Alle Beiträge von Walter

22.11.2023: Wie war doch gleich der Name

1. “Karvi”

„Haare“ oder „Gänsehaut“ soll dieses finnische Wort nach den verschiedenen Übersetzern bedeuten. Warum dieser Name, das habe ich im Regelheft, falls es dort erklärt war, nicht nachgelesen. Für einen Markterfolg in Mitteleuropa sollte er nicht gerade von gewaltigem Vorteil sein.

Mit unserem Aktionsstein durchlaufen wir ein Aktionsrondell, immer im Kreis herum und bestimmen dadurch unsere nächste Aktion, die im Einsammeln von Würfelpunkten, Smörrebröd, Ressourcen verschiedener Art oder Bonuskarten verschiedener Art bestehen. Wir können pro Aktion so weit vorwärtsgehen, wie wir wollen, müssen dann allerdings warten, bis uns der letzte Mitspieler wieder überholt hat. (Hübscher, aber nicht unbedingt innovativer Mechanismus.)

Jedes einzelne Feld im Rondell kostet Würfelpunkte, und das Aktivieren der Karten kosten Ressourcen und bringen wieder welche.

Unter diesen Hauptmechanismus der Rondell-Runden ist eine Transport-Aufgabe gelegt: Wir müssen mit unserem Wikingerboot durch Nordsee und Atlantik bis zu 12 Häfen anlaufen und dort Bonusplättchen aufnehmen, die ebenfalls Ressourcen kosten, Ressourcen einbringen und zusätzliche mögliche Aktionsfelder freischalten. Das Bewegen unseres Bootes kostet Smörrebrot, dessen Vorrat alle Spieler früher oder später aufgegessen haben. Entsprechend müssen wir uns auf dem Zahnfleisch von Hafen zu Hafen bewegen. Das ist aber nicht so schlimm, dann bleiben wir mit unserem Boot halt stehen, bis uns das nächste Smörrebröd in den Schoß fällt oder wir es uns im Schweiße unseres Angesichts erworben haben. Das Abwickeln der Transport-Aufgabe ist ohnehin von sekundärer Bedeutung.

Hundertfünf Minuten (also 1 ¾ Stunden) brauchte Günther, um uns die einzelnen Spielelemente zu verklickern. Die erste Rondell-Runde kostete ziemlich genau eine Stunde, die zweite Rondell-Runde 1 ¼ Stunde. In harmonischer Übereinstimmung brachen wir ab.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (Eine Stunde pro Runde ist eine Zumutung, dafür ist das Spiel nicht gut genug. Für ein Hig_Spiel in Anbetracht dessen, was diese Firma früher produziert hat, eine große Enttäuschung), Günther: 5, Moritz: 5 (Das Zug-Rondell ist gut, aber der Knäckebrot-Mechanismus ist das langweiligste Element, das ich je gesehen habe), Walter: 4 (Ich wüsste nicht, warum ich das Spiel noch einmal spielen sollte).

2. “Mountain Goats”

Wir würfeln unsere 6 Pöppel mit 4 Würfeln, die wir nach jedem Wurf beliebig kombinieren dürfen, gemäß der Summe der kombinierten Augenzahlen in entsprechenden Spalten (5er bis 10er Summen) aufwärts. Unterwegs dürfen mehrere feindliche Pöppel gemeinsam auf einem Feld stehen, oben an der Spitze nur einer. Der bekommt dann Siegpunkte für jedes Obenstehen bei gleichzeitigem erneutem Würfeln der entsprechenden Spaltenkombination. Jeder Nachfolger kann ihn absetzen und ins Fußvolk zurückwerfen.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (es gibt keine Taktik, wir leben von der Hand in den Mund), Günther: 5 (Kniffel hat mehr Spannung [und mehr Handlungsfreiheit]), Moritz: 6 (nicht schlecht), Walter: 5 (reines Würfelspiel und sonst nichts).

15.11.2023: Weiß nach Rot aus Spanien

1. “Die weiße Burg”

Nach „Die rote Kathedrale“ in Russland für ihr erstes Spiel haben die spanischen Autoren Israel Cendrero und Sheila Santos jetzt „Die weiße Burg“ in Japan ihrer neuesten Spieleerfindung unterlegt.

Ein Workerplacement mit den wesentlichen Arbeitsplätzen als Gärtner, Krieger oder Hofleute. Das dominierende Element sind Hexawürfel in den Farben schwarz, weiß und rot. Sie bestimmen, welche der drei möglichen Aktionen wir an jedem der zehn möglichen Arbeitsplätze durchführen dürfen. Vor allem aber bestimmen sie, ob wir dafür auch noch Geld ausgeben müssen oder ob wir dafür welches bekommen. Insgesamt 15 Stück gibt es davon, und sie werden einmal pro Runde für alle ausgewürfelt; pro Zug wählt sich ein Spieler einen davon aus und führt damit seine Aktion(en) aus.

Mit den Aktionen bekommen wir Ressourcen, die wir für andere Aktionen benötigen, und sie erlauben uns zuweilen, weitere Aktionen durchzuführen, so dass in einem einzigen Zug ganze Ketten von Aktionen gebildet werden können. Bis uns die Mittel ausgehen.

Für die einen Spielertypen ist das Planen von Kettenzügen ein wesentliches Qualitätsmerkmal für die Herausforderung, die sie in einem Spiel suchen, für die anderen Spielertypen geht diese schweißtreibende Geistesarbeit gewaltig auf Kosten des Spielerischen.

Drei Runden zu je drei Zügen pro Spieler dauert ein Spiel; wir brauchten insgesamt 2 Stunden dafür, durchschnittlich also gut drei Minuten pro Zug. Dementsprechend mussten jeder ca. 10 Minuten warten, bis er seinen nächsten 3 1/3-Minuten-Zug durchführen konnte. Für die einen eine unvermeidliche Analysis Paralysis, für die anderen regelmäßige Pausen zum Abschalten und Meditieren. Nur nicht ungeduldig werden und drängeln, das schafft dann noch böses Blut. Fast.

Die Würfel-Steuerung der Aktionen und ihrer Ausprägung hat allerdings einen gravierenden Nachteil: Die Startspielerreihenfolge hat einen zu entscheidenden Einfluss auf die Effizienz der Züge. In jeder Runde fängt dreimal der gleiche Spieler mit seinen Zügen an; die Nebeneffekte der Würfelauswahl, d.h. das Zuzahlen oder Kassieren von Geld – in geringerem Maße auch das limitierte Belegen einzelner Arbeitsplätze -, wirken also dreimal zugunsten des Startspielers. Das ist zu viel.

