07.07.2010: Fußball statt Westpark

Zum ersten Male in zehn Jahren wurde ein Spielabend am Westpark wegen eines Fußballspiels verschoben. Das Champions Leage Endspiel der Heimmannschaft und die WM-Gruppenspiele der Nationalmannschaft konnten sich bisher nicht durchsetzen. Auch für diesen Mittwoch hatten Aaron, Hans und Peter schon zugesagt.
Am Freitag kam dann der erste Hinweis auf eine mögliche WM-Kollision von Peter:
„Indes weise ich darauf hin, dass am Mittwoch das Halbfinale mit argentinischer Beteiligung stattfinden wird. (In dem ausgesprochen unwahrscheinlichen Fall, dass jemand anderes weiterkommen sollte, wird wohl der Termin verschoben?)
Am Samstag Abend durfte Moritz frohlocken: „Es ist soooooo schön, Dich unrecht haben zu sehen, Peter :-)“
Dieser Schönheit konnte sogar Peter zustimmen: “Du hast völlig Recht :-)“. Er fragt jetzt noch zaghaft (oder gar dringlich) an:“Spielen wir statt Mittwoch vielleicht am Dienstag?“
Aaron war das egal:„ Ich kann an beiden Tagen und mir reicht ein [Fußball]Ergebnis statt 90 Minuten Langeweile. Ich finde Fußball immer noch genauso spannend wie jemandem beim Würfeln zuzuschauen, der hofft eine Sechs zu schaffen.
Hans zog dagegen seine Mittwochzusage definitiv zurück: „Nur glücksabhängig ist Fußball meiner Meinung nach nicht :-) Wie auch immer! Die Revanche gegen Spanien kann ich nicht verpassen, aus mehreren Gründen, und die Überrachung, dass es überhaupt dazu kommt, ist noch der geringste. Also bin ich leider am Mittwoch nicht zum Spielen dabei! Falls es sich ergeben sollte, aber gerne an einem anderen Wochentag …“
Aaron bekräftigte seine Meinung zur Glücksabhängigkeit: “Ich behaupte, dass bei Spielen von Mannschaften in der gleichen Klasse (z.B. Erste Bundesliga oder WM) der Glücksfaktor einfach zu hoch ist. Warum? Die Anzahl der für einen Sieg gezählten Ereignisse ist einfach zu gering (siehe 1:0 für Spanien von gestern oder die Tore wegen unglücklicher Schiri-Entscheidungen in einigen anderen Spielen). Das ist Problem Nummer eins. Problem 2 ist, dass die Zeit pro zählfähigem Versuch (i.e. Schuss aufs Tor) viel zu lang ist. Da kommt bei mir die Langeweile auf. Aber ist halt wohl Geschmackssache, denn ich finde Sportveranstaltungen anschauen immer langweilig…“
Hierin fand er jetzt Unterstützung bei Peter: “ Aarons Analyse ist vollkommen richtig; ich konnte nie verstehen, wie man Fußball z. B. dem Tennis vorziehen kann, wo immer Punkte vergeben werden und sich der Bessere automatisch durchsetzt.
Allerdings kam bei mir mit fortschreitendem Alter [Anmerkung der Verfassers: Ich glaube, er hat die 20er schon überschritten] die Erkenntnis: Genau das ist das Problem von Tennis und der Charme von Fußball. Der Glücksfaktor ist so hoch, dass halt immer etwas Unerwartetes passieren und der Underdog gewinnen kann. Der Fußballfan will keinen überlegenen 4:0-Sieg, der will einen 2:1-Sieg, bei dem die beiden Siegtore in der 89. und der 90. Minute fallen.
Oder, anders formuliert: Deswegen ist Menschärgeredichnicht erfolgreicher als Caylus. Jetzt fragst du mich, warum ich dann nicht Caylus spiele. Antwort: Weil derzeit alle Kinder Menschärgeredichnicht spielen und man Rudeltier ist.
Peinlich, aber wahr.“

