt in seinen Siegpunkten. Die anderen nicht. Leider sind die anderen im Verhältnis 3:1 in der Mehrheit.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (Absacker), Horst: 5, Moritz: 5, Walter: 3 (Obwohl er die gute Siegpunkt-Quelle gezogen hatte.).

21.12.2011: Zweimal Karten sammeln und auslegen

Kinder, solange sie nicht im Sinne einer Erziehung ver-zogen sind, beherrschen die zwei wichtigsten Lebensregeln perfekt:

  • Sei authentisch!
  • Sei ganz bei einer Sache und tu nicht zwei Dinge gleichzeitig!

Das heißt, sie folgen ihrer Energie spontan und augenblicklich. Wenn sie schreien, schreien sie total. Wenn sie sehen, sehen sie total. Wenn sie spielen, gehen sie vollkommen in ihrem Spiel auf. Daher sind sie unsere Lehrer. Sie beherrschen die Kunst einen erfüllten Augenblick an den anderen zu reihen.
(Irina Rauthmann)

1. “Tournay”
Ein Kartenspiel des belgischen Trios Dujardin – Georges – Orban, erschienen im belgischen Pearl Games Verlag. Jeder Spieler sammelt „Aktivitätskarten“ – 90 verschiedene kennt das Basisspiel – und legt sie in einer 3 x 3 Auslage offen vor sich aus. Welche Karten einem Spieler angeboten werden, hängt zum einen vom Zufall ab, denn die Karten müssen von verschiedenen Stapeln verdeckt gezogen werden, zum anderen davon, welche Karten ein Vorgänger-Spieler nicht gemocht und dewegen offen abgelegt hat.

Das Auslegen kostet Geld und Aktionspunkte. Mit diesen Ressourcen muß ein Spieler haushalten. Die Reihenfolge und Positionierung der Karten in der Auslage hingegen bringt Geld, Aktionspunkte, Vergünstigungen und Siegpunkte. Eine geschickte Auswahl aus dem teil-zufälligen Kartenangebot sowie ein kompetentes-glückliches-systematisches Vorgehen beim Ausbau der Ressourcen- und Siegpunktquellen sind hilfreich für den Sieg.
Leider spielt sich das Spiel nicht so flüssig, wie sich das hier (vielleicht) liest. Wir können nicht in einem Atemzug Karten erwerben und auslegen; sondern müssen gemäß der vorgeschriebenen Zureihenfolge erst eine Karte auslegen bevor wir die nächste Karte in die Hand bekommen. Da geht ein Zug verloren. Und wenn wir gerade mal kein Geld haben, müssen wir wiederum auf (konstruktive) Züge verzichten und unsere Aktionspunkte für den Gelderwerb verplempern. Klare Schlußfolgerung: „Never use the last Drachma!“. Die andere Schlußfolgerung: „Spiele nie die letzte Karte aus der Hand!“ läßt sich leider nicht verwirklichen. Denn der Möglichkeiten, Karten zu erwerben, sind wenige, Karten auszulegen aber viele. „Több nap, mint kolbász“ heißt ein entsprechendes ungarisches Sprichwort (97.400 mal bei Google referenziert).

In unregelmäßigen Abständen prasseln Katastrophen auf uns herein und nehmen uns Aktionsradius weg. Böse Mitspieler können sogar bestimmte Ärgerkarten auslegen und damit ebenfalls unseren Aktionsradius und unsere Spielfreude dezimieren. Ist das nötig? Wäre es spiel-psychologisch nicht schöner, wenn sporadisch mehr Freiheiten dazukämen, anstatt dass sie uns ständig weggenommen werden?

Beim Design der Spieldetails haben sich die Autoren sehr viel Mühe gegeben. Das Spiel ist sehr gut ausbalanciert. Die 90 Aktivitätskarten der Basisversion und die 18 Karten für die Erweiterung verdienen von der Stimmigkeit und Ausgewogenheit höchstes Lob. Doch Stimmigkeit ist nicht alles. Die Karten und die Spielmechnismen balancieren den Spielfluß auf das Tempo hinkender Schnecken herab. Schade! Ganz sicher hätten die Autoren bei ihrer Erfinder-Kompetenz, die in vielen Details zum Ausdruck kommt, dem Spiel etwas mehr Gas geben können. Sie haben offensichtlich einfach nicht daran gedacht.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (Probe-Note, er würde es noch einmal ausprobieren), Günther: 6 (ebenfalls zunächst nur eine „pro forma“ Note), Walter: 4 (zäh, Ärger ist die einzige Interaktion).

Bevor wir das Spiel am Westpark noch einmal spielen, wird Aaron die inneren Abhängigkeiten der 90 Aktivitätskarten genau analysieren und ermitteln, welche Karten-Kombination eine „Maschine“ bilden, sozusagen ein Perpetuum Mobile, das mehr Ressourcen generiert als es verbraucht. Wenn wir das Spiel am Westpark noch einmal spielen würden, hätte Aaron dieses sein Vorhaben garantiert nicht ausgeführt, sondern wir würden alle wieder mit dem gleichen Blinde-Kuh-Wissen den Tournayschen Knoten zu lösen versuchen. Oder nicht.

2. “Der letzte Wille”

Der letzte Wille

Für Walter „klangt schon der Titel ganz gut“. Die ständigen Stadt-Land-Fluß-Titel von „Abilene“ über „Bombay“ bis nach „Waterloo“ gehen ihm allmählich auf den Keks. Aaron meinte dieses Gut-Klingen allerdings mit einem gewissen Alter begründen zu können. Tatsächlich: Der Onkel ist gestorben. Er hat in seinem Leben unglaublichen Reichtum anhäufen können und – weil das letzte Hemd keine Taschen hat – alles zurücklassen müssen. Welcher seiner Neffen am schnellsten einen Bruchteil der Erbschaft durchgebracht hat, bekommt als Alleinerbe den gesamten riesigen Rest. Diese Geschichte hat der tschechische Autor Vladimir Suchý seiner Spiele-Erfindung thematisch untergelegt.

Wie bei „Tournay“ müssen wir in „Der letzte Wille“ Karten sammeln und auslegen. Doch welch ein Unterschied! Während wir in Tournay jede einzelne Drachme dreimal umdrehen müssen, bevor wir sie ausgeben, schwelgen wir hier in Geld und freuen uns über jede Gelegenheit, es zum Fenster rausschmeißen zu können. Spielpsychologisch eine viel angenehmere Situation.

Es gibt auch keinen Mitspieler, der uns unser Geld wegnimmt bzw. – was dem Spielziel eher entspricht – der uns welches gibt. Jeder ist alleine seines Glückes Schmied.

Wir kaufen Häuser zu hohen Preisen, lassen sie verkommen, sanieren sie für teueres Geld und verkaufen sie zu einem Schrottpreis weiter. Wir stellen Gesinde ein und legen uns Haus- und Hoftiere zu, nur damit die Renovierungskosten steigen. Wir leisten uns Vergnügungsfahren, Galadinners und Galavorstellungen, mit und ohne Edelanhang, die Hauptsache ist, dass wir unser Geld unter die Leute bringen.

All diese möglichen Aktionen werden ähnlich wie in „Tournay“ als Karten angeboten, die wir uns zulegen. Auch diese Karten sind sehr gut ausbalanciert und wir müssen wirksame Kombinationen herausfinden, die uns zum Sieg bringen. Doch spielt hier der Zufall nur eine sehr geringe Rolle: der größte Teil der Karten liegt offen aus; wir müssen nur schneller zugreifen als unsere Mitspieler.

Dazu spielt natürlich die Zugreihenfolge eine wichtige Rolle. Diese Rolle wird mehr oder weniger versteigert. Wir können wählen, ob wir früh am Zug sein wollen und dafür nur eine beschränkte Anzahl Karten ziehen und nur eine begrenzte Anzahl von Geld-Rauswerf-Aktionen durchführen dürfen. Oder ob wir als Letzter zusehen, was für uns übrig bleibt, uns dafür aber einen größeren Aktionsradius einhandeln.

Im Letzten-Willen krebsen wir natürlich nicht mühsam von Karte zu Karte; ganz im Gegenteil, wir haben die Hand ständig Körbeweise voller Karten und müssen uns nur überlegen, welche davon wir auslegen, welche in der Hand behalten und welche unbenutzt zurückgeben.

Es stellt sich schnell heraus, dass sinnloses Geld-Ausgeben gar nicht so einfach ist. Und manchmal sind die Mitspieler darin einfach geschickter. Doch auch hier gilt die Spiel-Psychologie: es ist leichter zu verlieren, wenn man noch alle seine Bauernhöfe und Herrenhäuser in der Auslage hat, als wenn man von den regelmäßigen Normannenstürmen ständig um sein letztes Hab und Gut gebracht wird.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (Thema sehr gut umgesetzt) , Günther: 7, Walter: 7.

Wir wünschen allen Freunden, Lesern, Kritikern und Kommentatoren ein blühendes Weihnachtsfest und ein spielreiches Neues Jahr.

14.12.2011: Flotter Siebener

Nach Peters strikter Vorgabe werden Spielrunden größer als 5 schon im organisatorischen Vorfeld peinlichst vermieden. Heute kamen er und Loredana nach einer mehr als halbjährigen beruflichen Aushäusigkeit im gelobten Land zurück in die weiß-blaue Heimat, und aus der Freude am Wiedersehen wurde die Teilnehmerbegrenzung aufgehoben.