Frage zur Diskussion: Besitzt das Spiel eigentlich Interaktion? Jeder nimmt reihum den besten der übrig gebliebenen Würfel; das ist fast solitär. Allein das mögliche Gerangel um die Startspielerposition, um das Recht des ersten Zugriffs pro Runde, ist eine Art konkurrierende Interaktion.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (ich mag diese rechnende Optimiererei nicht; mir fehlt das Spielerische; ich finde ein Design grundsätzlich verdächtig, wenn es schon beim Setup sehr viele Variabilitäten gibt), Günther: 7 (bis 8; die Veränderlichkeit der Worker-Aktionen schafft additiven Spielreiz; der Startspieler könnte/sollte pro Zug gewechselt werden), Moritz: 8 (bis 7; ein anspruchsvolles Spiel, noch dazu für wenig Geld), Walter: 6 (eigentlich hübsche Abläufe in einer von der Ikonographie hervorragend unterstützten Szenerie; ich bin allerdings für mehr Spiel und weniger Schweiß).

2. “AbluXXen”

Nach dem Schweißen bzw. Schweißen-Lassen war uns allen nach etwas Leichtem, Spielerischem. Da kam uns der alte Absacker „AbluXXen“ gerade recht.

WPG-Wertung: Unisono: „AbluXXen ist weiterhin ein sehr gutes Spiel“.

8.11.2023: Irgendwann und Irgendwo

1. “Utopia”

Ein Workerplacement-Spiel. Diesmal namentlich weder am Tigris noch am Euphrat, sondern im Nirgendwo angesiedelt. Aber genau dort ist auch das Thema: in den Spielmechanismen einfach nicht vorhanden, auch wenn der Autor sich über ganze vier Seiten in der Spielanleitung Mühe gemacht hat, sein Thema ans Licht zu zerren.

Wir suchen uns anfangs aus einer offenen Auslage zwei Piloten – mit jeweils spezifischen Eigenschaften – für unsere Zeitmaschinen heraus, fliegen dann damit Runde für Runde zu insgesamt 13 möglichen Arbeitsplätzen, genannt Zeitzonen, und bekommen dort jeweils 1 bis 2 Stück von fünf verschiedenen Ressourcen – die Menge ist abhängig vom passenden Typen unseres Piloten – , oder wir rekrutieren dort weitere Piloten für bis unsere bis zu fünf Zeitmaschinen. Mit genügend gesammelten Ressourcen erfüllen wir verschiedene Missionen, die uns weitere Ressourcen und zusätzliche öffentliche Arbeitsplätze generieren. Wer als Erster drei Missionen erfüllt hat, beendet das Spiel als Sieger.

Außer Arbeitsplätzen zum Einsammeln von Ressourcen gibt es auch welche zum Tauschen derselben. Und es gibt Arbeitsplätze, von denen aus man die Zeitmaschine eines beliebigen Mitspielers krankenhausreif schlagen kann.

Eigentlich ganz einfach, nur die jeweiligen Sondereigenschaften unserer Piloten bringen Herausforderung und Paralysis ins Spiel.

WPG-Wertung: Aaron: 4 („Lustiges“ [WS: man beachte die Anführungszeichen] Ressourcensammeln, weder spannend noch interessant), Günther: 5 (Die Sondereigenschaften der Piloten sind das einzige Spielelement im Spiel, das ist etwas wenig; die Icons des Spiels sind unglücklich gewählt und helfen keineswegs, die Züge besser zu verstehen und auszuführen), Moritz: 4 (die grundsätzlichen Mechanismen sind OK, die Drohnen haben einen Designfehler [WS: der arme Moritz hätte schon drei Runden vor Günther, noch dazu als Sieger, das Spiel beenden können, wenn er eine seiner über das Spielfeld verstreut eingesetzten Drohnen hätte wieder einsammeln dürfen; dafür ist in den Regeln aber nix vorgesehen]; die Ebenen des Gegeneinander sind nicht durchdacht), Walter: 4 (kein Spaß am Auswählen unter 55 verschiedenen Piloten und ihrem optimiertem Einsetzen an 11 verschieden Arbeitsplätzen; Kingmakereffekte beim Zerschlagen von Mitspieler-Zeitmaschinen und beim Blockieren von essentiellen Arbeitsplätzen; ungelöste Startspielerproblematik: die Vorteile des Startspielers werden an keiner Stelle kompensiert.)

2. “Trio”

Kartenspiel nach Art von „Quartett“. Bei „Quartett“, dem beliebten Familienspiel aus unserer Kindheit, waren es noch vier Karten einer Sorte, die man zum Ablegen (und damit schlussendlich Gewinnen) sammeln musste. Bei Trio sind es nur noch drei. Und anstelle von Tieren, Märchenfiguren oder anderen Kultobjekten sind es schlicht gleiche Augenzahlen, die gesammelt werden müssen. Der Niedergang von Kultur und Intelligenzniveau der nachfolgenden Generation ist offensichtlich.

Soweit ich mich erinnern kann, musste man bei „Quartett“ genau die Karte benennen, die man von einem angefragten Mitspieler haben wollte. Und wenn dieser die Karten nicht hatte, kam der nächste Spieler zum Zug. Bei „Trio“ bittet man den angefragten Mitspieler, seine höchste oder niedrigste Karte vorzuzeigen. Andere dazwischen kann man nicht erfragen. Beim ersten Erfragen einer Karte geht alles gut. Beim zweiten Erfragen – vom gleichen oder von einem anderen Mitspieler – muss die gleiche Augenzahl herauskommen (fast wie bei „Quartett“). Ist das der Fall, darf man Weiterfragen und mit Glück sein „Trio“ beisammenhaben und ablegen.

Damit das Ganze aber nicht zu trivial abgespult wird, sind nicht alle Karten unter die Mitspieler verteilt, sondern einige davon liegen verdeckt in der Mitte des Tisches und müssen von dort passend herausgefischt werden.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (für mich), Günther: 6 (für Nicht-Spieler ganz nett), Moritz: 8 (für Kinder ab 7 Jahren perfekt), Walter: 4 (für mich nicht).

3. ” Sea Salt & Paper”

Ein Kartensammelspiel. Wenigstens mal wieder ein Name, unter dem wir uns beim Spielen nichts vorstellen sollen. Das „Papier“ im Namen kommt von der japanische Papierfaltkunst Origami, deren Figuren auf den Karten abgebildet sind.

Entweder ziehen wir jeweils 2 Karten vom verdeckten Stapel, behalten eine davon auf der Hand und legen die andere auf einen von zwei offenen Ablagestapeln, oder wir ziehen die oberste Karte von einem der beiden Ablagestapeln.

