22.08.2018: Fetzen mit Zahlen

“Party Bugs”

Jeder Spieler hat das gleiche Set von 13 Zahlenkarten mit Werten von 1 bis 13. Die Sets werden gemischt und jeder Spieler nimmt 3 Karten davon auf die Hand. Jetzt wählt jeder – verdeckt – eine davon aus, alle Spieler legen sie gleichzeitig offen auf den Tisch neben die „Tanzfläche“, auf der für jeden Spieler bereits eine dieser Zahlenkarten liegt. In der Reihenfolge „niedrigste-zuerst“ darf jetzt jeder Spieler eine Karten von der Tanzfläche nehmen und in seinen Fundus legen. Anschließend kommen die Bietkarten als neue Kartenauswahl auf die Tanzfläche und jeder Spieler zieht verdeckt eine Karten aus seinem Set nach.

Besonderheiten:

  • Alle Karten im spielereigenen Fundus zählen am Ende mit ihrem Zahlenwert als Minuspunkte.
  • Hat man zwei gleiche Karten, so patten diese sich aus und dürfen strafpunktfrei entfernt werden.
  • Hat ein Spieler für sein Bieten die Zahlenkarte mit dem Wert 13 gezogen, so muss er alle Karten der Tanzfläche nehmen, die übrigen Spieler kriegen nichts.
  • Haben zwei Spieler bei Bieten den gleichen Zahlenwert gezogen, so gibt es einen – für das gesamte Spiel fest definierten – “Gleichstandsspieler” von dem ab im Uhrzeigersinn der Tiebreak aufgelöst wird.
  • Sind auf diese Weise alle Karten der Spielersets gespielt worden und liegen nur noch die jeweils letzten Karten auf der “Tanzfläche”, so nimmt jeder Spieler, rechts vom “Gleichstandsspieler” beginnend gegen den Uhrzeigersinn noch eine Karte.

These 1: Die 13 muss man so schnell wie möglich spielen, damit man noch möglichst viele Runden vor sich hat, um die damit eingeheimsten Karten wieder auszupatten.

These 2: Der Tiebreaker-Mechanismus ist nicht ausbalanziert. Hier werden Äpfel mit Birnen ausgeglichen. Dem Vorteil, im Falle von Tiebreaks als erster wählen zu dürfen (Äpfel), steht der Nachteil, die allerletzte Karte vom Tanzboden nehmen zu müssen (Birnen) gegenüber. Walters Behauptung: Der “Gleichstandsspieler” bekommt allein in seinem letzten Zug nochmals zwischen 9 und 12 Minuspunkte zugeschustert; das entspricht in keiner Weise seinen möglichen Vorteilen bei der Tiebreak-Auflösung. Aaron hat widersprochen. Günther hielt sich bedeckt, Moritz und Milo ebenso.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (schnell), Günther:5 (als Gaudispiel),Milo: 4 (unspektakulär), Moritz: 3 (zu wenig Entscheidungsfreiheit), Walter: 4 (höchstenfalls als Gaudi).

“Hate – Love”

Moritz brachte ein kleines Kartenpäckchen mit, das als Expansion-Set FÜR ALLE Spiele mit Siegpunktwertungen herangezogen werden kann. Mit diesem Schmarotzer-Päckchen wird jedem Spieler zu Beginn des Wirts-Spiels verdeckt ein Mitspieler als Freund und einer als Feind zugeteilt. Bei Spielende bekommt man dann zu seinen eigenen Siegpunkten die Siegpunkte seines Freundes addiert und die Siegpunkte seines Feindes subtrahiert.

Eigentlich sollte „Hate –Love“ den ganzen Abend über als Sekundär-Wertung zu allen anderen Spielen zur Geltung kommen. Wir nutzten es aber nur für “Party Bugs”, wo es relativ witzlos ist, da wir kaum Chancen haben, die Ergebnisse für unsere Freunde und Feinde zu beeinflussen, bzw. weil hier beim Nehmen unserer Karte von der Tanzfläche das Berechnen der Nebeneffekte auf Freud und Feind in keiner Weise praktikabel ist.

Wir kämpften am Ende sogar mit dem formal-logischen Problem, ob wir die Minuspunkte unseres Freundes von „Party Bugs“ jetzt addieren und die von unserem Feind subtrahieren sollten oder umgekehrt. Als Ersatzlösung verglichen wir jeweils die Punkte von Freund und Feind eines Spielers und konnten danach „mit Gefühl“ entscheiden, ob das Ergebnis dann logischerweise höher oder niedriger ausfallen musste.

Keine WPG-Wertung. Walter vergibt 2 Punkte. Für jedes Wirts-Spiel müsste vorher ermittelt werden, ob die Schmarotzer-Expansion dort Sinn macht. Und wenn sie Sinn macht, dann sollte diese Möglichkeit schon bereits beim Wirts-Spiel angeboten sein.

“Paper Tales”

Mittels Kampf-Produktions-Siegpunkt-Karten (KPSK) baut jeder Spieler seine Kampfkraft und Produktionen auf. Alles kostet oder bringt Geld oder Rohstoffe, und bringt entweder bereits während des Spiels oder erst am Ende Siegpunkte.

Die KPSK-Auswahl wird wie in „7 Wonders“ gehandhabt: Pro Runde bekommen wir 5 Karten vom Nachziehstapel und dürfen wir eine davon behalten; vier geben wir an unseren linken Nachbarn weiter und bekommen dafür vier andere von unserem rechten Nachbarn. Mit den vier erhaltenen Karten verfahren wir analog, bis wir schließlich nur noch eine und letzte Karte bekommen und behalten müssen, so dass wir insgesamt aus dem Gesamt-Angebot von 15 Karten (5+4+3+2+1) uns die neuen 5 Karten ausgesucht haben.

Alle KPSK haben wir zunächst nur auf der Hand. Um sie zur Wirkung zu bringen, müssen wir sie – die meisten gegen Geld, ein paar wenige auch kostenlos – in unsere private Auslage legen. Hier haben standardmäßig vier Karten Platz haben. NUR vier Karten, denn pro Runde bekommen wir ja 5 neue Karten zur Auswahl, und wenn unsere Auslage bereits gut bestückt voll ist, dann können wir nur wenige der neuen Karten nutzen.

Das ist schon die erste Design-Schwäche: Etwas mühsam und zeitaufwendig suchen wir uns pro Runde die 5 besten Karten (von insgesamt 84 verschiedenen) heraus, um am Ende mangels Platz oder Geld doch mehr oder weniger den Großteil davon wieder abwerfen zu müssen.

Allerdings sterben unsere Karten schneller als der Wind. In der Regel überleben sie nur zwei Runden; dann können wir also eine oder zwei der neuen Karten vielleicht doch in unsere Auslage übernehmen. Falls wir das Geld haben und sie auch bezahlen können. Zumindest in der Anfangsphase reicht das Geld nicht hinten und nicht vorne. Und mehr als über die Anfangsphase sind wir nicht hinausgekommen. Warum?

Wir hatten gerade die ersten Runde gespielt und die nächsten 5 Karten erhalten, da gab es eine kleine Pinkelpause und der Gastgeber ging in den Keller, um Getränke nachzufüllen. Als er wiederkam, lagen vor ihm die vom rechten Nachbarn abgelegten Karten. Es waren aber nur 3 Stück. Als er das monierte, wurde ihm mitgeteilt, dass noch ein weiterer Stapel, der mit den 4 Karten, etwas abseits davon für ihn bereit läge. Also bediente er sich nach dem 3er Stapel auch noch vom 4er Stapel und die Welt war wieder in Ordnung. (Wenn sie deswegen jemals in Unordnung geraten war.) Vielleicht hatte Walter sogar vor seiner Auswahl die oberste Karte des 4er Stapels in den 3er Stapel übernommen und dann erst seine Auswahl getroffen. Wie immer es war, es war in jedem Fall schnell, reibungslos und lösungsorientiert.

Aber Moritz hatte etwas dagegen. Er verlangte jetzt, dass das gesamte Handling rückwärts abgespult werden sollte und dann die Auswahl von den Stapeln in der richtigen Reihenfolge nochmals von vorn erfolgen sollte. Dazu war Walter nicht bereit. Nicht, weil er gerade die allerschönste Karte seines Lebens gefunden hatte – die hätte ihm ja ohnehin ohne jede Einschränkung auch beim Rückwärts- und Vorwärts-Spulen wieder zur Verfügung gestanden. Ganz im Gegenteil, aus dem bereits erworbenen Wissen über 4 + 3 Karten hätte er eher theoretisch sogar eine vielleicht noch bessere Auswahl treffen können. Aber Walter störte vielmehr, das eine mir-nichts-dir-nichts Lösung für ein Nicht-Problem zu einem Problem stilisiert werden sollte. Außerdem sah er anhand seines Geld-Platz-Potentials schon von vornherein voraus, dass er wohl alle neu erworbenen Karten abwerfen werde. Beide Kampfhähne gaben nicht nach! Walter löste einen Eklat aus und brach das Spiel mit einer sehr unschönen cholerischen Szene ab.