Würfel, Bluff und Wein

Zunächst war geplant, mit einer gemeinsamen Bluff-Runde anzufangen und dann die Gesellschaft auf zwei Tische aufzuteilen. Doch dann fanden Aaron und Günther mit dem WPG-Spielefinder soviele geeignete Viel-Personen-Spiele (und brachten sie mit), so dass wir bis zum Schluß alle zusammenblieben.
1. “Bluff”
Eigentlich ist das Spiel für maximal 6 Mitspieler ausgelegt, doch wenn man die Würfel aus zwei Spielen zusammenlegt, können problemlos 12 Mitspieler teilnehmen. Flott ist es allemal und für die vorzeitig Ausgeschiedenen auch beim Nur-Zuschauen keineswegs langweilig.
Horst konnte beim ersten Durchgang mit 17 mal die Fünf gleich 6 Mitspieler um einen Würfel kürzen. Im zweiten Durchgang wäre ihm das ebenfalls geglückt, wenn er sich getraut hätte, von 13 auf 14 mal die Fünf zu erhöhen. Sein Nicht-Mut kostete ihn genau den Würfel, der ihm später im 1:1-Endspiel gefehlt hatte.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.
2. “The Resistance”
Vor einem halben Jahr hatte das Spiel in einer 5er Runde die Hoffnung geweckt, dass es sich in einem noch größeren Teilnehmerkreis weniger durchsichtig präsentiert. Gilt es doch herauszufinden, welchen der Mitspieler eine „Gute“ und welchen eine „Böse“ Rolle zugedacht ist.
Jeweils ein Spieler stellt als Kapitän ein Team für eine „Mission“ zusammen und alle Mitspieler stimmen mehrheitlich offen darüber ab, ob die Teamzusammenstellung akzeptiert wird. Ist das der Fall, stimmen anschließend die Mitglieder des Team geheim darüber ab, ob die Mission erfolgreich ist. Eine einzige Gegenstimme bringt die Mission zum Scheitern.
Ein „guter“ Kapitän muss also versuchen, eine Mannschaft aus lauter „Guten“ zusammenzustellen. Ein „böser“ Kapitän muss versuchen, wenigstens einen „Bösen“ in die Mannschaft zu schmuggeln. Ist eine Mission gescheitert, dann war mindestens ein „Böser“ dabei. Ist die Mission aber gelungen, dann ist keineswegs gesichert, dass nur „Gute“ dabei waren. Ein Böser kann sich ja getarnt haben. Allerdings für einen hohen Einsatz. Denn er hat eine ganze Mission und damit 33% der Siegbedingungen hergeschenkt.
Übrigens: Nur „Böse“ tarnen sich. „Gute“ müssen mit allen Mitteln versuchen, Klarheit in die moralische Rollenverteilung zu bringen. Warum?
Weiterhin wird ein „guter“ Kapitän auf jeden Fall sich selber in die Mannschaft aufnehmen. Ein „böser“ kann sich da schon mal auslassen. Er muss es sogar tun, wenn er bereits entlarvt ist.
Es könnte eine Menge Rechnerei und Schlußfolgerungen geben, um aus den Ablehnungen von Teams und aus dem Scheitern von Missionen auf die „Bösen“ zu schließen, um am Ende mit den reinen Schäfchen die drei benötigten erfolgreichen Missionen durchzuführen. Allerdings erlaubt die Spielregel ausdrücklich „Diskussionen – und soziale Interaktion“, sprich lautes Gelaber, um die eigene böse Rolle zu verschleiern und den anderen Mitspielern die Schuld am Scheitern einer Mission in die Schuhe zu schieben. Das kann zu den lustigsten Anschuldigungen und zu den beschissensten Offenbarungen führen.
Offensichtlich ist diese Phase der lauten, lauteren und unlauteren Diskussion gewünscht und ein Teil des Spielspaßes. Heute war es das auch. Peter nahm seinen Präcox-Kommentar „Oh Gott, ist das ein Scheiß“ stillschweigend zurück und reihte sich mit seinen 7 Punkten genau im (relativ guten) Durchschnitt der bisherigen Wertungen ein. Loredana auch. Ohne Kommentar.
Hallo Peer, diesmal haben wir mit den Plotkarten gespielt. Ich fand sie aber keineswegs als Bereicherung des Spiels. Wenn ich dadurch meine Identität offenbaren muß, wenn ich eine von Haus aus verdeckte Abstimmung öffentlich mache, wenn ich gar eine ganze erfolgreiche Teamzusammensetzung canceln kann, wird der Logik-Anteil immer mehr zurückgedrängt. Moritz hätte mit einer Plotkarte die letzte Abstimmung ungültig machen können und damit den „Bösen“ die letzte Mission für den Sieg schenken können. Selbst als „Böser“ wollte er aber nicht so böse sein und den „Guten“ damit die gute Laune verderben bzw. sein Spiel in Mißkredit bringen.
WPG-Wertung: Aaron: 7, Günther: 6, Horst: 7, Loredana: 7, Moritz: 8, Peter: 7, Walter: 6.
3. “Zaster”
33 Jahre hat dieses Parker-Spiel auf dem Buckel. Vor 9 Jahres war es zum letzten Mal bei uns auf dem Tisch. Jeder Spieler bekommt 10 Karten von verschiedenen Farben (Zahlen) in die Hand und muß durch verdecktes Tauschen mit seinen Mitspielern erreichen, dass alle 10 Karten seiner Hand die gleiche Farbe aufweisen. Sobald das ein Spieler geschafft hat, ist ein Spiel zu Ende.
Tauschen kann jeder mit jedem und in beliebiger Reihenfolge und Häufigkeit. Zum Tauschen kündet der Tauschwillige eine beliebige Anzahl Karten einer Nomination an und wer das Gebot annimmt, muß eine entsprechend große Anzahl Karten einer beliebigen anderen Nomination dagegen halten. Dieser Vorgang führt zu einem lauten chaotischen Durcheinander-Schreien wie auf der Börse. Wer am lautesten schreit, am häufigsten zum Zuge kommt und somit am öftesten tauscht, hat als erster die Chance auf den Sieg.
WPG-Wertung: Horst blieb mit 6 Punkten nahe beim bisherigen Durchschnitt, Loredana mit 3 und Moritz mit 2 Punkten drückten den Durchschnitt um einen ganzen Punkt nach unten. Wahrscheinlich entgleitet in einer 7-er Runde das Börsen-Schrei-Chaos jeglicher Kontrolle.
4. “Linq”
Ein Partyspielchen für sprachbegabte Verschleierer. Verdeckt werden den Spielern paarweise identische Begriffe zugeordnet, die sie durch zwei Schlagwörter umschreiben müssen. Dann müssen die Spieler auf Grund der genannten Schlagwörter herausfinden, welche Spieler jeweils begrifflich zusammengehören. Finden zusammengehörige Spieler die eigene richtige Zuordnung heraus, bekommen sie Pluspunkte, findet einer von ihnen diese Zuordnung nicht, gehen beide leer aus. Finden Spieler fremde Zuordnungen heraus, so müssen die „entdeckten“ Paare Punkte abgeben. Es kommt also darauf an, für den eigenen Partner eindeutig erkennbar zu sein, für die anderen Mitspieler aber möglichst nicht.
Dabei ist es natürlich hilfreich, wenn man gemeinsame Erfahrungen hat, die sich auf ein einziges Schlüsselwort reduzieren lassen. Walter stand mit seinem „Schiefer“ ziemlich allein dar. Wer weiß denn noch, dass damit eine „Tafel“ gemeint sein kann? Wer hat denn noch in der „Volksschule“ mit dem Griffel auf eine Schiefertafel geschrieben? Loredana gab sich zwar mit „Schokolade“ gleich als Partner zu erkennen, für die Schiefertafel aber war sie 30 Jahre zu jung. Da konnte selbst der „Arthus“ mit seiner Tafelrunde nichts mehr retten.
Dagegen lag Aaron mit „Schmidt“ für „Schnauze“ goldrichtig. Glücklicherweise war hierbei nicht Loredana seine Partnerin sondern unser Oldtimer. Kein anderer in unsere Reihe kannte die Zusammensetzung „Schmidt-Schnauze“. Google findet dazu immerhin 32 Tausend Einträge. Heutzutage wird der alte Schmidt aber nur noch als ausgeschamter Kettenraucher wahrgenommen.
Keine neue WPG-Wertung für ein 7,3 Punkte Spiel.
5. “Choice”
Ein Würfelspiel, bei dem öffentlich jeweils 5 Würfel geworfen werden, die jeder Spieler in zwei mal zwei Paaren plus einen Überbleibsel-Würfel zusammenstellen muss. Das Ergebnis trägt jeder in ein privates Tableau ein. Wer am Ende die lukrativsten Kombinationen zusammenstellen konnte, hat gewonnen.
Wer mehr darüber wissen möchte, kann Moritz’ Spielbericht vom 5. Mail 2002 oder Walters Session-Report vom 20. Juli dieses Jahres (mit Bild) nachlesen.
Bisher waren unsere Kommentar überwiegend positiv. Moritz fand das Spiel damals sogar „Sucht erzeugend“ und Horst ging heute mit „ein tolles Würfelspiel“ durchaus in die gleiche Richtung. Nur Peter fiel meilenweit zurück. Das Spiel ist „komplett öde“. Es besitzt eine „eindeutige Gewinnstrategie“, es ist „wahnsinnig leicht optimierbar“. Es enthält „keinerlei Interaktion“. Im letzten Punkt hat er wohl recht, in den anderen wurde ihm heftig widersprochen. Wir warten auf die Darstellung seiner Lösung.
WPG-Wertung: Der bisherigen Durschnitt von 7,3 wurde zwar nicht von Horsts 8, aber von Peters 3 Punkten deutlich nach unten gedrückt.