Sofern wir ein Pärchen auf der Hand haben, legen wir es entweder vor uns ab (und erhalten dafür in der Schlussabrechnung einen Punkt), oder wir behalten es für bessere Zeiten auf der Hand. Nach dem Ablegen eines Pärchens dürfen wir vom verdeckten Stapel, von einem der Ablagestapeln oder aus der Hand eines beliebigen Mitspielers (pfui! pfui!) eine Karte nachziehen.

Wenn wir Karten mit einer progressiven Team-Wertung auf der Hand haben, müssen wir sie dort bis zum Spielende behalten, um erst dann die hübsche finale Prämie einzustreichen – sofern uns kein Mitspieler eine unserer Teamkarten geklaut und den finalen Wert vermasselt hat.

Wer insgesamt 7 Siegpunkte bereits abgelegt oder als Teamwert noch auf der Hand hat, darf das Spiel beenden. Entweder mit „Stop“, dann zählen nur die bereits abgelegten Karten, oder als „Letzte Chance“, dann dürfen alle Mitspieler noch einen letzten Zug machen; er erhält dann eine besondere Prämie, wenn er die meisten Siegpunkte gesammelt hat; er geht dieser Prämie aber verlustig, wenn ein anderer Spieler besser war. Echt spannend!

WPG-Wertung: Aaron: 6 (für eine 4er Runde, 7 Punkte für eine 2er-Runde [WS: Aaron hatte das Spiel mit Günther via BGA schon einmal ausprobiert]), Günther: 8 (viele kleine [hübsche Spiel-] Sachen), Moritz: 7 (Interaktion mit Karten), Walter: 3 (dröges Sammelspiel glücklich gezogener Karten)

23.10.2023: Wohin geht die Reise?

1. “Reisende des Südtigris”

Mein Gott, wohin muss man noch alles reisen, um seiner Metropolis-Spielidee einen Untergrund zu geben? In RdS kaufen wir mit Geld und Säcken an definierten (privaten) Verkaufsständen mit Farben und Symbolen Zug um Zug weitere (private) Verkaufsstände mit Farben und Symbolen dazu und dürfen uns periodisch – sofern wir das jeweils geforderte Besitztum Verkaufsständen und Symbolen erworben haben – in einem Netzwerk vorwärtsbewegen, bis der erste Spieler das Ende der Leiter erreicht hat. Wer dann in dem Konglomerat an Siegpunktquellen am meisten gesammelt hat, ist Sieger.

Die Art von Verkaufsständen, die jeder Spieler nutzen darf, werden ausgewürfelt und sind anfangs eine ziemlich eklige Restriktion (an Farben und Symbolen), doch im Verlauf des Spiels kann man diese alle mehr oder weniger umgehen.

Das Thema ist praktisch Null; wenn auf dem Spielplan ein paar schwarze Kleckse mit Symbolen aufgemalt sind, hat noch keiner der Spieler das Gefühl, ein „mutiger Forscher, Kartographen oder Astronom“ zu sein.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (Interaktion ist Fehlanzeige; spannend wie eine Excel-Buchführung) , Günther: 7 (in einer komplexen und variablen Umgebung muss man flexibel auf die gegebenen Umstände reagieren, leider etwas zu viel des Guten [Aaron: Das ist jetzt der Trend.]), Moritz: 5 (kein Designfehler, akzeptable Glückselemente, aber unübersichtlich und strunz-langweilig), Walter: 3 (7 Punkte für Ingenieurleistung, aber das interessiert doch nur ein paar wenige Freaks; keine Möglichkeit, „to have a plan“; mir macht es keinen Spaß, mir einen Weg durch das Dickicht an sich ständig ändernden Optionen zu suchen, die sich ein Autorengehirn ausgedacht hat.)

2. “Cat in the Box”

Klein und fein. Eine Idee, ein Spiel!

Obwohl Walter bei unseren komplexen Spielen mit umfangreichen Optimierungsaufgaben immer abkackt, kann er hier seltsamerweise immer noch punkten.

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

11.10.2023: Stichkartenspiele aus Japan

1. “Road to Lord”

Jeder Spieler bekommt von einem gemischten Stapel 15 Karten in drei Farben mit Zahlen von 1 bis 9 ausgeteilt. Damit werden 8 Stiche ausgespielt. Wie üblich muss man Farben bedienen und wer den Stich gemacht hat, spielt zum nächsten Stich aus.

Das Besondere daran: Zu einem Stich darf man beliebig viele Karten einer Farbe zugegeben, und dabei zählen die Karten wie die einzelnen Ziffern in einer Dezimalzahl, z.B. kann man mit drei Karten schon einen Wert im Hunderterbereich bilden.

Allerdings sollte man vorsichtig sein, sich zu früh mit seinen Karten zu verausgaben: wer zu den letzten Stichen keine Karte mehr dazugeben kann, bekommt Minuspunkte.

Es gibt noch zwei besondere Kartentypen: die Null und die Doppelnull. Sie zählen genau wie die anderen Karten als Ziffern in einer Dezimalzahl, sie gehören aber zu keiner Farbe und dürfen demnach immer, d.h. unabhängig von der Stichfarbe, zugegeben werden; die Doppelnull aber nur von demjenigen, der zu einem Stich ausspielt und die Null nicht von demjenigen, der die letzte Karte zu einem Stich gibt.

Eine bemerkenswertes neues Stichsystem, dessen Effekte erst einmal verinnerlicht werden müssen.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (nicht schlecht, aber chaotisch), Günther: 7 (ungewöhnlich), Moritz: 5 (nicht sehr spannend), Walter: 8 (alles sehr übersichtlich mit viel Handlungsfreiheit; Kartenpflege ist groß geschrieben, vor allem sollte und kann man vom ersten Augenblick an eine Vision haben, wie man seine komplette Kartenhand abzuspielen gedenkt, wobei man diesen Plan mit jedem Stich an die Gegebenheiten des Spielverlaufs anpassen muss. Fast wie beim Bridge!).

2. “12 Chip Trick”

Bei Boardgamegeek steht: „a trick-taking game for exactly 3 players“, warum haben wir es dann zu viert spielen können. Problemlos ohne Ecken und Kanten? [Weil das Spiel für 2 bis 4 Spieler ist. Es werden immer genau 4 Chips pro Spieler verteilt – bei 2 Spieler gibt es einen 3. Dummy-Spieler, bei 4 Spielern gibt es die Zahlen 3,4,9 und 10 doppelt. (Aaron)]

16 Chips in den Farben rot und grün und Werten von 1 bis 12 werden an 4 Spieler ausgeteilt. Jeder bekommt also 4 Chips. Die Chips werden wie einzelne Karten reihum nacheinander zu einem Stich ausgespielt. Wer den Stich gewonnen hat, darf sich als erster einen der ausgespielten Chips wählen und in seine Ablage geben; danach wählen reihum die Mitspieler ebenfalls einen der ausgespielten Chips, nehmen ihn aber auf die Hand. Die entscheidende Regel: Solange rote Chips auf dem Tisch liegen, müssen zuerst diese genommen werden.