Walters Einschub:

Für 98% meiner Freude und Bekannten in Spiel und Freizeit bin ich ein ruhiger, angenehmer, freundlicher Partner und Zeitgenosse. Nur zweimal im Jahr kommt es zu unschönen Situationen, in denen mein Cholerikertum explodiert. Als 71-jähriger Mann kann man sich ja mal Gedanken darüber machen, welche Ingredienzen meine Galle zum Überlaufen bringen.

Vor 57 Jahren, zu Schulbeginn für die 3. Klasse im Gymnasium, sagte unser Mathematiklehrer zur Klasse: „Ihr dürft dumm sein, und ihr dürft frech sein. Aber ihr dürft nicht dumm und frech sein.“ Und das ist genau auch bei mir die Kombination, bei der mir der Gaul durchgeht.

Moritz war zu dumm oder hielt Walter für zu dumm, hier im konkreten Fall die völlige Gleichgültigkeit der Auswahlreihenfolgen zu erkennen, und er war frech genug, hier Walter entweder Dummheit bei diesem Erkennen/Nichterkennen vorzuwerfen, oder gar Betrug, weil dieser sich wohl eine besonders vorteilhafte Kartenauswahl erschleichen wollte.

Mit vereinten Kräften von Aaron, der Familie und insbesondere von der Tochter des Gastgebers, konnten die Wogen geglättet und der weitere Spielabend – ohne „Paper Tales“ – zu Ende gebracht werden.

WPG-Wertung: Es wurden keine Noten verteilt. Aber das Spiel ist nicht Walters Spiel. Nicht nur das Mißverhältnis zwischen Karten-Angebot und dem Potential, es auch zu nutzen, auch das schwerfällige Hantieren mit 84 verschiedenen Karteneffekten, die wir in ihrem Eintagesfliegendasein nutzen sollen, grenzt für ihn an ein „funktioniert nicht“! 2 Punkte.

“Krass kariert”

In diesem Ablegespiel bekommt jeder Spieler zufällige 7 Karten mit Zahlen zwischen 1 und 12 auf die Hand ausgeteilt. Die Karten darf er sich ansehen, darf dabei aber die Reihenfolge des Austeilens nicht ändern. Reihum spielt jetzt jeder Spieler eine, zwei oder drei Karten zu einem Stich aus. Die ersten Karten zu einem Stich können frei gewählt werden, jeder nachfolgende Spieler muss „höherwertige“ Karten dazugeben:

  • bei Einzelkarten muss das ein höherer Wert sein
  • zwei Karten mit Zahlenwerten nebeneinander (2er Straße) sind höher als jede Einzelkarte.
  • zwei gleiche Karten (Pärchen) sind höher jede 2er Straße
  • eine 3er Straße ist höher als jedes Pärchen
  • drei gleiche Karten sind höher als jede 3er Straße

Wohlgemerkt: alle gespielten Karten müssen bereits in dieser Reihenfolge an den Spieler ausgeteilt worden sein!

Kann oder will ein Spieler keine höherwertige(n) Karte(n) zum Stich geben, so muss er eine von zwei ihm bereits bei Spielbeginn zugeteilen, offen ausliegenden Reservekarten auf die Hand nehmen. Die Karten darf man an beliebiger Stelle in seine Handkarten einfügen. Besonders schön ist es natürlich, wenn damit hochwertige 2er oder 3er Kombinationen erzeugt werden können.

Wer auch bereits seine beiden Reservekarten auf die Hand genommen hat und nicht zum angefangenen Stich zugeben kann, hat diese Runde verloren. Wer als erster drei Runden verloren hat, beendet als Verlierer das Spiel. Einen Sieger gibt es nicht.

Bis hierher ist das Spiel schön und rund, ein pfiffiges Ablegespiel. Kein Problem ist es auch, dass es neben den normalen Zahlenkarten auch noch Jokerkarten gibt, die als jede beliebige Zahl angesehen werden dürfen und damit das Zusammenstellen guter Kombinationen erleichtern.

Allerdings hat irgendjemand vom Verlag oder von dem Freundeskreis des Autors nach mehr Chaos verlangt.Und so wurden “Stopkarten” erfunden, mit denen ein Spieler eine Stichrunde sofort beenden kann, den Stich gewinnt und beliebige Karten zum nächsten Stich ausspielen darf. Damit wird ein mächtiges Werkzeug für die langfristige Planung der Ablage einer kompletten Kartenhand in Spielerhand gegeben bzw. die entsprechende Planung der Mitspieler ziemlich durchkreuzt.

Absolut kontraproduktiv zu Kartenpflege und Ablageplanung ist allerdings die Einführung von “Nachziehkarten”. Eine solche Karte darf jederzeit zu einem Stich zugegeben werden. Sie bewirkt, dass derjenige, der den Stich gewinnt, danach drei Karten vom verdeckten Reservestapel nachziehen muss. Da hat man also still und heimlich und kompetent geplant, in welcher Reihenfolge man “ausmachen” wird, und dann legt ein böser Mitspieler so eine “Nachziehkarte” und alle Logik ist umgestürzt. Manche mögen’s heiß!

Bemerkenswert zur intellektuellen Herausforderung des Spiels: In den ersten vier Runden verloren Aaron und Walter je zweimal, und je zweimal waren sie als erste alle ihre Karten los. Letzteres bringt zwar keinen Vorteil, macht aber Freude und hält sie in beruhigendem Abstand vom Verlieren. Das spricht nicht für die Beherrschbarkeit einer Kartenhand. Anschließend verlor Günther drei Runden! Günther als Gesamtverlierer! Solche Ausgänge gehen immer mit Wohlgefallen in unsere WPG-Annalen ein.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (hübsches Wirtshausspiel), Günther: 8 (ein nicht zu verkniffenes Stichspiel), Milo: 7 (lustig, aber nicht von der Art meiner Lieblingsspiele), Moritz: 7 (gewisse Planungselemente mit Überraschungseffekten), Walter: 5 (reiner Zeitvertreib, das Nachziehen macht jede Planung kaputt; ohne die „Nachziehkarten“ gäbe es 7 Punkte)

“Skyjo”

Jeder Spieler bekommt 12 Karten vom gemischten Kartenstapel verdeckt ausgeteilt. Diese Karten – sie haben Zahlenwerte zwischen Minus-2 und Plus-12 – muss er, ohne sie anzusehen, in einer Matrix von vier mal drei Karten verdeckt vor sich auslegen.

Die restlichen Karten kommen als verdeckter Nachziehstapel in die Mitte. Eine Karte davon wird aufgedeckt und bildet den Anfang vom offenen Ablagestapel. Jetzt macht jeder Spieler reihum einen Zug mit folgenden Möglichkeiten:

  • er dreht seine beliebige Karten aus seiner Matrix auf die Vorderseite
  • er nimmt die oberste Karte vom Ablagestapel und tauscht sie gegen eine beliebige, bereits offene oder noch verdeckte Karte aus seiner Matrix.
  • er nimmt die oberste Karte vom verdeckten Nachziehstapel und schaut sie sich an. Bei Gefallen setzt er sie anstelle einer beliebige Karte aus seiner Matrix ein und wirft die ausgetauschte Karte auf den Ablagestapel, Bei Nicht-Gefallen wirft er sie ab und dreht dafür eine noch verdeckte Karte aus seiner Matrix auf die Vorderseite.

Spielende ist, wenn der erste Spieler alle seine Karten aufgedeckt hat. Das Spiel kann natürlich unendlich lange ausgedehnt werden, wenn die Spieler lediglich bereits offene Karten mit den Karten aus dem Ablagestapel tauschen. Hoffentlich verliert dann früher oder später einer der Mitspieler die Lust an diesem Perpetuum Mobile.

Gewonnen hat dann derjenige Spieler, in dessen Matrix (aus offenen und verdeckten Karten) die Summe der Kartenwerte am kleinsten ist. Dabei gibt es die Besonderheit, dass drei gleiche Zahlen in einer Spalte sich auspatten. Das ist ja gerade der (einzige?) Witz an diesem Spiel, durch Tauschen mit Karten aus dem Nachzieh- bzw. Ablagestapel solche gleiche Karten in eine Spalte zu bringen. Da es allerdings keinerlei systematisches Vorgehen gibt, solche Drillings-Spalten zu erzeugen, ist alles mehr oder weniger Zufall. Ein bisschen Risiko, ein bisschen Statistik über die bereits sichtbar gewordenen Zahlen, ein bisschen Schielen zum rechten Nachbarn, um zu vermeiden, dass man vielleicht genau den gleichen Zahlendrilling anstrebt, und ein bisschen sich darüber freuen, wenn man viele Minus-Karten in seiner Matrix hat oder sie dort hineinbekommt.