07.12.2011: Ratlos auf Hawaii

Was macht der Kassier eines Vereins? Er kassiert die Mitgliedsbeiträge und bezahlt die anfallenden Kosten: Abgaben an die übergeordneten Verbände, Zuwendungen an Funktionäre, monatliche Mieten für die Clubräume, Saalmieten für Sonderveranstaltunen, Weihnachtsfeiern und ähnliches.
Und was passiert, wenn er die Kosten nicht bezahlt? Dann trudeln Mahnungen ins Haus. Zuerst bei ihm und dann beim Präsidenten. Was tut der Präsident mit den Mahnungen? Er leitet sie an den Kassier weiter, zuerst verwundert, dann frustriert, schließlich grollend.
Und bevor die gutgläubigen Club-Gläubiger ihrerseits anfangen zu grollen, bezahlt der Präsident die angemahnten Rechnungen (zunächst mal) von seinem Privatkonto. Schließlich will er die Sääle ja auch für zukünftige Veranstaltungen anmieten und das gute Verhältnis zwischen Club und Verband erhalten.
Wie geht es dann weiter? Ich weiß es selber nicht! Vielleicht habt Ihr, liebe Leser, dazu eigene Erfahrungen, praktikables juristisches Wissen, einen guten Rat! Danke!
1. “Hawaii”
„Die Fischer fischen, die Surfer surfen, die Tänzerinnen tanzen und die Früchte früchteln.“ So heißt es in der Einleitung. Und die Spieler spielen. Ein Teil des Spielspaßes ist das Zusammenbauen des Puzzle-Spielbretts. Dies ist auch eine Intelligenzaufgabe, besonders da man erst herausfinden muss, welche Teile des umfangreichen Materials zum Spielbrett gehören und welche zur Start-Ausstattung der Spieler an Grundstücken und Gebäuden. Erleichtert wird diese Aufgabe durch 3 ½ Seiten des Regelheftes, so dass diese Herausforderung nicht der Grund für das angegebene Mindestalter von 10 Jahren ist.
Es gilt allerdings noch weitere 7 1/5 Seiten Spielregel durchzuarbeiten, um die Aufgabenstellung zu verstehen. Jeder Spieler muss seine kleine Insel zu dem schönsten Paradies der Zivilisation ausbauen. In seinen maximal fünf Dörfern kann er Muschel-, Fuß-, Lang- Tausch- und Speerhütten errichten, Obstplantagen anlegen, und verschiedenartige Attraktionen für die Touristen anschaffen. Weiterhin gibt es KU, KANE, PELE, LONO, LAKA und KANAOLA-Elemente, die er in seine Dörfer einbauen kann, und die alle früher oder später Siegpunkte bei der Dorf-Prämierung abwerfen.
Um ein neues Element in eines seiner Dorf einarbeiten zu dürfen, muss ein Spieler zuerst mit seinem Häuptling zu einem Supermarkt laufen, wo es dieses Element im Angebot gibt. Dann muss er es auch noch bar bezahlen können. Bewegungsradius und Muschiwährung sind die beiden Mittel, mit denen ein Spieler seine Aktionen bestreitet.
Wie bei jeder guten Optimierungsaufgaben gilt es, gegensätzliche Prinzipien in einer wohlbalancierten Weise zu handhaben:

  • Man kann in Masse machen und sich viele billige kleine Bauteile zulegen, braucht dazu aber einen längeren Fußmarsch und bekommt nicht die Sonderprämien für die teuren großen Qualitätsstücke.
  • Man kann sich potenzerweiternde Elemente zulegen, um damit in zukünftigen Aktionen abzusahnen, oder man kann sich gleich auf siegpunktträchtigen Besitzstand konzentrieren.

Ein paar konstruktive Zufallselements sind in „Hawaii“ auch eingebaut. So variiieren Angebot und Preise von Runde zu Runde, und es ist immer von Vorteil, in der Startspielerreihenfolge einen guten Platz zu belegen. So kann man schneller zuschlagen als die Konkurrenz. Dieses Privileg ist käuflich, zwar nicht direkt, aber wer als erster seine Einkaufstour abbricht, darf wählen, in welcher Position er die nächste Runde beginnt.
Bei der Optimierung der Einkaufstouren in Bezug auf Gesamtstrecke und Gesamtausgaben stellt sich die Frage, ist „Keep fully invested“ die richtige Maxime? Soll man sein Potential an Füßen und Muschis pro Runde restlos ausschöpfen? Ganz gewiß nicht. Die Verfügbarkeit voraussetzt, ist es für bestimmte Investitionen absolut gleichgültig, in welcher Runde man sie tätigt. Ein scharfes Kalkulieren des jeweiligen Rundenetats gehört unbedingt zu gutem Spiel. Und verachtet mir den Fischerhafen und die Anlegeplätze für die Inselbesuche nicht. Hier liegen die Siegpunkte mehr oder weniger massig am Kai.
Am Ende lagen wir alle in der Reihenfolge Aaron, Walter, Günther und Horst nur ganze sieben Punkte auseinander. Allerdings hatte Günther dabei alle einmal überrundet. Mit seinen Vergnügungsbooten im Hafen.
WPG-Wertung: Horst: 8 (hat wahnsinnig Spaß gemacht), Aaron: 5 (hat nur durchschnittlich Spaß gemacht, die Frage: „Schaff ich noch das nächste Teil“ erzeugt nur einen begrenzten Spannungsbogen, Günther: 7 (schönes Aufbauspiel), Walter: 7 (vermißt in der Optimierungsaufgabe eine spielerische Linie, für eine höhere Bewertung fehlt eine progressive Steigerung, und zudem ist „Hawaii“ etwas zu solitär)
Es schloß sich eine Diskussion an über die Frage: „Wann funktioniert ein Spiel?“ Für Aaron ist es eine Grundvoraussetzung, damit ein Spiel überhaupt in die Wertung kommt. Doch sicherlich haben wir auch einige Spiele mit 2 oder gar 3 Punkten (wenn nicht gar 10, lieber Moritz!) belegt, die nicht funktionieren. Wie immer man das definieren mag.
„Und wann ist ein Spiel spielerisch?“ Aaron und Horst wollen mit ihren Wertungspunkten grundsätzlich das „Spielerische“, d.h. den Spielespaß eines Spiel benoten. Günther unterscheidet hier noch zwischen Spielespaß und persönlichen Vorlieben. Für Walter ist „spielerisch“ nur eines von vielen Kriterien, die ein guten Spiel haben sollte. Für ihn ist „Mensch ärgere Dich nicht“ deutlicher spielerischer als „Hawai“, obwohl letzteres eine höhere Wertung bekommt.
Bei Woxikon werden zum Wort „spielerisch“ 39 Synonyme in 5 Wortgruppen angeboten:
kinderleicht: unscheinbar, unkompliziert;
unbefangen: unbeschwert, ungebunden, unbelastet;
mühelos: leicht, bequem, einfach, kinderleicht, problemlos, unschwer, spielend;
entspannend: beschwingt, sorgenlos, sorglos, unbefangen
leicht: zart, anmutig, sacht, sorgenlos.
Ist „Hawaii“ jetzt „spielerisch“?
Zur Demonstration des Spielerischen schlug Horst spontan eine Partie „Mensch ärgere Dich nicht vor“ und Walter legte ohne Zögern die Schachtel mit der Ravensburger Spielesammlung auf den Tisch. Doch Aaron winkte entsetzt ab.
2. “Pax”
Ein hübsches kleines Kartenspiel von Bernd Eisenstein, das wir schon in der Endphase seiner Entstehung mittesten durften. Die Spieler ziehen Karten verschiedener Kategorien vom verdeckten Stapel, legen einige davon offen in ihre private Auslage und andere in öffentliche Kaufplätze, von wo sie von den anderen Spielern gegen blanke Münze gekauft werden können.
Je mehr Karten man auslegt, deste teurer wird der Vorgang. Je länger die eigene Auslage in den verschiedenen Kategorien ist, desto höher sind anschließend die Einnahmen. Es gilt also, eine gute Balance zwischen dem Bezahlen beim Auslegen der Karten und dem Kassieren für die lange Auslage zu finden. Im Laufe des Spiels werden die Auslagen natürlich immer länger und die Einnahmen immer höher, so dass man kurz vor Spielende nahezu im Geld schwimmt.
In regelmäßigen Abständen werden die Karten eines Kaufplatz in den Besitz von Rom übergeführt. Bei Spielende wird gewertet, ob Rom oder die Mitspieler in den verschiedenen Kategorien mehr Karten ausliegen haben. In dieser Phase ist das Spiel ein Kooperationsspiel. Man kann sich gegenseitig die notwendigen Karten zuschustern, um gemeinsam die Majoritäten zu erringen. Oder man kann auch absichtlich Rom viele und entscheidene Karten zukommen lassen, nämlich wenn man möchte, dass Rom die Kategorienwertung gewinnt. Denn in diesem Fall gewinn derjenige Spieler das Spiel, der in der Kategorie „Intrige“ die längste Auslage hat.
Ein feiner Kampf um Rom, mit vielen Optionen um Siegpunkte zu machen, mit rasant anwachsenden Betriebsmitteln und mit bis zum Schluß ungewissem Ausgang, ob der Intrigant oder der beste der „seriösen“ Spieler gewonnen hat.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (als notorischer Schlecht-Würfler hat er etwas gegen das Glück beim Kartennachziehen), Günther: 6 (mit Tendenz zu 7), Horst: 7 (hoher Wiederspielreiz, will sich das Spiel sofort kaufen), Walter: 7 (flottes Kartenspiel, überraschende Wendungen, psychologisch gut designedte Überflußwirtschaft).
3. “Bluff”
Günther stand im Endspiel mit einem Würfel gegen drei Würfel von Walter und demonstrierte die Schlagkraft seiner Immer-5-Strategie.
Bei ersten Kampf hatte Walter 4 + 4 + 1 unter seinem Becher. Was sollte er auf Günther’s Vorgabe 1 mal die Fünf antworten? 2 mal die Vier? Naheliegend. Doch Günther hatte mit seinem einen Würfel auch eine Vier und konnte mit 3 mal die Vier seinen Gegner um einen Würfel kürzen.
Im nächsten Kampf hatte Walter 3 + 1 unter seinem Becher? Er kam gar nicht auf die Idee, Günthers 1 mal die Fünf anzuzweifeln, sondern suchte sein Glück in 2 mal die Drei, mit der A-priori-Wahrscheinlichkeit von 1/3. Doch Günther zweifelte erfolgreich an.
Im letzten Kampf 1:1 hatte Walter eine 2 unter dem Becher und zweifelte diesmal Günthers 5-er Vorgabe an. Mit seinem geworfenen Stern konnte Günther den Sack zumachen.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

30.11.2011: Sorgen und Eroberungen

Handschmeichler aus Zypern
Handschmeichler aus Zypern

In den letzten Tagen erreichten uns sorgenvolle Anfragen, was denn bei den Westpark Gamers los sei und warum es kaum noch Spielberichte gibt. Daher eine kurze Erklärung: Spielberichte gibt es nur dann, wenn auch tatsächlich ein Spieleabend zustande kam und sich ein Spieler findet, der einen solchen schreibt. Und genau daran hat es in den letzten Wochen gemangelt. Zum einen fielen einige Spieleabende wegen Urlaub, Krankheit und sonstigen Gründen aus. Und anders als unser Standardberichterstatter Walter, der sich noch um 2 Uhr morgens nach anstrengendem Spieleabend hinsetzt und es schafft, einen spannenden, fast literarischen Spielbericht zu verfassen, sieht sich sein Backup Aaron dazu nicht in der Lage und schiebt diese eher lästige Aufgabe vor sich her.