Der Effekt ist aber, dass jeder Spieler von Anfang bis zum Spielende genau 4 Chips besitzt, und zwar als Summe der Chips in seiner Hand und in seiner Auslage.

Spielende ist, wenn der erste Spieler alle seine Chips in seiner Auslage hat. Dann zählt die Summe der Zahlen auf den 4 Chips eines jeden Spielers als finaler Chipwert. Ein Wert größer als 21 wird halbiert. Wer dann den höchsten Chipwert besitzt, hat diese Runde gewonnen.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (lustig), Günther: 6 (pfiffig, aber auch chaotisch), Moritz: 7 (mit minimalen Mitteln ein abwechslungsreiches Spiel aufgestellt), Walter: 6 (chaotisch-lustig, spannend, ob man den Zielwert von genau 21 Punkten erreicht bzw. ihm am nahesten kommt, allerdings ist man extrem abhängig von den Zügen der Mitspieler; eine Vision, wie man seine „Kartenhand“ abspielen sollte, kann sich nicht einstellen).

3. “Faraway”

Jeder Spieler bekommt zunächst 3 Karten auf die Hand. Davon spielen alle gleichzeitig eine aus, legen sie in ihre private Auslage und ziehen von einer offenen Auslage jeweils eine neue Karte nach. Nach 8 Zügen ist das Spiel zu Ende und es erfolgt die Wertung.

Die Karten in der Auslage jedes Spielers werden einzeln in der umgekehrten Reihenfolge aufgedeckt und liefern individuelle Siegpunkte, z.B. 1 Siegpunkt für jede rote Karte oder 2 Punkte für jede Karte mit einer Ananas. (Die einzelnen Karten haben Farben, manchen zeigen Objekte, und alle tragen eine Nummer, die sie eine Reihenfolge einordnen.). Es gibt auch Karten, deren Siegpunktezuteilung ganz harten Voraussetzungen unterliegt, z.B. 17 Siegpunkte, falls man bereits 4 Geweihe offen vor sich liegen hat. Naturgemäß sind diese Voraussetzungen in den zuletzt abgelegten, d.h. in den zuerst aufgedeckten Karten noch nicht erfüllt und man geht leer aus. Wer irgendwann in seine Auslage eine solche punkteträchtige Karten auslegt, muss HOFFEN (oder – mit sehr limitierten Mitteln – darauf hinarbeiten), noch ANSCHLIESSEND Karten zu bekommen, mit denen er diese Voraussetzungen erfüllt.

Kleine Erleichterung 1: Wer die Karte mit der niedrigsten Nummer ausspielt, darf als erster aus der offenen Auslage nachziehen. Wenn er Glück hat, hat er die Wahl, wenn er Pech hat, hat er nur Qual.

Kleine Erleichterung 2: Wer eine Karte mit einer Nummer in der arithmetischen Reihenfolge spielt, also eine Karte mit einer Nummer höher als die der letzten Karte in seiner Auslage, darf von einem verdeckten Stapel Bonuskärtchen mit Objekten (und/oder Siegpunktbedingungen) ziehen, die als bereits vorhanden gelten, wenn die Siepunktbestimmung  mit dem Werten der Auslage eines Spielers beginnt. So ist es also nicht ausgeschlossen, dass auch einige Objekt-Voraussetzungen der zuerst aufgedeckten Karten erfüllt sind.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (spannend), Günther: 6 (die Mechanik ist pfiffig, gehirnverzwiebelnd, aber nicht so spielerisch), Moritz: 5 (vom Prinzip her nicht schlecht, doch die Punkteberechnung ist langweilig und die Vorbedingungen dazu sind schlecht designed), Walter: 3 (solitär, wenig Handlungsfreiheit, extrem glücksabhängig bis frustrierend; es wird eine spielerische Planung suggeriert, die aber durch die extrem schlechte Balance zwischen Voraussetzungen für Siegpunkte und ihrer Erfüllung total torpediert wird.)

4. “Heat”

Autorennen, bei dem jeder Spieler mit dem gleichen Anfangsset von Rennkarten, die wrap around gezogen und ausgespielt werden, einen Parcours bestreiten muss. Gangschaltung, Beschleunigen und Bremsen, Windschatten, schnelle Gerade und langsam zu durchfahrende enge Kurven sind alle wie gehabt.

Das Besondere sind die „Heat“-Karten, mit denen man einen „braven“ Rennverlauf durchbrechen kann und – um zu gewinnen – auch muss. Mit diesen Heat-Karten darf man schneller hoch oder runter schalten und schneller enge Kurven angehen, als es das Reglement vorsieht. Aber natürlich muss man mit den Heat-Karten auch haushalten; wer zu viel wagt, gerät ins Schleudern.

WPG-Wertung: Aaron: 8 (spielt sich sehr intuitiv), Günther: 8 (der Heat-Mechanismus ist sehr gut), Moritz: 8 (spannend, gut designed und schnell), Walter: 8 (flexibel, spielerisch mit einer ganzen Reihe von taktischen Finessen.)

27.09.2023: Dorfromantik und mehr

1. “Dorfromantik”

Nolens volens hat sich Aaron dieses Spiel-des-Jahres-2023 zugelegt, obwohl er schon unmittelbar nach dessen Kür die Nase gerümpft hatte. Aber das ist ja das übliche Ritual, an dem wir Vielspieler alljährlich nicht drumrum-kommen.

Kooperativ fügen wir quadratische Plättchen mit Landschaftstypen (Feld, Wald, Wiese, Stadt, Bahn Fluss)  zusammenhängend zu einem beliebigen Gebilde auf dem Tisch. Nur Teile mit Flüssen und Bahnen müssen passend gelegt werden, bei den anderen Landschaftsarten ist es wurscht.

Beim Legen müssen fortlaufend topologische Aufgaben erfüllt werden, z.B. 4 Waldstücke, 5 Stadteile, 6 Felder usw. nebeneinander.

Dabei  hat jeder Spieler immer nur ein einziges Plättchen auf der Hand, das er „optimal“ auf das  Gebilde am Tisch einfügen soll. Ratschläge durch die Mitspieler sind erwünscht, aber nach einer gewissen Spielerfahrung nicht mehr notwendig. Aber auch das ist wurscht. Es gibt keinen individuellen, persönlichen Ehrgeiz, dem Team zum größten Punktesegen verholfen zu haben.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (im Prinzip ein Solitärspiel), Günther: 6 (es hat irgendwie doch Spaß gemacht), Moritz: 7 (chillig [so viel wie „entspannt“] und locker), Walter: 5 (ziemlich repetitiv und schnell ausgelutscht, auch wenn uns der eingebaute Fortschritts-Mechanismus eine Weile bei der Stange hält).