Vielleicht gibt es sogar ein strategisches Vorgehen beim Aufdecken der Matrix. Und wer bereits viele, niedrige oder gar ausgepattete Karten offen hat, kann auf seine Mitspieler einen gewissen Druck bei deren Optimierungsmaßnahmen ausüben. Allerdings muss derjenige Spieler, der als erster seine letzte Matrix-Karte umdreht, in Summe die wenigsten Punkte haben, sonst zählen seine Punkte doppelt. Günther ging dieses Risiko ein – und er verlor: Milos restlichen verdeckten Karten waren so niedrig, dass er Günther noch unterbieten konnte. Mit der Straf-Verdoppelung musst Günther dann auch noch Aaron an sich vorbeiziehen lassen.

WPG-Wertung: Aaron: 4 (ausgesprochen witzlos), Günther: 6 (es erinnert mich an Rack-o. [WS: deswegen hat er es sich wohl gekauft.]), Milo: 6 (neutral bis gut, macht Spaß), Moritz: 5 (minimale Freiheitsgrade), Walter: 5 (sehr hoher Glücksanteil; der hübscheste Effekt ist das Druckmachen)

Moritz hatte einen Verbesserungsvorschlag: Die Spieler bekommen in ihre Anfangsmatrix keine zufälligen Karten, sondern jeder das gleiche Kartenset, wobei lediglich die Auslagenreihenfolge vom Zufall bestimmt ist.

15.08.2018: Mansfelds Samen

“Saami”

Aaron hat den Spielablauf in seiner Erfindung wieder etwas beschleunigt. Bei seinen Balancierungsmaßnahmen hat er jetzt aber gerade den wichtigen Antagonismus ausgehebelt, der zwischen dem Einsatz beim Abwenden der Katastrophen und dem bewussten Nichts-Tun und sein eigenes Süppchen-Kochen bestehen sollte.

Doch auch bei dem auf diese Weise üppig und recht gefahrlos fließenden Punkte-Segen wollte keiner der Mitspieler den „Testlauf“ abbrechen. Der Ausgang ist in jedem Fall spannend und jeder kann bis zum Schluss Hoffnung auf den Sieg haben.

Moritz hatte konsequent für die Schlussrunde die meisten Hütten gebaut und die meisten Räte bestellt, er wurde mit großem Abstand Sieger.

Noch keine WPG-Wertung

“Sagrada”

Beim ersten Spielen vor einer Woche schon nicht besonders angekommen, sollten diesmal Milo und Moritz ihren Senf dazugeben können. Milo hätte nach 3 Runden am liebsten abgebrochen. Moritz ironisierte: „Das Spiel macht mich an!“

Der Spielablauf ist nicht konstruktiv-progressiv sondern destruktiv-lähmend, und gerade am Schluß wird es konstruktionsbedingt richtig frustrierend, wenn man immer weniger Würfel in sein Tableau einbauen kann und die Träume auf die Prämien dahinschwinden.

Aaron: „Ich neige jetzt zu 3 Punkten weniger als für AZUL.“ Auch Walter reduzierte seine Wertung.

Modifizierte WPG-Wertung: Aaron: 4, Milo: 4, Moritz: 4, Walter: 5. Günthers historischen 8 Punkte lassen hier fast einen Irrtum vermuten.

“Ernst von Mansfeld”

Moritzens Augen blitzen auf, als er den Namen “Manstein” vernahm, aber das war leider nur ein Sprachfehler. Es bleibt beim frühneuzeitlichen Soldaten-Rekrutieren dessen von „Mansfeld“.

Diesmal vermieden wir die Regelfehler von letzter Woche. Wir spielten mit den richtigen Tiebreak- und Siegpunkt-Erwerbe-Regeln. Mit der leisen Hoffnung, dass das Spiel jetzt ein Milligramm besser wäre. Die Hoffnung trog.

Erst würfelt man schlecht und kriegt nur wenige und mickrige Soldaten, und mit dieser minimalen Kampfkraft bekommt man dann auch keine Siegpunkte. Überhaupt: Wenn 6 Siegpunkt-Portionen unter 4 Spieler verteilt werden, dann bekommen mindestens zwei Spieler höchstens nur eine Portion und mindestens ein Spieler bekommt mindestens zwei Portionen. A priori ist die Hälfte der Mitspieler ist vom Ergebnis frustriert. Wie immer man das aufteilt, Psychologie oder Massenkaufkraft bringen unweigerlich einmal Freude und mehrfach Frust. Das kann nicht gut sein.

WPG-Wertung von heute: Aaron: 3, Milo: 5, Moritz: 4 (es gäbe eine Möglichkeit, das Spiel zu retten, aber heute waren wir nicht daran interessiert), Walter: 3.

8.8.2018: 10 Punkte von den Westpark-Gamers

1. “Sagrada”

Farbenfrohes, solides Material wie bei AZUL. Jede Menge bunter Würfel, neunzig Stück, fühlt sich fast an wie die Spielsteine bei AZUL. Doch ein ganz anderes Spiel! Zwei Würfel pro Spieler plus ein Zusatzwürfel werden pro Zug blind aus einem Säckchen gezogen und alle zusammen ausgewürfelt. Jetzt darf sich jeder Spieler zweimal einen davon für sich auswählen: Der reihum wechselnde Startspieler fängt – wie der Name schon sagt – an und bekommt den ersten und den letzten Würfel. Der zweite Spieler bekommt den zweiten und den vorletzten Würfel, und so weiter; der letzte in der Zugreihenfolge darf dann gleich zweimal hintereinander wählen.

Die Würfel muss jeder Spieler auf seine private 5 x 4 Matrix einordnen. Hier ist für einen erheblichen Teil der Felder vorgeschrieben, welche Farbe oder welche Augenzahl der hier zu platzierende Würfel haben muss; die restlichen Felder dürfen beliebig belegt werden. Mit gewissen Nebenbedingungen.

Ziel des Spieles ist es, seine Matrix vollständig zu belegen und dabei  Siegpunkte für die Erfüllung „öffentlicher Aufträge“ zu erhalten, z.B. für jedes Pärchen von Würfeln mit den Augenzahlen 3 und 4, oder für drei gleichfarbige Würfel in diagonaler Nachbarschaft. Außerdem bekommt jeder Spieler zu Spielbeginn eine Spezialfarbe zugeteilt; Würfel in dieser Farbe werfen ebenfalls Siegpunkte ab.

So weit so gut. Würfeln und kalkulieren, welches der beste erste zu nehmende Würfel ist unter der Berücksichtigung, welcher Würfel dann wohl auf der Rückrunde als zweiter zu nehmender Würfel übrig bleibt, das kann man in einer akzeptabel langen Denkzeit zustande bringen.

Dann aber gibt es noch eine „Werkstatt“, die es gestattet, unter Einsatz eines Obolus die geworfenen oder bereits in die Matrix eingefügten Würfel zu manipulieren. Z.B. darf man einen Würfel auf die Kehrseite drehen oder einen Würfel in der eigenen Matrix versetzen. Jetzt wächst die mögliche Denkzeit ins Gigantische. Stellen wir uns nur vor, wir hätten bereits 10 Würfel platziert. Jeden der 10 Würfel können wir dann auf die restlichen 10 freien Felder der 20-feldrigen Matix versetzen, das sind einhundert Möglichkeiten, die zu überprüfen sind. Werden diese Möglichkeiten auch noch mit den 7 (in einer Dreierrunde geworfenen) neuen Würfeln kombiniert, wobei man noch in Ansatz nehmen muss, dass die neuen Würfel auf die Rückseite gedreht werden können, so kann man in erster Näherung schon 1400 (eintausendvierhundert) Kombinationsmöglichkeiten auf das Optimum abchecken. Ein guter, ehrgeiziger Spieler MUSS das sogar tun, er MUSS doch optimal spielen und vielleicht auch auf diese Weise gewinnen. In jedem Fall leidet das Spielerische gewaltig unter den eigenen, noch mehr aber unter den fremden Denkprozessen in dieser Kombinier-Richtung.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (AZUL ist lockerer, spannender, Sagrada ist knobeliger [WS: was hier nicht als Vorteil angesehen wird]; es gibt viele Fehlermöglichkeiten für unzulässiges Platzieren. Auch ist das Material nicht funktionell, z.B. sieht man nicht, welche Kritierien UNTER einem zu versetzenden Würfel erfüllt sind), Günther: 8 (Sagrada ist anders als AZUL, hat aber einen schönen Knobelcharakter [WS: was hier als Vorteil angesehen wird]), Walter: 6 (hübsches Legespiel, das relativ schnell über die Bühne geht; ohne die „Werkstatt“ bekäme es mindestens einen Punkt mehr. [Man kann sie ja weglassen!]).