Urlaubsbedingt fielen also im November zwei Spieleabende aus und Walter musste diese Woche wegen eines Termins am frühen Donnerstagmorgen als Berichterstatter passen. Auch das mitgebrachte Geschenk aus Zypern konnte ihn nicht erweichen mit nur drei Stunden Schlaf auszukommen.

1. „Québec“
Ystari’s Neuerscheinung zur Spiel 2011 kam ohne Widerspruch als erstes auf den Tisch. Die kleine Ergänzung „plus“ unter dem Verlagsnamen sorgte für Stirnrunzeln. Sollte es sich hier um eine besonders hübsch aufgemachte Sonderserie von Ystari handeln? Oder dient das plus als Hinweis darauf, dass es sich um eine Gemeinschaftsproduktion mit einem anderen Verlag handelt? Die Ystari-Website gibt darüber keine Auskunft.

Der Spielplan brachte dann die Aufklärung: seine Gestaltung in Bonbonfarben passt eher zu einem Kindergeburtstag und kaum zum Thema „Wir bauen über einen Zeitraum von 400 Jahren die schönsten Gebäude in Québec“. Also wohl keine Sonderserie. Die Farbgestaltung und Topologie des Plans bedingt eine gewisse Eingewöhnungszeit nicht unähnlich unserer Erfahrung mit Ystari’s „Metropolys“ vor drei Jahren. Danach kann man allerdings die perfekt ineinander greifenden, schönen Mechanismen des Spiels genießen.

Québec Spielplan
Kindergeburtstag in Québec

Mit ihrem Baumeister besetzen die Spieler die für das jeweilige Jahrhundert markierten gültigen Bauplätze, um in späteren Aktionen sowohl selbst Baumaterial dorthin zu liefern, als auch die anderen Spieler zu animieren, beim Bau zu helfen. Später, wenn der Besitzer des Baumeisters entscheidet, dass genug Material zum Bau geliefert wurde, zieht er seinen Baumeister auf einen neuen Bauplatz, dreht den jetzt fertiggestellten Bauplatz um und markiert ihn mit einem Siegpunktemarker seiner Farbe. Je mehr Baumateriallieferungen erfolgten, umso mehr Siegpunkte gibt es bei Spielende.

Stellt sich die Frage, warum andere Spieler beim Bau des Gebäudes überhaupt helfen sollten, wenn doch die Siegpunkte des Gebäudes nur an den Besitzer des Baumeisters gehen? Zwei clevere Mechanismen sorgen dafür, dass es oft für einen Spieler besser ist, fremde statt eigene Bauplätze zu beliefern. Zum einen bringt jede solche Lieferung den Vorteil von Siegpunkt-trächtigen Zusatzaktionen, die dem Bauplatz zugeordnet sind. Weiterhin wird alles gelieferte Baumaterial bei Fertigstellung des Gebäudes auf eine der Bauplatzfarbe zugeordnete Einflusszone verschoben und bringt dort am Ende eines Jahrhunderts zusätzliche Siegpunkte. Da nach der Wertung einer Einflusszone die Hälfte der Steine des Spielers mit dem meisten Baumaterial dort in die nächste Zone verschoben wird, kommt es zu Mehrfachwertungen. Geschicktes Liefern von Baumaterial an Gebäude der richtigen Farbe schafft daher Mehrheiten in den Einflusszonen und einen mächtigen Strom an Siegpunkten am Ende eines Jahrhunderts.

Doch nicht nur die Lieferung des eigenen Baumaterials an die Einflusszonen will beachtet sein. So bringen fertiggestellte Gebäude bei Spielende mehr Siegpunkte, wenn sie ein großes, zusammenhängendes Gebiet bilden. Schnell lassen sich so fast 50% der Gesamtsiegpunkte bei Spielende generieren.
Um die Spieltaktik variabler zu gestalten, können die Spieler Sondereigenschaften durch „Leader“-Karten erwerben, die sie dann für die Dauer eines Jahrhunderts verwenden dürfen. Dies, zusammen mit dem variablen Spielplan und einer für jedes Spiel variablen Zusatzbedingung sorgen für einen hohen Wiederspielreiz.

Günther wies gleich zu Beginn des Spiels auf die möglichen Siegstrategien und deren Gleichwertigkeit hin. Der weitere Spielverlauf zeigte schnell, dass die Wichtigkeit der Mehrheiten in den Einflusszonen nicht zu unterschätzen ist. Aaron schaffte es damit, in den ersten beiden Jahrhunderten einen deutlichen Vorsprung herauszuarbeiten, während sich die anderen Spieler eher auf wertvolle Bauplätze und zusammenhängende Gebiete konzentrierten. Im dritten und vierten Jahrhundert schwenkte Horst auf die Einflusszonenstrategie um, und Aaron begann, ein großes zusammenhängendes Gebiet zu bebauen, während Walter und Günther ihre „von allem etwas“ Strategie beibehielten. Bei Spielende führte Horst mit 122 Siegpunkten vor Günther, Aaron und Walter – jeweils mit einem Abstand von fünf Siegpunkten.

WPG-Wertung: Günther: 8 (nicht zu glückslastig), Horst: 7 (nicht unspannend), Walter: 7 (dynamische Spannung fehlt, viel Interaktion, gut ausbalanciert), Aaron: 8 (spannend, kaum Grübelei)

2. „Caravelas“
Auf der Spiel 2011 in der zweiten Auflage verfügbar, war „Caravelas“ sowohl Günther als auch Aaron aufgefallen. Beide hatten das Spiel dort kurz angespielt und danach sofort zugegriffen. Vom Thema und Mechanik erinnert „Caravelas“ an „Navegador“. Könnte das der Grund gewesen sein, warum die Erstauflage auf der Spiel 2010 so wenig beachtet wurde?

Der Spielplan zeigt die fünf Kontinente und die Ozeane. Wichtige Häfen gilt es anzulaufen, dort als erster ein Denkmal zu errichten und Güter auf die eigenen Schiffe zu verladen und zurück nach Lissabon zu bringen und dort gegen Siegpunkte zu verkaufen. Zu Spielbeginn bekommt jeder Spieler 8 Zielkarten, die zusätzliche Siegpunkte bringen, falls der Spieler dort ein Denkmal errichtet hat.

Das Navigieren der Schiffe wird durch Meeres- und Windströmungen erschwert bzw. erleichtert. Gleichzeitig birgt das Kap der guten Hoffnung die Gefahr eines Schiffsuntergangs und in besonders gefährlichen Meergebieten sorgen Ereigniskarten oder Piraten für ungeplante Manöver.

Unser Spiel begann recht spannend, als alle Spieler versuchten, möglichst viele ihrer Zielhäfen als erste zu erreichen. Schnell stellte sich dann der erste Frust ein, als klar wurde, dass die zufällige Verteilung der Zielkarten gepaart mit den möglichen Navigationsrouten einen großen Glücksfaktor ins Spiel bringt. Nachdem sich diese Anfangsenttäuschung gelegt hatte, versuchten alle Spieler, möglichst viele weitere Denkmäler zu setzen und gleichzeitig ihre Schiffe mit den notwenigen Waren zu beladen. Hier geben die Wind- und Strömungsverhältnisse die sinnvolle Route weitestgehend vor. Und leider führen die Ereigniskarten in schwierigem Gebiet wieder einen Glücksfaktor ein, der schwer vorauszuplanen ist.

Sind dann die Schiffe beladen, geht es zurück nach Lissabon zum Warenverkauf. Wie bereits auf dem Hinweg ist das Kap der guten Hoffnung mit seinen gefährlichen Strömungen erneut zu meistern und wieder besteht die 50%ige Chance, dass ein Schiff mitsamt Ladung sinkt. In Lissabon angekommen, werden alle Waren verkauft oder geladener Pfeffer für die doppelte Siegpunktanzahl in den Bau eines Klosters investiert. Sobald fünfmal in den Klosterbau investiert wurde endet das Spiel.
Bevor das erste Schiff zurück in Lissabon war, hatten wir alle Häfen angelaufen und damit alle verfügbaren Denkmäler gesetzt. Was jetzt also übrig blieb, war immer die gleiche Route zu den Warenhäfen zu navigieren, dort die Waren aufzuladen und nach Lissabon zu bringen. Klar, dass zurückliegende Spieler nicht in den Klosterbau investieren werden, um das Spieleende nicht zu beschleunigen. Auch klar, dass sich der immer gleiche Ablauf wiederholen wird, bis endlich das fünfte Klosterteil gebaut wurde. Und ebenfalls klar, dass wir das Spiel bereits vor dem ersten Klosterbau abbrachen. Zu wenig Spannung blieb für die restlichen Runden übrig, zu wenig Interaktion und Taktikoptionen.

Schade, „Caravelas“ hat stimmige Mechanismen und einen dazu passenden Spielplan. Aber es ist nicht ausgereift und nach den ersten Runden völlig spannungslos. Wer das Glück hatte und viele Zielhäfen als erster erreichte wird das Spielende beschleunigen (und damit wieder mehr Punkte als die anderen erhalten), während die anderen Spieler hinterherhecheln aber keine Chance haben, aufzuholen.