2. “Mille Fiori”

Günther traute sich gar nicht, den thematischen Abschnitt aus der Spielregel vorzulesen. Den brauchten wir dann wenigstens auch nicht zu kritisieren.

Es gibt sechs farbige Arbeitsbereiche, auf denen wir uns engagieren können, indem wir dort unsere Duftmarken hinterlassen.

  • In Orange bekommen wir Punkte, je größer die zusammenhängende Fläche unserer Duftmarken ist.
  • In Lila bekommen wir unterschiedlich viel Basispunkte für jede einzelne Duftmarke und dazu noch Punkte für zusammenhängende Ketten.
  • In Grün (hell und dunkel) bauen wir Pyramiden und bekommen Punkte entsprechend der Höhe, auf der wir unsere Duftmarke platzieren können.
  • In Blau (hell und dunkel) produzieren wir Waren und bekommen in quadratisch steigender Menge Punkte für gleichartige Waren. Und ebenfalls quadratisch steigend sind die Punkte, wenn wir die Waren virtuell abtransportieren können.

Wer sich auf den verschiedenen Arbeitsbereichen in vorgeschriebener Weise differenziert hat, grast zusätzlich gewaltige Bonuspunkte ab. Und wer mit seinen Duftmarken wohldefinierte Muster erzeugt, darf gleich noch einen weiteren Zug machen.

Ja, wenn wir nur ein bisschen Freiheit hätten, uns in gewünschter und geplanter Weise auf den Arbeitsbereichen zu engagieren! Aber nix da. Pro Phase bekommt jeder Spieler fünf Karten auf die Hand, die genau die Koordinaten vorgeben, an denen wir Duftmarken ablegen können. Eine davon dürfen wir auswählen, die restlichen geben wir an unseren linken Nachbarn weiter und bekommen dafür vom rechten Nachbarn dessen restliche Karten. Zuerst vier, dann drei und dann zwei. Die letzte Karte wird nicht mehr genutzt. Riesenauswahl! Und jedes Mal unbekannt, was uns da geboten wird. Kartenpflege Null!

Reiner Knizia fungiert als Autor des Spieles. In kaum einem seiner tausend erfundenen Spiele hat er den Spielern so wenig Freiheit gelassen.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (zu viel Brimborium für zu wenig Effekt, man lebt von der Hand in den Mund, die Balance zwischen Frust und Erfolg stimmt nicht), Günther: 5 (das Spiel besitzt viele hübsche Stellen, einen Knizia mussten wir halt auch mal wieder ausprobieren), Moritz: 5 (zu wenig Handlungsfreiheit, zu viele Noten), Walter: 5 (das Spiel bietet keinen Peil, es planmäßig anzugehen [Günther: ist doch gut so!], Wir träumen von optimalen Karten und backen schließlich doch nur kleine Brötchen, während unsere Mitspieler plötzlich ganz unverhofft einen gigantischen Reibach einheimsen. Oder umgekehrt).

3. “Order Overload Cafe”

Kooperatives Memory. Ein „Vorleser“ zieht aus einem Stapel von Bestellungskarten in steigender Menge 4, 8, 12, 16 … Bestellungen und liest sie vor, z.B. „Espresso“, „Eistee mit Milch“ oder „Schokocroissant“. Anschließend verteilt er die Karten verdeckt an die Mitspieler und diese müssen nun reihum eine der vorgelesenen Bestellungen nennen, bis alle vorgelesenen Bestellungen wieder memorisiert und abgelegt wurden. Oder bis sich keiner mehr an noch offene Bestellungen erinnern kann und alle gemeinsam das Spiel verloren haben.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (das Spiel ist nix für mich, aber das Design funktioniert), Günther: 4, Moritz: 3 (glücklicherweise haben wir gelacht [über unsere geölten Gedächtnisse], obwohl es eigentlich nichts zu lachen gibt), Walter: (Kein Spiel für alte Herren. Schon bei „Sagaland“ komme ich mit meiner Enkeltochter nicht mehr mit.).

4. “Town 66”

Jeder Spieler hat jeweils vier Plättchen auf der Hand, von denen reihum immer eines innerhalb einer 6 mal 6 Matrix abgelegt werden muss. Danach zieht er verdeckt ein neues Plättchen.

Die Plättchen gibt es in 6 verschiedenen Farben mit jeweils 6 verschiedenen Mustern. Beim Ablegen ist zu beachten, dass in keiner Zeile und keiner Spalte eine Farbe oder ein Muster doppelt vorkommen darf. Wer kein Plättchen mehr ablegen kann, scheidet aus. Wer am längsten ablegen kann, hat gewonnen.

Im Gegensatz zu „Order Overload“ hatten wir die Spielregel im Nu begriffen und das Spiel in fünf bis 10 Minuten absolviert. Natürlich war damit die 6×6-Matrix noch lange nicht gefüllt.

Mitternacht war schon vorbei, aber wir versuchten noch geschlagene zwei Stunden, kooperierend die Plättchen neu zu ordnen, um damit die Matrix zu füllen. Es gelang uns nicht. Günther konnte dann die zunächst verblüffende Tatsache demonstrieren, dass nicht einmal eine 2×2-Matrix gefüllt werden kann. (Trivial.) Bei einer 3×3-Matrik ist es hingegen leicht und auch bei einer 4×4 Matrik präsentierte Günther durch konsequentes Ausschließen von Sackgassen noch relativ schnell eine Lösung. Mehr schafften wir nicht mehr.

Am nächsten Morgen verschickte Günther eine analytische Untersuchung: „https://www.ams.org/publicoutreach/feature-column/fcarc-latinii1“. Fazit: Schon der gute Euler hat sich mit diesem Problem beschäftigt. Heutiges Wissen: Für ALLE Dimensionen außer 2 und 6 gibt es Lösungen!!

Aaron fragte unverzüglich beim Co-Autor Christoph Cantzler nach, ob ihm diese Unlösbarkeit bei der 6×6-Matrix bekannt gewesen sei? Dessen Antwort: „Tatsächlich: bei TOWN 66 können zwei Plättchen nicht regelkonform gelegt werden. Die Regel sagt deshalb, dass wir zwei Plättchen mit der farbigen Rückseite ablegen dürfen.
Jetzt kommen aber die News: Wir hatten das Spiel als 7×7 Raster entwickelt. Da können tatsächlich – mit viel, viel Zufall – alle Plättchen untergebracht werden. Wir haben uns dann aber für 6×6 entschieden und haben “das Problem” zu spät erkannt und dann “regeltechnisch” gelöst. Das Schöne: Nächste Woche wird in Essen TOWN 77 vorgestellt. Es löst TOWN 66 ab.