PS: Nach welchen Designer-Überlegungen wurde die Leiste zum Zählen der Siegpunkte farblich und topologisch gestaltet? Wer mir hier (als erstes) einen mathematisch-logisch überzeugenden Grund mitteilt, bekommt eine Flasche Rotwein, einen “Barbazul” aus Andalusien.

2. “Brass: Birmingham”

Tolle Chips und mickrige Farben in “Brass”

Das gleich Blech, das bereits vor 11 Jahren auf den Markt kam, und das wir am 10.7.2008 zum ersten Mal beschrieben haben. Nur diesmal in Grün. Damals von Marin Wallace erfunden, heute zusammen mit Matt Tolman und Gavan Brown weiterentwickelt.

Nachdem wir uns im Laufe des Spielens so peu a peu an die alten Mechanismen erinnerten, blieb nichts mehr übrig, was uns nicht von anno dazumal hätte bekannt sein können.

Unverändert gilt: „Eine ziemlich komplizierte Entwicklungsmaschinerie wird hier in Gang gesetzt. Die Spieler konkurrieren um die industrielle Entwicklung in Mittelengland, sie bauen Kohlegruben, errichten Ölförderpumpen, Baumwollfabriken, Hafenanlagen und Schiffe. Sie verbinden ihre Produktionsstätten entlang einer vorgegebenen Streckenführung mit Kanälen und Gleisen, um darauf Kohle und Eisen zu transportieren.“

Immer noch wird zweimal gebaut, zweimal gewertet und dazwischen ein Großteil der Investitionen wieder abgebaut. Immer noch bringt der Ausbau der Industrieanlagen – kein Privat- sondern Gemeineigentum – mit dem eigenen Netz, das sie verbindet, die meisten Siegpunkte.

Hat das Spiel etwa einen (kleinen) Kingmaker-Effekt, weil ich bei der Nutzung von Eisen einen beliebigen Mitspieler bevorzugen kann? Dürfen wir bei einem so begnadeten Spieleautor wie Martin Wallace es ist, darüber hinwegsehen und müssen wir es ihm gerade wegen seine genialen Kreativität ankreiden?

Auch das Kartenhandling, das den Ort für und die Art von zu bauenden Industrieanlagen steuert, ist schwerfällig, fehleranfällig und ineffizient. Ansonsten ist das Spiel rund und schön (bis auf die sehr reduzierte und damit unfunktionelle Farbgebung). Es ist rein planerisch und enthält kein einziges Zufallselement. [WS: Das ist eindeutig positiv!].

Nach der Wiedereinführung in das Regelwerk brauchten wir 1 Stunde und 10 Minuten für die erste Phase. Dann verzichteten wir weise (friedlich und leise) auf den weiteren Teil der Reise.

WPG-Wertung: Aaron: 8 (1 Punkt mehr als vor 10 Jahren), Günther: 8 (bleibt), Walter: 8 (1 Punkt weniger als vor 10 Jahren).

3. “Ernst von Mansfeld”

Nicht zu verwechseln mit „Erich von Manstein“ oder „Günther von Manteuffel“: Wir befinden uns nicht im 2. Weltkrieg, sondern ein paar Jahre früher im 30-jährigen Krieg. In der ersten Spielphase rekrutieren wir zunächst mal Soldaten bzw. Kampfkarten. Mit einem pfiffigen Würfel-Mechanismus.

Jeweils eine feste Anzahl von Kampfkarten (eine weniger als Mitspieler) mit „Kosten“ zwischen 5 und 18 Einheiten wird offen ausgelegt, die müssen wir uns erwürfeln. Um eine davon zu bekommen, muss man mit beliebig vielen Würfeln durch Addition beliebiger Augenzahlen auf genau die definierten Karten-Kosten kommen. Jeder gibt verdeckt vor, mit wievielen Würfeln er hier ins Rennen gehen möchte. Der Knackpunkt: Je mehr Würfel man wählt, desto später kommt man dran, oder umgekehrt, je weniger Würfel man einsetzen möchte, desto früher darf man versuchen, eine der Kampfkarten zu erwürfeln. Natürlich hat man Pech und geht leer aus, wenn mit den Minimal-Würfeln keiner der ausliegenden Karten-Kosten-Werte genau erreicht werden kann. Umgekehrt geht der letzte Spieler trotz einer Würfel-Potenz von massig Super-Würfeln leer aus, wenn alle Spieler vor ihm je eine Karte bekommen haben und die Auslage leer ist.

Pferdefuß: Es dürfte ziemlich häufig vorkommen, dass mehrere Spieler die gleiche Anzahl Würfel gewählt haben. Dann bekommt der Jüngste von ihnen den Zuschlag. So haben wir den Tiebreak gelöst, und das kam uns ziemlich dröge vor. Günther durfte immer triumphieren und Walter konnte ohne nennenswerte Chancenminderung immer die Höchstzahl an Würfeln wählen, er kam ohnehin immer als Letzer dran.

Das war nicht regelgerecht. Der gute „Ernst“ hat noch mehr Regeln für den Tiebreak definiert. Aaron fand es erst am nächsten Morgen im privaten post mortem. „Bei einem Gleichstand der Kartenzahl wählt derjenige zuletzt, der die teuerste Karte auf der Hand hat; bei weiterem Gleichstand der jüngste Spieler zuerst.“

Noch ein Pferdefuß: Das Karten-Erwürfeln bringt dem erfolgreichen Kartenersteigerer zahlreiche progressive Vorteile: Nachdem ein Spieler eine Kampfkarte mit Ersteigerungsbonus erwürfelt hat, bekommt er beispielsweise alle weiteren Karten billiger, oder er darf die Augenzahlen zum Erzielen der Kombination für die Kosten auch abziehen oder er gewinnt grundsätzlich den Tiebreak. Der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen. Aber doch nicht ein seriöser Spieleautor!

Nachdem alle Kampfkarten erwürfelt wurden, beginnt die zweite Phase des Spiels. Wir setzen unsere Kampfkarten gezielt ein, um damit Siegpunkte zu ersteigern. Dazu werden sechs Würfel mit den Augenzahlen 1 bis 6 ausgelegt; zu jedem dieser Würfel wird ein weiterer Würfel mit zufälliger Augenzahl daneben gelegt. Jedes dieser Würfelpaare bringt dann die Summe der Augenzahlen an Siegpunkten. Die eingesetzen Kampfkarten – sowohl des Siegers wie diejenigen aller Verlieren – sind nach jeder Versteigerung ersatzlos weg!

Hier haben wir einen zweiten, entscheidenden Fehler gemacht, den uns Aaron ebenfalls erst am nächsten Morgen mitgeteilt hat: Wir haben alle 6 Würfelpaare gleich zu Beginn der zweiten Phase ermittelt. Jetzt war es für den Spieler mit den meisten Kampfkarten recht leicht, sein Potential auf genau die paar Würfelpaare zu konzentrieren, die ihm den Sieg garantieren. Nach dem Regelheft wird jeweils nur ein einziges Würfelpaar gebildet und versteigert. Damit wird dem Soldatenkönig ein bisschen Vorausplanung genommen und allen Spielern wird ein deutlicher Zufallsanteil geschenkt. Immerhin könnte der Spieler mit den wenigsten Kampfkarten jetzt für sich noch eine Siegeschance sehen. Sehen kostet ja nichts!

WPG-Wertung: Aaron: 3 (da stimmt was hinten und vorne nicht! [WS: Richtig, siehe seine nachgereichten Korreturen]), Günther: 3 (2 oder 3, das ist hier die Frage), Walter: 3 (nicht ausgereift, funktioniert nicht, reines Chaos; wenn das Spiel nach der ersten Phase zu Ende wäre, hätte es mehr Punkte verdient).
9 Punkte von der Westpark-Gamers! Wenn Aaron auf Grund der Regelkorrekturen noch einen Punkt drauflegt, dann sind es sogar 10! Zusammen!

PS: Wie angezeigt, haben wir hier eine Reihe wichtiger Regeln überlesen. Nostra culpa! Entschuldigung an den Autor. Wenn der Autor allerdings in seinem Regelheft die komplette Beschreibung der Kampfkarten vergessen hat und diese erst per Internet nachreicht, dann sollte er jetzt mit dem Steine-Werfen zurückhaltend sein.

01.08.2018: Saami oder „Das tiefe Land“

Aaron’s „Saami“ hat schon viele Metamorphosen mitgemacht. Vor gut vier Jahren wurde es unter dem Arbeitsnamen „Nobiles“ an der Friesenküste gezeugt. Im Laufe seine Austragung zog es mit seinem Gebärvater verschiedene Küstenlinien entlang; heute wartet es bei den Samen im Norden Skandinaviens auf seine Geburt.