WPG-Wertung: Günther: 4 (Zielkarten bringen zu viel Chaos), Horst: 3 (Idee gut, Umsetzung katastrophal), Walter: 4 (zu viel Glück, Pseudoplanspiel), Aaron: 4 (nicht ausbalanciert, kein Drive)

16.11.2011: Trajan

Ein reicher Kaufmann hatte einen Sohn, der hatte sich allen möglichen Sünden und Lastern ergeben. Unter anderen Greueln fand er auch am Würfelspiel Wohlgefallen. Alle seine Verwandten schämten sich deshalb seiner. Endlich faßte der Kaufmann den Plan, achtzig auf dem Lande aufgewachsene biedere fromme Männer für eine gewisse Zeit mit seinem Sohne in einem Haus zusammenzubringen. So meinte er, ihr Umgang würde auf ihn einen guten Eindruck machen und er von seinem schlechten Wandel ablassen.
Gesagt, getan, der Kaufmann suchte achtzig fromme Männer auf, die er unter tausend Versprechungen reichlicher Belohnung mit seinem Sohne in ein Haus einsperrte, wo man ihnen Speise und Trank von draußen hineinreichte. Um es kurz zu machen: nach siebzig Tagen öffnete man die Tür und forschte nach dem Zustande der Eingeschlossenen. Und siehe da, die Frömmigkeit hatte auf den Burschen keinerlei Eindruck gemacht, aber umgekehrt hatte sein Laster auf die achtzig Frommen eine solche Wirkung gehabt, dass sie samt und sonders zu Würfelspielern geworden waren.
(aus dem tausend-jährigen „Papageienbuch“)
1. “Trajan”
In Essen hatte das Spiel Furore gemacht und stand in allen Bestseller-Listen an der Spitze. Aaron hatte das Spiel deshalb blind gekauft, Günther als Halbblinder. Heute legte er es mit deutlichen gebremstem Schaum auf den Tisch: „Es ist ein 3-stündiges Solitärspiel.“
Nach dem Regelheft befinden wir uns im römischen Imperium auf dem Höhepunkt seiner Macht. Auf 12 klar und massiv bedruckten Seiten wird uns die Aufgabenstellung beschrieben. Dicke, deutlich, didaktisch. 60 Spielfiguren, 4 Feldherren, 4 Trajansbögen, 56 Aktionssteine, 60 Warenkarten, 54 Trajansplättchen und 70 Forumsplättchen sind erst die Hälfte des gebotenen Spielematerials. Wir drehen an ungezählten Rädchen, um im Hafen, im Senat, auf dem Forum, beim Militär, auf dem Markt oder in den Arbeitslagern unsere Potenz zu steigern oder gleich direkt Siegpunkte zu notieren.
Bemerkenswert ist das Auswahlprinzip für unsere Aktionen: Auf einem Rundkurs versetzt jeder Spieler kalah-artig die verschiedenfarbigen Aktionsteine jeweils einer Mulde und bestimmt dadurch seine nächste Aktion.
In “Trajan” hat der Autor Stefan Feld gleich eine ganze Handvoll verschiedener Optimierungsaufgaben zusammengefaßt:

  • Das Kalah-Prinzip, um die gewünschte Ziel-Aktion zu treffen
  • Das Kalah-Prinzip, um in einzelnen Mulden die notwendige Farbkombinationen für die Sondereffekte zu erreichen
  • Diversifizierung und Kumulierung im Arbeitslagen
  • Kleckern oder Klotzen im Senat
  • Transportoptimierung in den Provinzen
  • Sammlung und Nutzung einer effizienten Kombination von gleichen und ungleichen Symbolen
  • und noch viel mehr

Nach 4 Quartalen mit jeweils 4 Großrunden hat ein erfolgreicher Römer ca. 100 Siegpunkten auf die Seite geschafft. Dazu kommen in der Schlußwertung mit Glück nochmals ca. 20 Siegpunkte hinzu. Alles schön konstruktiv und sprudelnd. Eigentlich ein Super-Spiel. Eigentlich! Leider ist es entschieden zu solitär. Wir sitzen zwar zu viert um den Spieltisch, aber miteinander (oder gegeneinander) spielen wir nicht. Jeder könnte (fast) genauso gut alleine in seiner Studierstube sitzen und über seinen Kalah-Steinen brüten, um damit eine Maximalausbeute an Siegpunkten zu erlangen. Hinterher tauscht man die Ergebnisse per Telefon aus. Das bißchen Konkurrenz um den jeweils besten Platz aus lauter guten anderen Plätzen in den verschiedenen Operationsgebieten verdient nicht den Namen Interaktion. Michelin würde deshalb gewiß den zweiten Stern verweigern.
Den ersten Stern kann ein verwöhnter Gourmet auch noch verweigern, weil eine spiel-kulinarische Steigerung fehlt. Nach der ersten halben (von 16) Großrunden hat sich das Spiel eingeschwungen und plätschert dann nur noch mehr oder weniger linear vor sich hin. Der gesamte Spielverlauf für die nächsten zwei bis drei Stunden liegt vor unseren Augen. Ein bisschen zu lang.
Tom Felber, Vorsitzender der Jury Spiel des Jahres schreibt über den Trend bei den Spielen 2011: „Im Vormarsch sind logische Denksportaufgaben unter Zeitdruck und das Element des gleichzeitigen Spielens.“ Wie steht „Trajan“ zu diesem Trend? Es stellt uns zweifellos vor logische Aufgaben: tausend Rädchen im optimalen Takt zu drehen ist schließlich ein anspruchsvoller Denksport. Und wenn man zuvorkommend ist und seine Mitspieler nicht warten lassen will, steht man unweigerlich unter einem erheblichen Zeitdruck. Da in „Trajan“ auch noch die Interaktion fehlt, könnten alle mehr oder weniger gleichzeitig spielen. Fazit: „Trajan“ ist absolut trendy!
WPG-Wertung: Horst: 7 („spannend“, vor allem in Anbetracht der vielen sprudelnden Siegpunkt-Quellen), Aaron: 6 („nicht spannend“, schließlich ist es solitär), Günther: 7 (immerhin wird eine Menge Spiel geboten), Walter: 5 (als Solitärspiel bekäme es 8 Punkte).
2. “Bluff”
Im ersten Spiel schlachtete Günther als Goliath ohne einen einzigen Würfelverlust alle seine Mitspieler ab.
Im zweiten Spiel war er als David mit einem Würfel im Endspiel gegen Goliath Aaron mit dreien. Hier konnte er jetzt dreimal den ungleichen Zweikampf für sich entscheiden. Dreimal mit der Immer-5-Strategie. Sollte hier doch etwas dran sein?
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

02.11.2011: Volle Hallen – leere Taschen

Wie schon in den vergangenen Jahren fanden sich die Westpark Gamers auch diesmal in Essen ein, um reiche Beute an neuen, interessanten Spielen mit nach München zu nehmen. Nur, diese Jahr reichten eher kleine Taschen, um die Ausbeute nach Hause zu bringen. Woran lag’s?

Inzwischen haben wir es uns zur Regel gemacht, aus Essen interessante Spiele kleiner Verlage mitzubringen, bei denen die Wahrscheinlichkeit besteht, dass sie später nicht oder nur sehr schwierig zu bekommen sind. Schon lange haben wir uns von der Vorstellung verabschiedet, vor Ort ein günstiges Schnäppchen eines Großverlags zum „Messepreis“ zu ergattern. Zu oft gibt es diese Spiele nach der Messe bei den einschlägigen Versendern sogar noch günstiger.

So bildeten dann die Hallen 9, 7, 5, und 4 den Schwerpunkt der diesjährigen Suche. Dabei waren, anders als in den Vorjahren, die diversen Scout-Listen zumindest am Donnerstag und Freitag keine wirkliche Hilfe. Fairplay brachte erst am späteren Donnerstagnachmittag eine erste Liste, die allerdings so wenige Stimmabgaben enthielt, dass eine Trendaussage wohl kaum möglich war. Bei den Boardgamegeeks wird leider die Anzahl der Stimmen gar nicht erst verraten, doch zeigte die Fluktuation der Spiele unter den Top 10 deutlich, dass auch hier die Umfragebasis viel zu gering war. Bis Freitagnachmittag hatten sich die Listen dann halbwegs stabilisiert, wenn auch mit deutlich unterschiedlichen Top 10.

1.  „Aktienrausch“

Es geht ums Geld! So der Untertitel von Florian Isensees neuem Spiel, das erst beim x-ten Vorbeigehen  ins Auge sprang. Das ist wohl auch ein wenig der etwas altbackenen geratenen Gestaltung der Schachtel des kleinen Kartenspiels geschuldet. Umso mehr überraschte das Spiel bei einer Viererrunde mit dem Autor durch verblüffende Spieltiefe und verzwickte Entscheidungsfindungen. In ebensolcher Viererrunde musste sich das Spiel im Kreise der WPGler beweisen. Das sollte doch nicht allzu schwierig sein, hat „Aktienrausch“ doch Aktien- und Dividendenrunde ganz wie die von uns so geliebten 18xx-Spiele.

In einer Aktienrunde kaufen und verkaufen die Spieler Aktien von sechs Gesellschaften, wobei jeder zweimal kaufen und einmal verkaufen darf. Danach beginnt die Dividendenrunde. Ein neuer Mechanismus sorgt dafür, dass das Geld, mit dem Aktien einer Gesellschaft gekauft werden, in der Dividendenrunde wieder ausgeschüttet wird. Er sorgt einerseits dafür, dass das Bezahlen gekaufter Aktien gut überlegt sein will („Welche Scheine verwende ich?“). Anderseits macht es das Ausspielen der Dividendenscheine der Gesellschaften in der Dividendenrunde zu einer taktischen Bluff-Veranstaltung („Welchen Schein lege ich wann auf welchen Dividendenstapel?“). Eine zu starke Konzentration auf das Ausschütten einer Dividende ist dabei gar nicht angebracht, denn die ausgeschütteten Beträge sind eher klein. Viel wichtiger ist es, überhaupt eine Dividende auszuschütten, denn dadurch steigt der Aktienkurs, während der Kurs von Gesellschaften ohne Ausschüttung fällt. Das richtige Timing beim Kauf und Verkauf sorgt dann für einen steten Geldstrom auf das Schweizer Bankkonto. Diese Mischung aus Bluff, Chaos und taktischen Elementen muss man mögen, wenn einem „Aktienrausch“ gefallen soll.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (interessante Mechanismen gepaart mit kurzer Spieldauer), Günther: 6 (einige kleine Macken),  Moritz: 6 (ganz okay aber nicht umwerfend), Walter: 7 (chaotisch, lustig, solide)

2.  „Elder Sign“

Von Moritz als „taktisches Würfelspiel“ auf den Tisch gebracht, sorgte das Fantasy-Thema beim Aufbau und der Regelerklärung für erste Stirnrunzler. Als dann noch deutlich wurde, dass „Elder Sign“ ein kooperatives Spiel ist, war die Stimmung der WPG-Basis erst einmal im Keller, denn diese beiden Spielelemente konnten bisher schon jedes für sich nicht überzeugen,  und jetzt noch kombiniert in einem Spiel?