Unsere einhellige Meinung: Auch oder gerade weil die 6×6-Matrix nicht vollständig gefüllt werden kann, bietet Town-66 einen zusätzlichen spieltaktischen Reiz.

Die WPG-Wertung wurde nicht abgefragt, aber das kleine Spiel funktioniert, und sogar mehr als das. 6 Punkte von Walter.

30.08.2023: Planet Unknown

Jeder Spieler hat ein eigenes Spielfeld vor sich, in dem ein Kreis im Zeilen und Spalten eingeteilt ist. Mit Tetris-artigen Bausteinen muss er ihn füllen; am Ende werden komplett gefüllte Zeilen und Spalten honoriert.

Die Bausteine werden von einem Rondell genommen, wobei jedem Spieler pro Zug nur ein Sektor mit zwei verschiedenen Tetris-Formen zu Verfügung steht. Reihum abwechselnd dreht jeweils ein Spieler das Rondell so, dass sich die von ihm gewünschte Form in seinem Sektor befindet. Die anderen müssen damit leben, was ihnen auf diese Weise zugeschustert wird.

Auf einige Bausteine müssen beim Einbauen auch noch Meteore gelegt werden, die mittels eines Fahrzeugs abgeräumt werden müssen, sonst zählt die entsprechende Zeile und Spalte nicht als gefüllt.

Die einzelnen Bausteine sind zweifarbig, und entsprechend der Auswahl steigt man in zugehörigen Entwicklungsskalen aufwärts, bekommt Dummy-Plättchen zu Füllen von Löchern, Bewegungspunkte für das Fahrzeug, Siegpunkte, verschiedene Prämien oder Bonuskarten mit ähnlichen Vorteilen.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (das Spiel hat keine Emotionen geweckt. Das Rondell ist bemerkenswert, der Rest ist repetitiv, ich habe dabei eine Steigerung vermisst; die Bonuskarten sind nicht ausbalanciert; situationsbedingt bekommt man super Karten [, die 10 bis 20 Prozent der gesamten Siepunkteausbeute ausmachen können,] oder auch Luschen [zum in der Pfeife rauchen.], Günther: 6 (ich finde die Progression auf den Entwicklungsleisten OK), Walter: 6 (das Tetris-Prinzip mit der Rondell-Auswahl ist konstruktiv und herausfordernd, ansonsten läuft das Spiel ziemlich solitär ab.)

Wir haben ohne die Ereigniskarten gespielt. Die dort verzeichneten Effekte, z.B. Vorwärts- oder Rückwärts-Ziehen auf den Entwicklungsskalen, hätten unsere Wertungen eher nach unten gedrückt.

23.08.2023: Autobahn

Via bunten Aktionskarten bauen wir bunte Autobahnen und transportieren darauf Güter zwischen Erzeuger- und Verbraucherstädten.

Das Ganze ist aufgepäppelt mit einem Sammelsurium an Seiteneffekten und eingezwängt in ein Korsett von farblichen Randbedingungen.

Auf das natürliche Transportnetz ist ein künstliches Wertungssystem aufgebaut, das zu extremen Ausprägungen führt.

WPG-Wertung: Aaron: 4 (gute Ideen sind leider richtig schlecht zusammengestellt; es passieren laufend vorhersehbare und unvorhersehbare Dinge, auf die man keinen Einfluss hat; die Endwertung fühlt sich chaotisch an), Günther: 6 (konstruktives Bauen und Werkeln, thematisch ansprechend; es dauert nur etwas lange), Moritz: 6 (kein schlechtes Design, aber viele Spielmechanismen können nicht ausgereizt werden; es gibt eine Abhängigkeit von Effekten, die nicht beeinflussbar sind), Walter: 6 (für die umfangreiche Ingenieursarbeit, die darinnen steckt; das Spielbrett ist undurchsichtig, Anfang- Ende und Verlauf der farbigen Autobahnen ist nach dem Ausbau nur schwer zu erkennen; die Behandlung der Wertigkeit der Kreuzungspunkte ist lästig und fehleranfällig; auch sonst gibt es eine Menge Fehlerquellen, die unnötige Konzentration abfordern; das finale Ummünzen von Aktionen in Siegpunkte ist sehr undurchsichtig. Darf es sein, dass ein Spieler allein dadurch, dass er zufälligerweise (!) mit dem Bauen des letzten Autobahnstücks das Spielende herbeiführt, damit ein Drittel seiner Siegpunkte generiert?!

13.7.2023: Alles Schnaps

1. “Destilled”

Kein Workerplacement, wie die letzten hunderttausend Spiele, die die Neuentwickelungen auf dem Markt beherrschen, sondern ein Wirtschaftsspiel um die Herstellung von Spirituosen.

Materialschlacht in „Destilled“

Jeder Spieler hat einen kleinen Keller, in dem alkoholische Gärung stattfindet; er muss dazu entsprechende Zutaten kaufen, neben Wasser und Hefe natürlich zuckerhaltiges Getreide und/oder Früchte. Einige dieser Zutaten liegen billig (bis zu kostenlos) herum; darf man sich davon pro Runde aber nur zweimal bedienen. Die hochwertigeren Zutaten, hochwertig im Sinne von höherem Zuckergehalt und mehr Siegpunkten, muss man sich auf dem offenen Markt dazukaufen. Hier ist eine leichte Konkurrenz gegeben, wenn die Mitspieler – zufällig – das gleiche Produkt herstellen wollen und der Markt von unserer begehrte Zutat leergefegt ist.

Die fertig destillierten Spirituosen kann man sofort verkaufen oder einlagern. Claro, Sofortverkauf macht finanziell flüssig, Einlagern bringt Qualität und mehr Siegpunkte. Zum Einlagern braucht man aber auch eigens Fässer, die einen Batzen Geld kosten und uns in der Anfangsphase finanziell fast ruinieren. Zudem muss man für gute, lagernswerte Spirituosen auch noch das Label kaufen, was ebenfalls unsere Kasse strapaziert. Trotzdem ist das eine lukrative Wirtschaftsmethode, denn einmal eingelagert erhalten die Alkoholika danach ohne jegliches Zutun von unserer Seite erhebliche Wertzuwächse. (Glücklicherweise kann man Siegpunkte rückwärts in Geld verwandeln und sich so ein kleinwenig Kredit besorgen.)