Dabei wurde sein Vater jetzt durch das Erscheinen von „Das tiefe Land“ jäh aus seinem stillen Kreißsaal geweckt, denn hier wird genau die gleiche Idee propagiert, die Aaron auch seinen Sprössling auf den Lebensweg mitgeben wollte: Jeder wurschtelt in seinem eigenen Haus und Hof, aber periodisch stehen Naturkatastrophen an, die nur gemeinsam bewältigt werden können. Natürlich musste sich Aaron unverzüglich ein Exemplar dieser vermeintlichen Erdenkonkurrenz zulegen, und wir durften dann Gleichheiten und Unterschiede begutachten.

1. “Saami”

Da wir das Spiel in seiner Entstehungsgeschichte schon 25 mal gespielt haben, schlug Aaron vor, dass wir es zur Gedächtnisauffrischung und zum Kennenlernen des aktuellen Entwicklungsstandes nur ein-zwei Runden anspielen, und uns dann dem tiefen Land zuwenden sollten.

Trotz Vorkenntnissen dauerte die Einführung aber wiederum eine gute halbe Stunde; schließlich gibt es hier doch eine Menge Schräubchen, die jeder Spieler für erfolgreiches oder wenigstens befriedigendes Spiel gut kennen sollte. Hinterher nahm uns das bekannte und unbekannte Spielgeschehen so gefangen, dass wir das Abbrechen vergaßen und weitere zwei Stunden bis zur süßen Neige durchspielten.

Eine weitere Stunde diente der Nachbereitung. Einige Ideen zur Verschlankung der Spieleraktionen wurden diskutiert. Der Antagonismus zwischen den Anstrengungen für die Gemeinschaft und ihren Belohnungen auf der einen Seite sowie dem eigenen Süppchen-Kochen und die Naturkatastrophen ungebremst über uns hereinbrechen lassen auf der anderen Seite, der vom ersten Tag an den Spielreiz ausmachte, ist auch in der heutigen Version das tragende Element.

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.

2. “Das tiefe Land”

Aaron und Günther studieren die Quellen in „Das tiefe Land“

Wir sind zurück an der deutschen Nordseeküste. Jeder Spieler besitzt eine private Schafsweide, deren Umzäunung er Zug um Zug erweitert, um so Platz für neugeborene Schafe zu schaffen. Was nicht unterkommen kann, wird abgetrieben. Er kann auch anderweitige Gebäude auf seiner Weide errichten, um die Entwicklung und den Profit seines landwirtschaftlichen Anwesens zu fördern.

Und regelmäßig sollte er sich auch am Deichbau beteiligen, denn wenn die Sturmflut kommt und der Deich kleiner ist als die Flut, dann bekommt jeder, der sich hier nicht so tüchtig eingesetzt hat wie seine einsatzfreudigeren Mitspieler, erhebliche Strafpunkte. Umgekehrt: wenn der Deich hält, so bekommt jeder der Mitspieler Siegpunkte entsprechend seinem Engagement am Deichbau.

Der Deichbau ist also – im Gegensatz zu Aaron’s Saami – kein Alles-oder-Nichts-Kriterium, er ist schlichtweg ein ganz normaler Betätigungsort, um Siegpunkte zu machen. Mit dem Satz aus der Spielanleitung: „Wirst Du erfolgreich die Balance zwischen einer ertragreichen Schafzucht und dem Bau am Deich schaffen oder verfolgst Du andere Pläne“ wurde Aaron nur fälschlicherweise aus seinen Saami-Träumen gerissen. „Das tiefe Land“ ist etwas ganz anderes.

Die Autoren C. und R. Partenheimer betonen Hilfestellung und Begleitung der Entwicklung durch Uwe Rosenberg. Sein Erbgut – wie auch immer er es an den Mann gebracht hat – ist überall zu spüren:

  • massig wunderschönes Material
  • tausend und tausenderlei Punktequellen.

Wenn es das erste Spiel mit Rosenberg-Blut wäre, bekäme es von uns sicherlich 8 bis 9 Punkte. So aber vermissen wir grundsätzlich eine eigenständige Spielidee. Dazu kommt noch eine deutliche Kingmakerei als Geburtsschwäche: Wer am Damm baut, kann einen beliebigen weiteren Spieler zur Mithilfe einladen; beide ernten dann Siegpunkte, alle anderen – bei uns der weinende Dritte – gehen leer aus.

Wie am Westpark üblich: 1 Stunde Erklärung, 2 Stunden Spielzeit. (Angegeben sind 50 Minuten.) Auch ohne hinterher noch lang und breit über die wesentlichen Dinge dieser Welt zu diskutieren war es halb zwei Uhr geworden. Und draußen auf der Terrasse war es immer noch angenehm warm.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (es ist halt ein Standard-Rosenberg), Günther: 5 (eigentlich nur 1 Punkt, weil nix Neues, alles ist als Rosenberg-Idee bereits vorhanden gewesen; das Dumme daran, dass dieses Spiel nicht einmal ein „Rosenberg“ ist), Walter: 7 (ein neues Solospiel; der Dammbau ist das einzige Spiel-Element, das dieses Spiel rechtfertigt).

27.06.2018: Variationen in Hellas

1. “Lords of Hellas”

Wir führen Helden, Hopliten und Priester. Wir breiten uns aus, kämpfen gegen Monster (oder lassen sie besser links liegen), erlösen Ereigniskarten (falls wir das Zeug dazu haben), bekriegen unsere Mitspieler (eigentlich nur ganz selten), bauen Tempel für geistlichen Beistand und errichten Monumente, die uns den Sieg bringen (können), falls wir sie bei Spielende (noch) in unserem Besitz haben. Andere Sudden-Death-Siegbedingungen sind eine definierte Ausbreitung, eine bestimmte Anzahl von Tempeln in unserer Hand, oder dreifaches Abmurksen eines Monsters. Vor Letzterem wird gewarnt, allerdings haben wir es vorsichtshalber nicht ein einziges Mal versucht.

Günther Zeus-Statue in Makedonien

Alles könnte innerhalb der Spielerschar ganz friedlich vor sich gehen, wenn leider nicht nur ein einziger gewinnen könnte. So aber wenden sich die Mitspieler notgedrungen gegen den jeweils Führenden, falls er zu gewinnen droht. Und in der Regel hat der Führende keine Chance, seine Führung zu behalten, wenn ihm drei Mitspieler kooperativ an den Wagen pinkeln und ihm bei der Erfüllung der Sieg-Bedingungen in die Suppe spucken.

Günther siedelte zunächst einmal mehr oder weniger zwangsläufig in der Nordecke von Hellas, möglichst weit weg von den Monstern im Süden. Dann baute er sich, ebenfalls mehr oder weniger zwangsläufig, dort eine kleine Alleinherrschaft aus, und errichtete auch noch ein Monument, bei dessen Fertigstellung das Spielende eingeläutet wurde.

Nachdem wir (Walter) etwas blind an der eigenen Entwicklung herumgebastelt und uns noch dazu in lokalen Scharmützeln gegenseitig geschwächt hatten, war es auch mit vereinten Kräften nicht mehr möglich, Günther aus der Region seines siegbestimmenden Monuments zu verdrängen. Außer Moritz sahen die anderen Mitspieler auch keinen besonderen Sinn darin, jetzt mit vereinten Kräften Günther vom Treppchen zu holen, nur damit irgendein ANDERER Mitspieler mehr oder weniger zufällig an seine Stelle treten könne.

Moritz selber hatte sein Heil bei den Monstern gesucht. Bis auf seltene eruptive Aggressionen sind sie ja brave Grasfresser. Er unterschätzte aber die Häufigkeit ihrer Ausbrüche, die durch Mitspieler-Aktionen ausgelöst werden. So wurde sein Hoplitenheer regelmäßig dezimiert und auch er konnte trotz eines entdeckten Schleichweges durch die Thermophylen Günthers Monument nicht mehr in Besitz nehmen.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (das Spiel lebt von einem Element, das mir nicht gefällt: aufpassen, dass keiner gewinnt. Es fehlt das Positive, Konstruktive. Das Regelwerk ist zu aufgebläht. Die Figuren sind zwar super gestaltet, aber das Spielbrett ist sehr unübersichtlich), Günther: 5, Moritz: 8 (es gibt eine Vielfalt von taktischen und strategischen Möglichkeiten zum Sieg), Walter: 5 (für Spieler, die ein chaotisches Kampfgewurrl lieben; ich habe darin keine strategische Line erkennen können)

2. “Illusion”

Eine Adaption der Idee von „Anno Domini“ für Analphabeten. So wie man bei AD das jeweils nächste historische Ereignis in der richtigen zeitliche Reihenfolge einordnen muss, muss man bei „Illusion“ eine bunt bedruckte Karte nach der Häufigkeit einer bestimmten Farbe einordnen. Mit wachsenden Analphabetentum in Mitteleuropa bestimmt eine zündende Geschäftsidee.