Die Spieler schlüpfen jeder in die Rolle eines Abenteurers, die sich gemeinsam in einem Museum und dessen Umgebung auf die Suche nach den“ Elder Signs“ machen, um damit das Tor zu versiegeln, durch das nach einer vorgegebenen Anzahl Runden der böse „Ancient One“ die Erde betritt und diese zerstört. Die Abenteurer haben unterschiedliche Eigenschaften, die sie beim Bestehen der Abenteuer einsetzen können (so sorgt Mandy mit ihren großen Titten ihrem tiefen Dekollté dafür, dass jeder Spieler einmal pro Runde bis zu zwei Würfel nachwürfeln darf).

Wer an der Reihe ist, sucht sich einen Raum aus, dessen Aufgaben einerseits dem Fortschritt der Gruppe dienen und andererseits mit einer vernünftigen Wahrscheinlichkeit auch zu bewältigen sind. Die Aufgaben sind in der Regel mehrere Würfelvorgaben, die es mit 6 bis 8 Würfeln zu erwürfeln gilt. Würfeln darf man beliebig oft, muss aber für jeden Fehlversuch einen Würfel und manchmal noch „Hirn“-Punkte abgeben. Das beschränkt die Anzahl der sinnvollen Versuche deutlich. Missglückt der Versuch, alle Aufgaben in einem Raum zu lösen, ist man dann auch noch Lebenspunkte und weitere Hirn-Punkte los. Das traf zuerst die gut bestückte Mandy, die nach erfolglosen Abenteuern zwar noch mit ihren Physiognomie aber nicht mehr mit viel Hirn glänzen konnte und sich unter Moritz Protest in immer wildere Abenteuer stürzte.

Das Spiel lebt von seiner Geschichte und der Fantasy Stimmung, die recht gut rübergebracht wird. Die Taktik in diesem Spiel reduziert sich darauf, den Raum auszuwählen, dessen Aufgaben am leichtesten zu lösen sind, und dann gut zu würfeln. Wer das mag, bekommt mit „Elder Sign“ ein solides, schön aufgemachtes Spiel. Ernst nehmen darf man das Ganze nicht, denn dann reduziert sich das Spiel auf ein bisschen Wahrscheinlichkeitsrechnung und langweiligem Vermeiden von Risiken. Und dazu ist die Spieldauer von zwei Stunden dann doch zu lang. Da bietet „Bluff“ mehr Spielspaß.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (ohne Mandy einen Punkt weniger), Günther: 5 (zu solitär), Moritz: 7 (lustiges, variables Würfelspiel), Walter: – (enthält sich der Stimme)

3.  „Santiago de Cuba“

Nach „Cuba“ aus dem Jahr 2007 bringt Michael Rieneck dieses Jahr „Santiago de Cuba“ auf die Spielertische. Wieder sind wir auf Cuba und auch dieses Mal geht es um Zucker, Rum und andere Waren, die es zu erzeugen und dann zu verschiffen gilt. Der „worker placement“ Mechanismus ist jetzt deutlich simpler geraten, so dass das Spiel insgesamt recht flott läuft und gerade einmal die halbe Spielzeit von „Cuba“ besitzt. „Gott sei Dank“ möchte man sagen, denn obwohl die Mechanismen alle funktionieren und gut ineinander greifen, fehlt es deutlich an Spielspaß. Da wiederholt sich dann doch immer wieder die gleiche Entscheidungsfindung und, schlimmer, es gibt zu wenig wirklich Konstruktives im Spiel. Planbar ist sowieso recht wenig, denn welche Felder im nächsten Zug erreichbar sind, lässt sich kaum abschätzen. So plätschert dann alles vor sich hin, man ärgert sich, dass man das gewünschte Feld nun doch nicht erreichen kann und etwa alle zwei Runden kommt es zu einer Siegpunktausschüttung, oft genug zum falschen Zeitpunkt.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (zu viel Frustpotenzial), Günther: 5 (funktioniert), Moritz: 5 (macht keinen Spaß), Walter: 5 (funktioniert)

4.  „23“

Zum Schluss noch ein kurzer Absacker. Amigo hat mit „23“ ein kleines Kartenspiel herausgebracht, das schnell erklärt und ebenso schnell gespielt ist. Die Karten eines Kartendecks mit den Zahlen von 1 bis 23 werden an die Spieler verdeckt verteilt. Dabei gibt es alle Zahlen dreimal, nur die 2 gibt es zweimal und die 1 nur einmal. Nachdem jeder Spieler drei seiner Karten gedrückt hat, beginnt der Spieler, der die 1 auf der Hand hat, indem er diese ausspielt. Nun müssen reihum alle Spieler ebenfalls Karten ausspielen, und zwar immer die mit der nächsthöheren Zahl. Das dürfen auch mehrere mit dem gleichen Wert sein. Wer nicht ausspielen kann, muss passen und nimmt sich einen Strafchip. Damit das Ganze nicht ins Stocken gerät, bekommt jeder Spieler zu Spielbeginn drei Sonderchips. Das Ausspielen eines dieser Chips erlaubt dem Spieler, eine Karte, die bis zu 5 niedriger oder höher ist, zu spielen. Wer meint, dass er keine Karten mehr spielen kann, steigt aus und nimmt sich für jede verbleibende Handkarte einen Strafchip. Sobald alle Spieler ausgestiegen sind, erfolgt ein zweiter identischer Durchgang. Am Ende werden die Strafchips als Minuspunkte gewertet und die verbliebenen Sonderchips bringen zwei Pluspunkte.

Das alles spielt sich flüssig und schnell und erzeugt ein ähnliches Spielgefühl wie „6 nimmt“, auch wenn „23“ nicht dessen Klasse erreicht.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (ohne Fehl und Tadel), Günther: 7 (guter Absacker), Moritz: 7 (schnell), Walter: 7 (überzeugend)

19.10.2011 : Kodex vor Essen

Heute kein Spielabend. Die Hälfte der Belegschaft ist bereits in Essen auf der “Spiel 2011”, die andere Hälfte reist am Wochenende nach. Eine gute Gelegenheit für die noch Zurückgebliebenen, in den Archiven der Westparker mal zu graben und herauszufinden, was sich darin über den ominösen Westpark-Gamers Codex findet.
Aus gegebenem Anlaß kam am 11. August 2003 von Moritz per Email die erste, schriftlich nachweisbare Idee dazu: “Ansonsten hätte ich den konstruktiven Vorschlag eines ’Kodexes’, der die Verhaltensweisen bei bestimmten Unklarheiten oder Regelfragen in gewisser Weise reglementiert”.
Hans war sofort Feuer und Flamme; er meldete sich eine Stunde später mit dem Text: “Im Ernst, ich finde das eine tolle Idee”.
Vier Minuten später war auch Aaron dabei, er reklamierte für sich aber zugleich das Erstgeburtsrecht: “Hatte ich, glaube ich, schon mal vorgeschlagen wurde aber abgelehnt.”
Peter, unser Staatswissenschaftler und Philologe, war reserviert: “Ich würde am Mittwoch lieber Spielen statt Legislative spielen. Übrigens ist das alles nicht so leicht. ’Hetzen’ kann unangenehm sein, klar. Mich kann mich ’Arpadieren’ aber mehr nerven als Hetzen (sogar mehr als Hetzen gegen mich selbst).”
Dass ein Friede-Freude-Eierkuchenspruch analog §1 der Straßenverkehrsordnung:
“Jeder Spieler hat sich so zu verhalten, daß die gemeinsame Spielfreude am besten gefördert und kein Mitspieler mehr als nach den Umständen unvermeidbar gestört, geschädigt oder beleidigt wird.”
nicht ausreicht, zeigen schon die anderen hunderttausend Paragraphen und Strafvorschriften des Straßenverkehrs.
Günther brachte seine Erfahrungen über die Spieler-Moral bei den 18xx-Spielen ein:
“1830 ist wie üblich ein gutes Beispiel – und wird häufig auch mit einem gewissen Kodex gespielt.

  • Eine gewisse ’berechenbare / nachvollziehbare’ Spielweise gehört dazu
  • Bankrotte und damit Spielabbruch passieren schon häufiger mal [sie sind also sozusagen regelgerecht].
  • Klare Absprachen werden IMMER eingehalten
  • Bei Computer-Unterstützung [zur Abwicklung der Geldflüsse] läuft die Zeit immer mit, es gibt Punktabzug bei Überschreitung”

Moritz wollte dann noch ein recht weitgehendes Verbot von Kommentierungen einführen:

  • “Ausser alle erlauben es ausdrücklich vor einem Spiel, sollten keine Kommentare zur Platzierung der Mitspieler und der eigenen Platzierung während des Spiels fallen.”
    Das ging den anderen Spielern aber entschieden zu weit.

Günther steuerte wieder aus seinen reichen Erfahrungsschatz von den 18xx-Spielen bei:
“Es hat sich eingebürgert, im allgemeinen bei den Aktienrunden keine Tipps zu geben, allenfalls positive Tipps, wie: ’Kauf doch noch die letzte Aktie, dann haben wir beide 50% und sind ausverkauft’, etc. Aber nicht sowas wie: ’20% dieser Aktie zu behalten könnte problematisch werden, wenn die Gesellschaft ruiniert wird.’
Auch nicht: ’Schmeiß doch diese blöden Aktien, dann bist du die Gesellschaft los und X ist gelackmeiert !’
Während der Betriebsrunden sind Absprachen und Hinweise im allgemeinen jedoch erlaubt.”

In eine paragraphen-taugliche Form wurden diese Kodex-Beiträge nie gebracht, sie wurden auch nie verabschiedet und keiner mußte einen Eid darauf leisten. Bei Überschreitung der Regeln gibt es auch keine extrinsische Strafandrohung. Bisher hat die Moral mit ihrer quasi intrinsischen Strafandrohung dazu beitragen, diese Benimm-Regeln im allgemeinen einzuhalten. Ausnahmen bestätigen die Regel.