Jetzt konnte sich Moritz nicht enthalten, eine große Analyse über das Siegen im Fußball darzulegen:
“Es ist doch eigentlich ganz einfach: Natürlich gehört beim Fußball Glück dazu, aber das Entscheidende ist, dass im Fußball nur derjenige Glück hat, der auch was kann. Selbst bei absolut gleichwertigen Mannschaften zählt beim Aufeinandertreffen nicht das Glück sondern zuallererst einmal die Taktik der jeweiligen Trainer, und inwieweit die Spieler diese umsetzen können. Die bessere Taktik gewinnt 99% aller Spiele, das kann man sehr oft sehen, auch in der Bundesliga. Ohne Taktik wäre Rehhagel mit seiner grottenschlechten Griechentruppe nie Europameister geworden, das war kein Glück sondern Bollwerktaktik.
Deutschland – Argentinien war der beste Beweis dafür – es ist kein Zweifel, dass die individuellen Spieler der Argentinier (Messi, etc.) besser waren als unsere, aber es war klar, dass Löw Maradonas limitierte taktische Intelligenz ausnutzen würde. Wie die deutsche Verteidigung die an sich starken argentinischen Spieler relativ mühelos neutralisierte, war schön anzusehen. Gleichzeitig fand Löw die richtigen Mittel, die argentinischen Verteidiger zu umgehen, also offensiv wie defensiv die richtigen Mittel, eigentlich ein Idealfall. Das 4:0 ist also kein Glücksergebnis – alle Tore der deutschen Mannschaft waren wunderbar aus dem Spiel herausgespielt, am schönsten zu sehen bei Podolskis selbstloser Passvorgabe zu Klose, da kam Teamgeist vor Eigennutz, und das hat Löw den Jungs erfolgreich eingedrillt. Insofern ähnelt Fußball schon einem komplexen Brettspiel und ist viel
reizvoller, als viele von euch denken. Und in der Halbzeit werden oft die einzelnen Taktiken noch einmal überarbeitet und es gibt manchmal radikale Wendungen im Spielverlauf. Aber Peter hat schon recht, dass auch das Unvorhergesehene eine Rolle spielt: Schiedsrichter, Torentscheidungen, Elfmeter, etc. Aber das ist eigentlich nur das Salz in der Suppe – denn auch in 1830 kann ich nicht jede einzelne zukünftige Entscheidung meiner Mitspieler voraussehen, da wird mich auch manches überraschen oder kalt erwischen wie eine bizarre Schiedsrichterentscheidung.
Bei WMs steigt das Glückselement natürlich etwas, aber die taktische Aufstellung wird NOCH wichtiger als in der Bundesliga, eben weil man nur eine Chance hat und die anderen Teams erst während des Turniers richtig kennenlernt. Das ist alles hochspannend. Auch ist eindeutig zu beobachten, dass die Trainerwahl eine Riesenrolle beim Erfolg spielt (sonst wären bestimmte Trainerkarrieren wie Mourinho oder van Gaal, die IMMER erfolgreich sind, egal welche Mannschaften sie trainieren, gar nicht möglich). Auch das ist der beste Beweis dafür, dass beim Fußball Taktik und Spielanlage wichtiger als Glück sind, dann wären alle Trainer einer Liga immer ungefähr gleich erfolgreich, dass stimmt aber eindeutig nicht. Manche sind und bleiben Gurken.“

Dieser musischen Logik mußte der Naturwissenschaftler Peter natürlich widersprechen: “ Wann’s so einfach wär’, würd’ ich dem Löw empfehlen, die Taktik von der Schweiz zu kopieren, die hilft nämlich gegen Spanien.
Aber was machen wir, wenn die Spanier dann die serbische Taktik übernehmen?“

Heute, post mortem [Germaniae] können wir konstatieren: “Vicente del Bosque hat den Hitzfeld kopiert. Und den Marko Pantelic. Wer wird wohl wen in 4 Jahren kopieren?“
Und was wurde am Westpark gespielt? Am Dienstag gab es einen privaten Skat und am Mittwoch einen privaten Fußball. Was am Dienstag bei Peter gespielt wurde, weiß ich nicht. Vielleicht wird es Aaron uns noch verraten.