An der Siegbedingung sollte allerdings noch gefeilt werden: durch überstrapaziertes Anzweifeln der Reihenfolge kann man jedem Spieler den Sieg zuschustern.

WPG-Wertung: Aaron: 6, Günther: 6, Moritz: 6, Walter: 6 (der Spielreiz ist voraussichtlich sehr schnell ausgelutscht; die Freude beim Blödeln bzw. Philisophieren über die historischen Ereignisse, die bei AD einen wesentlichen Teil der Spielfreue ausmachen, ist hier naturgemäß nicht vorhanden.)

3. “X nimmt!”

Eine weitere Weiterentwicklung von „6 nimmt“. In der Tischmitte gibt es nur drei Kartenreihen, wohin wir unsere Karten ablegen müssen. In jede Kartenreihe dürfen nur unterschiedlich viele Karten abgelegt werden, und zwar deutlich weniger als bei „6 nimmt“: In einer Reihe nimmt bereits die dritte, in einer die vierte und in einer die fünfte Karte.

Die Karten, die wir bei „6 nimmt“ als Strafkarten sammeln müssen, werden hier wieder auf die Hand genommen, wobei wir jeweils eine der „Strafkarten“ straffrei in einer spielereigenen Kartenreihe ablegen dürfen. Erst wenn wir auch hier die aufsteigende Zahlenreihe nicht fortsezten können, wird es teuer.

Das Spiel ist eine echte spielerische Erweiterung des Standard- „6 nimmt“. Mehr Freiheitsgrade beim Abspielen einer Kartenhand, mehr Berechenbarkeit und mehr Überraschungen.

WPG-Wertung: Aaron: 8 (im Moment besser als „6 nimmt“), Günther: 8 (nach zuerst 7 Punkten, wollte aber gegenüber seiner Notengebung für „6 nimmt“ nicht abfallen), Moritz: 7 (mehr taktische Möglichkeiten, ich find’s gut), Walter: 8.

Seltsam: Obwohl wir alle „X nimmt!“ für eine Bereicherung gegenüber „6 nimmt“ angesehen haben, fiel es uns schwer auch nur gleich gute Noten wie damals zu vergeben.

20.06.2018: Mit Super-Bluff nach Neu-Fund-Land

1. “Race to the New Found Land”

Wie gar nicht so selten im Brettspiel-Milieu, gewinnt man die „Race“, wenn man während des Spielens die meisten Siegpunkte auf seine Seite geschaufelt hat. In der „Race“ gibt es dafür zwei Quellen:

  1. Waren (verschiedener Sorten) anhäufen und damit europäische Städte beliefern. Jede Lieferung bringt Siegpunkte. Wer am Ende eine Stadt am häufigsten beliefert hat, bekommt dafür noch eine weitere Siegpunkt-Prämie.
  2. Inseln (vor der kanadischen Küste) entdecken und besiedeln: Jeder Siedler bringt einen Siegpunkt. Bei Spielende werden auch hier für Siedlermehrheiten auf jeder Insel weitere Siegpunkt-Prämien ausgeschüttet.
Neu-Fund-Land und seine Besiedelung

Die Aktionen der Spieler werden durch sogenannte Schiffe abgewickelt, mittels derer man Waren generieren, Waren abliefern, Inselteile entdeckten oder bereits entdeckte Inselteile besiedeln kann. Zu Spielbeginn fängt jeder Spieler mit einem Schiff an, sehr schnell können wir uns aber weitere Schiffe zulegen, am Ende arbeitet jeder Spieler in der Regel mit vier Schiffen. Dazu kommen noch Charterschiffe für den Einmalgebrauch, die uns innerhalb bestimmter Spielzüge zugeschustert werden.

Das Spielgeschehen ist an keiner Stelle eine spannende „Race“, es ist ein gemütlicher vierfacher Kreisel, in dem wir unsere Besiedelungs- und Lieferungszüge abwickeln, jeder für sich, nur leicht getrübt durch Interferenzen bei der Konkurrenz um (spätere) Mehrheiten oder (aktuell) favorisierte Lieferaufträge.

Durch asymmetrische Startvorgaben (z.B. sind die Spanier bevorzugt beim Besiedeln, die Franzosen beim Handel), wird auch noch dafür gesorgt, dass die Spieler unterschiedliche Interessen verfolgen und die Konkurrenz-Effekte sich abmildern.

Ein gerade richtiger Zufallseinfluss ist beim Entdecken von Inselteilen sowie bei Sonderprämien eingebaut. Ob dieser Zufall dem Planungscharakter des Spiels angemessen ist, sei jetzt dahingestellt. Alles ist ausbalanciert, alle Härtefälle gemildert, für jeden Frust ein Trost eingebaut, alles nivelliert, leider auch die Interaktionsmöglichkeiten, der Wettlauf, die Spielespannung und der Reiz.

Bis auf eines, das nicht ausbalanciert ist: Die naturgegebene Startspieler- bzw. Zugreihenfolge-Asymmetrie. In einer 3er Runde ist ein Spieler zweimal Startspieler, was nur dann gerecht ist, wenn damit keine Vor- und keine Nachteile verbunden wären. Das ist aber nicht der Fall. Wie diese Rolle in der ersten Runde zu werten ist, das lassen wir jetzt einmal offen. Bei uns war Günther als Startspieler in der zweiten Runde als einziger in der Lage, sich mit den angesammelten Ressourcen ein „großes Schiff“ zuzulegen. Damit konnte er sich als einziger in jeder Runde ein Gold generieren und und sich damit sowohl beim Schiffbau als auch beim Liefern die größte Flexibilität einhandeln. Er wurde Sieger.

Vielleicht lag das natürlich auch an seinem gewohnt meistenhaften Spiel. Hallo Günther, nimm’ es mir jetzt bitte nicht übel, wenn ich Deinen Sieg AUCH auf Deine unausbalanciert günstige Start-Positionierung schiebe.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (am Anfang war ich angetan, das hat aber gegen den Schluß hin nachgelassen. Fazit, um es mit Schejkspier zu sagen: „Much ado about nothing“; das Spiel schwimmt im Mainstream mit, als Familienspiel nicht geeignet), Günther: 7 (kein Riesenaufbau. Wenn man weiß, wie es geht, kann es schnell über die Bühne gehen. [WS: Wir haben heute 80 Minuten für die Einführung und 100 Minuten für das Durchspielen benötigt!] Sicherlich gibt es Leute, denen es Spaß macht, das Potential dieses Spiels auszuloten), Walter: 6 (konstruktiv bis solitär mit geringen Konkurrenzeffekten, es fehlt der Pfiff. Außer um mit den Spaniern nochmals die Effizienz einer extremen Siedlungspolitik zu betreiben wüsste ich nicht, warum ich das Spiel noch einmal spielen sollte.)

2. “Super-Bluff”

Günthers Super-Wurf. Garantiert nicht gefaked!

Eine Spielerweiterung, jetzt mit sechs Superwürfeln, d.h. jeder Spieler bekommt einen. Eigenschaft: Die Augenzahl des Superwürfels zählt zweimal. Solange noch fast alle Würfel im Spiel sind, ist die Wirkungsweise fast identisch mit einem sechsten Würfel für jeden. Erst im Endspiel kommen andere Effekte zum Tragen und wir alten Bluff-Hasen müssen (erst noch) ganz neue Logiken entwickeln, um das Spiel in den Griff zu bekommen. Sowohl Walters Immer-4-Strategie wie auch Günthers Immer-5-Strategie sind obsolet geworden. Weil das so ist, wurde noch mehr gelacht als sonst, was aber nur als mehr Überraschung, nicht als mehr Spielspaß zu deuten ist.

Das Spiel wird „verkopfter“. So wie ich mich bisher getraut hätte, bei einigermaßen mit Zahlen und Häufigkeiten vertrauten Nicht-Spielern zur Unterhaltung das Normal-Bluff auf den Tisch zu legen, würde das mit dem Super-Bluff nicht mehr funktionieren. Doch sicherlich gibt es genügend Spielerkreise, die das Normal-Bluff ausgelutscht haben und jetzt eine neue Geschmacksnuance hineinbekommen haben. Und wem das nicht schmeckt, der kann die Super-Würfel ja wie Normal-Würfel behandeln und hat so sein gewohntes, in den Bestandteilen Zufall, Bluff und Rechnen gerade richtig gemixtes Spiel-des-Jahres-1993 wieder. [Mein Gott, was für Evergreens gab es früher doch mal unter dem SdJ-Titel!]