Vorhandene Geldmittel können / sollten wir auch für Zubehör wie Edelfässer und spezielle Abfüllgefäße, oder auch in Mitarbeiter investieren, die beim Einkauf- und bei der Vermarktung Vorteile bringen. Alles unser Tun landet in einem ausgewogenen Verhältnis von Ausgaben (in Form von Geld) und in Einnahmen (in Form von Geld und Siegpunkten). Natürlich gilt auch hier der 1830-Leitspruch: “keep fully invested”.

An vielen Stellen sind dosierte Zufallsmechanismen mit Weichmachern eingebaut, so dass nicht jeder Schritt in Aktion und Reaktion berechenbar ist, aber Tränen brauchen dabei nicht zu fließen.

Thematisch werden wir sehr gut in die Spirituosenherstellung der Welt eingeführt. Alle Begriffe und alle Spielmechanismen stammen daher und sind wohl begründet. Die Spielanleitung ist ein Gedicht! Es macht Spaß, sich die Zutaten für sein Zielgebräu zusammenzusuchen, den daraus resultierenden Alkoholgehalt zu registrieren und seine Produkte in Form von Rum, Whiskey, Gin, Cachaça (hallo Günther: Katschassa) einzulagen und/oder zu verkaufen, und seine anfangs kleine Hobby-Destillerie zu einem kapitalkräftigen Unternehmen zu entwickeln.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (spielt sich flotter als gedacht, man kann immer etwas machen; der Fasskeller hat mich [anfangs] nicht vom Hocker gerissen [WS-Ergänzung: „, aber später habe ich doch ganz schön Profit dabei gemacht), Günther: 7 (schönes Spiel, konstruktiv, viele gute Kombiniermöglichkeiten, sogar das Thema ist OK), Walter: 8 (rundes, klares Spiel; Zielvorgaben und andere Schnörkel sind fast überflüssig; das Spiel läuft auch so für jeden Spieler in eine andere, wählbare Richtung; mich erinnert es sehr an „Grand Cru“, das mir Aaron auf der Spiel 2010 in Essen geschenkt hat; dieses Spiel hatte in der Versteigerung der Trauben leider einen Geburtsfehler; es hat mir aber trotzdem gut gefallen; schließlich komme ich selber aus einer fränkischen Weinbaugegend.“

14.06.2023: Da war doch noch was

Richtig, vor meinem Urlaub Ende Juni haben wir noch ein bemerkenswertes Spiel gespielt.

2. “Federation”

Ein Workerplacement-Spiel.

Setzmatrix in „Federation“

Das Herzstück ist der Setzmechanismus: Jeder Spieler hat vier VERSCHIEDENE Pöppel, die er mit unterschiedlicher Wirkung mit der Vorderseite oder Rückseite auf die Felder eine 3 x 6-Matrix setzen kann und entsprechende Aktionen ausführen kann. Im Wesentlichen geht es um ein Engagement auf sechs verschiedenen Planeten, die entweder kostenlos Ressourcen gewähren, Ressourcen in höherwertige Ressourcen eintauschen lassen, oder Quellen für Ressourcen erschließen.

Das Setzen hat aber nicht nur punktuell auf den Feldern der Matrix eine Bedeutung, sondern löst am Ende jeder Runde, kombiniert mit allen Setzsteinen aller Mitspieler zeilenweise horizontal oder spaltenweise vertikal noch weitere Effekte aus: Erstens kann man damit die Mehrheit für denjenigen Planeten beeinflussen, der nach dieser Runde die Belohnungen ausschüttet, und zweitens kann man damit in der Setzmatrix Zeilen-Mehrheiten erringen, womit weitere Siegpunkte ausgeschüttet werden.

Günthers wie immer äußerst gewissenhafte und kompetente Spiel-Erklärung dauerte 1 Stunde 45 Minuten. Die erste Runde hatten wir nach 35 Minuten absolviert, die zweite Runde in 30 Minuten, und für die gesamten fünf Runden brauchten wir 3 Stunden 10 Minuten. – Was hätten wir auch sonst am Mittwochabend tun sollen?

WPG-Wertung: Aaron: 5 (die Interaktion wirkt eher wie ein Störelement; die Spieldauer ist zu lang; entweder überlegt man NOCH länger, oder man spielt einfach drauf los, aber das können unsere Cracks am Westpark nicht), Günther: 8 (große Handlungsfreiheiten), Moritz: 7 (die Konkurrenzen auf dem Setz-Tableau sind hübsch, die Tiefe gefällt mir, die Punkteausschüttung ist organischer als die üblichen Rosenbergs), Walter: 5 (ein riesengroßer Punktesalat ohne stromlinienförmige Ausrichtung; die enormen Effekte der Sonderplättchen bringen vollends unberechenbares Chaos in das Geschehen).

21.06.2023: Und da war doch noch etwas

Vielleicht auch am 28. Juni. Wer weiß das schon. Da war Moritz der Gastgeber. Aber wenn wir nicht am Westpark spielen, schreibt keiner mehr einen Session-Report. Vielleicht jetzt vom Westpark auch nicht mehr.

Wir Westpark-Gamers werden wohl noch ein Weilchen miteinander Spiele entdecken und spielen, normalerweise sogar regelmäßig jede Woche, auch wenn das hier auf unserer Seite nicht so aussieht. Aber dies hier könnte der letzte Session-Report gewesen sein, den wir veröffentlichen. Mehr als 20 Jahre haben wir hier unseren Senf zu den Spielen der Welt dazugegeben, 794 Session-Reports sind entstanden.

Doch wir werden älter; unsere Spielerfahrung hat zweifellos ein beachtliches Niveau erreicht, aber die Spieleentwicklung hat damit nicht Schritt gehalten. Es gibt kaum mehr solche Volltreffer wie „AZUL“, wo mit wenig Mitteln, aber mit ein oder zwei zündenden Ideen ein Spiel mit einem ganz neuen Spielgefühl entwickelt wird. Ohne die kreativen Entwicklungen der letzten Jahre pauschal mit den Immer-Mehr-Masse-Kickstarter-Produkten über einen Kamm scheren zu wollen, gilt für mich: Ich möchte mehr sehr gute Spiele aus Gegenwart und Vergangenheit spielen und weniger mäßige Lieschen-Einstein-Müller-Spiele von Morgen beschreiben. Und meine Mitspieler sind des Schreibens, sogar des simplen Kommentierens schon lange müde.

Vielen Dank an den harten Kern unserer Leserschar für Eure Lesegeduld. Wir bleiben im Spiel.

Der harte Kern der Westpark-Gamer

07.06.2023: Daimyo

Sagt ein Planet zum andern: „Du siehst aber blass aus, was hast Du denn?“ – „Ich habe Homo Sapiens!“ – Mach‘ Dir nix darauf, das geht vorbei.“

Daimyo – Würfel und Spielplan

In Daimyo ist diese Krankheit schon vorbeigegangen, aber die nächste Welle stehe vor der Tür, und wir sollen der neue Kaiser werden. Doch lassen wir das Thema, es ist alles Schmus und wird am Westpark – mit wenigen Ausnahmen – weder erwünscht noch delektiert.