12.10.2011: Konflikt mit Österreich-Ungarn

1. “1824 – Österreich-Ungarn”
Eigentlich stand heute eine „1824 – Österreich-Ungarn“ auf dem Programm. Walter hatte in Liebe zur besten aller ungarischen Ehefrauen (hallo Birgit, gib nicht auf, da ist noch ein Titel frei!) letzte Woche ein Exemplar erstanden und für heute sollte er sich darauf vorbereiten.
Eigentlich ist alles ja ganz einfach und in allen Mitgliedern der 18xx-Familien gleich: In einem Vorgeplänkel (und zum Ausgleich des Zufalls bei der Bestimmung der Spielerreihenfolge) werden Mini-Eisenbahngesellschaften versteigert. Anschließend werden Aktien von „richtigen“ Eisenbahngesellschaften gekauft oder verkauft, Gleisstrecken gelegt oder modernisiert, Züge gekauft oder verschrottet, Betriebseinnahmen kassiert und verteilt. Am Ende gewinnt der Spieler mit dem größten Vermögen.
Diesen gewohnten Ablauf findet man auch im Regelheft zu „1824“ wieder. Doch dann folgen die massigen Detail-Änderungen, mit denen Helmut Ohley den 18xx-Sprößling auf K&K-Tauglichkeit getrimmt hat. Es gibt nicht – wie bei 1830 – nur simple sechs Trivial-Gesellschaften und acht öffentliche Bahnen, es gibt:

  • 7 Vor-Staatsbahnen
  • 4 Gesellschaften mit zugehöriger Kohlebahn, später in Ohne-Kohlebahnen verwandelt
  • 1 Gesellschaft von Haus aus ohne zugehörige Kohlebahn
  • Bergbahnen je nach Anzahl der Spieler
  • 5 Aktiengesellschaften
  • 3 Staatsbahnen

Alle mit unterschiedlichen Start- und Betriebsbedingungen.
Es gibt nicht – wie bei 1830 – nur fünf Lokomotiv-Typen, die sich gegenseitig aus dem Spiel drängen, es gibt gleich sieben „normale“ Lokomotiv-Typen und zusätzlich fünf Sonder-Lokomotiv-Typen, die alle nach unterschiedlichen Kriterien in und aus dem Spiel gebracht werden.

Gleichzeitig kündigten die Mitspieler an, nicht nur flott so mal eben die neuen konstruktiven Elemente des Spiels wirken zu lassen, Linien zu bauen und Dividenden auszuschütten. Nein, zu 101% wollten sie die neuen Gegebenheiten des Spiel auszureizen, selbst bei den Zügen der Mitspieler mitdenken, aus deren Leistungen und Fehlern „doppelt und dreifache Erfahrungen zu dem neuen Spiel“ zu sammeln, um dann mit einer umfassenden stundenlangen Kosten- und Nutzenanalyse von 4 verschiedenen Mitspielern mit 84 Aktien von 24 Gesellschaften aus 6 verschiedenen Betriebsformen und einem Besitz von 56 Lokomotiven von 12 verschiedenen Typenreihen die über 123 Gleisteile von 59 verschiedenen Strukturen über ein Spielbrett aus 99 verschiedenen Hexagons fahren. Walter warf das Handtuch. Für dieses Spiel ist Walter in diesem Leben schon zu alt! „Ich will nicht mehr Präsident der Vereinigten Staaten werden.“
„1824“ ist nicht für Liebhaber und Experten von komplexen Spielen gebaut. Es ist für Quadrat-Freaks der „18xx“-Familie gebaut. Lieber Helmut, Du hast eine tolle Arbeit geleistet und die verworrene Geschichte der Österreich-Ungarischen Eisenbahnen mit Liebe und Genialität in das Regelwerk der „1824“ eingebaut. Hier können die klügsten Köpfe aus Mathematik, Betriebswirtschaft und Finanzwesen ihre Systeme heißlaufen lassen, um noch mehr Gulden aus ihrem Geschäft herauspressen zu können. Doch mit Spielen hat das nichts mehr zu tun. Nicht für mich!
Keine WPG-Wertung.
2. “1830 +”
Hurra, hurra, die Großmutter der 18xx-Spiele-Familie ist wieder auferstanden. Nach vielen Jahren im Nirvana und nach mehreren Jahren Geburstswehen ist es Lookout-Games gelungen, die Reinkarnation wieder ans Tageslicht zu befördern.
Auf einem Spielbrett mit sehr viel mehr geographischer Detailinformation zu Stadt-Land-Fluß, aber mit identischer Struktur und identischer Ausstattung wie beim Original „1830“ können wir ohne jede Veränderung das gleiche alte Spielgefühl wieder aufleben lassen.
Es wird aber noch mehr geboten. Auf der Rückseite des Spielbretts gibt es einen modifizierten Spielplan mit drei zusätzlichen Hexareihen im Süden der USA, mit einer leicht veränderten Struktur von Städten und Wertigkeiten und mit zwei weiteren Eisenbahnlinien. Im Szenario „Gleiche Bedingungen“ sollen nach Angabe des Autors jetzt alle Linien ein vergleichbares Potential haben, die Musik spielt nicht mehr ausschließlich in und um New York. Natürlich lockte uns gleich diese Variante, auch wenn Horst als 18xx-Neuling dabei war und lediglich Erfahrungen aus „Poseidon“ und dem Kartenspiel „Railroad Barons“ mitbringen konnte.
Walter bestand auf der regelkonformen Auslosung der Sitzreihenfolge, er wollte der undankbaren Position hinter dem fehlerlosen Günther entkommen. Doch das Los ersparte ihm dieses Los nicht. Aaron und Horst verzichteten dann auf den ausgelosten Tausch ihrer angestammten Plätze.
Ein langes Palaver entstand um den Verkauf der Privatlinien. Aaron hätte diese Prozedur gerne verkürzt: Jeder kauft, was gerade ansteht. Walter bestand auf einer regelkonformen Versteigerung. Er hoffte durch gezieltes Passen und Bieten, das Erstkaufrecht bei den öffentlichen Bahnen zu erwischen. Nix wars. Zwischen der Alternative, die B&O zu kaufen und dann mangels Masse überhaupt keine echte Linie mehr floaten zu können oder auf die B&O zu verzichten und allen Mitspielern eine höhere Privatbahn-Rendite zukommen zu lassen, entschied er sich für die B&O. Damit war er in den ersten Runden auf Gedeih einem fremden Präsidenten unterworfen.
Horst wählte für sich gleich zu Beginn die PRR. Auch im 1830-Plus-Szenario ist das eine sehr schwierige Anfangslinie. Ihre Dividende kann vielen Runden lange einfach kein Lächeln auf den Gesichtern der Anteilseigner hervorrufen, und bevor sie im Endspiel glänzen kann, haben die erfahreneren Konkurrenten ihre Pfründen längst zerpflückt. Niemand warnte Horst vor seiner Entscheidung. Erstens wußten wir in dem veränderten Spielplan selber nicht, wie der Hase laufen würde, und zweitens gab es zu Spielbeginn gleich eine strikte Abmachung: Niemand durfte ungefragt Horst beraten, denn erfahrungsgemäß erfolgen alle – noch so fürsorglichen – Beratungen von Neulingen niemals ohne Eigeninteresse. Vor allem enthalten sie immer ein gezieltes Spucken in die Suppe der anderen Mitspieler. Schließlich strotzt jedes Mitglieder der 18xx-Familie nur so vor Möglichkeiten, Mitspielern einen Knüppel zwischen die Beine zu werden, wenn nicht gar, ihm gleich ganz den Hals zu brechen. Horst wurde nur beraten, wenn er ausdrücklich darum bat. Doch dazu war er sich aber eigentlich während des ganzen Spiels zu fein.
Aaron floatete die C&O und Günther die NNH. Für Walter reichten die Barmittel nicht mehr für eine eigene Linie, er paßte zunächst und schloß sich dann voll an Günthers NNH ein: Im Orginal ist das ohnehin die beste Anfangslinie und ein Aktionär konnte damit unter Günthers erfahrener Präsidentschaft nur gut fahren. Auch lockte das Steigen des Aktienkurses bei 100% Besitz in den Händen der Spieler. Doch Walter war damit zu gierig und Günther roch den Braten. Anstelle die Linie konstruktiv zu fahren und Walter beim Aktienverkauf einen großen Reibach zu gönnen, strapazierte er das Investitionsvermögen der Linie gleich in der nächsten Betriebsrunde bis auf die nackte Haut: Er kaufte auf Teufel komm’ raus alle billigen Züge, verkaufte ihr für einen Wucherpreis auch noch seine Privatbahn, schmiß in der nächsten Bankrunde alle Aktien auf den Markt und machte Walter zum Präsidenten einer Linie, die schon am Stock ging, bevor er sie erhielt.
Das war der Startschluß zu brutalen Aktien-Manipulationen. Miesnickelig und ungebremst wurden Aktienkurse gedrückt und Linien verscherbelt. Horst verzweifelte: „In diesem Spiel ist ja nichts planbar!“ Heftiger Widerspruch der Mitspieler. Für einen Neuling sieht gewiß alles wie Chaos aus, was hier passiert und natürlich ist man von den Ambitionen der Mitspieler abhängig. Doch die Erfahrenen können diese Ambitionen der Konkurrenten klar voraussehen. Schließlich arbeitet jeder nur an seinem eigenen finanziellen Erfolg. Gute Linien werden gegen bessere vertauscht, und schlechte Linien werden – nach Möglichkeit – abgestoßen. Zudem gilt die Binsenweisheit, dass so manche begehrte Linie, die gerade noch die fettesten Gewinne einstreicht, zwei Runden später durch die Tücken des Objekts bettelarm dastehen kann. Die unausweichlichen wirtschaftlichen Umbrüche in Vorhinein zu erkennen, die vielseitigen Interessen und Manipulationsmöglichkeiten der Mitspieler daraus abzuleiten und sich dagegen zu schützen, und vielleicht selber ein paar Gemeinheiten anzubringen, das macht die ungebrochene Faszination dieser Spiele aus.
WPG-Wertung für die „Gleiche Bedingungen“-Variante: Aaron: 8 (ihm reicht schon die Komplexität des Original 1830), Günther: 8 (warum eigentlich nur 8?), Horst: verzichtete auf eine Wertung, die ganze 18xx-Serie ist ihm zu trocken, er hat sich die 5 ½ Stunden aber keineswegs gelangweilt, Walter: 9 (immer noch ein sehr gutes Spiel, doch das Original 1830 ist kürzer und deshalb besser.)
Zum Schluß eine kleine Kritik am Lookout-Games-Verlag: Das Spielmaterial ist vorzüglich, schöne informative Graphik, Hochglanzpapier für Spielplan, Aktien und Lok-Zertifikate. War es dann nötig, beim Papier zu sparen und die Rückseiten der Privat-Gesellschaften als Diesel-Loks und die Rückseiten der 2er Loks als 5er Loks zu verwenden? Wieviele mehr Geld hätte es gekostet, die 10 zusätzlichen Papier-Karten in den Karton zu stecken? Das Super-Spiel und seine wunderschöne Aufmachung hätten es verdient gehabt.