Günther legte am ersten Abend mit dem Super-Bluff gleich einen Super-Wurf hin: 5 mal der Stern! Wenn er jede Woche ein- bis zweimal Bluff spielt und dabei 5 mal ohne Würfelverlust mit allen 5 Würfeln würfeln darf, dann muss er durchschnittlich 30 Jahre lang warten, bis er das nächste Mal diesen Super-Wurf hinlegt.

WPG-Wertung: Die Punkte wurden nicht abgefragt, eine Extrapolation der Eindrücke auf die Noten würde wohl ergeben : Aaron: 8, Günther: 8, Walter: 8.

30.05.2018: Nichts Neues, oder doch?

1. “History of the World”

Auch wenn die Erde sich ständig dreht und in ihrem Milchstraßenflügel blitzschnell-langsam durch das All eilt, haben schon vor 3000 Jahren kluge Männer herausgefunden: “Nichts Neues unter der Sonne”. Das gilt besonders, wenn man die Geschichte der Menschheit betrachtet: Mord und Totschlag, Krieg und Eroberungen, Siege und Niederlagen, Führer und Verführte bleiben sich über alle Völker und Zeiten hin gleich. Selbst ein neuer Präsident und eine alte Kanzlerin ändern nichts daran, auch wenn sie ein paar Millimeter an dem geschichtlichen Fleckerlteppich weiterweben.

In „History of the World“ wird die Geschichte der irdischen Eroberungen nachgespielt. Alle paar Jahre kommt eine neue Version heraus, aber naturgemäß spielen wir immer noch mit den alten Affen. Und Moritz ist jedes Mal von neuem begeistert.

Europa mit seinen Mittelmeer-Anrainern sitzt wie üblich wie in dickes, vollgefressenes Kuckucksjunges in der Mitte des Spielbretts. Die restlichen Kontinente (wenn man Europa überhaupt unter diesen Begriff zählen darf) sind höchstenfalls kleine Wachteleier am Rande.

Was ist die intellektuelle Herausforderung dieses Spiels? Von Vorteil ist, wenn man einige Spielerfahrung hat (Moritz hat das Spiel schon hundertfach gespielt), wenn man weiß, wo Völker entstehen, welches Potential sie entfalten können, und wie sich die unterschiedlichen Siegpunktausschüttungen für Anwesenheit, Dominanz und Alleinherrschaft in den verschiedenen Regionen entwickeln.

Strategisch ist es, sich in einige abseitige Regionen auszubreiten, die – hoffentlich – weniger umkämpft werden, wo der Besitzstand sich besser hält, und die in der Summe dann doch reichlich Siegpunkte ausschütten.

Taktisch ist es, seine Punkteausbeute so zu dosieren, dass man möglichst zweimal hintereinander abkassieren kann, z.B.: als Letzt-Ziehender in der einen Runde und dann als Erst-Ziehender in der nächsten Runde. Dabei darf man den Mitspielern aber nicht zu viel Vorsprung geben, den man dann ggf. nicht mehr einholen kann.

Moritz als gewiefter Stratege und Taktiker ließ sich bis in die letzte Runde zurückfallen, weit zurückfallen, und machte dann als Erstziehender einen Riesensatz bis weit vor alle anderen. Aber es reichte nicht. Aaron als Letzt-Ziehender (und vor der letzten Runde Führender) konnte als Japaner seinen Vorsprung ins Ziel retten. Ja wenn Moritz ihn bzw. seinen Besitzstand in seinem Zug konsequent bekämpft und dezimiert hätte, und nicht seinen Hauptgegner in Walter gesehen hätte, hätte es vielleicht noch zum Sieg gereicht. Wenn dann aber Günther gegen Moritz losgezogen wäre und Walters Besitzstand geschont hätte, hätte alles ganz anders kommen können. Selbst in der letzten Runde. Soviel ist in History of the World einfach (nicht) drin.

Ach richtig, gut würfeln muss man natürlich auch. Und zwar ständig.

Walter war als Hitler (oder war es Kaiser Wilhelm?) mit seinen Alemannen und reichlich Besitztum vom Kap bis nach Nanking hoffnungsvoll in die letzte Runde gestartet, als er dann aber endlich mit seinen neuen Eroberungen beginnen konnte, hatten die Franzosen das Rheinland besetzt und die Bolschewiken waren bis weit über die Elbe gezogen. Das treulose Albion lag unerreichbar, genauso wie die übrige Welt zwischen Alaska und Australien. Da drehte er sich um und weinte bitterlich.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (zu lang für das, was es ist, sehr glückslastig, zu viel Wartezeit zwischen den Zügen), Günther: 7 (die Wartezeit kann man sich durch interessiertes Zuschauen verkürzen, zudem wird man ja auch zuweilen in einen Verteidigungskrieg verwickelt), Moritz: 10 (diese Spiele sind alle 10 Punkte wert), Walter: 6 (bei der ganzen Kriegerei darf kein Herzblut fließen, dann kann man es aushalten; naturgemäß ist in solchen Eroberungsspielen die Kingmakerei nicht zu verhindern)

 

2. “Krazy Wordz”

Wir ergötzen uns bei der Erfindung von sprachlichen Neuheiten aus dem Zuhälter-Milieu, den Nonnenklöstern und dem Kamasutra. Es macht Spaß, die Begriffe zu bilden und sie zu erraten. Partyspiel.
Moritz kannte zwar nicht die meisten Stellungen, konnte sie aber am eindrucksvollsten benennen. Sieger.

Keine neue WPG-Wertung.

23.05.2018: Platzende Kessel und aggressive Viecher

1. „Die Quacksalber von Quedlinburg“ – Anwärter zum Kennerspiel des Jahres 2018

„Can’t Stop“ aus den Kochtopf. Jeder Spieler zieht Zutaten aus seinem schwarzen Stoffsäckchen, und hört irgendwann mal freiwillig damit auf, oder er muss unfreiwillig damit aufhören, weil er zu viele Knallerbsen herausgezogen hat und sein Topf dadurch geplatzt ist.

War noch alles heil, so bekommt ein Spieler Geld und Siegpunkte, ist der Kessel geplatzt gibt es Geld oder Siegpunkte. Es ist natürlich einleuchtend, dass diese Erträge umso höher sind, je mehr Zutaten wir aus dem Sack gezogen haben. Weiterhin gibt es Gratifikationen für die Anzahl der Zutaten, ihre Art (Farben) und die Reihenfolge, in der wir sie gezogen haben.

  • Grün ist gut, wenn es bei den letzten Zutaten ist.
  • Rot ist gut, wenn vorher Orange gezogen wurde.
  • Gelb ist gut, wenn davor eine Knallerbse gezogen wurde, die darf man dann nämlich entfernen.
  • Blau ist gut, denn dann darf man probehalber ein paar Zutaten aus dem Sack holen und sich die beste davon heraussuchen.

Wie kommen die Zutaten in den Kessel? Eine ausreichende Anzahl Knallerbsen zum Platzen gehören zur Grundausstattung, die weiteren Zutaten muss man sich kaufen. Vom Erlös der Suppe.

Das Spiel ist äußerst taktisch, denn in der ersten Phase muss man auf Teufel komm raus Zutaten ziehen bis dass der Kessel platzt; auf das spärliche Rinnsal von Siegpunkten kann man hier leicht verzichten. In der Schlussphase muss man wiederum auf Teufel komm raus Zutaten ziehen bis dass der Kessel platzt, denn dann braucht man nicht mehr unbedingt neue Zutaten zu kaufen. Nur in der letzten Runde braucht man beides, denn auch der hier erzielte Geldgewinn wird in eine erkleckliche Anzahl von Siegpunkten umgewandelt. Und in der Mittelphase sind die Obertaktiker gefragt, denn da gilt es Siegpunkte und Gelderlös zu optimieren. Oder ist das schon Strategie?

Das Spiel ist selbstverständlich auch äußerst strategisch, denn die insgesamt 6 verschiedenen Nutzfarben erlauben als 2er Kombination allein 30 verschiedene Farbstrategien. Die Gewinnchancen sind absolut unterschiedlich, ob man eine rot-orange oder ob man eine blau-grüne Strategie fährt. Günther hat es aber a priori abgelehnt, hierzu a la „Dominion“ eine optimale Strategie zu berechnen.

Die herausragendsten intellektuellen und sensorischen Fähigkeiten werden allerdings beim Herausholen der Zutaten aus dem Sack benötigt. Hier müssen die Knallerbsen erst am Ende, die orangenen Zutaten aber vor den roten, die gelben genau eine Position nach den Knallerbsen und die grünen an letzter oder vorletzter Position gezogen werden. Offensichtlich hat das der Spielergemeinde so sehr imponiert, dass selbst die Jury von SdJ an einer Nominierung nicht vorbei kam.