Daimyo hat 6 Farbstränge auf „Inseln“, auf denen jeder Spieler mit je einem Marker vorrückt, und wo nach jeder von fünf Runden die beiden Führenden mit Siegpunkten bedacht werden, die restlichen Spieler aber leer ausgehen.

Wie rückt man vor?

1. Indem man Gouverneure auf die Regierungssitze der Inseln schickt. Pro Zug kann man beliebig viele Gouverneure rekrutieren, aber man muss Ressourcen dafür bezahlen; die Puste geht schnell aus.
Bei Erntezügen liefern die Gouverneure Ressourcen.

2. Indem man Meuchelmörder auf die Inseln schickt und fremde Gouverneure killt. Damit rückt man zwar nicht selber vor, der fremde Spieler aber zurück, was sinngemäß fast auf das Gleiche herauskommt.

3. Indem man „Funktürme“ auf den Inseln baut. Die sind zwar nicht ressourcen-trächtig, können dafür aber nicht gemeuchelt werden.

4. Indem man Quartette in den Farben der Inseln sammelt.

Als weitere mögliche Aktionen sind geboten

1) „Technofarmen“ auf den Inseln bauen. Damit rückt man zwar nicht direkt vorwärts, aber in Erntezügen liefern sie – wie die Gouverneure – Ressourcen; und man kann sie ebenfalls nicht meucheln.

2) Erntezüge abhalten und damit für alle Gouverneure und Technofarmen die zugehörigen Ressourcen einkassieren.

3) Lagerkapazität für Quartett-Teile erhöhen. Diese ist nämlich begrenzt, und wenn das Lager voll ist darf man keine neuen Quartett-Teile aufnehmen. Mit diesem Zug sind gleich drei weitere Nebenaktionen verbunden: Ressourcen nehmen, Quartett-Teile nehmen, Gouverneur versetzen oder Heldenkarten ziehen.

Ja die Heldenkarten! Am Ende einer Runde darf jeder Spieler noch eine Heldenkarte kaufen. Muss er aber nicht. Und bezahlen muss er dafür auch. 40 verschiedene Heldenkarten gibt es, fünf davon stehen jeweils zur Auswahl. Und was machen die? Sie liefern Ressourcen, sie erlauben den Tausch von Ressourcen, sie rekrutieren und versetzen Gouverneure, sie schenken Quartett-Teile oder gewähren ein paar andere Vorteile dieser Art.

Und WANN arbeiten die Helden?  Ach richtig, jetzt kommen wir zum entscheidendsten und spielerischsten Element von Daimyo. Unsere Aktionen werden von stinknormalen Hexawürfeln gesteuert, 13 Stück an der Zahl. Ein Spieler wirft alle Würfel auf einmal, und pro Zug darf sich ein Spieler einen Würfel davon nehmen und die zugehörige Aktionsgruppe ausführen. Mit roten Würfeln werden Personen und Gebäude gekauft, mit grünen Würfeln wird geerntet (Ressourcen bzw. Quartett-Teilchen) und mit blauen Würfeln wird die Lagerkapazität erhöht und der zugeordnete Schnickschnack ausgeführt. Bei 4 Spielern sind nach je 3 Zügen 12 Würfel verbraucht, 1 Würfel bleibt übrig und eine Runde ist zu Ende.

Wo bleiben die Helden? Wenn die Augenzahl des gewählten Würfels (oder eine beliebig kombinerte Summe der Augenzahlen aller in einer Runde gewählten Würfel) der Ordnungszahl eines unsere Helden gleichkommt, dann darf man den Effekt dieses Helden nutzen. Und wenn am Ende einer Runde die Summe unsere gewählten Würfel 12 übersteigt, kommen ebenfalls spielerspezifische Vorteile zum Tragen.

Soweit so gut. Fast übersichtlich. Es wird aber komplizierter. Sobald wir ein Gebäude gebaut haben, wird damit eine „Nebenaktion“ frei, die wir einer beliebigen „Hauptaktion“ zuordnen dürfen. Nebenaktionen sind wieder Ressourcen-Nehmen, Figuren rekrutieren oder Gebäude bauen.

Bei eingeschwungenem Spiel muss jeder Spieler bei seinem Zug überlegen:
• welchen der restlichen Würfel (2 bis 13) er wählt (, bevor ein Mitspieler den letzten Würfel der benötigten Farbe und/oder der lukrativen Augenzahl wegnimmt),

• mit dem er – in Kombination mit den bereits früher gewählten Würfeln – einen in der aktuellen Situation lukrativen Helden aktivieren kann und damit vielleicht gerade noch die Ressourcen bekommt,

• um Gouverneure oder Meuchelmörder in der gewünschten Anzahl zu rekrutieren bzw. Quartette zu vervollständigen, die ihn auf den sechs Inseln in Positionen zu bringen, von denen er in Summe am meisten profitiert,

• und wo er auch noch die bei seinem aktuellen Besitzstand profitabelste Nebenaktion ausführen darf.

Ist es da ein Wunder, dass wir neben den anderthalb Stunden Einführung (von Günthers Vortrag her vollständig, aber bei der begrenzten Gedächtnisleistung erheblich fehleranfällig) geschlagene dreieinhalb Stunden brauchten, um pro Kopf unsere 15 Züge durchzuführen?

Am Ende werden nicht nur die pro Runde aufgesammelten Siegpunkte durch Insel-Prioritäten addiert, sondern es gibt auch noch progressiv steigende Siegpunkte für die gesammelten Quartette, für gebaute Funktürme und Technofarmen, für Helden und übrig gebliebenen Ressourcen. Dazwischen gibt es auch noch Siegpunkte für erfüllte „Zielkarten“. Jede Menge Holz.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (bis zum Mittelspiel hat mir das Spiel sehr gut gefallen, dann habe ich die Lust daran verloren, zu viel Brimborium), Günther: 5 (Tendenz zu plus; ein paar Sachen sind zu viel; das Spiel sollte nur zu dritt gespielt werden), Moritz: 4 (kein gutes 4er Spiel, das Spiel erinnert mich an alles, war ich am Rosenberg nicht mag), Walter: 5 (die Prioritätenjagd macht mir keinen Spaß, die Meuchelmörder sind spieltechnisch zwar notwendig aber spielpsychologisch – für mich – schlecht und beinhalten dazu noch einen Kingmaker-Effekt; das Material ist gut, aber die Graphik des Spielplans ist extrem unübersichtlich).