05.10.2011: Sechs Stunden in Australien

“1848 – Australia”
Die reiferen Spielergenerationen, die uns noch unter dem Namen „1830 and more“ kennengelernt haben, wissen sofort, dass es sich hier um ein Mitglied der 18xx-Eisenbahner-Familie handelt. Helmut Ohley hat es 2007 als 72. Enkelkind gezeugt. Als Vater bzw. Halbvater war er mit den 18xx-Müttern und Töchtern auf vier Kontinenten insgesamt acht mal fruchtbar: von „1844-Schweiz“ über „1862-USA/Kanada“ und „1895-Namibia“ bis zuletzt nach „1848-Australia“.
Es gibt eine Menge Spielmaterial auf dem Tisch auszubreiten (unter anderem Luxus-Ausführungen von Geldscheinen, lieber Bernd!), deshalb ist auch das Spielbrett mit der Geographie Australiens bewußt klein gehalten worden. Von Sydney über Canberra nach Melbourne und Adelaide ist es nur ein Katzensprung. Die hier gegründeten Bahngesellschaften geraten unmittelbar aneinander, wo sie sich mit ihrem Streckennetz wie üblich ergänzen oder behindern können. Zu Spielbeginn sind vereinigten Netze auf jeden Fall ein Vorteil. Daraus folgt für eine 3er Runde die topologische Konsequenz: Schließen alle drei Spieler unverzüglich ihre Netze zusammen, so profitiert der Spieler in der Mitte. Schließen sich nur zwei Spieler zusammen und braut der dritte sein eigenes Süppchen, so kommt der Eigenbrötler lange nicht so gut aus den Startlöchern und muss mehrere Runden lang mit halb so hohen Einnahmen rechnen wie die Gemeinschaftsköche. Dieser Effekt ist beim weiter auseinanderliegenden „1830“ längst nicht so krass. – Wie weit das Eigenbrötler-Dasein später von Vorteil ist, steht auf einem anderen Blatt.
Was gibt es Neues in Australien? McGuffins hat eine Liste mit den Unterschieden zu „1830“ zusammengestellt und kommt dabei auf etwa 60 Punkte. Doch vieles davon ist spieltechnisch Pillepalle. Natürlich haben die Privatgesellschaften in Australien andere Eigenschaften als in den USA. Doch ob ich verbilligt über einen Hügel oder über eine Kaktusstrecke fahren darf, ob ich damit Präsident der Baltimore & Ohio oder der Central Australian Railway werde, ist mehr oder weniger identisch.
Der Kontinent ist in vier Regionen mit unterschiedlicher Spurweite eingeteilt. Der Übergang von einer Spur auf die andere kostet Reichweite. Das spiegelt vielleicht die Realität in der Entwicklung der australischen Eisenbahnen wieder, doch die spielerische Kosten-Nutzen-Relation für dieses zusätzliche Regeldetail ist nicht überwältigend. Auch ein neuer Zugtyp, „The Ghan“, der nicht den Verschrottungsbedingungen und dem Lok-Limit unterliegt, und mit dem man lediglich Alice Spings in Zentral-Australien anfahren kann, ist schön und liebevoll ausgedacht. Doch angesichts der ohnehin schon 32 Seiten Spielregeln wäre für den nüchternen Eisenbahn-Aktionär in jedem Fall weniger gleich mehr.
Ein absolut neues Element, das die wirtschaftlichen Effekte der Eisenbahngesellschaften revolutionär verändert, ist die „Bank of England“. Bei ihr kann jede Linie Geld aufnehmen und braucht es während des ganzen Spiels nicht zurückzuzahlen. Der einzige Nachteil dieser Kredite ist ein Kursverlust der Gesellschaft. Und wenn ihr Kurs unter einen Grenzwert sinkt, so kommt sie unter die Zwangsverwaltung der Bank of England und hat für die Anteilseigener aufgehört zu existieren. Immerhin kann daher durch noch so schlechte Behandlung einer Linie der Präsident oder dessen Nachfolger niemals in Konkurs getrieben werden. Ein klares Bekenntnis für die Empire-Builder und gegen die Finanz-Haie.
„1848“ spielt sich wie die meisten „18xx-Mitglieder: Besitzstand der Spieler und der Gesellschaften wachsen langsam und gleichförmig an (Widerspruch zur oben angedeuteten topologischen Asymmetrie) und die Vorkaufskarte bleibt mehrere Runden in einer Hand. Ist auch nicht so wichtig, da Manipulationen mit Linien und Aktien nicht opportun sind. Dann fängt das Chaos an: Ein begehrtes Gleisteil ist verbraucht, die Züge verschrotten mit atemberaubendem Tempo, die Kurse und das Potential der Gesellschaften verschieben sich durch Verkäufe, 100%-Investition, Einsparungen – und bei „1848“ auch noch durch die Darlehen bei der Bank of England – in einem bunten Gewurl.
Das Streckennetz ist in seinen Gesamt-Effekten nur schwer überschaubar. Für das kleine, enge Australia gibt es zu viele Bahnhofsmarker, mit denen die Gesellschaften ihre Strecken abschotten können. Bei „1830“ ist dies eine Mangelware, in unserer 1848-Runde dagegen hatte fast jede Gesellschaft bis zum Spielende noch mehrere Marker übrig.
Das harte Aktienlimit löst Orgien von Aktion-Umverteilungen aus. Welches sind die besten Linien in der Hand der Konkurrenten? Das ist nicht auszumachen; es liegt völlig in der unkalkulierbaren Ambitionen-Willkür der Präsidenten. In der aller-vorletzten Betriebsrunde kaufte Aaron für seine Federal Territory Railroad noch eine Diesellok, die erste des Spiels, und setzte damit alle 4er-Züge außer Gefecht: „Man muss schließlich mal alle Elemente ausprobieren.“ Dadurch verloren seine eigenen und vor allem Günthers stolze Linien einen erheblichen Teil ihrer Einkünfte; zwei Linien gingen sogar noch in Konkurs und die Bank of England machte glänzende Geschäfte. Unerwartet für Günther, der von vorneherein mit dieser Bank geliebäugelt hatte, sich kurz vor Spielende aber von allen ihren – vermeintlich ausgelutschen – Aktien getrennt hatte.
Bilanz nach sechs Stunden Spielzeit: Aaron hatte (in der allerletzten Betriebrunde) die höchsten Rundeneinnahmen, Günther das meiste Bargeld und Walter das größte Aktienvermögen. In der Summe reichte es für unseren ungekrönten 1830-König Günther. Trotz seiner Fehler. Aber welche König ist schon unfehlbar?
Aarons Understatement am Ende: „1848 – Australia“ ist kein mißratener Sproß der 18xx-Familie.
WPG-Wertung: Aaron: 8 (absolut gesehen eine sehr gute Note, aber eine Reduktion innerhalb seiner 18xx-Wertungen: die zusätzliche Komplexität zahlt sich nicht aus), Günther: 9 (immerhin ein 18xx-Spiel), Walter: 9 (hat dem Spiel nicht angelastet, dass es innerhalb der genialen 18xx-Familie einen schweren Stand hat)
Zum Schluß noch einige Fragen an den Helmut: Wie lange hast Du an „1848 – Australia“ gearbeitet? Welches ist eigentlich Dein innerer Beweggrund, immer wieder viele Wochen, Monate oder gar Jahre an einer neuen 18xx-Variante zu arbeiten? Und die wirtschaftliche Seite: Wieviele Exemplare wirst Du von „1848“ verkaufen? Kommst Du auf einen Stundenlohn von mehr als 1 Euro? Aber die Frage nach dem Stundenlohn dürfen sich wohl 99,9% aller Spiele-Erfinder nicht stellen. Es geht um den Spaß an der Freud!
2. “Brainrun”
So zwischen 1 und 2 Uhr AM stellte Aaron noch eine Essen 2011-Neuheit vor. Ein Wissensspiel nach der Art von „Trivial Pursuit“. Mit ein bißchen Taktik, Technik und Kampf.
Aus verschiedenen Wissensgebieten werden einfache, schwierige, Entscheidungs- oder Schätzfragen gestellt. Zu jedem Wissensgebiet muss man mehrere Fragen richtig beantworten, um das entsprechende Farb-Kärtchen zu bekommen. Mehrere Karten eines Wissensgebietes kann man gegen eine Karte eines anderen Wissensgebietes eintauschen.
Man kann einem Mitspieler den Kampf um eine Karte in dessen Besitz ansagen: Dann wird eine Schätzfrage gestellt (z.B. Wieviele Söhne von Adam und Eva sind in der Bibel namentlich erwähnt?), und wer mit seiner Schätzung am besten liegt, bekommt die Karte. Man braucht also nicht auf alles Wissensgebieten beschlagen zu sein, um das Spiel gewinnen zu können.
Solche mehr oder weniger „Unterhaltungsspiele“ liegen nicht im Zentrum des Interesses am Westpark. Walter wird „Brainrun“ am Wochenende der „Spiel 2011“ zu seinen Verwandten nach Essen mitbringen und unter den dortigen Quiz-Liebhabern austesten, wie diese Prinzipien ankommen.
Keine WPG-Wertung.