Bei uns lag nach der ersten Wertung Aaron vor Moritz, Günther und Walter. Das änderte sich auch 8 Runden lang bis zum Schluss nicht. Nur zwischen dem immer weiter abgeschlagenen Günther und Walter gab es zuweilen eine Rochade. Ist das vielleicht für die Spielbalance symptomatisch?

WPG-Wertung: Aaron 4 (oder 5; „weiß gar nicht, mit wem ich das noch einmal spiele wollte“), Günther 5 (eigentlich 1 Punkt weniger, weil das Spiel auf der Nominierungsliste steht; vielleicht haben wir das Spiel auch nicht verstanden), Moritz: 5 („wenn es wenigstens ein Deckbuilding-Spiel wäre, so ist es noch weniger als ein reines Würfelspiel), Walter 5 (linear, Brimborium mit Kinkerlitzchen, Interaktion in der Größenordnung von Null)

 2. „Moa“ – Edgar oder Martin Wallace hat mal wieder zugeschlagen

Area Control bei den Maori. Die Einheimischen werden durch Vögel, die erobernden Albioner, Bataver und Churasker durch Säugetiere dargestellt. Mit den für 2 Perioden jeweils fest ausgeteilten Karten mit erheblich zufallsabhängigen Effekten bringen wir unsere Vögel aufs Spielfeld, suchen dort in einzelnen Gebieten Majoritäten zu erzielen, besiegen (oder auch nicht) einfallende Säugetiere oder verkaufen ihnen – unseren Mitvögeln unterm Arsch weg – den heiligen Boden unserer Väter.

Pazifist Walter bekam in der ersten Periode unendlich viele Vögelkarten – verglichen mit der Anzahl bei seinen Mitspielern – zum Herumvögeln, konnte auf vier bis fünf Gebieten die Platzhirschmajorität erringen und zog in der Punktwertung mit großem Abstand an die Spitze. Im zweiten Durchgang bekam er unendlich viele Verteidigungskarten und konnte alle seine Gebiete gegen angreifende Säugetiere verteidigen. Der Sieg war ihm nicht mehr zu nehmen. Start-Ziel-Sieg bei dieser Kartenzuteilung ist in Mao gewiss symptomatisch.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (fühlte sich von den Karten gespielt), Günther: 5 (warum auch immer), Moritz: 7 (das Spiel hat interessante Facetten [WS: Das war es dann wohl aber auch.]), Walter 6 (dynamisch-chaotisches Vögeln-Chaos geht vor kontemplativ-autistischer Quacksalberei)

Von Vögeln und anderen Tieren

1. „Kingdomino“ – Spiel des Jahres 2017

Auch Aaron durfte einen ersten Einblick in das gelungene „Familienspiel des Jahres 2017 gewinnen.

WPG-Wertung: Aaron: 6 Punkte!

2. „Piepmatz

Es geht offensichtlich um Vögel! Genauso könnte es natürlich auch um Bienen und Schmetterlinge gehen, aber da wir nun mal gut zu vögeln sind, hatten wir mit den Piepmatzen mehr verbalen Spaß.

Zwei Futterstellen gibt es, an denen jeweils ein einziger Platzhirsch direkt am Fressnapf steht; die anderen Vögel stehen in einer variabel langen Warteschlange dahinter. Aus unserem Handset von Piepmatzkarten reihen wir reihum jeweils eine Karte in einer der Warteschlangen ein am Fressnapf ein. Wird dadurch die Warteschlange „stärker“ als der Platzhirsch, d.h. sind die Zahlenwerte auf den Piepmatzkarten in Summe höher als der Zahlenwert des Platzhirschen, so können wir den Platzhirsch in unsere private Auslage nehmen und der nächst-höchste Piepmatz wird Platzhirsch. Wir können damit sogar eine Kettenreaktion auslösen. Zusätzlich bekommen wir dann noch eine wohldefinierte Futterkarte, die u.U. aber auch vergiftet ist, so dass deren Effekt kontraproduktiv sein kann.

Bleibt die Summe in der Warteschlange niedriger, dürfen wir eine (fast) beliebige Piepmatzkarten aus der Hand in unsere private Auslage geben. Am Ende hat der gewonnen, der nach einer gegebenen Formel aus seinen ausliegenden Pärchen, Farben und Futterkarten die meisten Siegpunkte erzielt hat.

Der Auslegemechanismus ist gewöhnungsbedürftig. Zudem lebt von der Hand in den Mund, Die Grafik (Erkennen von Pärchen) lässt zu wünschen übrig. In Bezug auf „Gender“ politisch nicht korrekt, denn für schwule und lesbische Pärchen ist kein Platz vorgesehen, dabei sind – nach Konrad Lorenz – zumindest unter Graugänsen schwule Paare an der Tagesordnung.

WPG-Wertung: Unisono 4 Punkte. Aaron: „Ich habe einfach drauf los gespielt“. Günther: „Es wäre schön, wenn es lustig wäre“. Walter: „Man wird gespielt“. Wenn wir mit Vögeln mehr Spaß gehabt hätten, hätte jede vielleicht noch einen Punkt zugelegt.

3. „Misch Masch

Aaron hatte das Spiel geschenkt bekommen und an Walter weitergeschenkt. Der hat es nach dem Studium der Spielregeln und eingedenk seiner größer werdenden Enkel angenommen.

Einem geschenkten Barsch schaut man nicht hinter die Kiemen. Reinrassiges Mau-Mau mit Tierkarten. Aber Ideen sind nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch bekanntlich nicht geschützt.

Die Grafik ist funktionell sehr gelungen, Kinder werden ihre Freude daran haben. Wir hatten sie auch, zumindest in der Vorwegnahme eines Spiels mit Enkeln.

WPG-Wertung: Unisono 6 Punkte. Zuerst hatte jeder nur 5 Punkte vergeben, aber als Günther auf 6 erhöhte („gelungenes Kinderspiel“) zogen Aaron und Walter nach.

4. “Silk Roads

Silk Roads ist eine Neuentwicklung von Aaron, die dieses Jahr im Rahmen des „Ancient World Multi Game Systems“ bei Playford erscheinen wird.

Neueste Modifikation: Das Spielbrett wurde auf 8 x 8 vergrößert, wir fangen jetzt in einer Ecke, nicht mehr in der Mitte an, und Spielsteine zählen nur dann, wenn wenigsten 4 Stück nebeneinander liegen.

Die Mechanismen sind befriedigend (bzw. sehr gut) ausgereift. Ein gelungenes Mehrpersonenspiel für edle Strategen. So viele gibt es davon nicht auf dem Markt.

02.05.2017 Domino für Könige

„Kingdomino“ – Spiel des Jahres 2017

Anstelle von Zahlen gibt es auf den „Dominosteinen“ Farben. Es werden keine Wege gelegt, sondern Flächen: ein 5 x 5 Quadrat muss (sollte nach Möglichkeit) voll ausgelegt werden. Beim Anlegen eines neuen Steines müssen mindestens zwei aneinander stoßende Farben passen. Nach 12 Zügen ist das Quadrat voll und es wird abgerechnet. Ein gefülltes 5 x 5 Quadrat bringt 5 Siegpunkte, wenn das Startfeld genau in der Mitte liegt, gibt das nochmal 10 Siegpunkte. Der große Reibach wird aber über Kronen gemacht: das sind Symbole, die auf einzelnen Feldern einzelner Dominosteine aufgedruckt sind. Pro zusammenhängender Farbfläche werden die Kronen zusammengezählt und mit der Anzahl Dominosteine der jeweiligen Fläche multipliziert, das ergibt das Gros der Siegpunkte.

Bemerkenswert der Dominostein-Auswahlmechanismus. Jeweils drei Dominosteine liegen in einer vom Autor bestimmten Rangfolge offen auf dem Tisch. Wer den „schlechtesten“ Stein auswählt, darf in der nächsten Runde als Erster auswählen.

Freiheitsgrade?

  1. Auswahl des gewünschten Steines im Seelenkampf um die eigene Positionierung in der Prioritätsreihenfolge.
  2. Konstruktive Platzierung des jeweils nächsten Steines innerhalb des 5 x 5 Quadrates.

Also gerade ausreichend viel Freiheit.

WPG-Wertung: Günther: 6 (bin mit dem Spiel aber nicht warm geworden, habe es mir deshalb auch nicht zugelegt), Moritz: 7 (hübsches Familienspiel, selbst die 5-jährige Siri kann schon mitmachen), Walter: 7 (schnell, locker, konstruktiv, sogar interaktiv, in jedem Fall ein Spiel für die heranwachsenden Enkelkinder)

„Terraforming Mars“ – mit der Venus-Erweiterung

Moritz versuchte sich im Aktionismus: 50 % blaue Aktionskarten. Sah auch lange sehr beängstigend nach Sieger aus, wurde aber von Günther abgefangen, vor allem durch dessen glücklich-gekonnten Städtebau und Städte-Bauen-Lassen auf dem Mars.